Das belgische Schadenersatzrecht bei Verkehrsunfällen - SVR

Das belgische Schadenersatzrecht bei Verkehrsunfällen - SVR Das belgische Schadenersatzrecht bei Verkehrsunfällen - SVR

25.01.2013 Aufrufe

Verkehrszivilrecht Versicherungsrecht Verkehrsstrafrecht Ordnungswidrigkeiten Verkehrsverwaltungsrecht Straßenverkehrsrecht Z E I T S C H R I F T F Ü R D I E P R A X I S D E S V E R K E H R S J U R I S T E N In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Anwaltsinstitut e.V. herausgegeben von Dr. jur. Frank Albrecht, Regierungsdirektor im Bundesverkehrsministerium, Berlin; Hans Buschbell, Rechtsanwalt, Düren/Köln; Wolfgang Ferner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht, Koblenz/Heidelberg; Dr. Christian Grüneberg, Richter am OLG Köln; Prof. Dr. Christian Huber, Technische Hochschule, Aachen; Ottheinz Kääb, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Versicherungsrecht, München; Prof. Dr. Jürgen-Detlef Kuckein, Richter am BGH, Karlsruhe; Ulf D. Lemor, Geschäftsführer Europa, Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft, Brüssel; Dr.-Ing. Werner Möhler, Aachen; Ass. jur. Joachim Otting, Hünxe/Berlin; Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch, Universität Tübingen; Priv. Doz. Dr. Stephan Seidl, Nürnberg/Erlangen. Schriftleitung: Wolfgang Ferner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht, Koblenz/Heidelberg; Ass. jur. Rüdiger Balke, Koblenz; Wolfgang E. Halm, Rechtsanwalt, Köln; Prof. Dr. Helmut Janker, Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege, Berlin. A U F S Ä T Z E Das belgische Schadenersatzrecht bei Verkehrsunfällen 1 Rechtsanwalt Ralph Lentz, Eupen (Belgien) 2 1. Die anwaltliche Abwicklung von Verkehrsunfällen in Belgien 1.1. Besonderheiten und richterliches Ermessen Auch seit Inkrafttreten der neuen EU-Richtlinien wird der Schadenersatz generell nur nach dem Recht des Unfalllandes geleistet, so dass für jeden Unfall in Belgien das belgische Schadenersatzrecht gilt. Der Beitrag soll dem Leser einen Überblick über die möglichen Schadenersatzansprüche in Belgien geben, d.h. der Sach- und Personenschäden. Der zuständige Richter ist immer befugt, für jeden konkreten Fall die Entschädigungen nach freiem richterlichen Ermessen festzulegen. Die Gerichte haben somit einen weiten Ermessensfreiraum und entscheiden von Fall zu Fall über die Höhe der entsprechenden Schadenersatzforderungen. Als Richtlinie oder Hilfe sowohl für den Geschädigten als auch für die zur Zahlung verpfl ichteten Versicherungsgesellschaften und die befassten Gerichte wurde in den letzten Jahren durch die Königliche Vereinigung der Friedensrichter und Polizeirichter und Richter beim Gericht Erster Instanz („L‘Union Royale des Juges de Paix et de Police et l‘Union Nationale des Magistrats de Première Instance“) eine so genannte „indikative Tabelle“ („tableau indicatif“) erstellt, die eine richtungsweisende Referenz darstellt. In dem Beitrag wird des Öfteren von dieser indikativen Tabelle die Rede sein, die jedoch nur zur Anwendung kommt, wenn das Opfer nicht in der Lage ist, den eigentlichen Schaden nachzuweisen. Die letzte Anpassung dieser indikativen Tabelle wurde am 29.10.2004 in Brüssel vorgestellt. Angesichts der doch erheblichen Unterschiede zwischen den belgischen und deutschen Rechtsordnungen ist bei der Abwicklung von Schadensfällen nach Unfällen in Belgien eine besondere Kenntnis der belgischen Rechtslage erforderlich, so dass das Einschalten eines belgischen Rechtsanwaltes angeraten wird, zumal die Verfahrenssprache in Belgien meist französisch oder niederländisch ist (nur in der deutschsprachigen Gemeinschaft im Osten des Landes wird deutsch gesprochen). Belgische Rechtsanwälte sind vor allen Gerichten in Belgien zugelassen (mit Ausnahme des Obersten Gerichtshofes). 1.2. Die Anwaltskosten Bekanntlich wurden bisher die Anwaltskosten nicht durch den Unfallverantwortlichen rückerstattet, weder in einer außergerichtlichen Abwicklung eines Schadenfalls noch in einem Gerichtsverfahren. Das Gesetz sieht jedoch eine teilweise Erstattung dieser Kosten vor, in dem die unterliegende Partei verpfl ichtet ist, bei einem Zivilverfahren vor Gericht der obsiegenden Partei eine so genannte Prozesskostenvergütung zu zahlen, die augenblicklich zwischen 58,25 € bei einem Streitwert unter 250,00 € und 349,53 € bei einem Streitwert über 1 s.a. die Arbeitshilfe von RA Hering, Seite 224 in diesem Heft 2 Rechtsanwalt Ralph Lentz, Aachener Str. 70, B-4700 EUPEN, r.lentz@avocat.be S VR 6/2005 | 201

