Rote Liste der Süßwasserfische und Neunaugen als PDF

Rote Liste der Süßwasserfische und Neunaugen als PDF Rote Liste der Süßwasserfische und Neunaugen als PDF

28.01.2013 Aufrufe

Gefährdungsursachen Es sei hier vorangestellt, dass die Gefährdungsursachen und notwendige Hilfs- und Schutzmaßnahmen für die meisten Fischarten seit langem bekannt sind. Als wesentliche Problemfelder sind zu nennen: • Technisch orientierter Gewässerausbau Stark ausgebaute Gewässer beeinträchtigen überall in Deutschland die Fischbestände. Bundesweit sind große Teile unserer Gewässer nach rein technisch orientierten Zielen ausgebaut und reguliert und werden abrechnungsorientiert und mechanisiert unterhalten (z.B. oft fragwürdige Unterhaltung von weniger intensiv genutzten Schifffahrtsstraßen, z.B. Elbe und Oder). Die Verbindung der Donau mit dem Rhein über den Rhein-Main-Donau-Kanal hat zu einer Flut von Neozoen im Rhein geführt. Dass dies so kommen würde, war vor der Fertigstellung des Kanals bekannt und wurde in Kauf genommen. Weitere große Flussverbindungen (z.B. Donau/Oder) werden ohne Rücksicht auf Verluste geplant und wohl dann auch umgesetzt. Gewässerregulierung sowie Querverbau und damit verbunden eine Reduktion des historischen Verbreitungsgebietes stellen für 16 Arten (73%), die in den Kategorien „Vom Aussterben bedroht“ bis „Gefährdet“ geführt werden, die wesentlichen Gefährdungsursachen dar. Allein die Verbreitung von sieben Fischarten aus den Kategorien 1 bis 3 (32%) sind durch den Ausbau der Donau zu einer stauregulierten Wasserstraße stark beeinträchtigt. Strukturverluste durch monotone, mechanisierte und oft übertriebene Gewässerunterhaltung sind die Regel. Nach wie vor wird Hochwasserschutz weitgehend mit Deicherhöhungen und hartem Uferverbau statt mit Auenrückgewinnung synonymisiert. Die klimabedingten Prognosen einer höheren Frequenz und Amplitude von Hochwasserereignissen werden in den kommenden Jahren zu einer neuen Welle technischer Überformungen von Fließgewässern führen. Belange des Natur- und Artenschutzes spielen in dieser Diskussion, wenn überhaupt, nur für ausgewählte terrestrische Organismen eine Rolle. • Wasserkraft und Kühlwassernutzung Wasserkraft als nicht-fossiler Energieträger wird, wenn es in den Stauräumen nicht zu starker Methan-Bildung kommt, zu Recht gefördert. Die Nutzung von Wasserkraft ist aber für die gesamte Gewässerbiozönose sehr problematisch und erfordert innovative Lösungen. Ein wesentlicher Teil des Gewässerausbaus erfolgte in der Vergangenheit für Wasserkraftanlagen und der Neubau vieler Wasserkraftanlagen wird in naher Zukunft unsere Gewässer noch stärker beeinträchtigen. Querverbau für Wasserkraft hat zu einer Reduktion des historischen Verbreitungsgebietes von zehn Arten (45%) der Kategorien „Vom Aussterben bedroht“ bis „Gefährdet“ (und zahlreicher „nur“ regional gefährdeter Arten) geführt und ist damit eine der wichtigsten Gefährdungsursachen. Wasserkraftanlagen, aber auch viele heute unnötige „Kulturwehre“, haben eine mangelhafte Durchgängigkeit vieler Gewässer zur Folge. Wenn Wasserkraft mit Schwallbetrieb verbunden ist, führt dies zur Verödung von ganzen Flussabschnitten, z.B. im Voralpenraum. Zu geringe Mindestwasserführungen beeinträchtigen schon heute viele Fließgewässer massiv und dieser Faktor wird mit zunehmender Klimaerwärmung an Bedeutung gewinnen. Zudem werden jedes Jahr massenhaft Fische in Turbinen und im Kühlwasser von Kraftwerken vernichtet. Zukünftig wird es vor allem in den größeren Gewässern durch neue Kraftwerke zu einer starken Zunahme von Abwärme-Einleitungen kommen. Wann es zu Störungen in der Reproduktion durch einen fehlenden „Winter“ in den Gewässern kommt, ist bisher ungeklärt. Während das Problem der Durchgängigkeit von Wehren mit Fischpässen technisch zu lösen ist, mangelt es an der finanziellen, rechtlichen und politischen Umsetzung. Der ökologische Zustand von Stauräumen und Schifffahrtsstraßen kann nur schwerlich verbessert werden. 310

