MIND Magazin - Das Schweizer MännerLifestyleMagazin Dezember 2012
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
und staatlichen Emittenten erzielt. Der<br />
Emittent bezahlt die Ratingagentur im<br />
Gegenzug für die Bewertung. Da sind<br />
Konflikte vorprogrammiert. Denn wie<br />
bei allen Einnahmen entfallen größere<br />
Umsatzanteile auf besonders große<br />
Kunden. Dies könnten beispielsweise<br />
große Konzerne sein, die die Ratingagenturen<br />
beauftragen, gleich alle<br />
Tochtergesellschaften zu bewerten.<br />
Daraus resultiert eine Abhängigkeit,<br />
die zu Gefälligkeitsbewertungen<br />
...<br />
führen kann.<br />
OBJEKTIVE BEWERTUNGEN KÖNNEN NICHT<br />
GARANTIERT WERDEN<br />
Auch sind die Ratingagenturen nicht<br />
davor gefeilt, dass einzelne Mitarbeiter<br />
durch persönliche Interessen,<br />
etwa eine zukünftige Anstellung in<br />
einem Unternehmen oder die private<br />
Aktienspekulation, nicht zu objektiven<br />
Bewertungen gelangen oder Informationen<br />
bewusst zurückhalten. Auch auf<br />
der Länderrisikoebene können Konflikte<br />
dann auftreten, wenn ein Land<br />
und die dort ansässigen Unternehmen<br />
für die Umsätze einer Ratingagentur<br />
besonders wichtig sind. Insbesondere<br />
diese Kritikpunkte führten in der<br />
aktuellen Staatsschuldenkrise Europas<br />
dazu, immer lauter eine unabhängige<br />
europäische Ratingagentur zu fordern.<br />
Wie die Chancen dafür aussehen, welche<br />
Voraussetzungen dafür notwendig<br />
sind und welche Marktchancen eine<br />
solche Ratingagentur haben würde,<br />
lesen sie im vierten Teil.<br />
...<br />
IST EINE GESAMTEUROPÄISCHE RATINGAGENTUR<br />
DIE LÖSUNG?<br />
Im letzten Teil dieser Abhandlung<br />
über die Ratingagenturen wird das im<br />
Raum stehende Modell einer europäischen<br />
Ratingagentur unter die Lupe<br />
genommen. Wenn es nach den Kritikern<br />
an den Ratingagenturen geht,<br />
könnte schon im Laufe des Jahres<br />
<strong>2012</strong> eine solche europäische Agentur<br />
ihre ersten Bewertungen vornehmen.<br />
Mit Glaubhaftigkeit und objektiven<br />
Bewertungen zum Erfolg<br />
Neben der Machtfülle, die in den Händen<br />
der amerikanischen Ratingagentu-<br />
68 <strong>MIND</strong>`DAS SCHWEIZER MÄNNER-LIFESTYLEMAGAZIN`<br />
ren liegt, beklagten sich Kritiker über<br />
die mangelnde Transparenz. Einzelne<br />
Ratings seien nicht nachvollziehbar<br />
und die unterschiedliche Bewertung<br />
bzw. die zeitliche Verzögerung von<br />
Down- und Upgrades seien teilweise<br />
widersprüchlich. Eine europäische<br />
Ratingagentur müsste an diesem Punkt<br />
ansetzen, um das Prädikat „glaubhaft<br />
und objektiv“ für sich beanspruchen<br />
zu können. Eine europäische Ratingagentur<br />
ist nur dann sinnvoll, wenn<br />
sie ein anderes Geschäftsmodell und<br />
transparentere Ratingprozesse vorweisen<br />
kann als die etablierten Agenturen.<br />
Die Vorschläge, die dazu im Raum<br />
stehen, sind auf<br />
...<br />
den ersten Blick vielversprechend.<br />
INTERESSENKONFLIKT ZWISCHEN RATINGAGENTUR<br />
UND EMITTENT AUFLÖSEN<br />
Ein weit fortgeschrittener Ansatz, der<br />
Zuspruch von Ökonomen findet und<br />