Verkehrszivilrecht<br />

Versicherungsrecht<br />

Verkehrsstrafrecht<br />

Ordnungswidrigkeiten<br />

Verkehrsverwaltungsrecht<br />

Straßenverkehrsrecht<br />

Z E I T S C H R I F T F Ü R D I E P R A X I S D E S V E R K E H R S J U R I S T E N<br />

In Zusammenar<strong>bei</strong>t mit dem Deutschen Anwaltsinstitut e.V.<br />

herausgegeben von Dr. jur. Frank Albrecht, Regierungsdirektor im Bundesverkehrsministerium, Berlin; Hans Buschbell, Rechtsanwalt, Düren/Köln;<br />

Wolfgang Ferner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht, Koblenz/Heidelberg; Dr. Christian Grüneberg, Richter am OLG Köln;<br />

Prof. Dr. Christian Huber, Technische Hochschule, Aachen; Ottheinz Kääb, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Versicherungsrecht, München;<br />

Prof. Dr. Jürgen-Detlef Kuckein, Richter am BGH, Karlsruhe; Ulf D. Lemor, Geschäftsführer Europa, Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft,<br />

Brüssel; Dr.-Ing. Werner Möhler, Aachen; Ass. jur. Joachim Otting, Hünxe/Berlin; Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch, Universität<br />

Tübingen; Priv. Doz. Dr. Stephan Seidl, Nürnberg/Erlangen.<br />

Schriftleitung: Wolfgang Ferner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht, Koblenz/Heidelberg; Ass. jur. Rüdiger Balke, Koblenz; Wolfgang E. Halm,<br />

Rechtsanwalt, Köln; Prof. Dr. Helmut Janker, Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege, Berlin.<br />

A U F S Ä T Z E<br />

<strong>Das</strong> <strong>belgische</strong> <strong>Schadenersatzrecht</strong> <strong>bei</strong> <strong>Verkehrsunfällen</strong> 1<br />

Rechtsanwalt Ralph Lentz, Eupen (Belgien) 2<br />

1. Die anwaltliche Abwicklung von <strong>Verkehrsunfällen</strong><br />

in Belgien<br />

1.1. Besonderheiten und richterliches Ermessen<br />

Auch seit Inkrafttreten der neuen EU-Richtlinien wird der<br />

Schadenersatz generell nur nach dem Recht des Unfalllandes<br />

geleistet, so dass für jeden Unfall in Belgien das <strong>belgische</strong> <strong>Schadenersatzrecht</strong><br />

