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Das belgische Schadenersatzrecht bei Verkehrsunfällen - SVR

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Verkehrszivilrecht<br />

Versicherungsrecht<br />

Verkehrsstrafrecht<br />

Ordnungswidrigkeiten<br />

Verkehrsverwaltungsrecht<br />

Straßenverkehrsrecht<br />

Z E I T S C H R I F T F Ü R D I E P R A X I S D E S V E R K E H R S J U R I S T E N<br />

In Zusammenar<strong>bei</strong>t mit dem Deutschen Anwaltsinstitut e.V.<br />

herausgegeben von Dr. jur. Frank Albrecht, Regierungsdirektor im Bundesverkehrsministerium, Berlin; Hans Buschbell, Rechtsanwalt, Düren/Köln;<br />

Wolfgang Ferner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht, Koblenz/Heidelberg; Dr. Christian Grüneberg, Richter am OLG Köln;<br />

Prof. Dr. Christian Huber, Technische Hochschule, Aachen; Ottheinz Kääb, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Versicherungsrecht, München;<br />

Prof. Dr. Jürgen-Detlef Kuckein, Richter am BGH, Karlsruhe; Ulf D. Lemor, Geschäftsführer Europa, Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft,<br />

Brüssel; Dr.-Ing. Werner Möhler, Aachen; Ass. jur. Joachim Otting, Hünxe/Berlin; Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch, Universität<br />

Tübingen; Priv. Doz. Dr. Stephan Seidl, Nürnberg/Erlangen.<br />

Schriftleitung: Wolfgang Ferner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht, Koblenz/Heidelberg; Ass. jur. Rüdiger Balke, Koblenz; Wolfgang E. Halm,<br />

Rechtsanwalt, Köln; Prof. Dr. Helmut Janker, Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege, Berlin.<br />

A U F S Ä T Z E<br />

<strong>Das</strong> <strong>belgische</strong> <strong>Schadenersatzrecht</strong> <strong>bei</strong> <strong>Verkehrsunfällen</strong> 1<br />

Rechtsanwalt Ralph Lentz, Eupen (Belgien) 2<br />

1. Die anwaltliche Abwicklung von <strong>Verkehrsunfällen</strong><br />

in Belgien<br />

1.1. Besonderheiten und richterliches Ermessen<br />

Auch seit Inkrafttreten der neuen EU-Richtlinien wird der<br />

Schadenersatz generell nur nach dem Recht des Unfalllandes<br />

geleistet, so dass für jeden Unfall in Belgien das <strong>belgische</strong> <strong>Schadenersatzrecht</strong><br />

gilt. Der Beitrag soll dem Leser einen Überblick<br />

über die möglichen Schadenersatzansprüche in Belgien geben,<br />

d.h. der Sach- und Personenschäden.<br />

Der zuständige Richter ist immer befugt, für jeden konkreten<br />

Fall die Entschädigungen nach freiem richterlichen Ermessen<br />

festzulegen. Die Gerichte haben somit einen weiten Ermessensfreiraum<br />

und entscheiden von Fall zu Fall über die Höhe<br />

der entsprechenden Schadenersatzforderungen.<br />

Als Richtlinie oder Hilfe sowohl für den Geschädigten als auch<br />

für die zur Zahlung verpfl ichteten Versicherungsgesellschaften<br />

und die befassten Gerichte wurde in den letzten Jahren<br />

durch die Königliche Vereinigung der Friedensrichter und Polizeirichter<br />

und Richter <strong>bei</strong>m Gericht Erster Instanz („L‘Union<br />

Royale des Juges de Paix et de Police et l‘Union Nationale des<br />

Magistrats de Première Instance“) eine so genannte „indikative<br />

Tabelle“ („tableau indicatif“) erstellt, die eine richtungsweisende<br />

Referenz darstellt. In dem Beitrag wird des Öfteren<br />

von dieser indikativen Tabelle die Rede sein, die jedoch nur zur<br />

Anwendung kommt, wenn das Opfer nicht in der Lage ist, den<br />

eigentlichen Schaden nachzuweisen. Die letzte Anpassung<br />

dieser indikativen Tabelle wurde am 29.10.2004 in Brüssel vorgestellt.<br />

Angesichts der doch erheblichen Unterschiede zwischen den<br />

<strong>belgische</strong>n und deutschen Rechtsordnungen ist <strong>bei</strong> der Abwicklung<br />

