KREISLÄUFER - HC Kriens-Luzern

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Tagebuch eines Bubentraums MENSCHEN «... GAR KEINE ZEIT, NERVÖS ZU WERDEN ...» Seit diesem Sommer gehört der 18jährige Sportkanti-Schüler Nicolas Raemy zum Kader des NLA-Teams von Kriens-Luzern. Der ehemalige Junior der SG Pilatus Handball erlebte im Sport schon einiges – und kam jetzt bei seinem Debut im Nationalteam mit den ganz Grossen seiner Branche in Kontakt. Tagebuch eines Bubentraums – und wie der Spieler das selber einordnet. Samstag 23. Oktober Einrücken ins Trainingslager mit dem Nationalteam. Ich war in den letzten Wochen in drei Stützpunkt-Trainings des Nationalteams schon dabei und mache mir jetzt keine grossen Hoffnungen. Ich stellte mir vor, dass ich eine Ergänzung im Training bin. Ich hatte zwar vor einiger Zeit schon meinen Pass einschicken müssen für ein Visum – aber das hatte noch gar nichts zu bedeuten. In den Trainings mit dem Nationalteam läuft es mir anfangs nicht so gut. Ich muss mich an die neue Härte gewöhnen. KREISLÄUFER Sonntag, 24. Oktober In den Trainings heute merke ich, dass ich nicht einfach nur Ergänzungsspieler sein soll. Ich erhalte mehr Verantwortung und staune, welches Vertrauen mir der Trainer gibt. Das Gefühl täuschte nicht: Am Abend reduziert der Nationaltrainer das Kader – ich bleibe dabei. Etwas nervös werde ich – denn nun sind 16 Spieler dabei – und die sind alle auf dem Matchblatt bei den Quali- Spielen … Montag, 25. Oktober Am Morgen fahren wir nach Kloten. Training in Flughafennähe. Cool – wir Nicolas Raemy brillierte beim ersten Natieinsatz gegen Dänemark. spielen 30 Minuten Fussball zum Warm-up. Da geht die Post ab – Spass pur! Mit Andy Schmid und Manu Liniger sind unsere zwei Ausland-Profis jetzt auch dabei. Schon noch speziell, wenn man plötzlich mit Spielern in einer Mannschaft steht, an die man eben erst noch hinaufgeschaut hat. Ich finde aber schnell einen ganz normalen Kontakt auch zu ihnen. Andy Schmid gibt mir auch gute Tipps, muntert mich auf. Dienstag, 26. Oktober Die Reise nach Moskau. Der Blick in eine andere Welt ist beeindruckend. Der Vorort von Moskau ist so was von NOVEMBER 2010 63
Kontrast zu unserem Alltag hier. Das fällt mir sofort auf. Dabei ist das ja immer noch Russlands Hauptstadt und nicht Provinz … Die Konzentration gilt bald dem Spiel gegen Russland. Da hat es ja einige berühmte Spieler dabei. Aber wir wollen uns gut verkaufen. Mittwoch, 27. Oktober Spieltag. EM-Qualifikationsspiel gegen Russland. Wir verlieren unglücklich nach einer sehr turbulenten Schlussphase, die geprägt ist durch den Eingriff des Offiziellen. Am Schluss stehen wir mit leeren Händen da – enttäuscht über das Geschehene, aber auch über uns selber. Diese Fehler! Das wird halt gnadenlos bestraft, wenn man vorne Chancen versiebt. Ich selber komme nicht zum Einsatz – es ist wohl auch besser so. So konnte ich erst mal schnuppern … Die vielen Soldaten unter den wenigen Zuschauern im riesigen Olympia-Komplex jubeln am Schluss. Uns ist nicht ums Lachen – wir trotten von dannen und versuchen im Hotel das Spiel aufzuarbeiten. Nach dem Abendessen ist schnell Feierabend. Donnerstag, 28. Oktober Rückflug in die Schweiz. Wir reden noch übers Spiel, abends aber gehe ich schnell nach Hause. Auspacken – waschen – und schlafen. Freitag, 29. Oktober Ich im Zug mit Goran Perkovac und Andy Schmid nach Winterthur. Mit Andy finde ich schnell den Draht. Wir reden über seine Entwicklung, über Dänemark, die Bundesliga. Mega spannend. Im Training merke ich, dass es mir immer besser läuft. Ich muss zwar als Greenhorn im Team Bälle und Harz ins Training schleppen, aber das ist absolut ok so. Im Training der Aha-Effekt: Ich spiele zehn Minuten im Angriff. Seriös, wie ich meine. Dann fragt mich Andy Schmid: ‹Wie oft hast Du aufs Tor geworfen?