gilt. Der Beitrag soll dem Leser einen Überblick<br />

über die möglichen Schadenersatzansprüche in Belgien geben,<br />

d.h. der Sach- und Personenschäden.<br />

Der zuständige Richter ist immer befugt, für jeden konkreten<br />

Fall die Entschädigungen nach freiem richterlichen Ermessen<br />

festzulegen. Die Gerichte haben somit einen weiten Ermessensfreiraum<br />

und entscheiden von Fall zu Fall über die Höhe<br />

der entsprechenden Schadenersatzforderungen.<br />

Als Richtlinie oder Hilfe sowohl für den Geschädigten als auch<br />

für die zur Zahlung verpfl ichteten Versicherungsgesellschaften<br />

und die befassten Gerichte wurde in den letzten Jahren<br />

durch die Königliche Vereinigung der Friedensrichter und Polizeirichter<br />

und Richter <strong>bei</strong>m Gericht Erster Instanz („L‘Union<br />

Royale des Juges de Paix et de Police et l‘Union Nationale des<br />

Magistrats de Première Instance“) eine so genannte „indikative<br />

Tabelle“ („tableau indicatif“) erstellt, die eine richtungsweisende<br />

Referenz darstellt. In dem Beitrag wird des Öfteren<br />

von dieser indikativen Tabelle die Rede sein, die jedoch nur zur<br />

Anwendung kommt, wenn das Opfer nicht in der Lage ist, den<br />

eigentlichen Schaden nachzuweisen. Die letzte Anpassung<br />

dieser indikativen Tabelle wurde am 29.10.2004 in Brüssel vorgestellt.<br />

Angesichts der doch erheblichen Unterschiede zwischen den<br />

<strong>belgische</strong>n und deutschen Rechtsordnungen ist <strong>bei</strong> der Abwicklung<br />

von Schadensfällen nach Unfällen in Belgien eine<br />

besondere Kenntnis der <strong>belgische</strong>n Rechtslage erforderlich, so<br />

dass das Einschalten eines <strong>belgische</strong>n Rechtsanwaltes angeraten<br />

wird, zumal die Verfahrenssprache in Belgien meist französisch<br />

oder niederländisch ist (nur in der deutschsprachigen<br />

Gemeinschaft im Osten des Landes wird deutsch gesprochen).<br />

Belgische Rechtsanwälte sind vor allen Gerichten in Belgien<br />

zugelassen (mit Ausnahme des Obersten Gerichtshofes).<br />

1.2. Die Anwaltskosten<br />

Bekanntlich wurden bisher die Anwaltskosten nicht durch<br />

den Unfallverantwortlichen rückerstattet, weder in einer außergerichtlichen<br />

Abwicklung eines Schadenfalls noch in einem<br />

Gerichtsverfahren. <strong>Das</strong> Gesetz sieht jedoch eine teilweise<br />

Erstattung dieser Kosten vor, in dem die unterliegende Partei<br />

verpfl ichtet ist, <strong>bei</strong> einem Zivilverfahren vor Gericht der obsiegenden<br />

Partei eine so genannte Prozesskostenvergütung zu<br />

zahlen, die augenblicklich zwischen 58,25 € <strong>bei</strong> einem Streitwert<br />

unter 250,00 € und 349,53 € <strong>bei</strong> einem Streitwert über<br />

1 s.a. die Ar<strong>bei</strong>tshilfe von RA Hering, Seite 224 in diesem Heft<br />

2 Rechtsanwalt Ralph Lentz, Aachener Str. 70, B-4700 EUPEN, r.lentz@avocat.be<br />

S VR 6/2005 | 201


A U F S ÄT Z E | Lentz, <strong>Das</strong> <strong>belgische</strong> <strong>Schadenersatzrecht</strong> <strong>bei</strong> <strong>Verkehrsunfällen</strong><br />

2.500,00 € liegt (<strong>bei</strong> einem Streitfall vor dem Verkehrsgericht,<br />

d.h. dem so genannten Polizeigericht).<br />

Durch seine Entscheidung vom 2.9.2004 hat der Kassationshof<br />

(der Oberste Gerichtshof in Belgien) entschieden, dass<br />

unter gewissen Umständen die Kosten und Honorare eines<br />

Rechtsanwaltes oder eines technischen Beistandes einen Teil<br />

des Schadens einer geschädigten Person darstellen können, die<br />

somit Anlass zur Erstattung durch die unterliegende Partei geben<br />

können. Es handelt sich hier<strong>bei</strong> um eine isolierte Entscheidung,<br />

