26.01.2013 Aufrufe

Er bringt jedes Eis zum Schmelzen: Jürg Lieberherr, Direktor der ...

Er bringt jedes Eis zum Schmelzen: Jürg Lieberherr, Direktor der ...

Er bringt jedes Eis zum Schmelzen: Jürg Lieberherr, Direktor der ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Weisses Gold <strong>Jürg</strong> <strong>Lieberherr</strong>, 64, <strong>Direktor</strong><br />

<strong>der</strong> Vereinigten Schweizerischen Rheinsalinen,<br />

vor dem Salzberg in einer Lagerhalle.<br />

Wegen des harten Winters nehmen die Salzvorräte<br />

rasend schnell ab.<br />

Der Sa lzstreuer<br />

<strong>Er</strong> <strong>bringt</strong> <strong>jedes</strong> <strong>Eis</strong><br />

<strong>zum</strong> <strong>Schmelzen</strong>: <strong>Jürg</strong><br />

<strong>Lieberherr</strong>, <strong>Direktor</strong><br />

<strong>der</strong> Vereinigten Schweizerischen<br />

Rheinsalinen, beliefert<br />

die Schweiz mit Streusalz.<br />

Doch <strong>der</strong> harte Winter leert<br />

sein Lager viel zu schnell.<br />

Und könnte ihm zünftig die<br />

Suppe versalzen.<br />

Text marceL huwyLer<br />

Fotos fabienne bühLer<br />

Wenn die Schweiz vor Kälte<br />

erstarrt, die Strassen vereisen,<br />

Wege gefrieren, Autos<br />

schlittern und die Menschen rutschen –<br />

dann läuft sein Geschäft wie geschmiert<br />

o<strong>der</strong> passen<strong>der</strong> gesagt: wie geeist. <strong>Jürg</strong><br />

Lieber herr ist <strong>Direktor</strong> <strong>der</strong> Vereinigten<br />

Schweizerischen Rheinsalinen und taut<br />

das ganze Land mit seinem Streusalz<br />

auf.<br />

Dieser frostige winter heizt den<br />

umsatz extrem an. So viel Streusalz<br />

wie im laufenden Januar hätten sie noch<br />

nie ausgeliefert, erklärt <strong>Lieberherr</strong>. Über<br />

80 000 Tonnen wurden bisher auf Schweizer<br />

Strassen verteilt – absoluter Rekord,<br />

verbucht ein durchschnittlicher Januar<br />

doch sonst 20 000 Tonnen. Wenn das so<br />

weitergeht, wirds eng. «Langsam, aber<br />

sicher geht uns das Streusalz aus»,<br />

warnt <strong>Lieberherr</strong>, lässt zwei Handvoll<br />

seines weissen Goldes zu Boden rieseln<br />

und zeigt dabei sein charmantes, warmes<br />

Lächeln, mit dem er wohl schon<br />

manches <strong>Eis</strong> gebrochen hat.<br />

Schweizer Salz wird in den beiden<br />

Salinen in Riburg AG und Schweizer ­<br />

halle BL gewonnen. In bis zu 400 Meter<br />

Tiefe wird Steinsalz, das da seit 200 Mil­<br />

gesellschaft<br />

lionen Jahren liegt, mit Wasser aufgelöst,<br />

als Sole in die Saline hochgepumpt, wo<br />

es schliesslich in einer Verdampferhalle<br />

zu schneeweissem Salz kristallisiert.<br />

Streusalz, Speisesalz (das berühmte<br />

Jura-Sel), Salze für Gewerbe,<br />

Landwirtschaft und Industrie, alles<br />

stammt aus den Schweizer Rheinsalinen.<br />

Und ganz speziell: Das Unternehmen<br />

gehört allen Schweizer Kantonen zusammen<br />

(ausser Waadt, das mit Bex ein<br />

eigenes Salzwerk hat) plus dem Fürstentum<br />

Liechtenstein. 2200 Tonnen Salz<br />

werden pro Tag gewonnen, «momentan<br />

verkaufen wir aber über 5000 Tonnen<br />

täglich», rechnet <strong>Direktor</strong> <strong>Jürg</strong> Lieber­<br />

schweizer illustrierte<br />

33


gesellschaft<br />

Der Saldome<br />

<strong>Direktor</strong> <strong>Lieberherr</strong><br />

wandelt über den<br />

Steg <strong>zum</strong> Kuppelbau<br />

in Riburg AG.<br />

Der 31 Meter hohe<br />

Bau fasst 80 000<br />

Tonnen Streusalz.<br />

«Wir Schweizer sind die Einzigen in Europa, die<br />

noch Streusalz haben» SaLinen-<strong>Direktor</strong> <strong>Jürg</strong> <strong>Lieberherr</strong><br />

