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Nimm zwei! - BRAK-Mitteilungen

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<strong>BRAK</strong>-Mitt. 4/2011 Berufsrechtliche Rechtsprechung 201<br />

richtlicher Ermittlungen wegen des Vorwurfs des Verstoßes<br />

gegen das Verbot der Wahrnehmung widerstreitender Interessen<br />

in derselben Rechtssache (§§ 43a Abs. 4, 3 Abs. 1 BRAO)<br />

gebeten. Das hat die StA mit ihrem am 14.1.2011 bei der RAK<br />

eingegangenen Bescheid v. 11.1.2011 abgelehnt. Gegen die<br />

Ablehnung hat die RAK mit ihrem am gleichen Tag bei dem<br />

AGH eingegangenen Schriftsatz v. 9.2.2011 auf gerichtliche<br />

Entscheidung angetragen.<br />

Aus den Gründen:<br />

II. Der nach §122 BRAO statthafte Antrag ist zulässig. Er ist<br />

vom Präsidenten der Schleswig-Holsteinischen RAK und damit<br />

formgerecht (Feuerich-Weyland, §122 BRAO, 7. Aufl. 2008,<br />

Rdnr. 11) sowie innerhalb der (Monats-)Frist des § 122 Abs. 2<br />

BRAO und damit fristgerecht gestellt worden.<br />

III. Der Antrag ist nach Aktenlage jedoch unbegründet. Denn<br />

der RA hat auch vor Erledigung der Erb- und Pflichtteilsansprüche<br />

der Miterbin E keine widerstreitenden Interessen vertreten.<br />

1. § 43a Abs. 4 BRAO gebietet dem RA, keine widerstreitenden<br />

Interessen wahrzunehmen. Eine Wahrnehmung widerstreitender<br />

Interessen liegt vor, wenn ein RA eine andere Partei in derselben<br />

Rechtssache im entgegengesetzten Interesse schon einmal<br />

beraten oder vertreten hat oder sie weiterhin berät oder<br />

vertritt (Feuerich-Weyland, a.a.O., §43a BRAO, Rdnr. 64).<br />

Dabei ist das –ungeschriebene – Tatbestandsmerkmal „in derselben<br />

Rechtssache“ dann erfüllt, wenn der rechtlichen Angelegenheit<br />

ein einheitlicher historischer Vorgang zugrunde liegt,<br />

dessen Umstände tatsächlicher Art rechtlich einheitlich zu<br />

beurteilen sind, ohne dass es sich dabei um ein und denselben<br />

Anspruch oder um dieselben beteiligten Personen handeln<br />

muss.<br />

Die Nachlassangelegenheit E<br />

Dieselbe Rechtssache erfüllt diese Voraussetzungen,<br />

stellt also für alle Mitglieder der<br />

Erbengemeinschaft dieselbe Rechtssache i.S.v. §43a Abs. 4<br />

BRAO dar. In dieser selben Rechtssache könnte also auch eine<br />

Vertretung widerstreitender Interessen durch den RA eingetreten<br />

sein, als der RA, nachdem er die Mandanten …in ihrer<br />

Eigenschaft als Miterben und potentielle materiellrechtliche<br />

Schuldner des Anspruchs der Miterbin E auf den Zusatzpflichtteil<br />

(§ 2305 BGB) anwaltlich beraten hatte, das Mandat eben<br />

jener zusatzpflichtteilsberechtigten Miterbin Eübernahm.<br />

2. Grundsätzlich begründet auch die hier vorliegende formelle<br />

Antragsgegnerschaft einen Interessengegensatz i.S.v. §43a<br />

Abs. 4 BRAO.<br />

Dieser kann nach Auffassung<br />

des Senats nicht schon mit der<br />

Erwägung der StA verneint werden,<br />

dass bei Prüfung der objek-<br />

tiven Interessenlage zwischen den Interessen der Miterben D<br />

(Mandant 1) und den der Miterbin und Pflichtteilsberechtigten<br />

E (Mandant 2) gar kein Gegensatz vorliege, da „das objektive<br />

Interesse dieser Miterben dahin gehe, dass der Sachverhalt des<br />

Grundvermögens, dass der Miterbe L möglicherweise übernehmen<br />

will, möglichst hoch angesetzt wird und damit die vermeintlichen<br />

Ausgleichszahlungen möglichst hoch sind …“<br />

Denn das „objektive Interesse“ der Mandanten G kann nur<br />

dahin gehen, den Anspruch der Miterbin E auf den Zusatzpflichtteil<br />

abzuwehren, also den der Berechnung des Zusatzpflichtteils<br />

zugrunde zu legenden Nachlass möglichst gering<br />

bewerten. Dabei kommt es nicht nur auf die Bewertung des<br />

Grundstücks, sondern auch auf die des übrigen Nachlasses an.<br />

Zutreffend weist die RAK darauf hin, dass der RA mit Schreiben<br />

v. 20.9.2009 für E Auskunft gem. § 2314 BGB zum Nachlassbe-<br />

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung<br />