die sich vorerst nur auf vertragliche Rechtsstreitigkeiten<br />

bezieht. Angesichts der Tatsache, dass jedoch seit Jahren über<br />

die Schaffung einer Gebührenordnung für Anwälte und einer<br />

Rückerstattung der Anwaltshonorare diskutiert wird, ist damit<br />

zu rechnen, dass der Oberste Gerichtshof diese Entscheidung<br />

auf alle Rechtsstreite ausdehnt. In diesem Zusammenhang<br />

bleibt nur zu hoffen, dass kurzfristig der Gesetzgeber eine entsprechende<br />

Initiative ergreift und die Rückerstattung der Anwaltshonorare<br />

gesetzlich regelt.<br />

2. Die Anspruchsgrundlagen <strong>bei</strong> Personen- und<br />

Sachschäden<br />

2.1. Art. 1382 des Zivilgesetzbuches (ZGB)<br />

Jede Person, die durch eine fehlerhafte Handlung einer anderen<br />

Person einen Schaden zufügt, ist gemäß Art. 1382 des ZGB<br />

entschädigungspflichtig.<br />

Damit die geschädigte Person einen Schadenersatzanspruch<br />

erhält, muss der Beweis erbracht werden, dass:<br />

� die Gegenpartei einen Fehler begangen hat,<br />

� ein Schaden entstanden ist,<br />

� ein ursächlicher Zusammenhang zwischen diesem Fehler<br />

und dem<br />

nachgewiesenen Schaden besteht.<br />

Eine geschädigte Person hat somit als klagende Partei die<br />

Verpflichtung, sowohl einen Fehler des Gegners als auch den<br />

eigenen Schaden nachzuweisen. Die Beweislast liegt <strong>bei</strong> der<br />

klagenden Partei. Es kommt häufig vor, dass das Gericht mangels<br />

objektiver Beweisunterlagen nicht in der Lage ist, die Haftungsfrage<br />

zu klären und somit der klagenden Partei ihre Schadenersatzansprüche<br />

zuzusprechen. In diesem Zusammenhang<br />

ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass ein Unfallopfer immer<br />