von Schadensfällen nach Unfällen in Belgien eine<br />

besondere Kenntnis der <strong>belgische</strong>n Rechtslage erforderlich, so<br />

dass das Einschalten eines <strong>belgische</strong>n Rechtsanwaltes angeraten<br />

wird, zumal die Verfahrenssprache in Belgien meist französisch<br />

oder niederländisch ist (nur in der deutschsprachigen<br />

Gemeinschaft im Osten des Landes wird deutsch gesprochen).<br />

Belgische Rechtsanwälte sind vor allen Gerichten in Belgien<br />

zugelassen (mit Ausnahme des Obersten Gerichtshofes).<br />

1.2. Die Anwaltskosten<br />

Bekanntlich wurden bisher die Anwaltskosten nicht durch<br />

den Unfallverantwortlichen rückerstattet, weder in einer außergerichtlichen<br />

Abwicklung eines Schadenfalls noch in einem<br />

Gerichtsverfahren. <strong>Das</strong> Gesetz sieht jedoch eine teilweise<br />

Erstattung dieser Kosten vor, in dem die unterliegende Partei<br />

verpfl ichtet ist, <strong>bei</strong> einem Zivilverfahren vor Gericht der obsiegenden<br />

Partei eine so genannte Prozesskostenvergütung zu<br />

zahlen, die augenblicklich zwischen 58,25 € <strong>bei</strong> einem Streitwert<br />

unter 250,00 € und 349,53 € <strong>bei</strong> einem Streitwert über<br />

1 s.a. die Ar<strong>bei</strong>tshilfe von RA Hering, Seite 224 in diesem Heft<br />

2 Rechtsanwalt Ralph Lentz, Aachener Str. 70, B-4700 EUPEN, r.lentz@avocat.be<br />

S VR 6/2005 | 201


A U F S ÄT Z E | Lentz, <strong>Das</strong> <strong>belgische</strong> <strong>Schadenersatzrecht</strong> <strong>bei</strong> <strong>Verkehrsunfällen</strong><br />

2.500,00 € liegt (<strong>bei</strong> einem Streitfall vor dem Verkehrsgericht,<br />

d.h. dem so genannten Polizeigericht).<br />

Durch seine Entscheidung vom 2.9.2004 hat der Kassationshof<br />

(der Oberste Gerichtshof in Belgien) entschieden, dass<br />

unter gewissen Umständen die Kosten und Honorare eines<br />

Rechtsanwaltes oder eines technischen Beistandes einen Teil<br />

des Schadens einer geschädigten Person darstellen können, die<br />

somit Anlass zur Erstattung durch die unterliegende Partei geben<br />

können. Es handelt sich hier<strong>bei</strong> um eine isolierte Entscheidung,<br />