bereits auf EU-Ebene diskutiert wird,<br />
basiert auf der vollständigen Offenlegung<br />
des gesamten Ratingprozesses<br />
im Internet. Eine noch zu schaffende<br />
Plattform soll das Geschäftsmodell unabhängig<br />
von den Emittenten machen.<br />
Zukünftig sollen die Investoren wieder<br />
für die Ratings bezahlen, sodass der<br />
Interessenkonflikt zwischen Ratingagentur<br />
und Emittent aufgehoben wird<br />
und sich die Bonitätswächter künftig<br />
den Investoren verpflichtet fühlen. Die<br />
Emittenten sollen verpflichtet werden,<br />
ihre Informationen auf der Plattform<br />
zu veröffentlichen. Dies soll garantieren,<br />
dass alle Ratingagenturen mit der<br />
gleichen Informationsbasis arbeiten.<br />
Investoren können nun eines oder<br />
mehrere Ratings<br />
...<br />
erwerben oder auch<br />
eigene Ratings zum Kauf anbieten.<br />
DER GESETZGEBER MUSS DIE VORAUSSETZUNGEN<br />
DAFÜR SCHAFFEN<br />
Die Idee klingt gut und ist ein vielversprechender<br />
Ansatz, der jedoch<br />
nicht ohne die Hilfe der Gesetzgebung<br />
realisiert werden kann. Zwar besteht<br />
bereits heute eine Veröffentlichungspflicht<br />
der Emittenten, allerdings nicht<br />
in Bezug auf eine solche Plattform.<br />
Ein weiterer Punkt ist die Einführung<br />
der Haftbarkeit von Ratingagenturen.<br />
Bisher gelten die Bewertungen als<br />
einfache Meinung und unterliegen der<br />
Meinungsfreiheit. In der Realität sind<br />
die Ratings jedoch viel mehr. Pensionsfonds<br />
haben etwa einen Automatismus,<br />
der zum Verkauf von Papieren<br />
führt, sofern sie kein bestimmtes<br />
Rating (z.B. Investmentgrade) mehr<br />
vorweisen können. Rechtlich könnte<br />
eine europäische Ratingagentur<br />
eine private Non-Profit-Organisation<br />
sein, die sich ihr Startkapital von<br />
verschiedenen Banken holt. Die<br />
Banken haben keinen Einfluss auf die<br />
Ratings und erhalten ihre Investition<br />
binnen weniger Jahre zurück. So ist<br />
auch sichergestellt, dass die Agentur<br />
unabhängig von Steuergeldern ist und<br />
somit keinem Druck einzelner Staaten<br />
nachgeben müsste. <strong>Das</strong> Wegfallen des<br />
Gewinnstrebens würde zu günstigeren<br />
Preisen führen, die auch die großen<br />
drei Ratingagenturen unter Druck<br />
setzen würden. Als Wehrmutstropfen<br />
bleibt, dass es bereits in der Vergangenheit<br />
viele Anläufe zur Gründung<br />
einer europäischen Ratingagentur<br />
gegeben hat. Wie wir wissen, sind sie<br />
bislang alle gescheitert.<br />
WIE FUNKTIONIERT<br />
DAS GANZE SPIEL<br />
Bis zu einem Rating von „BBB-“<br />
spricht man vom „Investment Grade“,<br />
darunter von „Subinvestment<br />
Grade“oder „High Yield-Segment“.<br />
„Fallen Angels“ sind Unternehmen,<br />
die von Investmentgrade ins High<br />
Yield-Segment herabgestuft wurden.<br />
Der Fall einer umgekehrten Entwicklung<br />
ist ein „Rising Star“. Creditwatch<br />
zeigt an, dass ein Rating derzeit<br />
besonders überwacht wird. Es wird<br />
hierbei auf bestimmte Ereignisse und/<br />
oder kurzfristig eingetretene Entwicklungen<br />
Bezug genommen, die zu einer<br />
möglichen Veränderung des Ratings