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Nimm zwei! - BRAK-Mitteilungen

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210 Berufsrechtliche Rechtsprechung <strong>BRAK</strong>-Mitt. 4/2011<br />

Pflicht zur Führung von Papierhandakten. Für eine Täuschung<br />

durch den Kl./Ast. bestünden keine Anhaltspunkte.<br />

Auch die Gefahr leichterer Täuschung sei nicht gegeben.<br />

Papierdokumente könnten ebenso gefälscht werden.<br />

Dem ist an Deutlichkeit nichts hinzuzufügen. Woraus der<br />

Vorprüfungsausschuss eine berufsrechtliche Pflicht zur Führung<br />

von Handakten in Papierform herleiten will, ist rätselhaft.<br />

§50 Abs. 1 BRAO verpflichtet den Rechtsanwalt lediglich,<br />

„durch Anlegung von Handakten ein geordnetes Bild<br />

über die von ihm entfaltete Tätigkeit geben (zu) können“.<br />

Von der Anlegung von Papier-Handakten ist dort nicht die<br />

Rede. Im Gegenteil findet sich eine Art Definition der Handakten<br />

in §50 Abs. 4 BRAO, auf den wiederum Abs. 5verweist<br />

und ausdrücklich feststellt, Abs. 4 (also die Definition)<br />

gelte entsprechend, „soweit sich der RA zum Führen von<br />

Handakten der elektronischen Datenverarbeitung bedient“.<br />

III. Begründetheit der Klage<br />

1. Eine Verpflichtungsklage (auch eine Verpflichtungsklage<br />

in der Form der Untätigkeitsklage) ist gem. §113 Abs. 5<br />

Satz 1VwGO begründet, wenn die Ablehnung oder Unterlassung<br />

des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kl.<br />

dadurch in seinen Rechten verletzt ist.<br />

Wie weit in einem solchen Fall die Entscheidungsgewalt des<br />

Gerichts reicht, hängt von der weiteren – mitunter schwierig<br />

zu beurteilenden – Frage ab, ob Spruchreife vorliegt oder<br />

nicht. Ist Spruchreife gegeben, spricht das Gericht die Verpflichtung<br />

der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte<br />

Amtshandlung vorzunehmen. Andernfalls spricht es (nur)<br />

die Verpflichtung aus, den Kl. unter Beachtung der Rechtsauffassung<br />

des Gerichts zu bescheiden.<br />

2. Die Untätigkeitsklage nach §75 Satz 1VwGO führt den<br />

Kl. im Erfolgsfall ebenso weit wie die „normale“ Verpflichtungsklage,<br />

die einen Ablehnungsbescheid voraussetzt.<br />

Damit sind den RAen nach neuem Recht, also nach dem<br />

seit Inkrafttreten des „Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren<br />

im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur<br />

Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft<br />

sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften“ v. 30.7.2009 2<br />

geltenden §112c Abs. 1BRAO, der wiederum die Geltung<br />

der Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung vorsieht,<br />

im Falle einer Untätigkeit der RAK (z.B. in Fachanwalts-<br />

Angelegenheiten) deutlich weitreichendere Möglichkeiten<br />

an die Hand gegeben als nach altem Recht. Zwar sah auch<br />

der früher geltende §223 Abs. 2BRAO für den Fall, dass ein<br />

Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden<br />

Grund innerhalb von drei Monaten nicht beschieden<br />

war, den „Antrag auf gerichtliche Entscheidung“ vor.<br />

Doch konnte ein solcher Antrag bestenfalls, also auch dann,<br />

wenn die Sache spruchreif war, zu einem Bescheidungsurteil<br />

führen. Die Untätigkeitsklage nach altem Recht war<br />

somit allenfalls geeignet, der säumigen Kammer etwas<br />

„Druck“ zu machen. Das ist heute anders. 3<br />

Seit allerneuestem, nämlich seit dem 28.12.2010, streitet für<br />

(angehende) RAe zusätzlich auch noch §32 Abs. 2 Satz 1<br />

BRAO, der durch das „Gesetz zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie<br />

