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Nimm zwei! - BRAK-Mitteilungen

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200 Berufsrechtliche Rechtsprechung <strong>BRAK</strong>-Mitt. 4/2011<br />

Vertretung von Miterben und einer Miterbin, die zugleich<br />

Pflichtteilsberechtigte ist<br />

BRAO §43a Abs. 4<br />

* 1. Bei den Schutzzwecken des §43a Abs. 4 BRAO handelt es<br />

sich um das Vertrauensverhältnis des Rechtsanwalts zum Mandanten,<br />

die Wahrung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts und<br />

die Gradlinigkeit der Berufsausübung. Während der erste Schutzzweck<br />

zur Disposition des Mandanten steht, gilt dies für die anderen<br />

beiden Schutzzwecke nicht, da sie im Interesse des Gemeinwohls<br />

in Gestalt einer funktionsfähigen Rechtspflege liegen.<br />

* 2. Die Abgrenzung, was den Interessen des Mandanten und<br />

damit zugleich der Rechtspflege dient, darf nicht abstrakt und<br />

verbindlich von Rechtsanwaltskammern oder Gerichten ohne<br />

Rücksicht auf die konkrete Sichtweise der betroffenen Mandanten<br />

entschieden werden. Vielmehr steht den betroffenen Mandanten<br />

insoweit eine Entscheidungsprärogative zu.<br />

* 3. Aus diesem Grund sind die Mandanten auch von dem Rechtsanwalt<br />

umfassend zu informieren. Auf dieser Grundlage haben<br />

sodann in erster Linie die Mandanten zu bestimmen, ob sie ihr<br />

Interesse als gewahrt ansehen oder nicht.<br />

* 4. Widerstreitende Interessen sind erst dann überschritten,<br />

wenn ein Rechtsanwalt in derselben Sache einander widersprechende<br />

rechtliche und/oder tatsächliche Standpunkte vertritt,<br />

weil erst dann die Außendarstellung der Anwaltschaft insgesamt<br />

und damit das objektive Interesse an einer funktionsfähigen<br />

Rechtspflege Schaden nimmt.<br />

AGH Schleswig-Holstein, Beschl. v. 20.5.2011 – 1 AGH 1/11<br />

Aus dem Tatbestand:<br />

I. RA A. (künftig: RA) vertrat und vertritt die Interessen von vier<br />

Mitgliedern der aus 11 Personen bestehenden Erbengemeinschaft<br />

nach der am 2.1.2009 verstorbenen Erblasserin bei der<br />

Geltendmachung bzw. Abwehr erbrechtlicher Ansprüche.<br />

Die Erblasserin hatte vier Kinder, nämlich einen Sohn, der vorverstorben<br />

ist, und die Töchter B, C und D. Der vorverstorbene<br />

Sohn hat eine Tochter E hinterlassen, die Töchter haben zusammen<br />

sieben Kinder. Die Erblasserin hat in einem nach dem Tod<br />

des Sohnes errichteten Testament letztwillig verfügt, dass ihre<br />

drei lebenden Kinder zu je 1/4 und ihre acht Enkel, E und die<br />

sieben weiteren Enkel der Erblasserin, zu je 1/32 als Erben eingesetzt<br />

sind.<br />

Der RA hat seinen eigenen Bekundungen (Schreiben v.<br />

23.3.2010, Bl. 34; Schreiben v. 18.5.2010, Bl. 18; Schreiben v.<br />

20.12.2010, Bl. 31) zufolge zunächst ein (Beratungs- und/oder<br />

Vertretungs-)Mandat der Miterbin D und deren Kinder und F.<br />

(künftig die Mandanten G) in der den Nachlass der Erblasserin<br />

betreffenden Angelegenheit übernommen, das er bis heute fortführt.<br />

Zum Inhalt dieses Mandats trägt der RA mit Schriftsatz v.<br />

1.4.2011 ergänzend vor:<br />

Ich habe der Familie D (D und deren Kinder F und H) den<br />

Inhalt und die sich daraus ergebenden Konsequenzen des Testaments<br />

des Kollegen I erläutert. Ich habe die Mandanten in<br />

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung<br />

