Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Aber nicht nur behinderte Kinder<br />
haben einen „besonderen Förderbedarf“,<br />
sondern im Prinzip alle.<br />
Nimptsch: „Wir bitten deshalb<br />
schon die Grundschulkinder einen<br />
Tag zu uns. Da testen wir ihre<br />
Rechtschreibung. Die Testergebnisse<br />
berücksichtigen wir bei der<br />
Zusammensetzung der Klassen.<br />
Und die Klassenlehrerinnen und<br />
-lehrer sind vorher schon im Bilde,<br />
wer zum Beispiel zusätzliche Förderung<br />
in der Rechtschreibung<br />
braucht.“ Wissen denn bereits<br />
Grundschulkinder, wie sie selbstständig<br />
lernen und wie am besten<br />
mit anderen zusammen? Das Lernen<br />
lernen – darin seien die<br />
Grundschulen methodisch ziemlich<br />
gut geworden, lobt der Schulleiter.<br />
Deshalb durchlaufen seine<br />
135 Kolleginnen und Kollegen seit<br />
zwei Jahren eine interne Fortbildungsreihe,<br />
in der sie einüben, als<br />
Moderatoren Lernarrangements<br />
bereitzustellen.<br />
Hohe soziale Kompetenz<br />
Individuelle Förderung als pädagogisches<br />
Leitprinzip stellt auch<br />
eine Herausforderung an das Organisationssystem<br />
der Schule dar.<br />
Schülerinnen und Schüler mit besonderen<br />
Begabungen, sei es in<br />
Musik oder Mathematik, in Sprachen<br />
oder Sport, können beispielsweise<br />
in den Kurs der nächsten<br />
Jahrgangsstufe wechseln. „Die sind<br />
deshalb bei uns besser aufgehoben<br />
als an einem normalen Gymnasium“,<br />
meint Schulpsychologin<br />
Kaupert. „Da wir eine große Schule<br />
sind, können wir die Kinder<br />
stundenplantechnisch ganz gut<br />
auf andere Kurse oder Fächer verteilen,<br />
während das bei den traditionellen<br />
Gymnasien nicht so<br />
leicht möglich ist.“ Mal abgesehen<br />
vom breiten Kursangebot in der<br />
Oberstufe und den besonderen<br />
Förderungen: Man kann sogar<br />
Chinesisch als Abiturfach wählen.<br />
Es ist diese bunte Mischung von<br />
Schülern und Lernangeboten, die<br />
die Schule sehr attraktiv macht,<br />
zum Beispiel für Jana, 11. Klasse.<br />
Ihre Freunde verstanden erst<br />
nicht, warum sie mit ihrem guten<br />
Grundschulzeugnis eine Gesamtschule<br />
besucht. „Behinderte und<br />
Nichtbehinderte, Kinder aus verschiedenen<br />
Bildungsschichten, alle<br />
lernen zusammen, alle helfen<br />
sich, das macht diese Schule so<br />
menschlich“, und für Jana interes-<br />
santer als das exklusive Privatgymnasium<br />
nebenan, das als Alternative<br />
in Frage kam. „Bei uns lernen<br />
die Führungskräfte von morgen“,<br />
urteilt Jürgen Nimptsch über seine<br />
Schülerschaft, „weil sie nicht nur<br />
über Sachkompetenz verfügen,<br />
sondern auch über eine außerordentlich<br />
hohe soziale Kompetenz.“<br />
„Jeder ist einzigartig“<br />
Der Deutsche Schulpreis ist nur eine<br />
von vielen Auszeichnungen,<br />
welche die IGS sich erarbeitet hat.<br />
Beim Zentralabitur schnitt sie als<br />
eine der besten Schulen in NRW<br />
ab, bei den zentralen Abschlussprüfungen<br />
in Klasse zehn bekamen<br />
die Jugendlichen bessere Noten<br />
als in früheren Zeiten, in denen<br />
sie nur schulintern bewertet wurden:<br />
Mehr Jugendliche erreichen<br />
heute die Qualifikation für die<br />
gymnasiale Oberstufe.<br />
„Es ist immer wieder faszinierend<br />
zu sehen, wie Schülerinnen und<br />
Schüler, denen ich im fünften,<br />
sechsten Schuljahr keine große<br />
Schulkarriere zugetraut hätte, auf<br />
einmal im achten, neunten oder<br />
zehnten Schuljahr aus sich herauskommen<br />
und Leistungsstärke zeigen“,<br />
stellt Peter Dreesen fest. Dreesen<br />
ist Deutschlehrer, seit 1985 an<br />
der IGS, im Lehrerrat aktiv, in<br />
Theaterprojekten engagiert. Sein<br />
Engagement ist keine Ausnahme.<br />
An der Ganztagsschule leisten alle<br />
Lehrkräfte mehr als nur ihre Unterrichtsstunden.<br />
Der Krankenstand<br />
im Kollegium sei niedrig,<br />
sagt Nimptsch. Kaum jemand<br />
wolle sich versetzen lassen. Für<br />
Nimptsch ein Zeichen großer Arbeitszufriedenheit.<br />
„Hier können<br />
sich alle mit der Schule identifizieren“,<br />
liefert Dreesen die Begründung<br />
hinterher. Was für die<br />
Schüler gelte, gelte auch für das gesamte<br />
Kollegium, betont der<br />
Schulleiter: Jeder sei einzigartig, jeder<br />
müsse die Chance haben, seine<br />
individuellen Fähigkeiten, Kenntnisse<br />
und Interessen einzubringen.<br />
Die IGS in Bonn-Beuel ist nicht<br />
nur für die Schulpreisjury, sondern<br />
ebenso für Eltern sowie Schülerinnen<br />
und Schüler am Ort die erste<br />
Wahl. Wer einmal seine Vorurteile<br />
über Gesamtschulen auf den Prüfstand<br />
stellen will, der ist hier am<br />
richtigen Platz.<br />
Karl-Heinz Heinemann,<br />
freier Journalist<br />
Nürnberg<br />
5/2009 Erziehung und Wissenschaft 15