Obernsees - Geschichte des Ortes an der Grenze ... - Mistelgau
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vorne in l<strong>an</strong>ger Masche herabflattern. Weiße<br />
Strümpfe mit rothen Zwickeln und Schuhe,<br />
vielfach auch Knöchelstiefelchen, vollenden<br />
den Anzug. Aeltere Frauen tragen<br />
noch über den Rist ausgeschnittene Schuhe,<br />
wie sie zur Renaiss<strong>an</strong>cezeit üblich waren,<br />
und das drei bis vier H<strong>an</strong>d breite weiße<br />
Kirchentuch, glatt über den Rücken gelegt,<br />
vorne <strong>an</strong> <strong>der</strong> Brust nicht geschlungen<br />
son<strong>der</strong>n flach gekreuzt, <strong>an</strong> das weiße Tuch<br />
<strong>der</strong> slavischen Klageweiber gemahnend. -<br />
Eine originelle Sitte <strong>der</strong> Jungfrauen und<br />
Weiber macht den Pelzmuff Jahr aus Jahr<br />
ein zu einem ergänzenden Best<strong>an</strong>dtheil <strong>des</strong><br />
Kirchenstaates. Er ist nicht selten von kostbarem<br />
Feh und - um diesen zu schonen - mit<br />
Seidenstoff überzogen. In <strong>der</strong> Kirche wird<br />
er auf <strong>der</strong> Brüstung <strong>des</strong> betstuhles aufgepfl<strong>an</strong>zt,<br />
am Schlusse aber während <strong>des</strong> Vaterunsers<br />
vor das Gesicht gehalten. Auf den<br />
harmlosen Fremdling macht dieser Brauch<br />
einen überraschenden, nahezu komischen<br />
Eindruck. Dagegen ist ein <strong>an</strong><strong>der</strong>er Gew<strong>an</strong>dtheit<br />
seit den ersten Dezennien dieses<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ts in Abnahme gerathen und<br />
nun fast völlig verschwunden. Das sind die<br />
breiten, mit metallenen Buckeln und Beschlägen<br />
zierlich ausgeschmückten Le<strong>der</strong>gürtel,<br />
welche gleich den altdeutschen Besteckgürteln<br />
schief von <strong>der</strong> Hifte herabhingen<br />
und son<strong>der</strong>lich dazu dienten, das<br />
Schnappmesser zu tragen und den Rock zu<br />
schürzen.“<br />
Etwas älter (aus dem Jahre 1856) ist<br />
eine Trachtenschil<strong>der</strong>ung von Ludwig<br />
Storch, <strong>der</strong> wie Fentsch ein Verfechter<br />
<strong>der</strong> slawischen Abstammungstheorie<br />
war:<br />
"Der Hummelbauer ist meist kleiner,<br />
untersetzter Statur und noch weit schärfer,<br />
als bei seinen Nachbarn, tritt <strong>der</strong><br />
slavische Typus in ihm hervor; die ihm<br />
eigenthümliche Volkstracht besteht bei<br />
dem männlichen Geschlechte aus<br />
einem dunkeln, kurzen Rocke mit merkwürdig<br />
hoher Taille und ohne Knöpfe,<br />
<strong>der</strong> über <strong>der</strong> Brust zusammengehäkelt<br />
werden k<strong>an</strong>n, meist aber offen steht<br />
und so das bunte, prächtige Brustfleck<br />
den künstlich und geschmackvoll gesteppten<br />
schwarzle<strong>der</strong>nen Hosenträger<br />
sehen läßt. Der Stoff <strong>des</strong> Rockes ist<br />
schwarzes und hellgrünes Tuch, jenes<br />
als Hauptbest<strong>an</strong>dtheil, dieses als Unterfutter,<br />
bei<strong>des</strong> Erzeugniß <strong>des</strong> Hauses.<br />
Die selbstgezüchtete Schafwolle kardätscht,<br />
färbt und spinnt die Bäuerin,<br />
webt <strong>der</strong> Bauer. Dieses kurze, knappe<br />
Kleidungsstück heißt ,das Hummelröcklein’.<br />
Doch hat je<strong>der</strong> Bauer auch<br />
einen l<strong>an</strong>gen Rock von demselben<br />
Zeuge, von <strong>der</strong>selben Art. Der kurze ist<br />
für den Verkehr mit den Menschen, <strong>der</strong><br />
l<strong>an</strong>ge für den Verkehr mit dem lieben<br />
Herrgott bestimmt: es ist <strong>der</strong> Kirchenrock.<br />
Der Brustfleck ist von grünem<br />
Tuch, mit bunten Blümchen reich<br />
bestickt und mit gelben Schnüren<br />
besetzt. Es ist das malerischste und<br />
eigenthümlichste Kleidungsstück <strong>der</strong><br />
Hummeln. Darüber sieht m<strong>an</strong> die breiten<br />
