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E&W Oktober 2008 - GEW

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GUTE LEHRE<br />

Zu wenig Profs für Studis<br />

14 Erziehung und Wissenschaft 10/<strong>2008</strong><br />

Hochschulen sind chronisch unterfinanziert<br />

In Jura, auch in den Wirtschafts- und<br />

Sozialwissenschaften, kommen auf einen<br />

Professor 104 Studierende. In den<br />

Naturwissenschaften sind es 45. Da<br />

bleibt kaum Zeit für individuelle Betreuung.<br />

Kein Zweifel: Die deutschen<br />

Hochschulen sind unterfinanziert.<br />

Doch über das Ausmaß streiten Kultus-<br />

und Finanzminister ebenso wie<br />

Wissenschaftsrat (WR) und Hochschulrektorenkonferenz<br />

(HRK) seit<br />

Jahren.<br />

Der jüngste Bildungsbericht<br />

der Organisation für wirtschaftlicheZusammenarbeit<br />

und Entwicklung<br />

(OECD) hält fest (s. Seite<br />

22), dass in Deutschland<br />

zwischen 2000 und 2005 die Hochschulausgaben<br />

des Staates zwar um<br />

sechs Prozent gestiegen sind – zu wenig<br />

aber, um mit den wachsenden Studentenzahlen<br />

sowie den Preis- und Tariferhöhungen<br />

der vergangenen Jahre mithalten<br />

zu können. Folge: Pro Studierendem<br />

sind die Ausgaben im gleichen<br />

Zeitraum um zwei Prozent gesunken –<br />

eine Negativ-Entwicklung, die nur in<br />

ganz wenigen anderen OECD-Industrienationen<br />

zu beobachten ist.<br />

Dabei weisen Hochschulen wie Gewerkschaften<br />

und Studierendenorganisationen<br />

seit Jahrzehnten auf die chronische<br />

Unterfinanzierung hin – nicht erst seit<br />

der deutschen Einheit. Nach der Analyse<br />

des WR kamen Anfang der 1970er-<br />

Jahre hochgerechnet auf 660 000 Studierende<br />

knapp 21 000 Professoren. Heute,<br />

bei knapp zwei Millionen Studierenden,<br />

gibt es 37 500 Profs. Gerechnet<br />

über alle Fächer kommen heute an den<br />

Universitäten auf einen Professor 60,4<br />

Studierende. An den Fachhochschulen<br />

beträgt die Relation 1 zu 38,5. Dabei ist<br />

unstrittig, dass die neuen Bachelor- und<br />

Master- einen weitaus höheren Betreuungsaufwand<br />

als die alten Studiengänge<br />

erfordern. Doch dies wurde bisher weder<br />

beim Bund-Länder-Hochschulpakt<br />

noch bei den Stellenplänen in den Länder-Haushalten<br />

gebührend berücksichtigt.<br />

WR und HRK rechnen anders<br />

Allein für die dringend notwendige Verbesserung<br />

der Lehre und eine intensivere<br />

Beratung und Betreuung der Studierenden<br />

hält der WR in seinen jüngsten<br />

Empfehlungen (s. Seite 10) Mehrausgaben<br />

von 1,1 Milliarden Euro pro<br />

Jahr für erforderlich. Dabei hat der Verband<br />

noch äußerst vorsichtig nach dem<br />

Zwei-Kammer-Prinzip gerechnet. Denn<br />

was die wissenschaftliche Kommission<br />

erarbeitet, muss bei der Endabstimmung<br />

auch von der Verwaltungskommission<br />

gebilligt werden. Hier sitzen<br />

nicht nur lang gediente Wissenschaftsminister<br />

– sondern als ständiger Gast<br />

auch ein Vertreter der Finanzministerkonferenz.<br />

Stellvertretend für die 16<br />

Bundesländer ist beim Hamburger Finanzsenator<br />

seit Jahren eine eigene Arbeitsstelle<br />

angesiedelt, die sich speziell<br />

um Fragen der Bildungsfinanzierung<br />

kümmert.<br />

Die HRK beziffert den jährlichen Fehlbedarf<br />

bei der Finanzierung von Universitäten<br />

und Fachhochschulen mit 2,6<br />

Milliarden Euro pro Jahr. Darin sind<br />

nicht nur die vom WR geforderten Verbesserungen<br />

in der Lehre sowie mehr<br />

Stellen für die Betreuung enthalten,<br />

sondern auch überfällige Investitionen<br />

in Hörsäle, Labors, Seminarräume und<br />

Bibliotheken – einschließlich einer besseren<br />

Ausstattung. Auch geht die Berechnung<br />

der Rektoren von weiter steigenden<br />

Studierendenzahlen aus und<br />

fordert zugleich zusätzliche Entlastung<br />

aufgrund der doppelten Abiturjahrgänge<br />

nach der Schulzeitverkürzung.<br />

Politik will „untertunneln“<br />

Die Finanzminister verweisen dagegen<br />

seit Jahren auf die infolge der Geburtenentwicklung<br />

sinkenden Schülerzahlen –<br />

was aus ihrer Perspektive langfristig auch<br />

zu rückläufigen Studienanfängerzahlen<br />

führen wird. In der Zwischenzeit soll<br />

nach ihrer Auffassung improvisiert und<br />

der Studentenberg „untertunnelt“ werden.<br />

Dabei gibt ihnen die Tendenz der<br />

vergangenen Jahre, oberflächlich betrachtet,<br />

zunächst einmal Recht. Zwar<br />

verließen 2007 im Vergleich zu 2003<br />

rund 17 Prozent mehr Abiturienten die<br />

Schule. Doch an den Hochschulen<br />

schrieben sich fünf Prozent weniger<br />

Anfänger ein. Die Politik ignoriert dabei<br />

großzügig, dass dieser Trend nicht<br />

nur durch Abschreckungseffekte wie<br />

Studiengebühren und unzureichendes<br />

BAföG verursacht wurde, sondern auch<br />

durch die drastische Ausweitung örtlicher<br />

Zulassungsbeschränkungen. Im<br />

Zuge der erweiterten Hochschulautonomie<br />

haben es immer mehr Wissenschaftsministerien<br />

hinnehmen müssen<br />

– oder auch aktiv gebilligt – dass vor allem<br />

die Universitäten ihre Türen mit einem<br />

lokalen Numerus clausus (NC)<br />

dicht gemacht haben. Das heißt: Der<br />

vielfach beschworene „Studentenberg“<br />

kam erst gar nicht in die Hochschulen<br />

hinein. Nach der politisch gewollten<br />

Zerschlagung der Dortmunder Zentral-

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