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GESELLSCHAFTSPOLITIK<br />

Die Arbeitsgruppe<br />

„Alternative Wirtschaftspolitik“<br />

legt jährlich<br />

einen neuen Memorandum-Band<br />

vor.<br />

Der aktuelle ist am 30.<br />

April erschienen. In der<br />

Memorandumgruppe<br />

arbeiten Wirtschaftswissenschaftler<br />

und Gewerkschafterinnen<br />

an<br />

der Entwicklung wirtschaftspolitischerVorschläge<br />

und Perspektiven,<br />

die sich u. a. an der<br />

Sicherung sinnvoller Arbeitsplätze<br />

und der Verbesserung<br />

des Lebensstandard<br />

orientieren.<br />

Arbeitsgruppe Alternative<br />

Wirtschaftspolitik,<br />

Memorandum 2009:<br />

„Von der Krise in den<br />

Absturz? Stabilisierung,<br />

Umbau, Demokratisierung“,<br />

266 Seiten, 17,90<br />

Euro.<br />

Infos: www.memo.unibremen.de<br />

18 Erziehung und Wissenschaft 5/2009<br />

Reiche in der Pflicht<br />

In der Krise die Binnennachfrage stärken<br />

In den vergangenen Monaten hat sich<br />

die globale Krise in der deutschen<br />

Wirtschaft weiter ausgebreitet. Der<br />

Exportrückgang in Folge der implodierenden<br />

Weltwirtschaft belastet<br />

„Exportweltmeister Deutschland“.<br />

Was ist zu tun?<br />

Jetzt kommt es besonders darauf<br />

an, die Binnennachfrage zu stärken,<br />

die unter der neoliberalen<br />

Regierung und ihrer „Umverteilungsorgien“<br />

von „unten nach<br />

oben“ gelitten hat. Deren Schwäche<br />

im letzten Aufschwung von 2004<br />

bis 2008 ist neben den Folgen der Finanzkrise<br />

ein wesentlicher Grund für den derzeitigen<br />

Abschwung in Deutschland. In<br />

früheren Boomphasen sind die Wirtschaftsleistung<br />

– das Bruttoinlandsprodukt<br />

(BIP) und der private Konsum – in<br />

etwa gleichem Umfang gestiegen. Im<br />

jüngsten Aufschwung aber, der im vergangenen<br />

Jahr ab dem dritten Quartal auf<br />

dramatische Weise zu Ende ging, war es<br />

mit dieser parallelen Entwicklung vorbei.<br />

Das BIP wuchs zwischen 2004 und 2008<br />

um zehn Prozent, der private Konsum jedoch<br />

nicht einmal um ein Prozent. Das<br />

zeigt, dass der Aufschwung an den Arbeitnehmerinnen<br />

und Arbeitnehmern vorbeigegangen<br />

ist: Die Reallöhne stiegen<br />

nicht mit der Produktivität an, die zusätzlichen<br />

Beschäftigungsverhältnisse waren<br />

prekär mit entsprechend geringer Bezahlung,<br />

die Sozialeinkommen und Renten<br />

gingen real zurück.<br />

Ungleiche Verteilung<br />

Dennoch gab es in Deutschland eine<br />

kleine Gruppe, die sehr wohl vom Aufschwung<br />

profitiert hat: Die Unternehmer,<br />

Manager und Vermögenden sind<br />

noch reicher geworden. Das gesamte<br />

Vermögen in Deutschland betrug 2007<br />

etwa 6,6 Billionen Euro (= 6600 Milliarden<br />

Euro). Es war allerdings extrem ungleich<br />

verteilt: Die eine („ärmere“) Hälfte<br />

der Bevölkerung hatte daran gar keinen<br />

Anteil. Die reichsten zehn Prozent<br />

verfügten hingegen über 61,1 Prozent<br />

des gesamten Volksvermögens.<br />

Auf die unteren zehn Prozent entfiel ein<br />

Anteil von minus 1,6 Prozent der Gesamtsumme,<br />

d. h. sie hatten als Gruppe<br />

insgesamt ein „negatives Vermögen“ –<br />

anders ausgedrückt: Schulden.<br />

Diese Zahlen stellen einen ökonomischen<br />

und moralischen Skandal dar –<br />

auch deshalb, weil sich die Armuts-<br />

Reichtums-Schere von Jahr zu Jahr weiter<br />

öffnet: 2002 verfügten die oberen<br />

zehn Prozent „nur“ über 57,9 Prozent<br />

des Vermögens. Im Vergleich der Jahre<br />

2002 und 2007 (s. Tabelle) wird deutlich,<br />

dass ausschließlich das obere Zehntel<br />

der Gesellschaft einen größeren Anteil<br />

am „Verteilungskuchen“ des Gesamtvermögens<br />

bekommen hat – alle<br />

anderen haben verloren.<br />

Die ungleiche Vermögensverteilung ist<br />

auch eine Ursache für die derzeitige<br />

Krise. Denn diejenigen, die bereits viel<br />

verdienen, konsumieren einen geringeren<br />

Anteil ihres laufenden Einkommens<br />

als diejenigen, deren Verdienst niedriger<br />

ist. Dieses Verhalten hat Konsequenzen<br />

für die gesamte Volkswirtschaft: Es<br />

schwächt die Binnennachfrage entscheidend.<br />

Höhere Löhne<br />

Eine Lösung dieses Problems liegt in<br />

höheren Löhnen und Gehältern für die<br />

unteren und mittleren Einkommensschichten.<br />

Der größte Teil der Lohnund<br />

Gehaltssteigerungen kommt direkt<br />

der Binnennachfrage zugute – d. h.<br />

auch: Größere Einkommen für diese Arbeitnehmergruppen<br />

sind exzellente<br />

„Konjunkturpakete“.<br />

Ein weiterer Lösungsansatz besteht in<br />

einer deutlich größeren Besteuerung<br />

höherer Einkommen. Denn nur so würden<br />

diejenigen, die in den vergangenen<br />

Vermögensverteilung<br />

(nach Bevölkerungsdezilen)<br />

2002 2007 Veränderung<br />

1. Dezil -1,2 -1,6 -0,4<br />

2. 0,0 0,0 +/- 0<br />

3. 0,0 0,0 +/- 0<br />

4. 0,4 0,4 +/- 0<br />

5. 1,3 1,2 -0,1<br />

6. 2,8 2,8 +/- 0<br />

7. 7,0 6,0 - 1,0<br />

8. 11,8 11,1 - 0,7<br />

9. 19,9 19 - 0,9<br />

10. 57,9 61,1 + 3,2<br />

Quelle: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung,<br />

Wochenbericht 4/2009.<br />

Cartoon: Thomas Plassmann<br />

Jahren überproportional vom Aufschwung<br />

profitiert haben und deren hohe<br />

Vermögenskonzentration das Chaos<br />

an den Finanzmärkten befördert hat,<br />

auch die Kosten für die Krise tragen. Allein<br />

die Wiedereinführung der Vermögensteuer<br />

mit einem Steuersatz von nur<br />

einem Prozent bei einem Freibetrag von<br />

500 000 Euro pro privatem Vier-Personenhaushalt<br />

führte schon zu Einnahmen<br />

von rund 20 Milliarden Euro. So<br />

könnten die öffentlichen Haushalte gestärkt<br />

und die Wirtschaft angekurbelt<br />

werden.<br />

Prof. Heinz-J. Bontrup, FH Gelsenkirchen,<br />

Mitglied der Arbeitsgruppe Alternative<br />

Wirtschaftspolitik, Gunter Quaisser, wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter der Gruppe

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