in der Justiz und zur Änderung weiterer<br />

Vorschriften“ v. 22.12.2010 4 eingeführt wurde und die Vorstände<br />

der RAKn verpflichtet, über Anträge, darunter auch<br />

Fachanwaltsanträge, innerhalb von drei Monaten abschlie-<br />

2BGBl. I S. 2449 ff.<br />

3Vgl. hierzu Deckenbrock, a.a.O., §112c BRAO Rdnr. 16.<br />

4BGBl. I S. 2248 ff.<br />

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung<br />

ßend zu entscheiden. Da die Klage vor Inkrafttreten dieser<br />

Norm erhoben wurde, brauchte sich der AGH mit der<br />

neuen Vorschrift, deren Folgen unklar sind (keine Genehmigungsfiktion,<br />

aber möglicherweise Schadensersatzansprüche<br />

gegenüber der RAK und/oder Möglichkeit, die Rechtsaufsicht<br />

anzurufen), noch nicht auseinanderzusetzen.<br />

3. Mit der schwierigen Frage, ob im vorliegenden Fall<br />

Spruchreife gegeben ist, beschäftigt sich der Senat ausführlich.<br />

Von der Beantwortung dieser Frage hing es ab, ob die<br />

beklagte RAK unmittelbar und ohne weitere Umschweife<br />

verpflichtet werden konnte, die Fachanwaltschaft im Medizinrecht<br />

zu verleihen, oder ob die Verpflichtung der Kammer<br />

nur dahingehen konnte, nunmehr über den Antrag zu<br />

entscheiden und dabei – entsprechend der Rechtsauffassung<br />

des AGH – die vorgelegten Arbeitsproben als solche i.S.v.<br />

§6Abs. 3 FAO zu akzeptieren. Zwischen beiden Entscheidungsmöglichkeiten<br />

liegen – erkennbar – Welten.<br />

Grundsätzlich gilt, dass ein (Verwaltungs-)Gericht Spruchreife<br />

herbeiführen und dabei ggf. auch eigene Sachverhaltsfeststellungen<br />

treffen muss, mit denen sich die ursprünglich<br />

zuständige Behörde nicht befasst hat. 5 Nur, sofern es des<br />

besonderen Sachverstands spezieller Fachbehörden (möglicherweise<br />

also von Vorprüfungsausschüssen) bedarf, muss<br />

das Gericht nicht selbst vollständige Sachverhaltsaufklärung<br />

betreiben. 6<br />

Im vorliegenden Fall nimmt der Senat Spruchreife an. Zur<br />

Begründung verweist er auf Dreierlei: Zum ersten darauf,<br />

dass die Entscheidung nach den §§ 43c BRAO, 24 FAO<br />

eine gebundene Entscheidung sei, bei der der Kammervorstand<br />

keinen Ermessens- oder Beurteilungsspielraum habe<br />

und die im gerichtlichen Verfahren vollumfänglich überprüfbar<br />

sei. Zum <strong>zwei</strong>ten darauf, dass das Gericht sich<br />

darum bemühen müsse, die Entscheidung der Verwaltung<br />

zu überprüfen, soweit wie dies beim jeweiligen Stand des<br />

Verwaltungsverfahrens möglich sei, damit künftigen<br />

gerichtlichen Auseinandersetzungen vorgebeugt werde und<br />

weitere zeitliche Verzögerungen des Rechtsschutzes vermieden<br />

würden, was wiederum dazu führe, dass nur in<br />

Ausnahmefällen auf besonders qualifizierte Fachgremien<br />

oder mit besonderen Spezialkenntnissen ausgestattete<br />

Behörden oder Ausschüsse zurückgegriffen werden könne.<br />

Und zum dritten darauf, dass sich auch aus §7 FAO bei<br />

Zugrundelegung der Rechtsprechung des BGH keine Ausnahme<br />

herleiten lasse.<br />

Das letztgenannte Argument ist besonders interessant, weil<br />

der AGH die Reichweite seiner Entscheidungskompetenz im<br />

Wesentlichen aus der Rechtsprechung des BGH zum Fachgespräch<br />

ableitet.<br />

§7FAO sehe zum Nachweis der besonderen theoretischen<br />

Kenntnisse oder praktischen Erfahrungen ein Fachgespräch<br />

vor, das nach einhelliger Meinung nur eingeschränkt<br />

gerichtlich überprüfbar sei. Doch sei vor dem Hintergrund<br />

der sehr zurückhaltenden Rechtsprechung des BGH zum<br />

Fachgespräch zu beachten, dass dieses nach der Neufassung<br />

des §7FAO zwar die Regel darstelle, aber doch nur angeordnet<br />

werden dürfe, wenn der Fachausschuss bei Durchsicht<br />

der vorgelegten Zeugnisse und schriftlichen Unterlagen<br />

Defizite in formaler Hinsicht feststelle. Danach verblieben<br />

zwar Fälle, in denen ein Fachgespräch denkbar sei.<br />

5 Redeker/von Oertzen, Kommentar zur VwGO, §113 VwGO Rdnr. 57<br />

m. zahlr. w. Nachw.<br />

6 Redeker/von Oertzen, a.a.O., §113 VwGO Rdnr. 57a.

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