Objektiver<br />

Interessengegensatz<br />

stand, zu den ergänzungspflichtigen Schenkungen und zu den<br />

ausgleichs- und anrechnungspflichtigen Zuwendungen verlangt<br />

hat und damit ein den objektiven Interessen der Miterben<br />

entgegengesetztes Interesse zum Ausdruck gebracht hat.<br />

3. Es ist im Hinblick auf die Entscheidung des BVerfG v.<br />

3.7.2003 (1 BvR 238/01) jedoch zuprüfen, ob der Interessengegensatz<br />

durch das Einverständnis sowohl der Mandanten G<br />

als auch der Miterbin Emit der Fortführung der wechselseitig<br />

erteilten Mandate hier ausgeschlossen ist.<br />

a) Erörtert wird in der Kommentarliteratur (vgl. Feuerich-Weyland,<br />

a.a.O., §43BRAO, Rdnr. 64), obder Interessengegensatz<br />

i.S.d. §43a Abs. 4BRAO nach objektiven oder nach subjektiven<br />

Kriterien zu ermitteln ist. Dabei ist zu beachten, dass §43a<br />

Abs. 4BRAO mehrere Schutzzwecke verfolgt, die teils zur Disposition<br />

des Mandanten stehen, teils auch nicht. Nur wenn<br />

ausschließlich zur Disposition des Mandanten stehende<br />

Schutzzwecke berührt sind, ist esgerechtfertigt, die Frage nach<br />

dem Bestehen eines Interessengegensatzes ausschließlich nach<br />

subjektiven Kriterien zu beantworten. Bei den Schutzzwecken<br />

des §43a Abs. 4BRAO handelt essich zum einen um das Vertrauensverhältnis<br />

des RA zum Mandanten (Schutzzweck 1),<br />

zum anderen um die Wahrung der Unabhängigkeit des RA und<br />

die Gradlinigkeit der Berufsausübung (Schutzzwecke 2und 3).<br />

Der Schutzzweck 1steht <strong>zwei</strong>fellos zur Disposition des Mandanten,<br />

die Schutzzwecke 2und 3indes nicht, dasie im Interesse<br />

des Gemeinwohls in Gestalt einer funktionsfähigen<br />

Rechtspflege liegen (Feuerich-Weyland, a.a.O., Rdnr. 64).<br />

b) Nach der o.g. Rspr. des BVerfG sind indes sowohl subjektive<br />

als auch objektive Kriterien bei der Prüfung eines möglichen<br />

Interessenwiderstreits anzulegen. Zudem dürfte die Abgrenzung,<br />

was den Interessen des Mandanten und damit zugleich<br />

der Rechtspflege dient, nicht abstrakt und verbindlich von<br />

RAKn oder Gerichten ohne Rücksicht auf die konkrete Sichtweise<br />

der betroffenen Mandanten entschieden werden; vielmehr<br />

stehe den betroffenen Mandanten insoweit eine Entscheidungsprärogative<br />

zu. Deshalb sind die Mandanten auch von<br />

dem RA umfassend zu informieren.<br />

Subjektive<br />

Mandanteninteressen<br />

beachtlich<br />

Danach haben also in erster<br />

Linie die Mandanten zu bestimmen,<br />

ob sie ihr Interesse als<br />

gewahrt ansehen oder nicht (so<br />

auch Grunewald, AnwBl. 2005,<br />

437, 439 m.w.N.). Demzufolge haben RAKn dafür Sorge zu tragen,<br />

dass die Mandanten ihre Entscheidungen nach umfassender<br />

Information durch den RAtreffen; ansonsten dürfen RAKn<br />

nur in solchen Fällen eingreifen, in welchen trotz einer Einwilligung<br />

der betreffenden Mandanten deren beiderseitige Interessenvertretung<br />

durch den RA nicht hingenommen werden kann.<br />

Diese Grenze ist nach Auffassung des Senats erst dann überschritten,<br />

wenn ein RA in derselben Rechtssache einander<br />

widersprechende rechtliche und/oder tatsächliche Standpunkte<br />

vertritt (so auch Grunewald, a.a.O.), weil erst dann die Außendarstellung<br />

der Anwaltschaftinsgesamtund damit das objektive<br />

Interesse an einer funktionsfähigen Rechtspflege Schaden<br />

nimmt.<br />

c) Dieser Fall ist hier indes nicht<br />

gegeben. Der RA hat sowohl<br />

nach seiner Darstellung als auch<br />

nach den Feststellungen der<br />

RAK keine einander widersprechende<br />

Standpunkte der Man-<br />

Keine<br />

widersprechenden<br />

Standpunkte<br />

vertreten<br />

danten Geinerseits und der Miterbin Eandererseits in tatsächlicher<br />

oder rechtlicher Hinsicht vertreten. Deshalb ist weder<br />

das Vertrauensverhältnis der Mandanten zu dem RA gestört<br />

noch die Außendarstellung der Rechtsanwaltschaft beschädigt.

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