Interesse daran hat, die Polizei an den Unfallort zu rufen, damit<br />

ein polizeiliches Unfallprotokoll erstellt wird. In jedem<br />

Fall soll das Unfallopfer die Gegenpartei auffordern, den Europäischen<br />

Unfallbericht auszufüllen. Die Vollständigkeit des<br />

Europäischen Unfallberichts ist unter anderem in Bezug auf<br />

mögliche Augenzeugen des Unfallgeschehens äußerst wichtig,<br />

da im Nachhinein vorgelegte Zeugenaussagen oftmals durch<br />

die <strong>belgische</strong>n Gerichte nicht anerkannt werden.<br />

202 | S VR 6/2005<br />

2.2. Der schwache Verkehrsteilnehmer<br />

Die so genannten „schwachen Verkehrsteilnehmer“ oder<br />

„schwachen Verkehrsopfer“ werden durch Art. 29 des Gesetzes<br />

vom 21.11.1989, abgeändert durch das Gesetz vom 19.1.2001,<br />

für gewisse Schäden unabhängig von der Schuldfrage entschädigt.<br />

Diese Gesetzgebung bezweckt eine garantierte Entschädigung<br />

verschiedener Verkehrsteilnehmer <strong>bei</strong> Körperschäden<br />

und im Todesfall, wie z.B. Beifahrer und Insassen der Fahrzeuge,<br />

Fußgänger, Fahrradfahrer usw. Wir werden in einem späteren<br />

Beitrag ausführlich auf die Schadenersatzansprüche der<br />

schwachen Verkehrsteilnehmer zurückkommen.<br />

2.3. Die Gerichtsbarkeit<br />

Durch das Gesetz vom 11.7.1994 wird den Polizeigerichten<br />

(den Verkehrsgerichten) die ausschließliche Zuständigkeit für<br />

alle Schadenersatzforderungen im Rahmen eines Verkehrsunfalls<br />

gewährt.<br />

Die insgesamt 32 Polizeigerichte des Landes sind auf die verschiedenen<br />

Gerichtsbezirke verteilt und tagen in ihrer jeweiligen<br />

Verfahrenssprache, d.h. entweder in niederländisch, französisch<br />

oder deutsch.<br />

In Belgien ist das so genannte Adhäsionsverfahren gesetzlich<br />

geregelt. Schadenersatzansprüche können somit sowohl im<br />

Strafverfahren vor dem Polizeigericht geltend gemacht als<br />

auch in einem Zivilverfahren getrennt eingefordert werden.<br />

3. Die Sachschäden<br />

3.1. Der Fahrzeugschaden<br />

Obwohl der Oberste Gerichtshof (Kassationshof) durch seinen<br />

Entscheid vom 28.2.2002 mittlerweile entschieden hat,<br />

dass auch die Gutachterkosten als ein Teil des Schadens dem<br />

Unfallopfer zu vergüten sind, weigern sich zahlreiche Versicherungsgesellschaften<br />

in Belgien nach wie vor, die Gutachterkosten<br />

zu erstatten, zumindest in der außergerichtlichen<br />

Schadensabwicklung.<br />

Es ist daher ratsam, vorab lediglich einen Kostenvoranschlag<br />

zu erstellen und diesen dann zwecks Regulierung des Fahrzeugschadens<br />

an die gegnerische Haftpflichtversicherung zu<br />

schicken. Diese hat dann die Möglichkeit, entweder zusätzlich<br />

ein Gutachten zu fordern, oder selbst einen Gutachter zu<br />

beauftragen. Erfahrungsgemäß fallen die Lohn- und Materialkosten<br />

eines deutschen Gutachters höher aus als <strong>bei</strong> einem<br />

<strong>belgische</strong>m Gutachter, so dass <strong>belgische</strong> Versicherungsgesellschaften<br />

oftmals ein ausländisches Gutachten ablehnen und<br />

einen <strong>belgische</strong>n Gutachter beauftragen, den Umfang des<br />

Schadens festzustellen.<br />

Die geschädigte Person ist nicht verpflichtet, das <strong>belgische</strong><br />

Gutachten anzunehmen, und hat die Möglichkeit, vor Gericht<br />

ein Gegengutachten zu beantragen, wo<strong>bei</strong> jedoch der Kostenfaktor<br />

eines derartigen Verfahrens zu berücksichtigen ist. Die<br />

unterliegende Partei muss nicht nur die Gerichtskosten tragen,<br />

sondern auch die Kosten des Gutachters.


Gemäß Art. 83 des Versicherungsgesetzes vom 25.6.1992 hat<br />

die geschädigte Partei das Recht, uneingeschränkt und frei<br />

über die Entschädigungssumme zu verfügen, und hat somit<br />

nicht die Verpflichtung, das Fahrzeug auch effektiv in Stand<br />

setzen zu lassen.<br />

3.2. Der Nutzungsausfall des Unfallfahrzeuges<br />

Sowohl <strong>bei</strong> außergerichtlichen Schadenersatzregelungen als<br />

auch <strong>bei</strong> gerichtlichen Verfahren wird ein Nutzungsausfall anerkannt<br />

für die Dauer der Reparatur des Fahrzeuges, wo<strong>bei</strong> <strong>bei</strong><br />

