E&W Oktober 2009 - GEW
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Foto: dpa<br />
Eva-Maria Stange<br />
war Wissenschafts-<br />
und<br />
Kunstministerin<br />
in Sachsen. Sie ist<br />
Bundesvorsitzende<br />
der Arbeitsgemeinschaft<br />
für<br />
Bildung in der<br />
SPD. Von 1997 bis<br />
2005 war die Mathe-<br />
und Physiklehrerin<strong>GEW</strong>-Vorsitzende.<br />
Bessere Lehrerausbildung<br />
12 Erziehung und Wissenschaft 10/<strong>2009</strong><br />
Interview mit Sachsens Ex-Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange<br />
Mit einer gemeinsamen Lehrerausbildung<br />
für alle Lehrkräfte geht das Land<br />
Sachsen neue Wege. Aber mit welchen<br />
Konsequenzen? Ein E&W-Gespräch<br />
mit der Ex-Wissenschaftsministerin<br />
und ehemaligen <strong>GEW</strong>-Vorsitzenden<br />
Eva-Maria Stange (SPD).<br />
E &W: Seit 2006 beschreitet Sachsen in der<br />
Lehrerausbildung einen bundesweit einmaligen<br />
Weg. Jeder Studierende wird fünf Jahre<br />
an der Universität ausgebildet – egal, ob er<br />
oder sie später an einer Grundschule oder einem<br />
Gymnasium unterrichtet. In den meisten<br />
Ländern meint man noch, Physik-Leistungskurs-Lehrkräfte<br />
müssten mehr und länger<br />
lernen als ABC-Schützen-Unterrichter.<br />
Eva-Maria Stange: Das ist eine verbreitete,<br />
aber falsche Annahme! Sachsen hat<br />
nichts anderes getan, als aus den PISA-Befunden<br />
die logische Konsequenz zu ziehen:<br />
Wer Bildungschancen und soziale<br />
Herkunft entkoppeln will, muss dafür<br />
sorgen, dass Kinder von klein auf von<br />
professionell und gründlich ausgebildetem<br />
Personal unterrichtet werden. Eine<br />
kürzere Ausbildung für Grundschullehrkräfte<br />
ist kontraproduktiv. Uns sind aber<br />
noch weitere Dinge geglückt: Wir haben<br />
die Bildungswissenschaften deutlich ausgebaut.<br />
Und: Alle angehenden Lehrerinnen<br />
und Lehrer werden drei Jahre lang gemeinsam<br />
ausgebildet.<br />
E &W: Wie sieht das sächsische Modell konkret<br />
aus?<br />
Stange: Die Studierenden erwerben<br />
zunächst einen polyvalenten Bachelor,<br />
der sie für das Lehramt an Grund- und<br />
Mittelschulen ebenso qualifiziert wie<br />
für das höhere Lehramt an Gymnasien.<br />
In diesen drei Jahren wählen sie zwar einen<br />
Schwerpunkt; die meiste Zeit studieren<br />
aber alle zusammen. Die Festlegung<br />
auf einen Schultyp erfolgt erst bei<br />
der Anmeldung zum Masterstudium.<br />
Uns war wichtig, dass die Studierenden<br />
praktische Erfahrungen sammeln, bevor<br />
sie entscheiden, mit welchen Schülerinnen<br />
und Schülern sie arbeiten wollen.<br />
Das zweijährige Masterstudium bereitet<br />
dann fachlich, didaktisch und<br />
pädagogisch vertieft auf den Unterricht<br />
in einer spezifischen Schulform vor.<br />
E &W: Ein großes Manko der deutschen<br />
Lehrerausbildung ist die fehlende Praxis in<br />
der ersten Phase...<br />
Stange: Wir haben vom ersten Semester<br />
an insgesamt sechs Praktika in das Studium<br />
integriert: ein Grundpraktikum<br />
gleich zu Beginn des Studiums und<br />
mehrere vertiefende erziehungswissenschaftliche<br />
und fachdidaktische Praktika,<br />
dabei allein zwei Blockpraktika im<br />
Umfang von je einem Monat.<br />
E &W: Was geschieht mit jenen, die dabei<br />
feststellen, dass sie sich in der Berufswahl geirrt<br />
haben und gar nicht unterrichten wollen?<br />
Stange: Sie können, teilweise mit Hilfe<br />
zusätzlicher Module, auf einen Masterstudiengang<br />
in einem ihrer zwei Fächer<br />
umsatteln – also beispielsweise in Germanistik<br />
oder Mathematik. Sie können aber<br />
auch einen erziehungswissenschaftlichen<br />
