Nimm zwei! - BRAK-Mitteilungen
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172 Aufsätze <strong>BRAK</strong>-Mitt. 4/2011<br />
Keller, Ein Blick zurück auf wichtige berufsrechtliche Entscheidungen des Jahres 2010 – Teil 2<br />
eine fehlgeschlagene KG vor, die als weder zulassungsbedürftige<br />
noch zulassungsfähige GbR aufrechterhalten werden könne.<br />
Der Zulassungsantrag der GmbH scheitere wiederum an §59d<br />
Nr. 1BRAO, da die GmbH gegen das Beteiligungsverbot des<br />
§59c Abs. 2BRAO verstoße. Hiernach ist die Beteiligung von<br />
Rechtsanwaltsgesellschaften an Zusammenschlüssen zur gemeinschaftlichen<br />
Berufsausübung nicht zulässig. Die KG stelle<br />
indes einen gesellschaftlichen Zusammenschluss im Sinne der<br />
Norm dar, an dem sich die GmbH beteilige.<br />
Auch wenn eine Öffnung der Gesellschaftsformen, die Rechtsanwälten<br />
zur Berufsausübung zur Verfügung stehen sollten, erstrebenswert<br />
ist, ist diese hinsichtlich der KG de lege lata derzeit<br />
nicht möglich. Ein Wegfall des Beteiligungsverbots in<br />
§59c Abs. 2BRAO würde zudem die Schaffung konzernähnlicher<br />
Beteiligungsstrukturen bei Rechtsanwaltsgesellschaften ermöglichen<br />
und hierdurch die anwaltliche Unabhängigkeit gefährden.<br />
Dies kann nicht wünschenswert sein.<br />
IV. Syndikus<br />
Der nichtprivilegierte Anwalt<br />
Nach Ansicht des EuGH 14 unterfällt die Kommunikation zwischen<br />
Syndikusanwälten und ihrem nichtanwaltlichen Arbeitgeber<br />
weder der Verschwiegenheit noch der Beschlagnahmefreiheit.<br />
Die EU-Kommission hatte im Jahr 2003 den Unternehmen<br />
Akzo Nobel Chemicals Ltd. und Akcros Chemicals Ltd.<br />
aufgegeben, Nachprüfungen zur Beweissicherung wegen etwaiger<br />
wettbewerbswidriger Praktiken zu dulden. Hierbei wurden<br />
in den Geschäftsräumen der Unternehmen nach summarischer<br />
Prüfung Kopien von Schriftstücken angefertigt, wobei Unternehmensvertreter<br />
darauf hinwiesen, dass bestimmte Unterlagen<br />
unter den Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation<br />
zwischen Rechtsanwalt und Mandant fallen könnten, wie z.B.<br />
die E-Mail-Korrespondenz zwischen einem Geschäftsführer<br />
und einem in der Rechtsabteilung des Unternehmens angestellten<br />
und in den Niederlanden zugelassenen Rechtsanwalt. Diese<br />
Korrespondenz wurde kopiert und unversiegelt zu den Akten<br />
genommen. Demgegenüber wurden Unterlagen aus dem<br />
Schriftverkehr mit externen Juristen kopiert und sodann in einem<br />
Umschlag versiegelt. Das EuG hatte in erster Instanz am<br />
17.9.2007 15 entschieden, dass ein Unternehmen im Rahmen<br />
einer Nachprüfung durch die Kommission auch eine nur summarische<br />
Durchsicht eines Dokuments verweigern kann, wenn<br />
es darlege, dass der Inhalt des Dokuments vom Anwaltsprivileg<br />
geschützt ist. Die Kommission dürfe dann nur eine Fotokopie<br />
des betreffenden Dokuments in einem versiegelten Umschlag<br />
zu den Akten nehmen. Der Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation<br />
zwischen Rechtsanwälten und Mandanten gelte<br />
nach Gemeinschaftsrecht nur insoweit, als diese Rechtsanwälte<br />
unabhängig seien, d.h. für ihre Mandanten nicht in einem Beschäftigungsverhältnis<br />
stünden. Mithin unterfiele der Schriftwechsel<br />
mit unternehmensangehörigen Juristen nicht dem Anwaltsprivileg.<br />
Dies gelte auch dann, wenn sie über eine Rechtsanwaltszulassung<br />
in einem Mitgliedstaat verfügten. Unternehmenseigene<br />
Unterlagen hingegen, die ausschließlich dazu erstellt<br />
worden seien, im Rahmen der Ausübung der Verteidigungsrechte<br />
den rechtlichen Rat eines externen Rechtsanwalts<br />
einzuholen, würden dem Anwaltsprivileg unterfallen. Dieser<br />
Rechtsauffassung schließt sich der EuGH in seinem Urteil an.<br />
Unter Verweis auf seine Entscheidung vom 18.5.1982 16 führte<br />
er aus, dass ein Syndikusanwalt trotz seiner Zulassung als<br />
14 <strong>BRAK</strong>-Mitt. 2010, 259.<br />
