Beispielsätze für ISAs

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Pragmatik: Indirekte Sprechakte Felix Bildhauer bearbeitet von Anna­Elisabeth Steffen und Janina Klein zur Sitzung am 22.11.2004 Indirekte Sprechakte nach Searle Zwei illokutionäre Ebenen Indirekte Sprechakte sind eine besondere Form von Sprechakten, bei denen die Bedeutung des Satzes über die wörtliche Bedeutung hinaus geht. Ausgehend von dem folgenden Beispielsatz erklärt Searle seine Aufteilung der „illocutionary force“ in zwei Untergruppierungen, die bei indirekten im Gegensatz zu direkten Sprechakten zu unterscheiden sind. Im direkten Sprechakt sind primärer und sekundärer illokutionärer Akt gleich und daher nicht unterscheidenswert. Diese beiden illokutionären Rollen zu unterscheiden ist fundamental bedeutend für das Verständnis der weiteren Überlegungen zu indirekten Sprachakten. Bsp.: Student X: Lass uns doch heute abend ins Kino gehen! Student Y: Ich muss für Klausur lernen. primärer illokutionärer Akt: „eigentlicher Zweck“ der Äußerung (hier: z.B. Ablehnung des Vorschlags) nicht wörtlich sekundärer illokutionärer Akt: wörtlicher Inhalt der Äußerung (hier: Feststellung, dass Y für die Klausur lernen muss) Leistung des Hörers: wörtlich 1. Erkennen, dass es eine primäre illokutionäre Kraft hinter der sekundären gibt. 2. Herausfinden, was diese primäre illokutionäre Kraft ist.

Pragmatik: Indirekte Sprechakte<br />

Felix Bildhauer<br />

bearbeitet von Anna­Elisabeth Steffen und Janina Klein zur Sitzung am<br />

22.11.2004<br />

Indirekte Sprechakte nach Searle<br />

Zwei illokutionäre Ebenen<br />

Indirekte Sprechakte sind eine besondere Form von Sprechakten, bei denen die<br />

Bedeutung des Satzes über die wörtliche Bedeutung hinaus geht.<br />

Ausgehend von dem folgenden Beispielsatz erklärt Searle seine Aufteilung der<br />

„illocutionary force“ in zwei Untergruppierungen, die bei indirekten im<br />

Gegensatz zu direkten Sprechakten zu unterscheiden sind. Im direkten<br />

Sprechakt sind primärer und sekundärer illokutionärer Akt gleich und daher<br />

nicht unterscheidenswert.<br />

Diese beiden illokutionären Rollen zu unterscheiden ist fundamental bedeutend<br />

<strong>für</strong> das Verständnis der weiteren Überlegungen zu indirekten Sprachakten.<br />

Bsp.: Student X: Lass uns doch heute abend ins Kino gehen!<br />

Student Y: Ich muss <strong>für</strong> Klausur lernen.<br />

primärer illokutionärer Akt: „eigentlicher Zweck“ der Äußerung (hier: z.B.<br />

Ablehnung des Vorschlags)<br />

nicht wörtlich<br />

sekundärer illokutionärer Akt: wörtlicher Inhalt der Äußerung (hier:<br />

Feststellung, dass Y <strong>für</strong> die Klausur lernen muss)<br />

Leistung des Hörers:<br />

wörtlich<br />

1. Erkennen, dass es eine primäre illokutionäre Kraft hinter der sekundären<br />

gibt.<br />

2. Herausfinden, was diese primäre illokutionäre Kraft ist.


Wichtig ist beim indirekten Sprechakt also, dass es eine wörtliche Bedeutung<br />

und eine nicht wörtliche Bedeutung der Lokution gibt. Dies ist der wesentliche<br />

Unterscheid zum direkten Sprechakt. Searle bemerkt, dass die Mehrzahl der<br />

geäußerten Sprechakte indirekt sind.<br />

Höflichkeit ist die Hauptmotivation <strong>für</strong> indirekte Sprechakte!<br />

