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Nimm zwei! - BRAK-Mitteilungen

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176 Aufsätze <strong>BRAK</strong>-Mitt. 4/2011<br />

Kempter, Die GmbH & Co. KG als zuzulassende Rechtsanwaltsgesellschaft?<br />

2. Aufgabe eines Rechtsanwalts ist die Beratung und Vertretung<br />

in Rechtsangelegenheiten (§§ 59c Abs. 1, 3 Abs. 1 BRAO). Diese<br />

Tätigkeit ist kein Gewerbe (§ 2 Abs. 2 BRAO), sie ist vielmehr<br />

die Ausübung eines freien Berufes (§ 2 Abs. 1 BRAO).<br />

Daran ändert auch die nach §59c BRAO und nach der Rechtsprechung<br />

4 für die Anwaltschaft zulässige Organisationsform<br />

der GmbH und der AG nichts. Beide Gesellschaften können<br />

nämlich zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck (§ 1 GmbHG)<br />

errichtet werden, sind Kraft Gesetzes (§ 13 Abs. 3 GmbHG, §3<br />

Abs. 1 AktG) Formkaufleute und als solche zwar gewerbesteuerpflichtig,<br />

betreiben deshalb aber nicht ipso jure ein Gewerbe.<br />

5<br />

3. Weil das anwaltliche Berufsrecht die freiberufliche Tätigkeit<br />

als Unternehmenszweck verlangt, was dem handelsrechtlichen<br />

Gewerblichkeitsprinzip widerspricht, steht die Kommanditgesellschaft<br />

als Handelsgesellschaft für die freiberufliche Berufsausübung<br />

der Anwaltschaft nach aktuellem einfach gesetzlichem<br />

Rechtszustand nicht zur Verfügung. 6 Das gilt, und ist, um<br />

vielfachen Missverständnissen vorzubeugen, hier ausdrücklich<br />

zu betonen, nur für die Kommanditgesellschaft, die beabsichtigt,<br />

den freien Beruf des Anwalts selbst und persönlich auszuüben,<br />

also z.B. selbst als Prozessbevollmächtigte aufzutreten,<br />

nicht jedoch für die Kommanditgesellschaft, in der sich Rechtsanwälte<br />

organisieren, um Mietverträge, Arbeitsverträge, Leasingverträge<br />

und Sonstiges durch die Kommanditgesellschaft<br />

abschließen zu lassen, während der Anwaltsberuf nur von den<br />

einzelnen Gesellschaftern, die Rechtsanwälte sind, ausgeübt<br />

wird. Nur von ersterer, der Berufsausübungsgesellschaft, ist hier<br />

die Rede.<br />

II. Verfassungsrechtliche Bedenken<br />

Gegen dieses Ergebnis werden von Teilen in der Literatur zunächst<br />

verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht.<br />

1. So rügt Henssler 7 insbesondere die Ungleichbehandlung der<br />

Anwaltschaft gegenüber Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern.<br />

Denn die §§ 50a StBerG und 28 WPO enthielten „im Vergleich<br />

zum anwaltlichen Berufsrecht“ deutlich großzügigere Regelungen.<br />

Unter Berufung auf die Rechtsprechung des BVerfG 8 fordert<br />

er die grundsätzlich gleiche Behandlung der wirtschaftsnahen<br />

Beratungsberufe mit dem Ergebnis, dass die handelsund<br />

berufsrechtlichen Vorschriften, die der Rechtswahl einer<br />

Rechtsanwalts-KG entgegenstehen, den verfassungsrechtlichen<br />

Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 GG verletzen würden. 9<br />