herr vor, «darum schwinden unsere Vorräte<br />

viel schneller, als mir lieb ist.»<br />

und tatsächlich stehen sie<br />

Schlange: auch heute. Hun<strong>der</strong>te von<br />

Lastwagen und <strong>Eis</strong>enbahnwagons stauen<br />

sich vor den Abfüllanlagen. LKW­Fahrer<br />

aus <strong>der</strong> ganzen Schweiz füllen hier ihre<br />

40­Tönner mit Streusalz. Den Papierkram<br />

mit den Chauffeuren erledigen<br />

ausschliesslich Frauen. <strong>Er</strong> habe drum<br />

herausgefunden, verrät <strong>der</strong> <strong>Direktor</strong>,<br />

grinst und zeigt erneut seine meersalzweissen<br />

Zähne, dass sich die LKW­Fahrer<br />

in Anwesenheit von Damen höflicher<br />

benehmen: «Keine <strong>der</strong>ben Sprüche, kein<br />

Gefluche, alles läuft ruhiger, zügiger und<br />

viel effizienter.»<br />

Doch dieser wahnsinns-winter<br />

könnte selbst Salzkönig <strong>Lieberherr</strong> die<br />

Suppe zünftig versalzen. 120 000 Tonnen<br />

Streusalz werden in einem normalen<br />

Jahr verkauft. Schon <strong>der</strong> letzte, harte<br />

Winter verbuchte mit 350 000 Tonnen<br />

einen neuen Rekord, «doch diesen Winter<br />

werden noch grössere Mengen gestreut».<br />

Ganz Europa habe ausgesalzen,<br />

die Lager seien leer, weiss <strong>Lieberherr</strong>;<br />

die Winterstürme, <strong>der</strong> ungewöhnlich<br />

viele Schnee hätten Europa in Salznotstand<br />

gebracht. «Wir Schweizer sind die<br />

Einzigen in Europa, die noch Streusalz<br />

34 schweizer illustrierte<br />

haben», strahlt <strong>der</strong> <strong>Direktor</strong>, <strong>der</strong> übrigens<br />

lieber Süsses isst als Salziges und «locker<br />

eine 400­Gramm­Tafel Schoggi pro<br />

Wochen ende verputzen kann». Was<br />

macht <strong>der</strong> Schweizer Salzkönig denn<br />

besser als seine europäischen Nachbarn?<br />

«Wir haben riesige Vorräte angelegt»,<br />

erklärt <strong>der</strong> 64­Jährige und zeigt<br />

seinen ganzen Stolz – so quasi das Salz<br />

in seiner Betriebssuppe: den Saldome.<br />

93 Meter Durchmesser, 31 Meter hoch, <strong>der</strong><br />

grösste Holzkuppelbau <strong>der</strong> Schweiz bunkert<br />

«in Friedenszeiten» 80 000 Tonnen<br />

Salz im Wert von 17 Millionen Franken.<br />

Doch <strong>der</strong>zeit liegt im Saldome nur noch<br />

ein kümmerlicher Rest von ein paar tausend<br />

Tonnen. Wie schon gesagt, sagt <strong>der</strong><br />

Chef, es werde knapp und knapper …<br />

was, wenn auch in <strong>der</strong> Schweiz<br />

Salznot herrscht? Dann müsste man<br />

das Streusalz rationieren, sagt <strong>Lieberherr</strong>,<br />

nur noch die wichtigsten Strassen<br />

würden bestreut. Das Verkehrschaos<br />

wäre vorprogrammiert. Blechschäden<br />

auch. Und <strong>Jürg</strong> <strong>Lieberherr</strong> weiss genau,<br />

wie teuer das kommen kann. <strong>Er</strong> hat es<br />

selber erfahren. «Meine Frau baute mit<br />

unserem Auto einen Totalschaden.»<br />

Und nochmals zeigt <strong>der</strong> Salzmann seine<br />

eisweissen Zähne. «Und zwar – ausgerechnet!<br />

– wegen Glatteis!» �<br />

SaLz, zucker, hoLz?<br />

Anstehen für Salz Lastwagen und<br />

<strong>Eis</strong>enbahnwagons vor <strong>der</strong> Auslieferungsanlage<br />

im aargauischen Riburg.<br />

u Streusalz ist nach wie vor <strong>der</strong> beste<br />

«<strong>Eis</strong>killer», hat aber auch Nachteile:<br />

Tieren (Hundepfoten), Autos (Rost), Pflanzen<br />

und dem Abwasser setzt das Salz zu.<br />

u Derzeit werden Alternativen getestet:<br />

Zuckerlösungen, Splitt, Sole, Holzschnitzel<br />

und ­plättchen o<strong>der</strong> Blähton. Viele dieser<br />

Salzoptionen sind noch zu teuer o<strong>der</strong><br />

zu energieintensiv in <strong>der</strong> Herstellung.<br />

Vorläufig bleibt Salz also die Nummer eins.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!