außergerichtlichen Regelungen die Versicherungsgesellschaften<br />

meistens versuchen, diesen Nutzungsausfall auf einen<br />

Mindestsatz zu reduzieren.<br />

Wenn das Fahrzeug nach dem Unfall nicht mehr fahrtüchtig<br />

ist, kann zusätzlich eine Entschädigung während der so genannten<br />

Wartefrist gefordert werden, d.h. der Frist, die notwendig<br />

ist, um den Schaden festzustellen, z.B. bis zur Fertigstellung<br />

des Gutachtens. In diesem Zusammenhang darf dem<br />

Unfallopfer jedoch keine Verzögerung oder Nachlässigkeit in<br />

der Beauftragung des Gutachters nachgewiesen werden. Eine<br />

unmittelbare Benachrichtigung der gegnerischen Haftpflichtversicherung<br />

ist notwendig.<br />

Bei einem Totalschaden kann ein Nutzungsausfall von pauschal<br />

15 Tagen gefordert werden.<br />

Die Rechtsprechung gewährt im Allgemeinen folgenden Nutzungsausfall<br />

pro Tag:<br />

� PKW, unabhängig vom Fahrzeugtypen, Hubraum usw.<br />

20,00 €<br />

� Fahrrad 5,00 €<br />

� Motorrad unter 50 ccm 6,50 €<br />

� Motorrad über 50 ccm 9,00 €<br />

� Motorrad über 450 ccm 15,00 €<br />

� PKW-Anhänger unter 500 kg 10,00 €<br />

� PKW-Anhänger über 500 kg 15,00 €<br />

� Wohnmobil 50,00 €<br />

� Taxi zwischen 46,00 € und 59,50 €<br />

� Leihwagen 46,00 €<br />

� LKW, je nach Ladekapazität, zwischen 37,50 € und 46,00 €<br />

bis 3 Tonnen Ladekapazität, zzgl. 7,50 € bis 10,00 € pro zusätzlicher<br />

Tonne Ladekapazität<br />

� Wohnwagenanhänger 24,00 €<br />

� Autobus, je nach Sitzkapazität, zwischen 45,00 € und<br />

174,00 €<br />

3.3. Die Wertminderung des Fahrzeuges<br />

Nur vereinzelt gewähren Gerichte Ersatz wegen einer Wertminderung<br />

des Unfallfahrzeuges. Außergerichtlich ist es kaum<br />

möglich, von den Versicherungsgesellschaften einen Ersatz<br />

wegen Wertminderung des Fahrzeuges zu erhalten, selbst<br />

Lentz, <strong>Das</strong> <strong>belgische</strong> <strong>Schadenersatzrecht</strong> <strong>bei</strong> <strong>Verkehrsunfällen</strong> | A U F S ÄT Z E<br />

wenn das deutsche Gutachten eine derartige Wertminderung<br />

nach Reparatur des Fahrzeuges ausdrücklich feststellt.<br />

Wenn überhaupt, gewähren die Gerichte derartigen Ersatz<br />

nach erfolgter Reparatur nur <strong>bei</strong> Neufahrzeugen mit geringer<br />

Kilometerleistung.<br />

3.4. Die Mehrwertsteuer (MwSt)<br />

Es entspricht mittlerweile einer gefestigten Rechtsprechung<br />

des Obersten Gerichtshofes, dass das Unfallopfer stets die Zahlung<br />

der MwSt auf die Reparaturkosten oder den Wiederbeschaffungswert<br />

des Unfallfahrzeuges fordern kann, unabhängig<br />

davon, ob nunmehr das Fahrzeug instand gesetzt wurde<br />

oder nicht, bzw. <strong>bei</strong> einem Totalschaden, ob ein Neufahrzeug<br />

