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Nimm zwei! - BRAK-Mitteilungen

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<strong>BRAK</strong>-Mitt. 4/2011 Berufsrechtliche Rechtsprechung 209<br />

liche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, noch hat die Rechtssache<br />

grundsätzliche Bedeutung (§§ 124a Abs. 1, 2 Nr. 2u. 3<br />

VwGO); die entscheidungserheblichen Fragen sind, soweit sie<br />

nicht gesetzlich klar geregelt sind, in der Rechtsprechung<br />

geklärt. Auch ein Fall der Divergenz nach §124 Abs. 2Nr. 4<br />

VwGO liegt nicht vor.<br />

Anmerkung:<br />

Das vorliegende Urteil des nordrhein-westfälischen AGH ist<br />

in mehrfacher Hinsicht interessant, ja bemerkenswert. Es<br />

geht zunächst und vordergründig um die Frage, ob Arbeitsproben<br />

i.S.v. §6 Abs. 3 FAO auch in elektronischer Form<br />

vorgelegt werden können, und sodann um die viel weitreichendere<br />

und spannendere Frage, ob der AGH über die<br />

nötige Entscheidungskompetenz und Sachkunde verfügt,<br />

um in einem Klageverfahren, das auf die Erteilung einer<br />

Fachanwaltserlaubnis gerichtet ist, Spruchreife herzustellen.<br />

I. Der Sachverhalt<br />

Schon der Sachverhalt ist – gelinde gesagt – erstaunlich,<br />

weshalb seine Schilderung mehr Raum verdient, als dies in<br />

einer Anmerkung sonst üblich sein mag.<br />

Der spätere Kl. hatte Ende April 2010 die Verleihung der<br />

Bezeichnung „Fachanwalt für Medizinrecht“ beantragt. Er<br />

hatte diverse Nachweise der theoretischen Eignung, darunter<br />

auch eine Promotion (auf dem Gebiet der Strahlenschutzepidemiologie)<br />

und Publikationen aus dem juristischen<br />

und medizinischen Bereich sowie eine Liste mit 70<br />

Fällen vorgelegt. Der zuständige Vorprüfungsausschuss ließ<br />

zunächst nichts von sich hören. Erst auf eine Nachfrage und<br />

eine nochmalige Erinnerung des Ast. und späteren Kl. meldete<br />

sich Anfang August 2010 der zuständige Berichterstatter<br />

und erbat Arbeitsunterlagen zu 10 Fällen. Die Arbeitsproben<br />

übersandte der Ast. prompt in Form einer CD-ROM<br />

(überwiegend im Word-Format, in einem Fall als pdf).<br />

Daraufhin teilte der Berichterstatter mit, der Vorprüfungsausschuss<br />

erkenne Arbeitsproben in elektronischer Form<br />

nicht an. Die Vorlage einer CD-ROM erfülle nicht die Voraussetzungen<br />

des §6Abs. 3FAO. Vor allem Word-Dateien,<br />

die eigene Schriftsätze enthielten, seien in hohem Maße<br />

täuschungsanfällig, ohne dass dies vom Vorprüfungsausschuss<br />

überprüft werden könne. Zwar seien Manipulationen<br />

auch bei Vorlage von Kopien aus bestehenden Akten nicht<br />

vollständig auszuschließen, doch seien diese mit wesentlich<br />

höherem Aufwand verbunden und im Zusammenhang mit<br />

Kopien des sonstigen Schriftwechsels leichter festzustellen.<br />

Außerdem sei der RA berufsrechtlich verpflichtet, trotz elektronischer<br />

Aktenführung eine aussagekräftige Handakte in<br />

Papierform zu erstellen, sodass ohne Weiteres Kopien dieser<br />

Akte als Arbeitsproben vorgelegt werden könnten. Und<br />

schließlich sei es in der Kanzlei des Berichterstatters untersagt,<br />

private CD-ROMs zu nutzen und ins System einzuspielen,<br />

um sich vor Viren zu schützen. Es sei den ehrenamtlich<br />

tätigen Mitgliedern des Vorprüfungsausschusses nicht zuzumuten,<br />

das Risiko von Viren durch das Einspielen von<br />

Arbeitsproben in digitalisierter Form in Kauf zu nehmen<br />

oder, um jedes Risiko zu vermeiden, gesonderte technische<br />

Vorrichtungen zur Überprüfung der vorgelegten Datenträger<br />

vorzuhalten. Nicht zuzumuten sei es den Ausschussmitgliedern<br />

außerdem, übersandte Dateien, die teilweise einen<br />

erheblichen Umfang hätten, auf eigene Kosten auszudrucken.<br />