Einige wesentliche (!) Anmerkungen:<br />

• „Please“ lässt einen Satz als Directive (dt. Aufforderung) erscheinen,<br />

auch dann, wenn der Rest des Satzes eigentlich nicht auffordernd ist.<br />

D.h. wenn wir in einen Frage­ oder Aussagesatz ein „bitte“ einsetzen<br />

können, ohne die kontextuelle Bedeutung dieses Satzes zu verändern,<br />

handelt es sich um eine Aufforderung. Dies ist u.a. eine mögliche<br />

Überprüfungsmethode.<br />

• Indirekte Sprechakte sind zumeist konventionalisierte idiomatische<br />

Wendungen, die nicht ohne Weiteres mit ihrer primären illokutionären<br />

in eine andere Sprache übersetzt werden können. So kann beispielsweise<br />

die im Deutschen als Aufforderung verstandene Frage „Kannst du mir<br />

das Salz rübergeben?“ nicht wörtlich in jede beliebige Sprache übersetzt<br />

werden ohne ihre primäre illokutionäre Rolle, nämlich den<br />

Aufforderungscharakter, zu verlieren.<br />

Diese indirekten Bedeutungen von indirekten Sprechakten sind im Laufe<br />

der Zeit durch den Gebrauch der Sprache entstanden und oftmals ist<br />

nicht zu erklären, warum in einer Sprache genau z.B: diese Frage oder<br />

genau dieser Aussagesatz als Aufforderung begriffen wird.<br />

• Die Intonation ist oft entscheidend da<strong>für</strong>, ob ein Aussagesatz oder eine<br />

Frage als indirekte Aufforderung verstanden werden oder nicht.<br />

Wenn eine Äußerung zwei illokutionäre Ebenen hat, gibt es keine<br />

zusätzliche Satzbedeutung, sondern eine zusätzliche Sprecherbedeutung.


D.h. der Satz bleibt im Grunde derselbe, nur der Sprecher meint etwas<br />

über das, was er tatsächlich äußert, hinaus. Dies zeigt sich z.B. darin,<br />

dass auf eine Frage wie „Kannst du mir das Salz rübergeben?“ durchaus<br />

eine Antwort wie „Nein, es ist zu weit weg“ o.ä. denkbar ist. Hierbei<br />

wird deutlich, dass die wörtliche Bedeutung des Satzes durchaus<br />

erhalten bleibt, obwohl der Sprecher eines indirekten Sprechaktes<br />

darüber hinaus eine primäre illokutionäre Rolle weitergibt.<br />

● Wenn die primäre Illokution, ein Directive, vollzogen wird, wird die<br />

wörtliche Illokution ebenfalls vollzogen. Im Grunde an den<br />

vorhergehenden Punkt anschließend: die wörtliche Bedeutung einer<br />

Äußerung gehen durch ihr Indirektsein nicht verloren.<br />

• Es gibt semantisch sehr ähnliche Sätze/Fragen, wobei aber nur eine<br />

dieser Formen konventionell als Bitte/Aufforderung verstanden wird.<br />

Warum?<br />

• Redewendungen werden konventionalisiert und so zu<br />

standardidiomatischen Wendungen.<br />

• Diese „Mechanismen“ sind nicht sprachspezifisch, wohl aber die<br />

idiomatischen Wendungen.<br />

• Die konventionalisierten Formen variieren von Sprache zu Sprache.<br />

• Diese konventionalisierten indirekten Sprechakte wie z.B: Fragen als<br />

Aufforderung sind idiomatisch, nicht aber Idiome.<br />

Gruppenaufteilung der Directives<br />

Searle unterscheidet sechs Arten der Aufforderungen (Directives):<br />

Gruppe 1: betrifft H’s Fähigkeit, A zu tun<br />

­­Kannst Du mir das Salz reichen?<br />

­­Du könntest etwas leiser sein.