oder ein Gebrauchtwagen gekauft wurde oder nicht.<br />

Um die MwSt fordern zu können, muss der Geschädigte den<br />

Nachweis erbringen, dass er der MwSt-Gesetzgebung nicht unterworfen<br />

ist, d.h. nicht MwSt-abzugsberechtigt ist. Der MwSt-<br />

Satz in Belgien beträgt 21%.<br />

3.5. Die Gutachterkosten<br />

Wie bereits erwähnt, hat der Oberste Gerichtshof durch seinen<br />

Entscheid vom 28.2.2002 entschieden, dass die Gutachterkosten<br />

zu erstatten sind, selbst wenn es sich um ein einseitiges<br />

Gutachten des Geschädigten handelt. Die Versicherungsgesellschaften<br />

versuchen nach wie vor, diese Rechtsprechung zu<br />

ignorieren, so dass eine außergerichtliche Erstattung der Gutachterkosten<br />

oftmals noch schwierig ist.<br />

Die Kosten eines Gerichtsgutachtens trägt die unterliegende<br />

Partei, da es sich hier<strong>bei</strong> um Gerichtskosten handelt.<br />

Die Kosten der gegnerischen Versicherungsgesellschaft <strong>bei</strong><br />

einem außergerichtlichen Gutachten trägt in jedem Fall die<br />

Versicherung selbst. Sie können dem Geschädigten nicht auferlegt<br />

werden.<br />

3.6. Die Mietwagenkosten<br />

Eine einheitliche Rechtsprechung für die Rückerstattung der<br />

Mietwagenkosten gibt es nach wie vor nicht. Einige Gerichte<br />

verlangen für die Übernahme der Mietwagenkosten den Nachweis,<br />

dass die geschädigte Person aus beruflichen oder privaten<br />

Gründen auf einen Mietwagen angewiesen war. Meistens<br />

überprüfen die Gerichte die Schadensminderungspflicht des<br />

Geschädigten, der darauf zu achten hat, die Dauer der Inanspruchnahme<br />

des Mietwagens der Dauer der Instandsetzung<br />

des Unfallfahrzeuges anzupassen.<br />

Oftmals werden die ersparten Eigenkosten des Unfallfahrzeuges<br />

zwischen 10 und 20% von den Mietwagenkosten abgezogen.<br />

Außergerichtlich gibt es erhebliche Kürzungen der<br />

Mietwagenkosten, so dass immer den geschädigten Personen<br />

angeraten wird, vor Inanspruchnahme eines Mietwagens, die<br />

Gegenpartei diesbezüglich zu unterrichten.<br />

3.7. Kleidungskosten und beschädigtes Gepäck<br />

Sehr schwierig und in manchen Fällen fast unmöglich ist der<br />

Nachweis, dass Gegenstände, die sich im Fahrzeug befanden,<br />

beschädigt wurden oder abhanden gekommen sind. <strong>Das</strong> Gleiche<br />

gilt für die beschädigte Kleidung der Unfallopfer.<br />

S VR 6/2005 | 203


A U F S ÄT Z E | Steinmeister, Neues zur Gewährleistung <strong>bei</strong>m Gebrauchtwagenkauf<br />

Generell wird die Forderung auch um einen Abnutzungsanteil<br />

gekürzt, d.h. den Unterschied zwischen dem Neuwert und<br />

dem Zeitwert der Gegenstände und der Kleidung.<br />

Da in den meisten Fällen nicht alle Schadensbelege vorhanden<br />

sind, gewähren die Versicherungsgesellschaften und auch<br />

die Gerichte eine Pauschalvergütung zwischen 100,00 € und<br />

375,00 € pro Schadensfall.<br />

3.8. Die Verwaltungskosten<br />

Für den Aufwand der Schadensabwicklung gewähren seit Kurzem<br />

die Gerichte zwischen 62,00 € und 125,00 € Schadenersatz,<br />

u.a. für die Korrespondenzkosten, Telefonkosten, usw.<br />

20 4 | S VR 6/2005<br />

Bei einer schnellen und unkomplizierten Schadensabwicklung<br />

wird diese Pauschale nicht gewährt.<br />

3.9. Die übrigen Unkosten<br />

Alle sonstigen Kosten, wie z.B. die Unterstellkosten des Fahrzeuges,<br />

die Abschleppkosten, die Kosten der An- und Abmeldung<br />

<strong>bei</strong>m Straßenverkehrsamt, die TÜV-Kosten usw. werden<br />

nach Vorlage der entsprechenden Belege und Rechnungen erstattet.<br />

Fahrtkosten werden mit 0,25 € pro Kilometer vergütet, wo<strong>bei</strong><br />

es der geschädigten Person obliegt, den Nachweis dieser Fahrten<br />

zu erbringen (z.B. Fahrten zu den Gutachterterminen,<br />

Arzttermine usw.).<br />

Neues zur Gewährleistung <strong>bei</strong>m Gebrauchtwagenkauf<br />

Die Rechtsprechung seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes<br />