le<strong>der</strong>nen Hosenträger mit reicher Steppperei,<br />
vorn mehrfach verschlungen, <strong>an</strong><br />
welchem die kurzen schwarzle<strong>der</strong>nen<br />
Beinklei<strong>der</strong> mit messingnen, <strong>an</strong> den<br />
Hosen festgenähten Haken <strong>an</strong>gehängt<br />
werden. Der Hals ist mit einem schwarzseidnen,<br />
meist rotberän<strong>der</strong>ten Tuche<br />
umwunden; auf dem kurz geschnittenen,<br />
nicht selten gescheitelten Haupthaare<br />
sitzt <strong>der</strong> ungewöhnlich breite Hut mit<br />
herabhängen<strong>der</strong>, zuweilen einseitig aufgestülpter<br />
Krempe, <strong>an</strong> <strong>der</strong> inneren Seite<br />
<strong>der</strong>selben, wie schon bemerkt, das sogen<strong>an</strong>nte<br />
Hummelnest o<strong>der</strong> die schöne,<br />
sehr kleidsame, hoch aufragende, grünsammetne,<br />
meist mit Mar<strong>der</strong>pelz reich<br />
verbrämte Mütze.<br />
Nicht min<strong>der</strong> eigenthümlich und pittoresk<br />
ist die Tracht <strong>des</strong> weiblichen<br />
Geschlechts. Der ebenfalls schwarze,<br />
aus demselben Wollenstoffe gefertigte,<br />
kurze und faltenreiche Rock ist am<br />
unteren R<strong>an</strong>d mit breitem, halbwollenem<br />
B<strong>an</strong>de besetzt und wird oft von<br />
einem schwarzle<strong>der</strong>nen, mit kleinen<br />
Metallplatten reich verziertem Gürtel<br />
zusammengehalten. Die Jacke ist kurz,<br />
bei Frauen meist schwarz, bei Mädchen<br />
meist dunkelgrün, von selbstbereitetem<br />
Tuch. Ueber eine mit Seide und<br />
Flittergold gestickte kleine Haube wird<br />
ein schwarzes o<strong>der</strong> rothes Kopftuch<br />
hinten gebunden, getragen. Bei Festlichkeiten<br />
setzen die Mädchen auf den<br />
Zopfknoten am Hinterkopfe eine kleine,<br />
sternförmige Haube von dunkelrothen<br />
seidenen Bän<strong>der</strong>n, welche künstlich zu<br />
dieser Form zusammengeflochten werden<br />
und von welcher breite, gezackte<br />
Bän<strong>der</strong> <strong>des</strong>selben Stoffs den Rücken<br />
hinabhängen."<br />
"Eine g<strong>an</strong>z beson<strong>der</strong>e Eigenart war,<br />
daß die Frauen, Sommer wie Winter,<br />
wenn sie die Kirche besuchten, einen<br />
Pelzmuff o<strong>der</strong> einen mit Seide überzogenen<br />
und mit Pelz gefütterten Muff<br />
trugen, <strong>der</strong> während <strong>des</strong> Gebetes <strong>der</strong><br />
Länge nach vor das Gesicht gehalten<br />
wurde. Aeltere Frauen trugen auf dem<br />
Kopf ein weißes Tuch und warfen sich<br />
ein gleiches über die Schultern, <strong>des</strong>sen<br />
beide Enden nicht über <strong>der</strong> Brust verschlungen,<br />
son<strong>der</strong>n flach gekreuzt und<br />
mit den Händen festgehalten wurde.<br />
Statt <strong>des</strong> Regenschirms benützten die<br />
Frauen große weiße Tücher, <strong>der</strong>en<br />
Mitte einen schmalen roten Streifen<br />
aufwies. Auf diese Tracht war <strong>der</strong> Hummelbauer<br />
und die Bäuerin stolz, es galt<br />
bei ihnen das Wort: ,Selbst gesponnen,<br />
selbst gemacht, ist die echte Bauerntracht’."<br />
Aus den kleinen Unterschieden in diesen<br />
Trachtenschil<strong>der</strong>ungen mag m<strong>an</strong> erkennen,<br />
wie schwierig es ist, eine echte alte<br />
Hummelgauer Tracht zu rekonstruieren.<br />
Wie beliebt und bek<strong>an</strong>nt sie jedoch in<br />
g<strong>an</strong>z Europa ist, bewiesen die Einladungen<br />
<strong>des</strong> Hummeltrachtenerhaltungsvereins<br />
<strong>Mistelgau</strong> zu den Olympischen<br />
Spielen 1972 und zu einigen<br />
Trachteneuropeaden. Sogar das Fernsehen<br />
erk<strong>an</strong>nte die Schönheit <strong>der</strong><br />
<strong>Mistelgau</strong>er Tracht und zeigte sie <strong>an</strong>läßlich<br />
<strong>der</strong> Olympischen Schlußfeier am<br />
häufigsten. 1979 konnte m<strong>an</strong> in einer<br />
Sendung <strong>des</strong> ZDF über das Schmücken<br />
III