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung<br />

Nach einigem Schriftwechsel, der im Ergebnis zu keiner<br />

Einigung führte, erhob der Ast. Mitte Oktober 2010 Untätigkeitsklage.<br />

Die erste mündliche Verhandlung vor dem AGH fand am<br />

21.1.2011 statt. Der Senat gab hierbei zu erkennen, dass er<br />

der Rechtsauffassung des Berichterstatters bzw. des Vorprüfungsausschusses<br />

nicht folge und die Vorlage von Arbeitsproben<br />

gem. §6 Abs. 3 FAO in Form einer CD-ROM für<br />

akzeptabel halte. Weil die nächste Sitzung der für Fachanwaltsangelegenheiten<br />

zuständigen Vorstandsabteilung der<br />

beklagten RAK für Anfang Februar 2011 anberaumt war,<br />

wurde die Sache vertagt und neuer Termin zur mündlichen<br />

Verhandlung auf den 18.2.2011 bestimmt. Die beklagte<br />

Anwaltskammer informierte den Vorprüfungsausschuss über<br />

die in der ersten mündlichen Verhandlung bekanntgegebene<br />

Auffassung des Senats und stellte dem Berichterstatter<br />

die vom Kl. eingereichten elektronischen Aktenstücke ausgedruckt<br />

zur Verfügung. Gleichwohl sah sich der Berichterstatter<br />

bzw. der Vorprüfungsausschuss nicht in der Lage, ein<br />

Votum zu erstatten. Und da es somit an einem positiven<br />

oder negativen Votum fehlte, sah sich auch der Kammervorstand<br />

bzw. die zuständige Vorstandsabteilung nicht in der<br />

Lage, abschließend über den Fachanwaltsantrag zu entscheiden.<br />

Diese Entscheidung nahm der AGH der Kammer im<br />

Anschluss an die <strong>zwei</strong>te mündliche Verhandlung am<br />

18.2.2011 dann ab, indem er der Verpflichtungsklage des<br />

Ast. in Form der Untätigkeitsklage stattgab.<br />

II. Zulässigkeit der Klage<br />

Bei der sog. Untätigkeitsklage handelt es sich, wie der Senat<br />

zu Recht feststellt, nicht um eine Klageart im eigentlichen<br />

Sinne. Vielmehr sieht §75 VwGO für (Anfechtungs- und)<br />

Verpflichtungsklagen abweichend von den §§ 68 ff., 74<br />

VwGO den unmittelbaren Klageweg vor. Ist über einen<br />

Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden<br />

Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden<br />

worden, muss der Kl. nicht den Bescheid über seinen<br />

Antrag (und/oder – sofern ein Vorverfahren vorgeschrieben<br />

ist – den Widerspruchsbescheid) abwarten. Vielmehr<br />

kann er unmittelbar auf Erlass des Bescheids, hier also auf<br />

Verleihung der beantragten Fachanwaltserlaubnis, klagen.<br />

Dies ist frühestens nach Ablauf von drei Monaten seit dem<br />

Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts (oder seit der Einlegung<br />

des Widerspruchs) möglich (es sei denn, dass wegen<br />

besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten<br />

ist) (§ 75 Satz 2 VwGO). 1<br />

Der AGH stellt überzeugend fest, dass es an einem sachlichen<br />

Grund für die – massive – Überschreitung der in §75<br />

Satz 2 VwGO vorgesehenen 3-Monats-Frist fehlt, weil der<br />

Vorprüfungsausschuss der beklagten Anwaltskammer und<br />

die beklagte Kammer selbst die vom Kl./Ast. gelieferten<br />

Arbeitsproben nicht hätten zurückweisen dürfen. In der<br />

FAO, namentlich ihrem §6, sei die Vorlage von Arbeitsproben<br />

in Papierform nicht ausdrücklich vorgeschrieben.<br />

§126b BGB lasse die CD-ROM als Schriftform genügen.<br />

Auch nach §50 Abs. 5BRAO sei die E-Handakte zugelassen.<br />

Die Kommunikation in elektronischer Form habe sich<br />

heute durchgesetzt (dies teilweise auch schon im Verkehr<br />

mit den Gerichten auf der gesetzlichen Grundlage des<br />

§298a ZPO). Es gebe außerdem keine berufsrechtliche<br />

1Vgl. zum Ganzen Deckenbrock in Henssler/Prütting, Kommentar zur<br />

BRAO, §112c BRAO Rdnr. 17.

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