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AD(H)S: - GEW

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GASTKOMMENTAR<br />

<strong>AD</strong>(H)S: Hilfen statt<br />

Kontroversen<br />

„Schon wieder diese Modediagnose!“, hört man<br />

zuweilen, wenn Eltern mit der Bitte um Hilfen<br />

wegen gewisser Eigenarten ihres „besonderen“<br />

Kindes an die Schule herantreten. Die Diagnose<br />

<strong>AD</strong>(H)S, Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung<br />

(ohne Hyperaktivität auch:<br />

„<strong>AD</strong>S“), sorgt noch oft für Unmut: weil sie für eine<br />

Erfindung gehalten wird, weil die Zunahme<br />

der <strong>AD</strong>(H)S-Diagnosen misstrauisch macht, weil<br />

<strong>AD</strong>(H)S medikamentös gelindert werden soll.<br />

Wer die genetische Verursachung anzweifelt im<br />

Glauben, <strong>AD</strong>(H)S entstünde vorrangig durch<br />

negative Umwelteinflüsse, wird kaum Medikamente<br />

akzeptieren wollen (s. Seite 9). Das Pro<br />

und Kontra einer medikamentösen Therapie<br />

(s. Seiten 16/17) ist aber nur<br />

ein Teil der <strong>AD</strong>(H)S-Kontroverse.<br />

Man streitet vor allem<br />

über die Verursachung. Hier<br />

stehen sich im Wesentlichen<br />

zwei Denkmodelle gegenüber:<br />

Das tiefenpsychologisch-orientierte,<br />

es begründet<br />

das Syndrom vorrangig<br />

mit Umwelteinflüssen, während<br />

das neurobiologische,<br />

dem auch Betroffenenorgan-<br />

siationen folgen, vor allem<br />

genetische Grundlagen als<br />

Ursache erkennt. Dass nega-<br />

Gerhild Drüe<br />

tive Umwelteinflüsse die Symptome verstärken<br />

können, wird dabei nicht ausgeschlossen.<br />

Daneben tummelt sich auch Bizarres: Scientologen<br />

glauben, <strong>AD</strong>(H)S sei erfunden, Esoteriker erklären<br />

<strong>AD</strong>(H)S-Defizite einfach zu Talenten.<br />

Die anhaltenden Missverständnisse und Vorurteile<br />

gehen zu Lasten der Betroffenen: „Die Erziehung<br />

hat versagt, das ist die Pubertät oder eben<br />

nur Faulheit, er/sie ist eben ein Spätentwickler...“<br />

Das individuelle Mosaik der Störungen bei<br />

<strong>AD</strong>(H)S, die vielleicht besser Störung der Selbststeuerungsfähigkeit<br />