Berufsrechtliche Rechtsprechung<br />

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung<br />

*Leitsatz der Redaktion (Orientierungssatz)<br />

einer Erbangelegenheit über ihre Rechte umfassend informiert<br />

und aufgeklärt. Alle folgenden Maßnahmen sind für E – in der<br />

Abstimmung mit der Familie D – getroffen worden.<br />

Für E hat der RA sodann mit – gleichlautendem – Schreiben v.<br />

28.9.2009 gegenüber allen Miterben, also auch gegenüber den<br />

Mandanten G den Anspruch auf den Zusatzpflichtteil gem.<br />

§2305 BGB geltend gemacht und den Anspruch mit Schreiben<br />

v. 2.3.2010 – wiederum „gleichlautend an alle Miterben“ – mit<br />

34.750 Euro beziffert. Dabei verhielt es sich nach der Darstellung<br />

des RA im Schreiben v. 23.3.2010 (GA Bl. 33 ff.) so, dass<br />

die Mandanten G und die Miterbin E „an einem Strang zögen“<br />

und wünschten, dass der Unterzeichner in dieser Sache die<br />

Angelegenheit so abwickelt, wie bisher geschehen …“ Des<br />

Weiteren führt der RA aus:<br />

Das Mandat der E ist mit ausdrücklicher Zustimmung der Frau<br />

D und ihrer Kinder F und H übernommen worden. Alle getroffenen<br />

Maßnahmen wurden und werden in Abstimmung mit D<br />

und deren Kindern getroffen.<br />

Jedenfalls hat der RA anwaltliche Mandate für E und die Mandanten<br />

G zeitgleich wie folgt ausgeführt:<br />

– Bei dem AG J hat der RA für E zu dem Az … den Antrag auf<br />

Auseinandersetzungsversteigerung eines Nachlassgrundstücks<br />

gestellt, in welchem er die Mandanten G als „Antragsgegner“ –<br />

was sie auch sind! – bezeichnet hat.<br />

– Mit Schriftsatz v. 20.12.2010 hat der RA für E bei dem LG K –<br />

um Prozesskostenhilfe für eine (Gesamtschuld-)Klage auf Zahlung<br />

von rund 39.000 Euro „Zug um Zug gegen Abtretung des<br />

Erbteils von 1/32 der Erbengemeinschaft“ nachgesucht, die nur<br />

gegen die nicht zu den Mandanten G gehörenden übrigen Miterben<br />

gerichtet ist.<br />

– Im Namen E’s und der Mandanten G hat der RA am<br />

21.12.2010 bei dem AG – Nachlassgericht – J einen Antrag auf<br />

Nachlassauseinandersetzungsvermittlung gem. §363 FamFG<br />

gestellt und später „richtig gestellt“, dass er insoweit nur für E<br />

tätig sei.<br />

Inzwischen ist es, wie der RA mit Schriftsatz v. 1.4.2011 mitgeteilt<br />

hat, im Rahmen des von ihm anhängig gemachten<br />

Auseinandersetzungsversteigerungsverfahrens (Astin. E) zu<br />

einer befriedigenden Lösung gekommen: ein notarieller Vertrag<br />

sei bei dem Kollegen I beurkundet worden, Frau E sei abgefunden<br />

und aus der Erbengemeinschaft ausgeschieden, ihre Erbteils-<br />

und Pflichtteilsergänzungsansprüche seien erledigt,<br />

womit sich ihr Mandat insgesamt erledigt habe.<br />

Die Miterben B und C sahen in der Übernahme von Mandanten<br />

der Mandanten G und der Miterbin E den Tatbestand des<br />

Parteiverrats gem. §356 StGB als erfüllt an und zeigten den RA<br />

deswegen zunächst bei der StA K an. Diese lehnte die Aufnahme<br />

strafrechtlicher Ermittlungen ab und stellte die weitere<br />

Strafverfolgung gem. §170 Abs. 2 StPO ein. Die hiergegen<br />

gerichtete Beschwerde bleibt erfolglos. Daraufhin zeigten die<br />

genannten Miterben den Sachverhalt der RAK an. Die RAK hat<br />

mit Schreiben v. 5.1.2011 die StA um Einleitung anwaltsge-

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