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tenziellen erfordernissen des Überlebens unterordnen. Die Begegnung mit anderen Palästinensern in den neu besetzten gebieten führte zu neuen schwierigkeiten im hinblick auf die gemeinsame identität und die auswirkungen, die es für jemanden hatte, Palästinenser und israelischer staatsbürger zu sein. Die israelische staatsbürgerschaft erhielt zwar einerseits nach der abschaffung der militärkontrolle viel mehr Bedeutung, wurde aber andererseits auch problematischer. Bürger jenes staates zu sein, der als Besatzungsmacht für die eigenen leute im westjordanland und im gazastreifen auftrat, wurde zu einem aspekt, der sich störend auf das politische verhalten auswirkte. Die Besetzung des westjordanlandes und des gazastreifens legitimierte die grenzen des waffenstillstands von 1949. Das hauptaugenmerk der internationalen Diplomatie und des arabischen kampfes verlagerte sich im Juni 1967 auf die neu besetzten gebiete. im vergleich zu den Palästinensern im westjordanland und im gazastreifen erfreuten sich die araber in israel eines besseren status. Das Problem des Überlebens war in den 1960er Jahren im vordergrund gestanden, aber nun konzentrierte sich die politische agenda auf die erlangung gleicher Bürgerrechte. es ist jedoch eine sehr komplizierte Doppelidentität, palästinensischer Bürger israels zu sein, eines staates, der mitbrüdern im gazastreifen und im westjordanland als Besatzungsmacht gegenübertritt. Die araber in israel konnten angesichts des leids ihrer Brüder, die um freiheit und ein ende der Besetzung kämpften, nicht gleichgültig bleiben. allerdings verminderte die solidarität mit ihrem kampf die eigenen aussichten darauf, jüdische Unterstützung für die Bemühungen um gleiche Rechte und chancen in der israelischen gesellschaft zu erlangen. in den 1970ern und über weite strecken der 1980er konnten die Palästinenser in israel ein fragiles gleichgewicht zwischen den bürgerrechtlichen und den nationalen politischen Zielen halten. Bis zum ausbruch der intifada im Dezember 1987 wurde der nationale palästinensische kampf von außen durch aktivisten der Plo geführt. während dieser Zeit bekannten sich die araber in israel zur palästinensischen komponente ihrer identität, ohne die sinnvolle israelische staatsbürgerschaft aufzugeben. Die palästinensische gemeinschaft in israel entwickelte ein stärkeres selbstbewusstsein und verlangte offensiver nach gleichen Rechten und chancen. gleichzeitig bekräftigte sie, dass neben israel ein palästinensischer staat im westjordanland und im gazastreifen errichtet werden sollte. sie war der ansicht, dass die bürgerrechtlichen und nationalen anliegen einander ergänzten und nicht widersprachen. nach dem ausbruch der gewalt wurde es jedoch schwieriger, dieses heikle gleichgewicht zu halten. Die hitzigkeit, mit der der palästinensisch-israelische konflikt seit 1988 aus- 38 OVERLAPPING VOICES getragen wird, wirkte sich auf das prekäre Zusammenleben von Juden und arabern in israel aus. Der gesellschaftspolitische status der Palästinenser in israel wurde auch von internen entwicklungen beeinflusst. Die kleine traumatisierte gemeinde ist seit 1948 quantitativ und qualitativ gewachsen. Die zweite und dritte generation der Palästinenser in israel erhielt eine viel bessere ausbildung als die besiegte und traumatisierte erste generation. tausende von arabischen studenten besuchten die israelischen Universitäten, und viele absolventen wurden zu politischen und gesellschaftlichen anführern der gemeinschaft. Die alte konservative führerschaft verschwand und wurde von einer radikalen und selbstbewussten führungsriege ersetzt. Diese junge und gut ausgebildete führungsmannschaft verstärkte den kampf um gleiche Rechte und chancen. sie beschränkte die Bemühungen der arabischen staatsbürger nicht auf das thema der chancengleichheit, sondern hinterfragte die grundlagen der israelischen identität und der legitimierung israels als jüdischer staat. sie zeigte den inhärenten widerspruch zwischen einem jüdischen und einem demokratischen staat auf. israel grenze als staat des jüdischen volkes arabische Bürger aus und schließe