die sich vorerst nur auf vertragliche Rechtsstreitigkeiten<br />

bezieht. Angesichts der Tatsache, dass jedoch seit Jahren über<br />

die Schaffung einer Gebührenordnung für Anwälte und einer<br />

Rückerstattung der Anwaltshonorare diskutiert wird, ist damit<br />

zu rechnen, dass der Oberste Gerichtshof diese Entscheidung<br />

auf alle Rechtsstreite ausdehnt. In diesem Zusammenhang<br />

bleibt nur zu hoffen, dass kurzfristig der Gesetzgeber eine entsprechende<br />

Initiative ergreift und die Rückerstattung der Anwaltshonorare<br />

gesetzlich regelt.<br />

2. Die Anspruchsgrundlagen <strong>bei</strong> Personen- und<br />

Sachschäden<br />

2.1. Art. 1382 des Zivilgesetzbuches (ZGB)<br />

Jede Person, die durch eine fehlerhafte Handlung einer anderen<br />

Person einen Schaden zufügt, ist gemäß Art. 1382 des ZGB<br />

entschädigungspflichtig.<br />

Damit die geschädigte Person einen Schadenersatzanspruch<br />

erhält, muss der Beweis erbracht werden, dass:<br />

� die Gegenpartei einen Fehler begangen hat,<br />

� ein Schaden entstanden ist,<br />

� ein ursächlicher Zusammenhang zwischen diesem Fehler<br />

und dem<br />

nachgewiesenen Schaden besteht.<br />

Eine geschädigte Person hat somit als klagende Partei die<br />

Verpflichtung, sowohl einen Fehler des Gegners als auch den<br />

eigenen Schaden nachzuweisen. Die Beweislast liegt <strong>bei</strong> der<br />

klagenden Partei. Es kommt häufig vor, dass das Gericht mangels<br />

objektiver Beweisunterlagen nicht in der Lage ist, die Haftungsfrage<br />

zu klären und somit der klagenden Partei ihre Schadenersatzansprüche<br />

zuzusprechen. In diesem Zusammenhang<br />

ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass ein Unfallopfer immer<br />

Interesse daran hat, die Polizei an den Unfallort zu rufen, damit<br />

ein polizeiliches Unfallprotokoll erstellt wird. In jedem<br />

Fall soll das Unfallopfer die Gegenpartei auffordern, den Europäischen<br />

Unfallbericht auszufüllen. Die Vollständigkeit des<br />

Europäischen Unfallberichts ist unter anderem in Bezug auf<br />

mögliche Augenzeugen des Unfallgeschehens äußerst wichtig,<br />

da im Nachhinein vorgelegte Zeugenaussagen oftmals durch<br />

die <strong>belgische</strong>n Gerichte nicht anerkannt werden.<br />

202 | S VR 6/2005<br />

2.2. Der schwache Verkehrsteilnehmer<br />

Die so genannten „schwachen Verkehrsteilnehmer“ oder<br />

„schwachen Verkehrsopfer“ werden durch Art. 29 des Gesetzes<br />

vom 21.11.1989, abgeändert durch das Gesetz vom 19.1.2001,<br />

für gewisse Schäden unabhängig von der Schuldfrage entschädigt.<br />

Diese Gesetzgebung bezweckt eine garantierte Entschädigung<br />

verschiedener Verkehrsteilnehmer <strong>bei</strong> Körperschäden<br />

und im Todesfall, wie z.B. Beifahrer und Insassen der Fahrzeuge,<br />

Fußgänger, Fahrradfahrer usw. Wir werden in einem späteren<br />

Beitrag ausführlich auf die Schadenersatzansprüche der<br />

schwachen Verkehrsteilnehmer zurückkommen.<br />

2.3. Die Gerichtsbarkeit<br />

Durch das Gesetz vom 11.7.1994 wird den Polizeigerichten<br />

(den Verkehrsgerichten) die ausschließliche Zuständigkeit für<br />

alle Schadenersatzforderungen im Rahmen eines Verkehrsunfalls<br />

gewährt.<br />

Die insgesamt 32 Polizeigerichte des Landes sind auf die verschiedenen<br />

Gerichtsbezirke verteilt und tagen in ihrer jeweiligen<br />

Verfahrenssprache, d.h. entweder in niederländisch, französisch<br />

oder deutsch.<br />

In Belgien ist das so genannte Adhäsionsverfahren gesetzlich<br />

geregelt. Schadenersatzansprüche können somit sowohl im<br />

Strafverfahren vor dem Polizeigericht geltend gemacht als<br />

auch in einem Zivilverfahren getrennt eingefordert werden.<br />

3. Die Sachschäden<br />

3.1. Der Fahrzeugschaden<br />

Obwohl der Oberste Gerichtshof (Kassationshof) durch seinen<br />

Entscheid vom 28.2.2002 mittlerweile entschieden hat,<br />

dass auch die Gutachterkosten als ein Teil des Schadens dem<br />

Unfallopfer zu vergüten sind, weigern sich zahlreiche Versicherungsgesellschaften<br />