heißen sollte, erschwert<br />

das Verstehen, obwohl die für das Syndrom typischen<br />

Mangelbegriffe jedem geläufig sind:<br />

Motivationsmangel, Lernschwäche, Verhaltensauffälligkeiten,<br />

Antriebsarmut, Ängstlichkeit,<br />

Aggressivität, Labilität.<br />

Für die Betroffenen führt <strong>AD</strong>(H)S ohne Hilfen<br />

und angemessene Therapien zu weitreichenden,<br />

teilweise dramatischen Folgen: Leistungsversagen,<br />

Sitzenbleiben, Schulabbrüche, Schulverweise,<br />

Einsamkeit, Depression, Aggression,<br />

Flucht nach innen, Flucht in Sucht...<br />

Mit <strong>AD</strong>(H)S die Schulzeit erfolgreich zu meistern,<br />

gleicht – oft unabhängig von der Intelligenz<br />

und den besonderen Stärken – dem sprich-<br />

2 Erziehung und Wissenschaft 5/2009<br />

wörtlichen Gang durchs Nadelöhr. Deshalb verlangen<br />

die neurologischen Besonderheiten bei<br />

<strong>AD</strong>(H)S eine andere Pädagogik als die liebgewordene<br />

Erwartung früher Selbstständigkeit:<br />

starke Strukturierung, Konsequenz, Gewährung<br />

von mehr Zeit; Pädagogik im Ursinn des Wortes:<br />

Führung, wegen seelischer Unreife oft weit über<br />

das 18. Lebensjahr hinaus.<br />

Zu Lasten der Bezugspersonen in Elternhaus<br />

und Schule gehen die Hyperaktivität und besonders<br />

die <strong>AD</strong>(H)S häufig begleitende Auffälligkeit<br />

sozialen Verhaltens. Sie kann zur Überlastung<br />

vor allem der Mütter, aber auch zum vielzitierten<br />

Lehrer-Burnout beitragen. Die lieben, stillen,<br />

antriebsarmen, oft depressiven, ängstlichen<br />

<strong>AD</strong>S-Träumer dagegen übersieht<br />

man auch im Klassenzimmer<br />

leicht. Ihre Reaktionen können<br />

zuweilen ebenfalls heftig sein.<br />

Schwer zu begreifen: Bei Lieblingsthemen<br />

im Unterricht und<br />

Wohlfühltätigkeiten können<br />

<strong>AD</strong>(H)S-Kinder plötzlich volle<br />

Leistung erbringen, was dann zu<br />

der „Erkenntnis“ führt: „Der/die<br />

hat kein <strong>AD</strong>(H)S, der/die kann<br />

sich doch konzentrieren, wenn<br />

er/sie nur will!“<br />

„Es ist nicht alles <strong>AD</strong>(H)S“, dieser<br />

Einwand, der häufig dazu<br />

dient(e), sich nicht näher mit der Thematik befassen<br />

zu müssen, sollte der Vergangenheit angehören.<br />

Nein, natürlich ist nicht alles Problematische<br />

an Kindern und Jugendlichen <strong>AD</strong>(H)S.<br />

Da diese aber keine vorübergehende Angelegenheit<br />

ist und meist „lebenslänglich“ bleibt,<br />

sind angemessene Hilfen ebenso nötig wie<br />

Nachteilsausgleiche und die enge Kooperation<br />

mit den Eltern.<br />

Statt der <strong>AD</strong>(H)S-Kontroverse muss endlich der<br />

Wissenstransfer (s. www.zentrales-<strong>AD</strong>(H)Snetz.de)<br />

in die Erziehungswissenschaften, die<br />

Lehrerausbildung und in die Kultusministerien,<br />

in alle Kitas und vor allem in die Schulen stattfinden.<br />

<strong>AD</strong>(H)S-Fortbildungen können helfen,<br />

die großen Probleme <strong>AD</strong>(H)S-betroffener Kinder<br />

und ihrer Familien zu verstehen. Pädagogische<br />

Arbeit ließe sich so zum Wohl der Betroffenen<br />

verbessern. Mütter und Väter müssten dann das<br />

(Schul-)Versagen ihres Kindes „nur“ wegen<br />

<strong>AD</strong>(H)S nicht mehr hinnehmen wie vielleicht<br />

früher ihr eigenes, falls sie selbst <strong>AD</strong>(H)S-betroffen<br />

sind.<br />

Gerhild Drüe, Lehrerin i.R.; Autorin; Mitglied<br />

im Landesvorstand Niedersachsen/Bremen<br />

von <strong>AD</strong>(H)S Deutschland e.V.<br />

Foto: Rolf Kamper<br />

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Seite 5<br />

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Seite 5<br />

Impressum<br />

Erziehung und Wissenschaft<br />

Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung · 61. Jg.<br />

Herausgeber: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft<br />

im Deutschen Gewerkschaftsbund.<br />

Vorsitzender: Ulrich Thöne.<br />

Redaktion: Ulf Rödde (verantwortlich),<br />

Helga Haas-Rietschel.<br />

Redaktionsassistenz: Renate Körner.<br />

Postanschrift der Redaktion:<br />

Reifenberger Straße 21, 60489 Frankfurt a. M.,<br />

Telefon (0 69) 7 89 73-0, Telefax (0 69) 7 89 73-202.<br />

Internet: www.gew.de<br />

Redaktionsschluss ist der 10. eines jeden Monats.<br />

Erziehung und Wissenschaft erscheint elfmal jährlich, jeweils<br />

am 5. des Monats mit Ausnahme der Sommerferien.<br />

Gestaltung: Werbeagentur Zimmermann,<br />

Heddernheimer Landstraße 144, 60439 Frankfurt<br />

Druck: apm AG, Kleyerstraße 3, 64295 Darmstadt.<br />

Für die Mitglieder ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag<br />

enthalten. Für Nichtmitglieder beträgt der Bezugspreis<br />

jährlich Euro 7,20 zuzüglich Euro 11,30 Zustellgebühr inkl.<br />

MwSt. Für die Mitglieder der Landesverbände Bayern,<br />

Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern,<br />

Rheinland-Pfalz, Saar, Sachsen, Schleswig-Holstein und<br />

Thüringen werden die jeweiligen Landeszeitungen der<br />

E&W beigelegt. Für unverlangt eingesandte Manuskripte<br />

und Rezensionsexemplare wird keine Verantwortung<br />

übernommen. Die mit dem Namen des Verfassers gekennzeichneten<br />

Beiträge stellen nicht unbedingt die<br />

Meinung der Redaktion oder des Herausgebers dar.<br />

Verlag mit Anzeigenabteilung: Stamm Verlag GmbH,<br />

Goldammerweg 16, 45134 Essen,<br />

Verantwortlich für Anzeigen: Mathias Müller,<br />

Tel. (0201) 84300-0,Telefax (0201) 472590,<br />

anzeigen@stamm.de; www.erziehungundwissenschaft.de,<br />

gültige Anzeigenpreisliste Nr. 37 vom 1. 1. 2009,<br />

Anzeigenschluss ca. am 5. des Vormonats.<br />

E&W wird auf chlorfrei<br />

gebleichtem Papier gedruckt.<br />

ISSN 0342-0671

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