Diese schlüssige Argumentation übersieht allerdings §27<br />

Abs. 2 WPO, §49 Abs. 2 StBerG, wonach die entsprechenden<br />

Kommanditgesellschaften nur dann als Wirtschaftsprüfungsbzw.<br />

Steuerberatungsgesellschaften anerkannt werden können,<br />

wenn sie „wegen ihrer Treuhandtätigkeit als Handelsgesellschaften<br />

im Handelsregister eingetragen worden sind“. Zwischen<br />

Anwälten einerseits und Wirtschaftsprüfern sowie Steuerberatern<br />

andererseits fehlt also die für die Anwendung des<br />

Artikel 3 GG notwendige Vergleichbarkeit. Denn für Wirtschaftsprüfer<br />

und Steuerberater lässt das Gesetz die Berufsausübung<br />

in der Rechtsform der Kommanditgesellschaft nicht<br />

ohne besondere Voraussetzungen zu. Es fingiert die Formkaufmanneigenschaft<br />

für die freiberufliche Tätigkeit durch das Erfordernis<br />

der „gewerblichen“ Treuhandtätigkeit als Vorausset-<br />

4BGH, NJW 2005, 1508.<br />

5A.A. Römermann, a.a.O., AnwBl. 2011, 99.<br />

6 Henssler, Festschrift für Friedrich Graf von Westphalen zum 70.<br />

Geburtstag 2010, Konsequenzen verfassungswidriger Berufsrechtsnormen<br />

S. 311 ff.; a.A. Römermann, a.a.O., S. 98 ff.<br />

7 Henssler, Festschrift, a.a.O., S. 313 ff.<br />

8BVerfGE 80, 269, 280 und 98, 49, 63.<br />

9 Henssler, Festschrift, a.a.O., S. 315.<br />

zung für die Eintragung der Kommanditgesellschaft und stellt<br />

dabei ersichtlich nicht einmal auf den Umfang dieser „gewerblichen“<br />

Tätigkeit ab, sondern lässt schlicht die Treuhandtätigkeit<br />

als solche genügen. Dabei ist die Fiktion der Formkaufmannseigenschaft<br />

dem Gesetzeswortlaut nicht unmittelbar zu<br />

entnehmen. Würde man aber, was neuerdings wohl einige<br />

Handelsregister verlangen, zusätzlich zu der reinen Treuhandtätigkeit<br />

auf das Erfordernis der Prägung 10 der gewerblichen Tätigkeit<br />

für die Gesellschaft abstellen, hätte der Gesetzgeber der<br />

Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüferordnungsnovelle sein<br />

Ziel verfehlt, denn Steuerberater und Wirtschaftsprüfer begehrten<br />

die Organisationsform der Kommanditgesellschaft, insbesondere<br />

auch für den Fall, in welchem die freiberufliche Tätigkeit<br />

ihre Berufsausübung prägte. Weil die §§ 27 Abs. 2 WPO<br />

und 49 Abs. 2 StBerG die Organisationsform der Kommanditgesellschaft<br />

für Wirtschaftsprüfer und Steuerberater nicht vorbehaltlos<br />

öffnen, sondern zusätzlich das Erfordernis der „gewerblichen“<br />

Tätigkeit in Form der Treuhandschaft aufstellen, ist<br />

ein ausreichender Differenzierungsgrund gegeben, der einen<br />

Verstoß gegen Art. 3GG zumindest <strong>zwei</strong>felhaft macht.<br />

2. Römermann 11 rügt unter Berufung auf die Entscheidungen<br />

des BayObLG 12 einen Verstoß gegen Art. 12 GG. Dieser gewähre<br />

das Recht auf freie Berufswahl, weshalb es nicht maßgeblich<br />

darauf ankomme, ob es gesetzliche Bestimmungen geben<br />

würde, die eine beantragte Tätigkeit zuließen. Maßgeblich<br />

sei vielmehr, ob es entsprechende Verbotsnormen gebe und<br />

wenn ja, ob diese mit Art. 12 GG vereinbar wären. 13<br />

a) Hier stellt sich zunächst die Frage, ob die Zulässigkeit der<br />

Ausübung eines freien Berufes durch eine Kommanditgesellschaft<br />

überhaupt an Art. 12 GG zu messen ist. Denn der deutsche<br />

Gesetzgeber hat es auch nach den Änderungen im Jahr<br />

1998 14 beim Grundsatz des Deutschen Handelsgesetzbuches<br />

belassen, der gewerbliche und kaufmännische Tätigkeiten des<br />

Kaufmannes voraussetzt. 15 Wenn aber die Gewerblichkeit der<br />

Tätigkeit prägendes Element der Kommanditgesellschaft als solcher<br />

ist, dann ist die Ausübung einer freiberuflichen Tätigkeit<br />

nicht an Art. 12 GG zu messen, sondern dann ist die freiberuflich<br />

tätige Gesellschaft schlicht keine Kommanditgesellschaft.<br />

b) Andererseits kann die Kommanditgesellschaft Träger von<br />

Grundrechten sein, 16 und zwar auch des Grundrechts nach Artikel<br />

12 GG, 17 womit sich die Frage stellt, ob der KG die Ausübung<br />

der freiberuflichen Tätigkeit zulässigerweise entzogen ist.<br />

aa) Die Prüfung nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2GG ergibt zunächst<br />

die Einschränkung durch formelles Bundesgesetz (§§ 105, 161,<br />

162 HGB).<br />

bb) Zweck der Beschränkung der Tätigkeit der Kommanditgesellschaft<br />

auf die Gewerblichkeit ist die Übertragung handelsrechtlicher<br />

Grundsätze auf eine Gesellschaftsform, die diese<br />

damit zu einer ausschließlich kaufmännischen Gesellschaft<br />

macht. Die Definition erlaubt es dem Rechtsverkehr sicher zu<br />

sein, dass die Geschäftspartei die Kaufmannseigenschaft besitzt,<br />

womit sämtliche kaufmännischen Rechtsregeln (z.B.<br />

§§ 346 bis 372 HGB), insbesondere aber auch die kaufmännischen<br />

Gebräuche gelten. Das gewährt jedem Verbraucher<br />

Rechtssicherheit, was wiederum dem Interesse der Allgemeinheit<br />

dient.<br />

10 Karsten Schmidt, MüKo-HGB, 2. Aufl., §1Rdnr. 35, m.w.N.<br />

11 Römermann, a.a.O., S. 98 und S. 100.<br />

12 NJW 1995, 199; NJW 2000, 1647 und BGH, NJW 2005, 1568.<br />

13 Unter Berufung auf BayObLG, NJW 1995, 199.<br />

14 Handelsrechtsreformgesetz v. 22.6.1998, BGBl. I, S. 1474.<br />

15 So auch Karsten Schmidt, Plädoyer …, a.a.O., S. 273.<br />

16 BVerfGE 4, 7, 12 ff.; 42, 212, 219; 105, 252, 265; 121, 317, 370.<br />

17 BVerfGE 23, 208; 53, 1, 13.

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