Rechtsanwalt Martin Steinmeister, Köln1 1. Einleitung<br />

Spricht man heute von der Kaufgewährleistung <strong>bei</strong>m Autokauf,<br />

so sind von besonderem Interesse die Fälle des Verbrauchsgüterkaufs,<br />

§§ 474 ff. BGB. Da Gewährleistungsfälle naturgemäß<br />

im Bereich des Gebrauchtwagenkaufs sehr häufig auftreten,<br />

ist dort die mittlerweile ergangene Rechtsprechung besonders<br />

zahlreich. Eine herausragende Rolle spielt insoweit die<br />

Regelung des § 476 BGB, der zu Gunsten des Verbraucherkäufers<br />

– auch <strong>bei</strong>m Gebrauchtwagenkauf 2 – <strong>bei</strong> Auftreten eines<br />

Sachmangels innerhalb der ersten sechs Monate nach Gefahrübergang<br />

vermutet, dass die Sache bereits <strong>bei</strong> Gefahrübergang<br />

mangelhaft war. Dies wiederum ist Voraussetzung für die erfolgreiche<br />

Geltendmachung der Gewährleistungsrechte.<br />

Was diese „Quasigarantie“ im Gebrauchtwagenkauf tatsächlich<br />

wert ist, folgt u.a. aus der – heftig kritisierten 3 – neuesten<br />

BGH-Entscheidung, erschienen in NJW 2004, 2299, nach der<br />

den Verbraucherkäufer die Darlegungs- und Beweislast für die<br />

den Sachmangel begründenden Tatsachten trifft. § 476 BGB<br />

enthalte insoweit für den Verbrauchsgüterkauf keine Beweislastumkehr.<br />

Die Bestimmung setzte einen binnen sechs Monaten<br />

seit Gefahrübergang auftretenden Sachmangel voraus und<br />

begründe eine lediglich in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung,<br />

dass dieser Mangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs<br />

vorlag 4. Die möglichen Konsequenzen dieser erst<br />

auf den zweiten Blick bemerkenswerten Entscheidung werden<br />

im Nachgang eingehend beleuchtet. Zu diskutieren ist nach<br />

dieser Entscheidung, ob der von § 476 BGB ausgehende besondere<br />

Verbraucherschutz im Gebrauchtwagenkauf gänzlich zur<br />

Makulatur wird.<br />

2. Voraussetzungen der besonderen Gewährleistungsrechte<br />

für Verbraucher 5<br />

Voraussetzung für das Eingreifen der besonderen Gewährleistungsrechte<br />

für Verbraucher ist das Vorliegen eines sog. Verbrauchsgüterkaufs,<br />

der zwischen dem Verbraucher auf der einen<br />

und dem Unternehmer auf der anderen Seite geschlossen<br />

wird.<br />

2.1 Verbraucher<br />

Gemäß § 13 BGB ist Verbraucher jede natürliche Person, die<br />

ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer<br />

gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit<br />

zugerechnet werden kann.<br />

Nach der Rechtsprechung des OLG Bremen 6 ist Verbraucher<br />

auch derjenige, der ein Geschäft überwiegend zu privaten<br />

Zwecken abschließt, wo<strong>bei</strong> der zeitliche Anteil der privaten<br />

Nutzung, nicht das Maß der Kostendeckung durch den anderen<br />

Nutzungsanteil von entscheidender Bedeutung sei.<br />

1 Der Autor ist Partner der Sozietät Rechtsanwälte Halm & Collegen in Köln,<br />

www.halmcollegen.de.<br />

2 So Reinking DAR 2002, 15 (23); BGH-Urteil vom 02.06.2004 – VIII ZR 3229/03,<br />

NJW 2004, 2299.<br />

3 Besonders deutlich Lorenz, NJW 2004, 3020.<br />

4 BGH-Urteil vom 02.06.2004 – VIII ZR 3229/ 03, NJW 2004, 2299; kritisch<br />

Lorenz, NJW 2004, 3020; dazu auch Otting <strong>SVR</strong> 2004, 305; Westfalen ZGS<br />

2004, 341; Manowski BGH-Report 2004, 1204; Gesell EWir 2004, 903; Wertenbruch<br />

LMK 2004, 156.<br />

5 Dazu ausführlich Himmelreich/Andreae/Teigelack, Autokaufrecht, 1. Aufl.<br />

2002, Rn. 1147.<br />

6 Urteil vom 11.03.2004 – 2 U 99/ 03, OLGR Bremen 2004, 319.

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