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Nimm zwei! - BRAK-Mitteilungen

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<strong>BRAK</strong>-Mitt. 4/2011 Pflichten und Haftung des Anwalts 197<br />

der verletzten Pflicht umfasst (BGH, NJW 2009, 1589, 3025).<br />

Das Interesse des Mandanten, keine unnötigen Kosten tragen<br />

zu müssen, erstrecke sich ersichtlich auf sämtliche Instanzen<br />

eines Verfahrens. Durch den Anwaltsfehler in I. Instanz sei das<br />

Risiko, dass sich der Fehler fortsetze, voraussehbar erhöht worden.<br />

Die Entscheidung wendet die höchstrichterliche Rechtsprechung<br />

konsequent an. Die Anwaltschaft mag den hohen Pflichtenmaßstab<br />

beklagen, muss sich ihm aber stellen, auch wenn<br />

es, wie hier, gegen die eigenen Gebühreninteressen geht. Die<br />

Haftung der erstinstanzlichen Anwälte führt übrigens nicht<br />

etwa zu einer Entlastung der nachfolgend tätigen Kollegen.<br />

Diese hätten ebenfalls die Pflicht zur Streitwertbeschwerde<br />

bzw. zu einem Hinweis gegenüber den Gerichten auf das<br />

Additionsverbot gehabt. Insofern kommt eine gesamtschuldnerische<br />

Haftung in Betracht.<br />

Rechtsanwalt Holger Grams<br />

Einheitliche Verjährung bei <strong>zwei</strong>ter Pflichtverletzung<br />

durch Steuerberater<br />

1. Das Risiko einer fehlerhaften Schätzung gehört typischerweise<br />

in den Zurechnungszusammenhang einer Pflichtverletzung, nach<br />

welcher das Finanzamt Besteuerungsgrundlagen schätzen durfte,<br />

wie z.B. mangelhafter Buchführung.<br />

2. Die verspätete Einlegung der Einsprüche gegen die Steuerbescheide<br />

stellt eine erneute Pflichtverletzung dar. Die Pflichten<br />

beschränken sich aber in diesem Fall darauf, Nachteile des Mandanten<br />

aus der vorangegangenen Pflichtverletzung abzuwenden<br />

oder zu mindern, für die der Berater ohnehin einzustehen hatte.<br />

Ein solches Versäumnis enthält keine selbstständige schadenursächliche<br />

Pflichtverletzung, welche die frühere schadenstiftende<br />

Handlung – als Schadenzurechnungsgrund – gleichsam aufhebt<br />

und eine neue Verjährungsfrist anlaufen lässt (eigene Leitsätze).<br />

3. Rügt die Nichtzulassungsbeschwerde, das Berufungsgericht<br />

habe die allgemein bezeichnete Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs<br />