Gruppe 2: betrifft S’s Wunsch, dass H A ausführt<br />

­­Ich hätte gern, dass Du jetzt gehst.<br />

­­* Hätte ich gern, dass Du jetzt gehst?<br />

Gruppe 3: Ausführung von A durch H<br />

­­Willst Du wohl deinen Spinat essen?<br />

­­Officers will henceforth wear ties at dinner.<br />

Gruppe 4: H’s Wunsch oder Bereitschaft, A zu tun<br />

­­Würde es Dir etwas ausmachen, mir mal den<br />

Rücken zu kratzen?<br />

­­Wären Sie wohl bereit, mir die Tür zu öffnen?<br />

­­*Du magst mir noch ein wenig von der Suppe<br />

geben.<br />

Gruppe 5: Gründe, A zu tun<br />

­­Solltest Du jetzt nicht studieren?<br />

­­Es wäre gut, wenn Du noch etwas Bier<br />

mitbringen würdest.<br />

Gruppe 6: Höflichkeit, Sonderfall<br />

­­Ich hoffe es macht Dir nichts aus, wenn ich<br />

Dich jetzt bitte, zu gehen.<br />

­­Darf ich Dich bitten, Deine Schuhe<br />

auszuziehen?<br />

Searle reduziert nun die <strong>Beispielsätze</strong> auf drei Klassen:<br />

1) solche, die mit felicity conditions zu tun haben


2) solche, die mit Gründen zu tun haben, den Akt<br />

auszuführen<br />

3) solche, die als Sonderfälle gelten.<br />

Hier kommen nun, wie <strong>für</strong> den allerersten Beispielsatz,<br />

eine Reihe von Faktoren ins Spiel, die es möglich machen, all diese Sätze<br />

systematisch zu erklären:<br />

­principles of conversational cooperation<br />

­theory of speech acts<br />

→felicity conditions<br />

­factual background information<br />

Generalisierungen (1):<br />

1. S kann einen indirekten directive äußern, indem er entweder fragt ob oder<br />

feststellt dass eine Einleitungsbedingung (H’s Fähigkeit, A zu tun) gegeben<br />

ist.<br />

2. S kann einen indirekten directive äußern, indem er fragt ob oder feststellt<br />

dass die propositional content condition gegeben ist.<br />

3. S kann einen indirekten directive äußern, indem er feststellt dass die<br />

sincerity condition gegeben ist. Er kann jedoch nicht fragen, ob sie gegeben<br />

ist!<br />

4. S kann feststellen dass oder fragen ob es gute Gründe gibt, die Handlung<br />

auszuführen. Ausnahme: Wenn H’s Wunsch oder Bereitschaft der Grund<br />

ist, A zu tun, kann S nur fragen, ob H wünscht etc. A zu tun.<br />

Gruppenaufteilung von Commissives (Angebote und Versprechen)<br />

Auch hier ist wieder eine Einteilung in Gruppen möglich:<br />

Gruppe 1: preparatory conditions<br />

A: S kann die Handlung ausführen.


­­Kann ich Dir helfen?<br />

­­Ich kann das (gerne) <strong>für</strong> Dich erledigen.<br />

B: H möchte, dass S A ausführt.<br />

Gruppe 2: sincerity conditions<br />

­­Möchtest Du, dass ich Dir helfe?<br />

­­Wäre es Dir lieber, wenn ich am Dienstag käme?<br />

­­*Du möchtest, dass ich jetzt gehe.<br />

­­Ich habe vor, Dich nächste Woche zu besuchen.<br />

Gruppe 3: propositional content condition<br />

­­Soll ich Dir mein Rad leihen?<br />

­­Ich hole Dir einen Tee.<br />

Gruppe 4: betrifft S’s Wunsch oder Bereitschaft, A zu tun<br />

­­Ich werde tun, was ich kann.<br />

­­Ich würde gern helfen, wenn es erforderlich ist.<br />

Gruppe 5: andere Gründe <strong>für</strong> S, A zu tun<br />

Generalisierungen (2):<br />

­­Du brauchst meine Hilfe.<br />

­­Ich sollte wohl besser gehen.<br />

­­Wäre es nicht besser, wenn ich Dir das morgen noch<br />

mal in Ruhe erkläre?<br />

1. S kann einen indirekten commissive äußern, indem er fragt ob oder<br />

feststellt dass die preparatory condition hinsichtlich seiner Fähigkeit, A zu<br />

tun, gegeben ist.<br />

2. S kann einen indirekten commissive äußern indem er fragt, ob die<br />

preparatory condition bezüglich H’s Wunsch, dass S A tut, gegeben ist. Er<br />

kann dies jedoch nicht feststellen.


3. S kann einen indirekten commissive äußern, indem er feststellt dass die<br />

propositional content condition gegeben ist. In einigen Fällen kann er sie<br />

auch erfragen.<br />

4. S kann einen indirekten commissive äußern, indem er feststellt, dass die<br />

sincerity condition erfüllt ist. Er kann dies jedoch nicht erfragen.<br />

5. S kann einen indirekten commissive äußern, indem er feststellt dass oder<br />

fragt ob es gute Gründe gibt, A zu tun. Ausnahme: Ist der Grund ein<br />

Wunsch auf Seiten S’s, kann er dies nur feststellen, nicht aber erfragen.<br />

Literatur:<br />

Searle, John R., Indirect Speech Acts, in: Peter Cole/ Jerry L. Morgan (eds.),<br />

Speech Acts, New York, Academic Press, 1975, 59­82.

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