Master erwerben. Und natürlich besteht<br />
auch die Möglichkeit, mit dem Bachelor<br />
of Education in die Praxis zu gehen, als<br />
Museumspädagoge zum Beispiel.<br />
E &W: Wissen Sie bereits, welche Schulform<br />
die meisten Bachelor-Absolventen bevorzugen?<br />
Lehrerausbildung:<br />
gleichwertig und gleich lang für alle<br />
Die <strong>GEW</strong> tritt für eine qualitativ gleichwertige Ausbildung für alle Lehrerinnen<br />
und Lehrer ein, egal ob diese an der Grundschule oder am Gymnasium unterrichten.<br />
Sie fordert eine inhaltliche Studienreform, die die Studierenden und die<br />
von ihnen als künftige Lehrerinnen und Lehrer benötigten Kompetenzen für<br />
den Arbeitsplatz Schule in den Mittelpunkt stellt: als Fachleute für die Planung,<br />
Organisation und Reflexion von Lehr- und Lernprozessen.<br />
Bei der Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen in der Lehrerausbildung<br />
hat sich die <strong>GEW</strong> dafür ausgesprochen, eine einheitliche Studiendauer<br />
von zehn Semestern (300 ECTS-Punkte) vorzusehen. Die Bildungsgewerkschaft<br />
verlangt den „großen Master“ für alle – für Lehrkräfte an Grund- und Hauptschulen<br />
ebenso wie für ihre Kolleginnen und Kollegen an Gymnasien.<br />
E&W<br />
Stange: An der Uni Dresden fragen wir<br />
sie das zu Beginn ihres Studiums. Dabei<br />
ergibt sich, wenig überraschend, das bekannte<br />
Bild: Für die Grundschule entscheiden<br />
sich gerade mal hinreichend<br />
viele Studierende. Die meisten aber wollen<br />
an ein Gymnasium – was die Versorgung<br />
der Mittelschulen mit genügend<br />
qualifiziertem Personal absehbar schwierig<br />
macht. Wir hoffen, binnen der drei<br />
Jahre bis zum Bachelor noch den ein<br />
oder anderen sozusagen umlenken zu<br />
können. Die Entscheidung für das Gymnasium<br />
hat auch etwas mit Vertrautheit<br />
zu tun. Die allermeisten Studierenden<br />
kommen vom Gymnasium. Und man<br />
wählt eher das, was man kennt.<br />
E &W: Oder mit Geld! Quer durch die Republik<br />
und als Beamte wie als Angestellte<br />
verdienen Lehrkräfte am Gymnasium deutlich<br />
mehr als an Grundschulen. Wird sich<br />
das in Sachsen bald ändern? Wenn alle eine<br />
gleichwertige Ausbildung haben, stünde doch<br />
allen der gleiche Verdienst zu?<br />
Stange: Das wäre die logische Konsequenz.<br />
E &W: Aber?<br />
Stange: Ich fürchte, dass es noch ein<br />
weiter Weg sein wird, die Dauer und<br />
Qualität der Ausbildung in gleiche Eingruppierung<br />
für alle umzusetzen. Wir<br />
haben es ja bei der Akademisierung des<br />
Erzieherberufs erlebt: Auch dort führt<br />
bislang ein Fachhochschulabschluss in<br />
aller Regel nicht dazu, dass Erzieherinnen<br />
besser bezahlt werden. Leider steht<br />
da auch der Tarifvertrag dagegen.<br />
E &W: Halten Sie als Ex-Ministerin den<br />
Grundsatz „Gleiches Geld für gleiche Arbeit“<br />
für richtig?<br />
Stange: Ja.<br />
E &W: Und haben Sie darüber bereits mit<br />
Ihrem ehemaligen Kollegen, Kultusminister<br />
Roland Wöller (CDU) gesprochen?<br />
Stange: Nein,eshatnochkeineGespräche<br />
gegeben – und ob es dazu nun<br />
noch kommen wird, ist nach dem Ausgang<br />
der Landtagswahl sehr fraglich.<br />
Aus meiner Erfahrung in der Kultusministerkonferenz<br />
(KMK) muss ich aber<br />
sagen: Jede Debatte über eine Aufwertung<br />
der Lehrerausbildung ist schon<br />
deswegen heikel, weil sie mehr Kosten<br />
verursacht – durch die teurer werdenden<br />
Studienplätze, aber auch, weil sie für einen<br />
Teil der Lehramtsabsolventen in eine<br />
höhere Eingruppierung münden<br />
müsste. Letztlich weiß und fürchtet je-