grundlegend missverstanden, so ist die Erforderlichkeit<br />

der Revisionszulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung<br />

nur dann hinreichend ausgeführt, wenn durch einen<br />

Vergleich der entscheidungstragenden, nicht notwendig geschriebenen<br />

Obersätze des Berufungsurteils mit der herangezogenen<br />

Rechtsprechung eine Rechtssatzabweichung dargelegt wird (amtlicher<br />

Leitsatz).<br />

BGH, Beschl. v. 23.3.2011 – IX ZR 212/08, WM 2011, 1196 =<br />

MDR 2011, 750<br />

Anmerkung:<br />

Die mangelhafte Buchführung eines Steuerberaters für von diesem<br />

betreute Gesellschaften führte zu auf Schätzungen des<br />

Finanzamts beruhenden Steuerbescheiden. Diese ergingen am<br />

14.10.2003. Gegen diese Steuerbescheide legte der Beklagte<br />

verspätet Einspruch ein, so dass die Bescheide rechtskräftig<br />

wurden. In dieser weiteren Pflichtverletzung sieht der BGH mit<br />

dem Berufungsgericht allerdings keine selbstständige neue<br />

Pflichtverletzung, die dann auch zu einer neuen Regressverjährungsfrist<br />

führen würde. Die Verjährung begann hier vielmehr<br />

einheitlich nach dem noch anzuwendenden §68 StBerG a.F<br />

noch mit Bekanntgabe des belastenden Steuerbescheides.<br />

Werden mehrere Pflichtverletzungen gerügt, ist also zu unterscheiden:<br />

Geht es um mehrere selbstständige Handlungen, die<br />

je für sich zu unterschiedlichen Schäden (aufgrund unterschiedlicher<br />

Kausalketten) geführt haben, läuft die Verjährungsfrist<br />

für jede schädigende Handlung unterschiedlich. Anders<br />

lag der Fall hier: der Schaden, der wohl in der Differenz zwischen<br />

Schätzbescheiden und tatsächlich geschuldeter Steuer zu<br />

sehen wäre, wurde bereits mit der fehlerhaften Buchführung<br />

angelegt. Die Vorgehensweise des FA, bei unklarer Verteilung<br />

Rechtsprechungsleitsätze<br />

der Gewinne eines Speiseeisherstellers und eines Verkäufers<br />

die wahrscheinlich insgesamt erzielten Gewinne als Besteuerungsgrundlage<br />

zu schätzen, lag nach Ansicht des BGH nicht<br />

außerhalb jeder Erwartung. Ein Einspruch gegen die Steuerbescheide<br />

war überhaupt nur aufgrund der ersten Pflichtverletzung<br />

– mangelhafte Buchführung – notwendig geworden. Eine<br />

neue für sich selbstständige Schadensursache sei damit nicht<br />

gesetzt worden, so dass auch nur eine Verjährungsfrist lief.<br />

Schadensberechnung<br />

Rechtsanwalt Bertin Chab<br />

a) Eine schadensmindernde Anrechnung von Steuervorteilen, die<br />

sich im Zusammenhang mit dem darlehensfinanzierten Erwerb<br />

einer Eigentumswohnung zu Steuersparzwecken ergeben, kommt<br />

im Schadensersatzprozess des Anlegers grundsätzlich nicht in<br />

Betracht, wenn die Rückabwicklung des Erwerbs zu einer Besteuerung<br />

führt, die dem Geschädigten die erzielten Steuervorteile<br />

wieder nimmt.<br />

b) Etwas anderes gilt nur, wenn der Schädiger Umstände darlegt,<br />

auf deren Grundlage dem Geschädigten auch unter Berücksichtigung<br />

der Steuerbarkeit der Ersatzleistung außergewöhnlich hohe<br />

Steuervorteile verbleiben.<br />

c) Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs des Geschädigten<br />

würde unzumutbar erschwert, wenn ihm wegen eines<br />

rechtlich nicht gesicherten möglichen Vorteils über einen weiteren<br />

Zeitraum das Risiko auferlegt würde, ob der Schädiger die<br />

noch ausstehende Ersatzleistung erbringt.<br />

(Anschluss an BGH, Urt. v. 30.11.2007 – V ZR 284/06, v.<br />

19.6.2008 – VII ZR 215/06, v. 31.5.2010 – II ZR 30/09 sowie v.<br />

15.7.2010 – III ZR 336/08)<br />

BGH, Urt. v. 1.3.2011 – XI ZR 96/09, ZIP 2011, 868 = DB 2011,<br />

1158<br />

Anmerkung:<br />

Das in einem Anlegerprozess ergangene Urteil schildert detailliert,<br />

wie die Schadensberechnung zu erfolgen hat, wenn es um<br />

künftig entstehende Vor- und Nachteile geht. Gerade bei Rückabwicklung<br />

von Verträgen wird oft nicht der Status quo wieder<br />

hergestellt, sondern es sind eine Mehrzahl positiver und negativer<br />

Veränderungen gegenüberzustellen. Insbesondere steuerliche<br />

Auswirkungen können oft noch nicht abschließend bewertet<br />

werden.<br />

Bei der Schadensberechnung sind bereits entstandene und<br />

somit bezifferbare steuerliche Vorteile zugunsten des Geschädigten<br />

grds. im Rahmen der Vorteilsausgleichung abzuziehen.<br />

Es ist die Frage, wer für die Gegenrechnung nun nachträglich<br />

entstehender Nachteile (z.B. nachträgliche Besteuerung) die<br />

Beweislast trägt.<br />

Im Grundsatz hat der Geschädigte die Schadenshöhe zu<br />

beweisen. Der Schädiger hat die Voraussetzungen einer Vorteilsausgleichung<br />

darzulegen, der Geschädigte dann wiederum<br />

die dagegenzurechnenden Nachteile. Dabei kommt dem<br />

Geschädigten im Rahmen des §287 ZPO eine gewisse Beweiserleichterung<br />

zugute: Da das Gericht über die Höhe des Schadens<br />

unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach<br />

freier Überzeugung zu entscheiden hat und eine exakte Errechnung<br />

von Steuervorteilen unter Gegenüberstellung der tatsächlichen<br />

mit der hypothetischen Vermögenslage angesichts der<br />

vielfältigen Besonderheiten und Möglichkeiten der konkreten<br />

Besteuerung und ihrer unterschiedlichen Entwicklung in verschiedenen<br />

Besteuerungszeiträumen häufig einen unverhältnismäßigen<br />

Aufwand erfordere, müssen nach Ansicht des Senats<br />

in der Regel keine Feststellungen dazu getroffen werden, in<br />

welcher genauen Höhe sich die Versteuerung der Schadensersatzleistung<br />

auswirkt. Die Durchsetzung des Schadensersatz-

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