15 EuG, Urt. v. 17.9.2007 – T-125/03, EUR-Lex.<br />
16 EuGH, Urt. v. 18.5.1982 – C-155/79, EUR-Lex.<br />
Rechtsanwalt und der damit einhergehenden standesrechtlichen<br />
Bindung nicht denselben Grad an Unabhängigkeit von<br />
seinem Arbeitgeber wie der in einer externen Anwaltskanzlei<br />
tätige Rechtsanwalt gegenüber seinem Mandanten genießt. Der<br />
Syndikusanwalt könne etwaige Spannungen zwischen seinen<br />
Berufspflichten und den Zielen seines Mandanten weniger<br />
leicht ausräumen als ein externer Anwalt, da die Situation eines<br />
abhängig Beschäftigten und die damit einhergehende wirtschaftliche<br />
Abhängigkeit es naturgemäß nicht zuließen, dass<br />
der Syndikusanwalt von seinem Arbeitgeber verfolgte Geschäftsstrategien<br />
außer Acht lässt, und somit seine Fähigkeit, in<br />
beruflicher Unabhängigkeit zu handeln, in Frage gestellt sei.<br />
Ferner habe sich die Rechtslage in den Mitgliedsstaaten der<br />
Union nicht in einem Maße entwickelt, die es rechtfertigen<br />
würde, eine Weiterentwicklung der Rechtsprechung in dem<br />
Sinne zu rechtfertigen, dass Syndikusanwälten der Schutz der<br />
Vertraulichkeit zuerkannt wird. Die von den Unternehmen gerügte<br />
Verletzung ihrer Verteidigungsrechte greife nach Ansicht<br />
des EuGH nicht durch, weil die Hinzuziehung eines bei einem<br />
Unternehmen oder Konzern beschäftigten Syndikusanwaltes<br />
die Anwendung bestimmter, die Berufsausübung betreffender<br />
Beschränkungen nicht ausschließe, ohne dass dies als Eingriff<br />
in die Verteidigungsrechte anzusehen ist. So seien unternehmensangehörige<br />
Juristen nicht immer befugt, ihren Arbeitgeber<br />
vor sämtlichen nationalen Gerichten zu vertreten.<br />
Die Entscheidung wurde im Schrifttum vielfach kritisiert. Denn<br />
es kann mit Recht be<strong>zwei</strong>felt werden, ob beispielsweise ein<br />
wirtschaftlich von einem Großmandat abhängiger Anwalt tatsächlich<br />
unabhängiger ist als ein Syndikusanwalt. 17<br />
V. Verschwiegenheit<br />
1. Schweigen ist Silber?<br />
Das AG Aachen 18 entschied, dass den Rechtsanwalt gegenüber<br />
dem Rechtsschutzversicherer seines Mandanten keine Auskunftspflicht<br />
trifft, wenn es an der erforderlichen Schweigepflichtentbindungserklärung<br />
des Mandanten fehlt. Der Auskunftserteilung<br />
stehe die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht<br />
gemäß §43a Abs. 2 Satz 1 BRAO entgegen. Diese Pflicht beziehe<br />
sich auf alles, was dem Rechtsanwalt in Ausübung seines<br />
Berufes bekannt geworden sei. Auch wenn aufgrund der Zahlung<br />
eines Vorschusses durch die Versicherung der Anspruch<br />
auf Rückerstattung etwaig überzahlter Beträge nach §67 VVG<br />
a.F. auf sie übergegangen sei und diesem Anspruch der Auskunftsanspruch<br />
als Nebenrecht gemäß §§ 401, 402 BGB gefolgt<br />
sein möge, stehe der Auskunftserteilung die Pflicht zur<br />
Verschwiegenheit entgegen. Die für eine Auskunft erforderliche<br />
Schweigepflichtentbindung sei auch nicht konkludent dadurch<br />
erklärt worden, dass der Mandant den Rechtsanwalt mit der<br />
Einholung einer Deckungszusage beauftragt hat. Das Mandatsverhältnis<br />
sei ein Vertrauensverhältnis, das bei der Annahme eines<br />
konkludenten Verzichts auf ein grundlegendes Wesensmerkmal<br />
dieser Verbindung gefährdet würde.<br />
Anders sah dies das LG Bonn, 19 das im Falle überzahlter Beträge<br />
durch einen Rechtsschutzversicherer an den Versicherungsnehmer<br />
dem Versicherer gegenüber dem Rechtsanwalt des Versicherungsnehmers<br />
einen Auskunftsanspruch zusprach. Der<br />
Auskunftsanspruch ergäbe sich aus §§ 675, 666 BGB i.V.m.<br />
§67 Abs. 1 Satz 1VVG a.F. i.V.m. den ARB des Rechtsschutzversicherungsvertrags.<br />
Der aufgrund des Mandatsverhältnisses<br />
17 Engelhoven/Todt in EWiR 2010, 835; Deister in NJW 2010, NJW<br />
aktuell Nr. 39, 14; Moosmeyer in NJW 2010, 3548.<br />
18 <strong>BRAK</strong>-Mitt. 2010, 188.<br />
19 <strong>BRAK</strong>-Mitt. 2010, 280.