in Belgien nach wie vor, die Gutachterkosten<br />

zu erstatten, zumindest in der außergerichtlichen<br />

Schadensabwicklung.<br />

Es ist daher ratsam, vorab lediglich einen Kostenvoranschlag<br />

zu erstellen und diesen dann zwecks Regulierung des Fahrzeugschadens<br />

an die gegnerische Haftpflichtversicherung zu<br />

schicken. Diese hat dann die Möglichkeit, entweder zusätzlich<br />

ein Gutachten zu fordern, oder selbst einen Gutachter zu<br />

beauftragen. Erfahrungsgemäß fallen die Lohn- und Materialkosten<br />

eines deutschen Gutachters höher aus als <strong>bei</strong> einem<br />

<strong>belgische</strong>m Gutachter, so dass <strong>belgische</strong> Versicherungsgesellschaften<br />

oftmals ein ausländisches Gutachten ablehnen und<br />

einen <strong>belgische</strong>n Gutachter beauftragen, den Umfang des<br />

Schadens festzustellen.<br />

Die geschädigte Person ist nicht verpflichtet, das <strong>belgische</strong><br />

Gutachten anzunehmen, und hat die Möglichkeit, vor Gericht<br />

ein Gegengutachten zu beantragen, wo<strong>bei</strong> jedoch der Kostenfaktor<br />

eines derartigen Verfahrens zu berücksichtigen ist. Die<br />

unterliegende Partei muss nicht nur die Gerichtskosten tragen,<br />

sondern auch die Kosten des Gutachters.


Gemäß Art. 83 des Versicherungsgesetzes vom 25.6.1992 hat<br />

die geschädigte Partei das Recht, uneingeschränkt und frei<br />

über die Entschädigungssumme zu verfügen, und hat somit<br />

nicht die Verpflichtung, das Fahrzeug auch effektiv in Stand<br />

setzen zu lassen.<br />

3.2. Der Nutzungsausfall des Unfallfahrzeuges<br />

Sowohl <strong>bei</strong> außergerichtlichen Schadenersatzregelungen als<br />

auch <strong>bei</strong> gerichtlichen Verfahren wird ein Nutzungsausfall anerkannt<br />

für die Dauer der Reparatur des Fahrzeuges, wo<strong>bei</strong> <strong>bei</strong><br />