• Nährstoff- und Feinsedimentbelastung Eutrophierung von Seen und Verschmutzung von Kiesbetten in Fließgewässern sind weit verbreitete Phänomene, die zwar nur wenige Arten so existenziell treffen, dass sie in die Rote Liste kommen (z.B. Lachs), die aber dazu führen, dass viele Fischgemeinschaften sehr stark verändert sind. So sind z.B. die Bestände vieler Kieslaicher vor allem aufgrund zu hoher Feinsedimentanteile in vielen Regionen auf sehr niedrigem Niveau. Zu hohe Feinsedimentbelastung und zu hohe Nährstofffrachten resultieren z.B. aus ungeschützten Anbindungen von Meliorationssystemen oder Regenwassereinleitungen, ungenügender Abwasserreinigung, ungenügenden Regenrückhaltekapazitäten von Kläranlagen und zu schmalen Gewässerrandstreifen (Abstände zu Acker-, Weide- oder Grünland). Nach wie vor laufen in vielen Mittelgebirgslagen bei Starkregen die Kläranlagen über und fluten die Gewässer mit stark zehrenden Feinsedimenten. Natürliche Wasserrückhaltung in der Landschaft und Hochwasserschutz durch Renaturierung von Auen sind leider immer noch Randthemen. • Forschungsdefizite Um die Ziele des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (u.a. 2010-Ziel der EU: kein weiterer Verlust von Biodiversität) und das nationale Ziel einer kürzeren Roten Liste (Nationale Nachhaltigkeitsstrategie) zu erreichen, ist es unbedingt nötig, einem künftigen Verlust von Biodiversität vorzubeugen. Dazu sind ganz spezifische Maßnahmen nötig. Das 2010-Ziel der EU wird auch für die Fische Deutschlands nicht mehr zu erreichen sein. Klimaerwärmung, Abwärmeeinleitungen, Veränderungen in der Landnutzung und ein starker Ausbau der Wasserkraft werden unsere Fischbestände in den kommenden Jahrzehnten massiv beeinträchtigen. Wenn das Ziel, den Artenschwund zu stoppen, erreicht werden soll, sind diejenigen Arten besonders interessant, deren Bestände während der letzten zehn Jahre zurückgegangen sind oder die kurz vor dem Aussterben stehen. Dies trifft auf die Äsche, den Ammerseekilch, die Chiemseerenke, die Karausche und die Plötze zu. Die Plötze geht vor allem aufgrund der verbesserten Gewässergüte zurück, für die anderen Arten besteht akuter Handlungsbedarf. Auf der Ebene einiger Bundesländer oder auf regionaler Ebene sind wesentlich mehr Arten rückläufig. • Klimawandel Der Klimawandel stellt den Schutz von Biodiversität in Deutschland vor neue Herausforderungen. Vor allem aquatische Arten mit limitierten Ausbreitungsmöglichkeiten wie Fische sind hier betroffen. Um einem zukünftigen Verlust von Biodiversität begegnen zu können, muss über die bisherigen Ansätze (Schutzgebiete, FFH-Richtlinie) hinaus gedacht werden. Für die Erhaltung aquatischer Biodiversität in Deutschland müssen die wichtigen Gebiete identifiziert werden. Dies kann z.B. nach dem Konzept der Key Biodiversity Areas (KBA) (GÜVEN et al. 2004) geschehen. Zudem ist es notwendig, die Auswirkungen verschiedener Klimaszenarien auf diese Gebiete zu modellieren und zu quantifizieren. Es ist weiterhin nötig, potentielle Klima- Refugialräume zu ermitteln und deren Vernetzung mit den aktuellen Arealen zu gewährleisten. Damit können Grundlagen für wissenschaftlich begründete Entwicklungskonzepte der Gebiete und für einen nachhaltigen Schutz aquatischer Biodiversität bereitgestellt werden. Zudem ist die autökologische und synökologische Datengrundlage für viele Arten sehr gering und wir wissen oft nicht, wie Fische auf verändertes Klima reagieren werden. Beispielsweise bleibt offen, was passiert, wenn die kritischen Temperaturen für die Gonadenreifung nicht mehr unterschritten werden oder die Synchronisation der Laichzeiten nicht mehr gewährleistet ist. 311

• Nährstoff- <strong>und</strong> Feinsedimentbelastung<br />

Eutrophierung von Seen <strong>und</strong> Verschmutzung von Kiesbetten in Fließgewässern sind weit<br />

verbreitete Phänomene, die zwar nur wenige Arten so existenziell treffen, dass sie in die <strong>Rote</strong><br />

<strong>Liste</strong> kommen (z.B. Lachs), die aber dazu führen, dass viele Fischgemeinschaften sehr stark<br />

verän<strong>der</strong>t sind. So sind z.B. die Bestände vieler Kieslaicher vor allem aufgr<strong>und</strong> zu hoher Feinsedimentanteile<br />

in vielen Regionen auf sehr niedrigem Niveau. Zu hohe Feinsedimentbelastung<br />

