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AD(H)S: - GEW

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tra:<br />

um medi-<br />

Therapie<br />

Grafik: zplusz<br />

KONTRA<br />

Wichtiger Stellenwert<br />

Die Formel „Frühprävention<br />

statt<br />

Medikamentierung“<br />

klingt gut,<br />

vermittelt sie doch<br />

die hoffnungsfrohe<br />

Botschaft: Je<br />

eher Symptome<br />

und Anzeichen<br />

von <strong>AD</strong>(H)S erkannt<br />

werden,<br />

umso besser lässt<br />

sich vorbeugen und frühzeitig behandeln.<br />

Der hiermit verbundene Anspruch<br />

berührt jedoch verschiedene<br />

Ebenen der aktuell kontrovers geführten<br />

wissenschaftlichen Diskussion zur<br />

<strong>AD</strong>(H)S-Therapie:<br />

Eine Vielzahl methodisch anspruchsvoller<br />

Befunde aus den vergangenen Jahren<br />

untermauern die neurobiologischen<br />

Grundlagen von <strong>AD</strong>(H)S. Hierfür sprechen<br />

sowohl neuropsychologische, neurophysiologische<br />

und molekulargenetische*<br />

Auffälligkeiten, die mit einer veränderten<br />

Informationsverarbeitung des<br />

Gehirns, Defiziten des Arbeitsgedächtnisses<br />

und spezifischen Verhaltensmerkmalen<br />

in einem kausalen Zusammenhang<br />

stehen. In einem solchem<br />

Störungsmodell können vor allem familiäre<br />

und schulische Bedingungen dazu<br />

beitragen, die Symtomatik aufrechtzuerhalten<br />

oder sogar auszuprägen.<br />

Konzepte psychoanalytisch orientierter<br />

Autoren betonen dagegen die Bedeutung<br />

von psychischen und psychosozialen<br />

als bestimmende Faktoren, z. B.<br />

frühe Traumatisierungen, depressive Erkrankungen<br />

der Mütter und negative Beziehungserfahrungen<br />

des Kleinkindes.<br />

Allerdings zeigen neuere Studien, dass<br />

diese Polarisierung zwischen beiden<br />

Denkmodellen und Therapieansätzen,<br />

nicht beizubehalten ist, da beim<br />

<strong>AD</strong>(H)S eine komplexe Interaktion zwischen<br />

Umwelteinflüssen und genetischen<br />

Risiken vorliegt. Im Einzelfall ist<br />

abzuwägen und zu klären, welchen Ursachen<br />

jeweils die größere Bedeutung<br />

zukommt.<br />

Während psychodynamisch orientierte<br />

Therapeuten davor warnen, das Problem<br />

hauptsächlich medizinisch zu erklären,<br />

kritisieren andere Experten wiederum<br />

den bisher ausgebliebenen Wirk-<br />

Foto: privat<br />

samkeitsnachweis für präventive und<br />

psychoanalytische Therapien.<br />

Da beim <strong>AD</strong>(H)S in der Regel nicht nur<br />

ein einzelner, sondern gleich mehrere<br />

Funktions- und Lebensbereiche beeinträchtigt<br />

sind, haben sich in der Praxis<br />

umfassende Behandlungsansätze, die<br />

sowohl pharmakologische, pädagogische<br />

und verhaltenstherapeutische Maßnahmen<br />

miteinander kombinieren, als<br />

erfolgreich erwiesen. Die Anwendung<br />

von Medikamenten im Rahmen eines<br />

solchen Therapiekonzeptes, das verschiedene<br />

Behandlungskomponenten<br />

umfasst – („multimodal“) nehmen einen<br />

wichtigen Stellenwert ein, wenn Beratung<br />

und Verhaltenstherapie bzw. andere<br />

therapeutische Maßnahmen nicht<br />

ausreichen. Dabei ist es unumgänglich,<br />

Dosierung und Art des jeweiligen Methylphenidatpräparates<br />

(Ritalin u. a.) an<br />

das individuelle Tagesprofil des Kindes<br />

anzupassen und die Wirkung kontinuierlich<br />

zu überprüfen. Diese Aspekte<br />

verdeutlichen noch einmal die enge Verknüpfung<br />

der Behandlung mit einer<br />

gründlichen individuellen Diagnostik.<br />

Sie ist als Grundlage für alle geplanten<br />

Maßnahmen unerlässlich. Von zentraler<br />

Bedeutung ist dabei die Beachtung<br />

und Einhaltung inzwischen gut definierter<br />

Qualitätsstandards, die sowohl<br />

für die Diagnostik als auch für die Therapie<br />

gelten. Die Wirksamkeit präventiver<br />

Programme ist allerdings noch nicht<br />

nachgewiesen. Bei allem Bemühen um<br />

Früherkennung und -behandlung wird<br />

es auch in Zukunft vor allem darum gehen,<br />

individuelle therapeutische Maßnahmen<br />

auf der Grundlage „evidenzbasierter“<br />

(empirisch ausreichend belegter<br />

– Anm. d. Red.) Therapieprogramme<br />

umzusetzen. Hierbei kommt der Verabreichung<br />

von Medikamenten zwar eine<br />

wichtige, aber keine zentrale Bedeutung<br />

zu. Bei vielen <strong>AD</strong>(H)S-Kindern ist eine<br />

medikamentöse Therapie nicht unbedingt<br />

nötig, aber sie darf aus ideologischen<br />

Gründen genauso wenig vermieden<br />

werden, sofern die Kinder von anderen<br />

Maßnahmen nicht hinreichend<br />

profitieren. Wenn wir die Therapie von<br />

Kindern mit <strong>AD</strong>(H)S als Problem begreifen,<br />

das nur multiprofessionell lösbar<br />

ist, werden wir den Bedürfnissen der<br />

Betroffenen am ehesten gerecht.<br />

<strong>AD</strong>(H)S<br />

Prof. Gerd Lehmkuhl,<br />

Leiter der Klinik<br />

und Poliklinik<br />

für Psychiatrie und<br />

Psychotherapie<br />

des Kindes- und<br />

Jugendalters der<br />

Uniklinik Köln<br />

*Die Molekulargenetik<br />

ist ein Teilgebiet der Genetik<br />

und der Molekularbiologie,<br />

die sich mit<br />

den Zusammenhängen<br />

zwischen der Vererbung<br />

und den chemisch-physikalischenEigenschaften<br />

der Gene beschäftigt.<br />

5/2009 Erziehung und Wissenschaft 13

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