außergerichtlichen Regelungen die Versicherungsgesellschaften<br />

meistens versuchen, diesen Nutzungsausfall auf einen<br />

Mindestsatz zu reduzieren.<br />

Wenn das Fahrzeug nach dem Unfall nicht mehr fahrtüchtig<br />

ist, kann zusätzlich eine Entschädigung während der so genannten<br />

Wartefrist gefordert werden, d.h. der Frist, die notwendig<br />

ist, um den Schaden festzustellen, z.B. bis zur Fertigstellung<br />

des Gutachtens. In diesem Zusammenhang darf dem<br />

Unfallopfer jedoch keine Verzögerung oder Nachlässigkeit in<br />

der Beauftragung des Gutachters nachgewiesen werden. Eine<br />

unmittelbare Benachrichtigung der gegnerischen Haftpflichtversicherung<br />

ist notwendig.<br />

Bei einem Totalschaden kann ein Nutzungsausfall von pauschal<br />

15 Tagen gefordert werden.<br />

Die Rechtsprechung gewährt im Allgemeinen folgenden Nutzungsausfall<br />

pro Tag:<br />

� PKW, unabhängig vom Fahrzeugtypen, Hubraum usw.<br />

20,00 €<br />

� Fahrrad 5,00 €<br />

� Motorrad unter 50 ccm 6,50 €<br />

� Motorrad über 50 ccm 9,00 €<br />

� Motorrad über 450 ccm 15,00 €<br />

� PKW-Anhänger unter 500 kg 10,00 €<br />

� PKW-Anhänger über 500 kg 15,00 €<br />

� Wohnmobil 50,00 €<br />

� Taxi zwischen 46,00 € und 59,50 €<br />

� Leihwagen 46,00 €<br />

� LKW, je nach Ladekapazität, zwischen 37,50 € und 46,00 €<br />

bis 3 Tonnen Ladekapazität, zzgl. 7,50 € bis 10,00 € pro zusätzlicher<br />

Tonne Ladekapazität<br />

� Wohnwagenanhänger 24,00 €<br />

� Autobus, je nach Sitzkapazität, zwischen 45,00 € und<br />

174,00 €<br />

3.3. Die Wertminderung des Fahrzeuges<br />

Nur vereinzelt gewähren Gerichte Ersatz wegen einer Wertminderung<br />

des Unfallfahrzeuges. Außergerichtlich ist es kaum<br />

möglich, von den Versicherungsgesellschaften einen Ersatz<br />

wegen Wertminderung des Fahrzeuges zu erhalten, selbst<br />

Lentz, <strong>Das</strong> <strong>belgische</strong> <strong>Schadenersatzrecht</strong> <strong>bei</strong> <strong>Verkehrsunfällen</strong> | A U F S ÄT Z E<br />

wenn das deutsche Gutachten eine derartige Wertminderung<br />

nach Reparatur des Fahrzeuges ausdrücklich feststellt.<br />

Wenn überhaupt, gewähren die Gerichte derartigen Ersatz<br />

nach erfolgter Reparatur nur <strong>bei</strong> Neufahrzeugen mit geringer<br />

Kilometerleistung.<br />

3.4. Die Mehrwertsteuer (MwSt)<br />

Es entspricht mittlerweile einer gefestigten Rechtsprechung<br />

des Obersten Gerichtshofes, dass das Unfallopfer stets die Zahlung<br />

der MwSt auf die Reparaturkosten oder den Wiederbeschaffungswert<br />

des Unfallfahrzeuges fordern kann, unabhängig<br />

davon, ob nunmehr das Fahrzeug instand gesetzt wurde<br />

oder nicht, bzw. <strong>bei</strong> einem Totalschaden, ob ein Neufahrzeug<br />

