E&W Oktober 2009 - GEW
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Foto: Schulverbund Lesum<br />
Helmuth<br />
Schnitger<br />
Alle Gehaltstabellen für<br />
Lehrkräfte finden Sie im<br />
Internet unter:<br />
www.gew.de/Gehalt.ht<br />
ml.<br />
„Wir müssen nach Arbeitsleistung bezahlen“<br />
Lehrkräfte werden für gleiche Arbeit<br />
oft unterschiedlich bezahlt. Bei den bevorstehenden<br />
Verhandlungen mit der<br />
Tarifgemeinschaft deutscher Länder<br />
(TdL) über die Entgelte von angestellten<br />
Lehrkräften will die <strong>GEW</strong> versuchen,<br />
zumindest innerhalb dieser Beschäftigtengruppe<br />
die Ungerechtigkeiten<br />
zu beseitigen. Auf die Beamtenbesoldung<br />
hat die Gewerkschaft dagegen<br />
keinen direkten Einfluss. Wie sich<br />
die ungleiche Bezahlung auf den<br />
Schulalltag auswirkt, schildert Helmuth<br />
Schnitger, Direktor der integrierten<br />
Sek. I-Gesamtschule „Schulverbund<br />
Lesum“ in Bremen. Der 60-<br />
Jährige ist auch einer von zwei Vorsitzenden<br />
der Schulleitungsvereinigung<br />
Bremen.<br />
E &W: Herr Schnitger, Ihre Gesamtschule<br />
mit fast tausend Kindern hat mit 75 Lehrkräften<br />
ein besonders großes Kollegium. Haben<br />
Sie mal nachgezählt, wie viele unterschiedliche<br />
Gehalts- und Besoldungsstufen in<br />
Ihrem Kollegium vertreten sind?<br />
16 Erziehung und Wissenschaft 10/<strong>2009</strong><br />
Interview mit dem Bremer Schulleiter Helmuth Schnitger über ungerechte Vergütungen<br />
Helmuth Schnitger: Nachgezählt habe<br />
ich nicht, aber ich weiß, dass unter den<br />
normalen Lehrkräften Beamte mit A 12<br />
sind, einige mit A 12a, andere mit A 13,<br />
außerdem eine Reihe von Angestellten,<br />
die unterschiedlich bezahlt werden. Von<br />
einer Kollegin weiß ich, dass sie nach<br />
dem Tarifvertrag der Länder (TV-L) 10<br />
beschäftigt wird, die anderen in der Regel<br />
nach TV-L 12. Und ich habe noch<br />
Honorarkräfte.<br />
E &W: Die werden besonders schlecht bezahlt?<br />
Schnitger: Das ist gestaffelt. Ich habe<br />
hier einige noch nicht fertig ausgebildete<br />
Lehrer mit erstem Staatsexamen – die<br />
bekommen ungefähr 20 Euro brutto<br />
pro Stunde. Und einen Studenten, der<br />
noch deutlich weniger erhält.<br />
E &W: Leisten die meisten Ihrer Lehrkräfte<br />
die gleiche oder jedenfalls gleichwertige Arbeit?<br />
Schnitger: Das machen sie durch die<br />
Bank. Wir setzen die Kolleginnen und<br />
Kollegen nicht nach ihren Gehaltsstufen<br />
ein, sondern nach ihren Fähigkeiten<br />
und Neigungen. Es kann also durchaus<br />
sein, dass in einer Klasse ein Mathematiklehrer<br />
eine Beamtenbesoldung nach A<br />
Cartoon: Thomas Plaßmann<br />
13 hat, und in der Parallelklasse unterrichtet<br />
ein Kollege eine ähnliche Schülergruppe<br />
für niedrigeres Angestellten-<br />
Entgelt. Von den Bruttozahlen her sind<br />
die Vergütungen zwar zunächst weitgehend<br />
gleich, aber bei den Angestellten<br />
bleibt wegen der Sozialabgaben unterm<br />
Strich wesentlich weniger übrig. Eine<br />
Kollegin, die bisher angestellt war, ist<br />
kürzlich verbeamtet worden; das war für<br />
sie ein Sprung um 300 bis 350 Euro netto<br />
mehr im Monat.<br />
E &W: Haben Ihre Lehrkräfte auch noch<br />
unterschiedlich große Stundendeputate?<br />
Schnitger: Nein, bei uns nicht. Sie unterrichten<br />
durchgängig 27 Stunden pro<br />
Woche. Nur wegen der verschiedenen<br />
Fächer sind der reale Arbeitsaufwand<br />
und die Belastung unterschiedlich.<br />
E &W: Wie groß ist denn insgesamt die Unzufriedenheit<br />
im Kollegium über die Ungleichbehandlung?<br />
Schnitger: In Deutschland herrscht ja<br />
eine andere Kultur als in anderen Ländern.<br />
Ich habe noch nicht erlebt, dass jemand<br />
seinen Gehaltszettel herumreicht.<br />
Aber ich merke die Unzufriedenheit<br />
dann, wenn ich Sonderaufgaben<br />
verteilen möchte, die über das normale<br />
Maß hinausgehen. Allerdings ist es<br />
nicht so, dass wir jeden Tag die große<br />
Diskussion über das Gehalt hätten.<br />
E &W: Entstehen da auch persönliche Animositäten<br />
oder gar Neidgefühle?<br />
Schnitger: Nein, das kann ich so nicht<br />
sagen.<br />
E &W: Sie persönlich wären aber für eine<br />
Angleichung der Gehälter?<br />
Schnitger: Wenn wir dahin kommen,<br />
dass wir die Arbeitsleistung bezahlen, ist<br />
es wichtig, dass alle das gleiche Gehalt<br />
bekommen. Über welchen Weg ein Kollege<br />
an unsere Schule gekommen ist, ob<br />
als Gymnasiallehrer oder „nur“ als<br />
Haupt- und Realschullehrer, spielt für<br />
unsere tägliche Arbeit keine Rolle. Unsere<br />
Kollegen unterrichten alle Schüler:<br />
der Gymnasiallehrer auch in unteren<br />
Leistungsniveaus und der Haupt- und<br />
Realschullehrer auch in den gehobenen<br />
Kursen, wenn er dazu befähigt ist. Wir<br />
schauen da nicht nach der formalen<br />
Qualifikation, sondern ob jemand<br />
pädagogisch geeignet ist, um in bestimmten<br />
Lerngruppen zu arbeiten. Nur<br />
das zählt.<br />
Interview: Eckhard Stengel,<br />
freier Journalist