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Nimm zwei! - BRAK-Mitteilungen

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180 Aufsätze <strong>BRAK</strong>-Mitt. 4/2011<br />

Henssler/Kilian, Die Berufsregeln der Rechtsanwälte der Europäischen Union in der Rechtsprechung deutscher Gerichte<br />

2. AnwG Hamburg vom 30.4.2009 15<br />

Nr. 5.7. CCBE-Regeln bestimmt, dass ein Rechtsanwalt persönlich<br />

zur Zahlung des Honorars, der Kosten und der Auslagen<br />

eines ausländischen Kollegen verpflichtet ist, wenn er sich<br />

nicht darauf beschränkt, dem ausländischen Kollegen lediglich<br />

ein Mandat zu vermitteln, sondern er dem ausländischen Kollegen<br />

eine Angelegenheit „überträgt“. Anderweitige Vereinbarungen<br />

sind nach Nr. 5.7 CCBE-Regeln jederzeit möglich, auch<br />

kann der beauftragende Rechtsanwalt seine persönliche Haftung<br />

zu jedem Zeitpunkt für die Zukunft beschränken. Wegen<br />

eines Verstoßes gegen diese Berufsregel hatte die Rechtsanwaltskammer<br />

Hamburg ein Mitglied gerügt, das daraufhin gemäß<br />

§74a BRAO Antrag auf anwaltsgerichtliche Entscheidung<br />

stellte. Der Streitigkeit lag folgender Sachverhalt zu Grunde:<br />

Ein deutscher Rechtsanwalt hatte einem österreichischen<br />

Rechtsanwalt Unterlagen zur Vertretung eines Mandanten vor<br />

einem österreichischen Bezirksgericht übersandt. Der österreichische<br />

Rechtsanwalt war in der Folge in einem Verfahren<br />

wegen Bewilligung von Verfahrenshilfe – diese entspricht der<br />

deutschen Prozesskostenhilfe – tätig geworden. Nach Abschluss<br />

des Verfahrens hatte der österreichische Rechtsanwalt<br />

dem deutschen Mandanten eine Kostenrechnung übersandt.<br />

Nachdem er keine Zahlungseingänge verzeichnen konnte,<br />

kündigte er die unmittelbare Inanspruchnahme des deutschen<br />

Rechtsanwalts an. Die Kanzlei des deutschen Rechtsanwalts<br />

habe ihn beauftragt, daher sei dieser ihm unter dem Gesichtspunkt<br />

der persönlichen Kostenhaftung zum Ausgleich der<br />

Rechnung verpflichtet. Der deutsche Rechtsanwalt lehnte die<br />

Erfüllung der Forderung unter Hinweis darauf ab, nicht er, sondern<br />

der entsprechend vermittelte Mandant habe den österreichischen<br />

Rechtsanwalt beauftragt. In dem anwaltsgerichtlichen<br />

Verfahren hatte der deutsche Rechtsanwalt den – angesichts<br />

der Tatsache, dass er sich einer Forderung des ausländischen<br />

Kollegen in Höhe von immerhin 3.500 Euro ausgesetzt<br />

sah, durchaus bemerkenswerten – Standpunkt vertreten, dass<br />

es sich bei Nr. 5.7 CCBE-Regeln um eine zivilrechtliche Haftungsregelung<br />

und nicht um eine „Strafnorm“ handele. Zweifelsfrei<br />

zur Überraschung der den Gegenstandpunkt vertretenden<br />

Rechtsanwaltskammer kam das Anwaltsgericht zu dem Ergebnis,<br />

dass Nr. 5.7 CCBE-Regeln lediglich eine zivilrechtliche<br />

Anspruchsgrundlage sei, nicht jedoch eine Berufspflicht des<br />

Rechtsanwalts normiere. Wesentliches Argument des Anwaltsgerichts<br />

war, dass die von der Vorschrift erfassten Tätigkeiten in<br />

engem Zusammenhang mit der Erfüllung des Anwaltsvertrages<br />

stünden und die Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages grundsätzlich<br />