oder ein Gebrauchtwagen gekauft wurde oder nicht.<br />

Um die MwSt fordern zu können, muss der Geschädigte den<br />

Nachweis erbringen, dass er der MwSt-Gesetzgebung nicht unterworfen<br />

ist, d.h. nicht MwSt-abzugsberechtigt ist. Der MwSt-<br />

Satz in Belgien beträgt 21%.<br />

3.5. Die Gutachterkosten<br />

Wie bereits erwähnt, hat der Oberste Gerichtshof durch seinen<br />

Entscheid vom 28.2.2002 entschieden, dass die Gutachterkosten<br />

zu erstatten sind, selbst wenn es sich um ein einseitiges<br />

Gutachten des Geschädigten handelt. Die Versicherungsgesellschaften<br />

versuchen nach wie vor, diese Rechtsprechung zu<br />

ignorieren, so dass eine außergerichtliche Erstattung der Gutachterkosten<br />

oftmals noch schwierig ist.<br />

Die Kosten eines Gerichtsgutachtens trägt die unterliegende<br />

Partei, da es sich hier<strong>bei</strong> um Gerichtskosten handelt.<br />

Die Kosten der gegnerischen Versicherungsgesellschaft <strong>bei</strong><br />

einem außergerichtlichen Gutachten trägt in jedem Fall die<br />

Versicherung selbst. Sie können dem Geschädigten nicht auferlegt<br />

werden.<br />

3.6. Die Mietwagenkosten<br />

Eine einheitliche Rechtsprechung für die Rückerstattung der<br />

Mietwagenkosten gibt es nach wie vor nicht. Einige Gerichte<br />

verlangen für die Übernahme der Mietwagenkosten den Nachweis,<br />

dass die geschädigte Person aus beruflichen oder privaten<br />

Gründen auf einen Mietwagen angewiesen war. Meistens<br />

überprüfen die Gerichte die Schadensminderungspflicht des<br />

Geschädigten, der darauf zu achten hat, die Dauer der Inanspruchnahme<br />

des Mietwagens der Dauer der Instandsetzung<br />

des Unfallfahrzeuges anzupassen.<br />

Oftmals werden die ersparten Eigenkosten des Unfallfahrzeuges<br />

zwischen 10 und 20% von den Mietwagenkosten abgezogen.<br />

Außergerichtlich gibt es erhebliche Kürzungen der<br />

Mietwagenkosten, so dass immer den geschädigten Personen<br />

angeraten wird, vor Inanspruchnahme eines Mietwagens, die<br />

Gegenpartei diesbezüglich zu unterrichten.<br />

3.7. Kleidungskosten und beschädigtes Gepäck<br />

Sehr schwierig und in manchen Fällen fast unmöglich ist der<br />

Nachweis, dass Gegenstände, die sich im Fahrzeug befanden,<br />

beschädigt wurden oder abhanden gekommen sind. <strong>Das</strong> Gleiche<br />

gilt für die beschädigte Kleidung der Unfallopfer.<br />

S VR 6/2005 | 203


A U F S ÄT Z E | Steinmeister, Neues zur Gewährleistung <strong>bei</strong>m Gebrauchtwagenkauf<br />

Generell wird die Forderung auch um einen Abnutzungsanteil<br />

gekürzt, d.h. den Unterschied zwischen dem Neuwert und<br />

dem Zeitwert der Gegenstände und der Kleidung.<br />

Da in den meisten Fällen nicht alle Schadensbelege vorhanden<br />

sind, gewähren die Versicherungsgesellschaften und auch<br />

die Gerichte eine Pauschalvergütung zwischen 100,00 € und<br />

375,00 € pro Schadensfall.<br />

3.8. Die Verwaltungskosten<br />

Für den Aufwand der Schadensabwicklung gewähren seit Kurzem<br />

die Gerichte zwischen 62,00 € und 125,00 € Schadenersatz,<br />

u.a. für die Korrespondenzkosten, Telefonkosten, usw.<br />

20 4 | S VR 6/2005<br />

Bei einer schnellen und unkomplizierten Schadensabwicklung<br />

wird diese Pauschale nicht gewährt.<br />

3.9. Die übrigen Unkosten<br />

Alle sonstigen Kosten, wie z.B. die Unterstellkosten des Fahrzeuges,<br />

die Abschleppkosten, die Kosten der An- und Abmeldung<br />

<strong>bei</strong>m Straßenverkehrsamt, die TÜV-Kosten usw. werden<br />

nach Vorlage der entsprechenden Belege und Rechnungen erstattet.<br />

Fahrtkosten werden mit 0,25 € pro Kilometer vergütet, wo<strong>bei</strong><br />

es der geschädigten Person obliegt, den Nachweis dieser Fahrten<br />

zu erbringen (z.B. Fahrten zu den Gutachterterminen,<br />

Arzttermine usw.).<br />

Neues zur Gewährleistung <strong>bei</strong>m Gebrauchtwagenkauf<br />

Die Rechtsprechung seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes<br />

Rechtsanwalt Martin Steinmeister, Köln1 1. Einleitung<br />

Spricht man heute von der Kaufgewährleistung <strong>bei</strong>m Autokauf,<br />

so sind von besonderem Interesse die Fälle des Verbrauchsgüterkaufs,<br />

§§ 474 ff. BGB. Da Gewährleistungsfälle naturgemäß<br />

im Bereich des Gebrauchtwagenkaufs sehr häufig auftreten,<br />

ist dort die mittlerweile ergangene Rechtsprechung besonders<br />

zahlreich. Eine herausragende Rolle spielt insoweit die<br />

Regelung des § 476 BGB, der zu Gunsten des Verbraucherkäufers<br />

– auch <strong>bei</strong>m Gebrauchtwagenkauf 2 – <strong>bei</strong> Auftreten eines<br />