<strong>und</strong> zu hohe Nährstofffrachten resultieren z.B. aus ungeschützten Anbindungen von Meliorationssystemen<br />

o<strong>der</strong> Regenwassereinleitungen, ungenügen<strong>der</strong> Abwasserreinigung, ungenügenden<br />

Regenrückhaltekapazitäten von Kläranlagen <strong>und</strong> zu schmalen Gewässerrandstreifen (Abstände<br />

zu Acker-, Weide- o<strong>der</strong> Grünland). Nach wie vor laufen in vielen Mittelgebirgslagen bei Starkregen<br />

die Kläranlagen über <strong>und</strong> fluten die Gewässer mit stark zehrenden Feinsedimenten. Natürliche<br />

Wasserrückhaltung in <strong>der</strong> Landschaft <strong>und</strong> Hochwasserschutz durch Renaturierung von<br />

Auen sind lei<strong>der</strong> immer noch Randthemen.<br />

• Forschungsdefizite<br />

Um die Ziele des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (u.a. 2010-Ziel <strong>der</strong> EU: kein<br />

weiterer Verlust von Biodiversität) <strong>und</strong> das nationale Ziel einer kürzeren <strong>Rote</strong>n <strong>Liste</strong> (Nationale<br />

Nachhaltigkeitsstrategie) zu erreichen, ist es unbedingt nötig, einem künftigen Verlust von Biodiversität<br />

vorzubeugen. Dazu sind ganz spezifische Maßnahmen nötig. Das 2010-Ziel <strong>der</strong> EU<br />

wird auch für die Fische Deutschlands nicht mehr zu erreichen sein. Klimaerwärmung, Abwärmeeinleitungen,<br />

Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Landnutzung <strong>und</strong> ein starker Ausbau <strong>der</strong> Wasserkraft<br />

werden unsere Fischbestände in den kommenden Jahrzehnten massiv beeinträchtigen. Wenn das<br />

Ziel, den Artenschw<strong>und</strong> zu stoppen, erreicht werden soll, sind diejenigen Arten beson<strong>der</strong>s interessant,<br />

<strong>der</strong>en Bestände während <strong>der</strong> letzten zehn Jahre zurückgegangen sind o<strong>der</strong> die kurz vor<br />

dem Aussterben stehen. Dies trifft auf die Äsche, den Ammerseekilch, die Chiemseerenke, die<br />

Karausche <strong>und</strong> die Plötze zu. Die Plötze geht vor allem aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> verbesserten Gewässergüte<br />

zurück, für die an<strong>der</strong>en Arten besteht akuter Handlungsbedarf. Auf <strong>der</strong> Ebene einiger B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong><br />

o<strong>der</strong> auf regionaler Ebene sind wesentlich mehr Arten rückläufig.<br />

• Klimawandel<br />

Der Klimawandel stellt den Schutz von Biodiversität in Deutschland vor neue Herausfor<strong>der</strong>ungen.<br />

Vor allem aquatische Arten mit limitierten Ausbreitungsmöglichkeiten wie Fische sind<br />

hier betroffen. Um einem zukünftigen Verlust von Biodiversität begegnen zu können, muss über<br />

die bisherigen Ansätze (Schutzgebiete, FFH-Richtlinie) hinaus gedacht werden. Für die Erhaltung<br />

aquatischer Biodiversität in Deutschland müssen die wichtigen Gebiete identifiziert werden.<br />

Dies kann z.B. nach dem Konzept <strong>der</strong> Key Biodiversity Areas (KBA) (GÜVEN et al. 2004)<br />

geschehen. Zudem ist es notwendig, die Auswirkungen verschiedener Klimaszenarien auf diese<br />

Gebiete zu modellieren <strong>und</strong> zu quantifizieren. Es ist weiterhin nötig, potentielle Klima-<br />

Refugialräume zu ermitteln <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Vernetzung mit den aktuellen Arealen zu gewährleisten.<br />

Damit können Gr<strong>und</strong>lagen für wissenschaftlich begründete Entwicklungskonzepte <strong>der</strong> Gebiete<br />

<strong>und</strong> für einen nachhaltigen Schutz aquatischer Biodiversität bereitgestellt werden. Zudem ist die<br />

autökologische <strong>und</strong> synökologische Datengr<strong>und</strong>lage für viele Arten sehr gering <strong>und</strong> wir wissen<br />

oft nicht, wie Fische auf verän<strong>der</strong>tes Klima reagieren werden. Beispielsweise bleibt offen, was<br />

passiert, wenn die kritischen Temperaturen für die Gonadenreifung nicht mehr unterschritten<br />

werden o<strong>der</strong> die Synchronisation <strong>der</strong> Laichzeiten nicht mehr gewährleistet ist.<br />

311

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!