keinen Verstoß gegen Berufspflichten darstelle. Aus der<br />

Überschrift der Vorschrift und ihrem Entstehungskontext werde<br />

deutlich, dass die Regelung die persönliche zivilrechtliche Haftung<br />

eines Rechtsanwalts im Falle der Nichtbegleichung einer<br />

Honorarforderung regele.<br />

3. BGH vom 22.4.2009 16<br />

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in einen Beschluss<br />

vom 22.4.2009, mit dem von ihm eine Revision als unbegründet<br />

verworfen wurde, eine beiläufige Bemerkung berufsrechtlicher<br />

Art aufgenommen, die auf CCBE-Regel 4.3. rekurriert.<br />

Die Richter des 1. Strafsenats störten sich an aus ihrer Sicht das<br />

Gericht herabwürdigenden Formulierungen in Schriftsätzen des<br />

Verteidigers. Der Senat stellte fest, dass ein solches Verhalten<br />

mit dem Gebot der Sachlichkeit in §43a Abs. 3BRAO unvereinbar<br />

sei. Herabwürdigende Formulierungen sprengten den<br />

„Rahmen der dem Richter gebührenden Achtung und Höflichkeit“,<br />

innerhalb dessen der Rechtsanwalt die Interessen seines<br />

15 <strong>BRAK</strong>-Mitt. 2009, 242 = NJW-Spezial 2009, 655.<br />

16 Beschl. v. 22.4.2009, Az: 1 StR 140/09 (abrufbar in juris).<br />

Mandanten „nach anerkennenswerter Auffassung“ des Rats der<br />

Europäischen Anwaltschaften zu vertreten habe. Das Gericht<br />

wies hierbei auf Nummer 4.3 CCBE-Regeln hin. Warum sich<br />

der Senat überhaupt dazu berufen sah, ein anwaltliches Handeln<br />

isoliert berufsrechtlich zu würdigen, soweit das unterstellt<br />

berufspflichtwidrige Handeln keine strafprozessualen Weiterungen<br />

hatte, bleibt ebenso unklar wie die dogmatische Verwurzelung<br />

des Rekurses auf die CCBE-Regeln. Sie scheinen<br />

vom Senat gleichsam als Auslegungshilfe für die Ausfüllung des<br />

unbestimmten Rechtsbegriffs der Sachlichkeit im deutschen Berufsgesetz<br />

verwendet worden zu sein.<br />

4. OLG Düsseldorf vom 28.7.2005 17<br />

In einem Beschluss vom 28.7.2005, mit dem die beabsichtigte<br />

Zurückweisung einer Berufung nach §522 Abs. 2ZPO angekündigt<br />

wurde, setzte sich ein Senat des OLG Düsseldorf mit<br />

Nr. 3.8.1.5 lit. b) CCBE-Berufsregeln auseinander. In der zu<br />

Grunde liegenden Streitigkeit ging es um eine Aufrechnung eines<br />

Rechtsanwalts mit eigenen Vergütungsansprüchen gegen<br />

den Anspruch eines Mandanten auf Auszahlung eines auf dem<br />

Fremdgeldkonto des Rechtsanwalts zu Gunsten des Mandanten<br />

eingegangenen Betrages aus einem Scheidungsvergleich. Das<br />

Gericht bemühte zur Begründung der Unzulässigkeit der Aufrechnung<br />

zunächst den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsatz,<br />

nach dem eine Aufrechnung nach §242 BGB ausgeschlossen<br />

ist, wenn der Zweck der geschuldeten Leistung die<br />

Aufrechnung als mit Treu und Glauben unvereinbar erscheinen<br />

lässt. Hiermit hätte es das Gericht ohne Weiteres bewenden<br />

lassen können. Es stützte aber darüber hinaus („Im Übrigen<br />

…“) seine Rechtsauffassung auch auf die CCBE-Regeln:<br />

Nach Nr. 3.8.1.5. lit. b) der Anlage 1 zur BORA (d.h. der<br />

CCBE-Regeln) sei nämlich vorbehaltlich entgegenstehender gesetzlicher<br />

Vorschriften oder gerichtlicher Anordnung und vorbehaltlich<br />

der ausdrücklichen oder stillschweigenden Einwilligung<br />

des Mandanten, für den die Zahlung vorgenommen werde,<br />

die Auszahlung von Mandantengeldern an dritte Personen<br />

unzulässig. Dies gelte ausdrücklich auch für den Ausgleich der<br />

Honorarforderungen des Rechtsanwalts. Eine Aufrechnung mit<br />

eigenen Vergütungsansprüchen gegen den Anspruch eines<br />

Mandanten auf Auszahlung vereinnahmter Gelder sei damit<br />

ausgeschlossen. Eine Erklärung, inwiefern ein Verstoß gegen<br />

Nr. 3.8.1.5. lit. b CCBE-Regeln Auswirkungen auf die Wirksamkeit<br />

der Aufrechnung nach deutschem Zivilrecht haben soll,<br />

liefert das Gericht freilich nicht.<br />

5. AG Aachen vom 23.9.1997 18<br />

Ebenfalls Nr. 5.7 der CCBE-Regeln zum Gegenstand hatte eine<br />

Entscheidung des Amtsgerichts Aachen vom 23.9.1997. Die<br />

Vorzeichen waren hier andere als in dem vom Anwaltsgericht<br />

Hamburg entschiedenen Fall: Ein deutscher Rechtsanwalt<br />

nahm einen ausländischen Kollegen auf Zahlung von Anwaltshonorar<br />

an Anspruch, zudem handelte es sich um eine zivilrechtliche<br />

Zahlungsklage, nicht um ein anwaltsgerichtliches<br />

Verfahren. Das angerufene Gericht musste daher entscheiden,<br />

ob es ein zusprechendes Urteil auf die CCBE-Regeln stützen<br />

konnte oder nicht. In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden<br />

Sachverhalt hatte ein in Belgien ansässiger Rechtsanwalt<br />

einen deutschen Kollegen mit der Vertretung eines in Deutschland<br />

in Untersuchungshaft einsitzenden Mandanten beauftragt.<br />

In der Folge hatte der deutsche Rechtsanwalt Probleme, sein<br />

Strafverteidigerhonorar zu realisieren und nahm daraufhin den<br />

belgischen Anwaltskollegen persönlich auf Zahlung in Anspruch.<br />

Das Amtsgericht Aachen verurteilte den belgischen<br />

17 AnwBl. 2005, 787.<br />

18 <strong>BRAK</strong>-Mitt. 1998, 51 = GI 1998, 272 (LS).

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