Sachmangels innerhalb der ersten sechs Monate nach Gefahrübergang<br />

vermutet, dass die Sache bereits <strong>bei</strong> Gefahrübergang<br />

mangelhaft war. Dies wiederum ist Voraussetzung für die erfolgreiche<br />

Geltendmachung der Gewährleistungsrechte.<br />

Was diese „Quasigarantie“ im Gebrauchtwagenkauf tatsächlich<br />

wert ist, folgt u.a. aus der – heftig kritisierten 3 – neuesten<br />

BGH-Entscheidung, erschienen in NJW 2004, 2299, nach der<br />

den Verbraucherkäufer die Darlegungs- und Beweislast für die<br />

den Sachmangel begründenden Tatsachten trifft. § 476 BGB<br />

enthalte insoweit für den Verbrauchsgüterkauf keine Beweislastumkehr.<br />

Die Bestimmung setzte einen binnen sechs Monaten<br />

seit Gefahrübergang auftretenden Sachmangel voraus und<br />

begründe eine lediglich in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung,<br />

dass dieser Mangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs<br />

vorlag 4. Die möglichen Konsequenzen dieser erst<br />

auf den zweiten Blick bemerkenswerten Entscheidung werden<br />

im Nachgang eingehend beleuchtet. Zu diskutieren ist nach<br />

dieser Entscheidung, ob der von § 476 BGB ausgehende besondere<br />

Verbraucherschutz im Gebrauchtwagenkauf gänzlich zur<br />

Makulatur wird.<br />

2. Voraussetzungen der besonderen Gewährleistungsrechte<br />

für Verbraucher 5<br />

Voraussetzung für das Eingreifen der besonderen Gewährleistungsrechte<br />

für Verbraucher ist das Vorliegen eines sog. Verbrauchsgüterkaufs,<br />

der zwischen dem Verbraucher auf der einen<br />

und dem Unternehmer auf der anderen Seite geschlossen<br />

wird.<br />

2.1 Verbraucher<br />

Gemäß § 13 BGB ist Verbraucher jede natürliche Person, die<br />

ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer<br />

gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit<br />

zugerechnet werden kann.<br />

Nach der Rechtsprechung des OLG Bremen 6 ist Verbraucher<br />

auch derjenige, der ein Geschäft überwiegend zu privaten<br />

Zwecken abschließt, wo<strong>bei</strong> der zeitliche Anteil der privaten<br />

Nutzung, nicht das Maß der Kostendeckung durch den anderen<br />

Nutzungsanteil von entscheidender Bedeutung sei.<br />

1 Der Autor ist Partner der Sozietät Rechtsanwälte Halm & Collegen in Köln,<br />

www.halmcollegen.de.<br />

2 So Reinking DAR 2002, 15 (23); BGH-Urteil vom 02.06.2004 – VIII ZR 3229/03,<br />

NJW 2004, 2299.<br />

3 Besonders deutlich Lorenz, NJW 2004, 3020.<br />

4 BGH-Urteil vom 02.06.2004 – VIII ZR 3229/ 03, NJW 2004, 2299; kritisch<br />

Lorenz, NJW 2004, 3020; dazu auch Otting <strong>SVR</strong> 2004, 305; Westfalen ZGS<br />

2004, 341; Manowski BGH-Report 2004, 1204; Gesell EWir 2004, 903; Wertenbruch<br />

LMK 2004, 156.<br />

5 Dazu ausführlich Himmelreich/Andreae/Teigelack, Autokaufrecht, 1. Aufl.<br />

2002, Rn. 1147.<br />

6 Urteil vom 11.03.2004 – 2 U 99/ 03, OLGR Bremen 2004, 319.

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