› Ich muss nicht lange überlegen: ‹Nie›. Es ist alles gesagt: Das haben sie gemeint, als sie mir gesagt haben, ich solle doch mutig spielen und mir auch die Chancen nehmen – auch mit dem Risiko, KREISLÄUFER mal einen Fehler zu machen. Nach dem Nachtessen erklärt mir Andy Schmid noch die taktischen Spielzüge, die gegen die Dänen-Deckung zur Anwendung kommen sollen. Am Abend gehen wir als Team in den Super-Zehnkampf. Samstag, 30. Oktober Wir gewöhnen uns an den Wettkampfrhythmus des Spieltages. Das Spiel morgen gegen die Dänen ist schon um 14 Uhr. Das heisst: Mittagessen um 11 Uhr. Morgens kein Training. Abends kurzer Ausgang. Kopf verlüften, an was anderes denken. Wir sind früh zurück – jeder weiss exakt, um was es geht gegen die Dänen … Sonntag, 31. Oktober Heute ist Spieltag. Schweiz – Dänemark. Die Spannung ist schon speziell: Das Spiel ist dasselbe wie im Verein. Aber irgendwie ist es anders im Nationalteam. Kaffeewanderung in Winterthur am Morgen, dann um 11 Uhr Mittagessen. Die Nervosität steigt. Ich male mir aus, wie das wohl sein wird im ersten Länderspiel. An eigene Tore wage ich gar nicht erst zu denken. Der Trainer sagte mir, dass ich jetzt eventuell zum Einsatz komme. In der Halle hat es dann viele Zuschauer. Ich setze mich nach dem Einlaufen auf die Bank, beginne mitzufiebern. Schon nach fünf Minuten erklärt mir der Nationaltrainer noch einmal, wie sich der dänische Spieler auf meiner Position verhält. Er geht wieder weg von mir: OK, war ja wohl eine Info für später mal. Und dann plötzlich muss ich doch schon rein – viel früher als erwartet. Zeit, richtig nervös zu werden, hatte ich gar nicht. Mir gelingt schon im dritten Angriff ein Tor. Mir geht durch den Kopf, was mir die Routiniers gesagt haben: ‹Im Team ist jeder wichtig – Der Gedanke, dass 2’000 Leute in der Halle sind, ist wie weggeblasen. Das Spiel läuft mir persönlich nicht schlecht. Als Team aber müssen wir erkennen: Das reicht nicht. Die Dänen sind klar besser. Fazit Ein Riesenerlebnis, das ich nie vergessen werde. Aber ich weiss auch, Auslandabenteuer MENSCHEN Schon seit längerer Zeit lässt mich der Gedanke an einen Auslandaufenthalt nicht mehr los. Ein anderes Land, andere Kultur, andere Leute kennenlernen und dies mit Handball verbinden – das ist ein Traum von mir. Diverse Spielerinnen vom Verein und der Nationalmannschaft haben diesen Schritt gewagt und mir davon berichtet. Meine Neugier wurde immer grösser und so begann ich im Februar nach einer Möglichkeit Ausschau zu halten. Da mir persönlich Schweden sehr gefällt fokussierte ich mich auf dieses Land. Die Suche blieb leider erfolglos. Wie das Schicksal es aber will, hat es mich jetzt nach Frankreich verschlagen. Seit Anfang November spiele ich in Celles sur Belle, im Westen von unserem Nachbarland. Obwohl wir «nur» in der zweiten Division spielen, sind alle Spielerinnen professionell unter Vertrag. Mit sieben bis acht Trainings pro Woche ist daher auch der Aufwand doppelt so gross wie in der Schweiz. Nun bin ich seit wenigen Tagen hier und freue mich auf mein Auslandabenteuer … Liebe Grüsse, Rahel FRAUENPOWER dass ich zwar nahe dran, aber überhaupt noch nicht dabei bin! Ich muss noch sehr viel an mir arbeiten. Krafttraining ist angesagt. Mein Schlenzwurf muss wieder so werden wie vor dem Armbruch. Da bin ich noch weit davon entfernt. Aber ich will weiter meinen Weg gehen, ohne dass ich an den nächsten Schritt riesige Erwartungen habe. Ich bin damit gut gefahren, als ich zu Kriens kam. Und auch jetzt in die Nati. Und trotzdem braucht man als Sportler ja Ziele. Das Kapitel A- Nati ist vorerst mal ad acta gelegt. NOVEMBER 2010 65
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