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Rote Liste der Süßwasserfische und Neunaugen als PDF

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• Der Zusammenbruch <strong>der</strong> Äschenbestände<br />

Dass die Äschenbestände in <strong>der</strong> weit überwiegenden Zahl <strong>der</strong> Gewässer massiv zurückgegangen<br />

sind, ist unstrittig. Über die Gründe für diesen Rückgang herrschte bei den befragten<br />

Experten Konsens: „Stark erhöhter Fraßdruck vor allem durch Kormorane hat zu einer flächendeckend<br />

kritischen Situation <strong>der</strong> Äschenbestände geführt“. Es ist unumstritten, dass Kormorane<br />

wesentlich zum Rückgang <strong>der</strong> Äsche beigetragen haben, doch auch wenn Kormorane regional<br />

sehr stark negativ auf die Bestände von Äschen wirken können, ist <strong>der</strong> Rückgang <strong>der</strong> Äsche so<br />

einfach offenbar nicht zu erklären. DUSSLING & BERG (2001) schreiben für Baden-Württemberg:<br />

„Noch weitgehend ungeklärt sind die Ursachen <strong>der</strong> in den letzten Jahren nahezu flächendeckend<br />

auftretenden Bestandsrückgänge. Kormorane lauern Äschen mancherorts an ihren Laichplätzen<br />

auf […] Wenngleich es auf diese Weise lokal zum Rückgang von Äschenpopulationen kam,<br />

deuten die räumlichen Ausmaße <strong>der</strong> Bestandesrückgänge noch auf bislang unbekannte Ursachen<br />

hin“. Ein recht differenziertes Bild zeichnen auch UIBLEIN et al. (2000) für österreichische Äschen<br />

<strong>und</strong> RIPPMANN et al. (2005) für die Schweiz. RIPPMANN et al. (2005) dokumentieren auch<br />

die massive Auswirkung des warmen Sommers 2003 auf den Äschenbestand am Hochrhein.<br />

Es ist unstrittig, dass Kormorane Fische fressen <strong>und</strong> dadurch Fischgemeinschaftsstrukturen<br />

beeinflussen. Dies trifft in Deutschland vor allem die Äsche, während an<strong>der</strong>e Arten, wenn überhaupt,<br />

nur regional beeinträchtigt sind. Die Äsche ist beson<strong>der</strong>s anfällig für die Prädation durch<br />

Kormorane, da sie sich vorwiegend in den offenen Fließgewässerbereichen aufhält <strong>und</strong> kaum<br />

Unterstände nutzt. Es sei hier darauf hingewiesen, dass Kormorane daher auch in naturnahen<br />

Gewässern Äschenbestände massiv reduzieren können. Verbaute Gewässer wirken sich jedoch<br />

insofern negativ aus, <strong>als</strong> sie oftm<strong>als</strong> die Wie<strong>der</strong>besiedlung <strong>der</strong> Äsche verhin<strong>der</strong>n (HOFFMANN et<br />

al. 1995). Die sehr deutliche Reduktion <strong>der</strong> Kormoranbestände <strong>als</strong> Mittel zur Reduktion <strong>der</strong><br />

Prädation wird von allen befragten Experten <strong>als</strong> das Mittel <strong>der</strong> Wahl genannt. Der jährliche<br />

Abschuss von im Mittel 64% (36 bis 104%) <strong>der</strong> Überwinterungsgäste in Bayern (mittlerer Winterbestand;<br />

LINDEINER 2008) wird aber <strong>als</strong> wirkungslos eingeschätzt, da er nicht zu einer Vermin<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Winterbestände geführt hat. Der Gesetzgeber hat zudem klar festgelegt, dass<br />

„alternative Populations-Kontrollsysteme“ Vorrang vor <strong>der</strong> Tötung haben. Eine befriedigende<br />

Lösung des Kormoran-Problems ist bisher nicht in Sicht <strong>und</strong> zu <strong>der</strong> Frage, wie <strong>der</strong> Äsche geholfen<br />

werden kann, gibt es erheblichen Forschungsbedarf.<br />

Dennoch wird <strong>der</strong>zeit in keinem B<strong>und</strong>esland davon ausgegangen, dass die Äsche in den<br />

nächsten zehn Jahren aussterben wird. Die Art wird sich wahrscheinlich mittelfristig auf sehr<br />

geringem Populationsniveau <strong>und</strong> mit eingeschränkter Verbreitung stabilisieren. Die Prognosen<br />

zu möglichen Folgen <strong>der</strong> Klimaerwärmung auf Fließgewässer lassen allerdings befürchten, dass<br />

viele Äschenpopulationen erlöschen könnten. Zudem sind bei <strong>der</strong> Äsche mehrere geographische<br />

Populationsgruppen zu unterscheiden (KOSKINEN et al. 2002; WEISS et al. 2002; GUM et al.<br />

2005). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass einige davon jetzt schon kurz vor dem Aussterben<br />

stehen. Daher bleibt die Frage offen, ob es nicht doch durch kluge <strong>und</strong> innovative Forschungsansätze<br />

gelingen könnte, den Prädationsdruck von gefährdeten Fischbeständen zu nehmen<br />

<strong>und</strong> Habitate so zu optimieren, dass alle an<strong>der</strong>en Rückgangsursachen minimiert werden<br />

können. Die notwendige Diskussion um den Kormoran darf nicht von einer solchen umfassenden<br />

Analyse ablenken. Es besteht erheblicher Forschungsbedarf: Wie müssen Äschengewässer<br />

gestaltet sein, um sowohl dem hohen Fraßdruck <strong>als</strong> auch zunehmend warmen Sommern begegnen<br />

zu können? Ist ein spezifisch auf bedrohte Fischbestände ausgerichtetes Vergrämungs-<br />

/Bejagungskonzept sinnvoll <strong>und</strong> durchführbar? Wo liegen wirklich die kritischen Gebiete? Ein<br />

nationaler Aktionsplan für die Äsche wäre dringend angebracht.<br />

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