potenziell Juden ein, die außerhalb des landes leben. statt eines normalen demokratischen staates für alle Bürger sei israel eine ethnische Demokratie, in der alle nichtjuden, besonders araber, diskriminiert werden. Die offizielle Definition und die zionistische ideologie israels seien die Quelle von Diskriminierung, ausgrenzung und Ungleichheit der arabischen Bürger im jüdischen staat, meinten die jungen anführer. Die Palästinenser in israel sind sich der tatsache bewusst, dass der israelisch-arabische konflikt eine wichtige Ursache ihres Problems darstellt. Daher unterstützten sie eine politische lösung und einen historischen kompromiss zwischen israel und den arabischen nachbarn, besonders den Palästinensern. Der frieden mit Ägypten ende der 70er Jahre und die laut werdenden gemäßigten stimmen in der Plo-führerschaft weckten hoffnung auf einen kompromiss an der israelisch-palästinensischen front. Die Palästinenser in israel waren die ersten, die die grundlagen eines solchen kompromisses zwischen den gegnern benannten. Die Palästinenser sollten israel anerkennen und im gegenzug ein ende der Besetzung und die errichtung eines unabhängigen staates erleben, der in frieden mit seinen nachbarn existiert. allmählich akzeptierten immer mehr palästinensische und jüdische israelis diese grundlagen, und viele dachten, dass mit dem vertrag von oslo im Jahr 1993 das ende des konflikts noch vor der Jahrhundertwende erreicht wäre. Die Palästinenser in israel waren enthusiastische Befürworter des friedensprozesses. außerdem konnten die Palästinenser in israel während der frühen 90er Jahre von der verknüpfung des konflikts mit ihrem gesellschaftspolitischen status in israel profitieren. Die Regierung Rabin, die die Unterstützung der arabischen wähler für eine politische einigung mit der Plo benötigte, versprach eine Politik der gleichen Bürgerrechte und begann dieses versprechen sofort umzusetzen. während der Jahre 1992– 1995 genossen die Palästinenser in israel aufgrund der gleichstellungspolitik bessere Bürgerrechte und chancen. in diesen Jahren setzte die Regierung einen Prozess in gang, um die sozioökonomische kluft zwischen Juden und arabern in israel zu schließen. Die Regierung Rabin war die erste in der geschichte des landes, die ihr versprechen auf chancengleichheit für die arabischen Bürger einhielt. leider war es bis jetzt auch die letzte. Die ermordung von Rabin im november 1995 und der Regierungswechsel im Jahr darauf setzten der hoffnung auf frieden und gleichheit der arabischen Bürger ein ende. Bis 1992 repräsentierte Jizchak Rabin die eiserne hand der israelischen armee in den besetzten gebieten. nach dem vertrag von oslo wandelte sich allerdings sein image in den augen der Palästinenser in israel und anderswo dramatisch. ein bemerkenswertes Beispiel für diesen wandel ist die Reaktion der arabischen Bürger auf die nachricht von seiner ermordung. tausende von arabischen Bürgern beweinten öffentlich seinen tod, was nie zuvor beim tod eines israelischen spitzenpolitikers der fall gewesen war. sie verstanden instinktiv, dass Rabins tod ein ende des friedensprozesses mit der Plo bedeutete und auch seine Regierungspolitik der gleichen Rechte und chancen für alle Bürger gefährden konnte. in den letzten 13 Jahren hat sich tatsächlich herausgestellt, dass der rechtsextreme mörder von Rabin erfolg mit seiner politischen mission hatte. Die Realität heute und Zukunftsvisionen seit oktober 2000 scheinen sich die jüdisch- arabischen Beziehungen in israel nach einem vorfall, bei dem 13 junge araber von der Polizei und anderen sicherheitskräften erschossen wurden, zu verschlechtern. Die tötungen von Demonstranten und Protestierenden in den arabischen orten in israel führte erneut den unsicheren status der arabischen Bürger im jüdischen staat vor augen. Die orr-kommission, die die vorfälle vom oktober 2000 untersuchte, wies auf die seit langem bestehende staatliche Politik der Diskriminierung arabischer Bürger in israel als hauptgrund für den ausbruch von gewalt hin. weiters meinte die kommission, es sei die verantwortung der Regierung, ihre haltung zu ändern und in ihrer Politik eine gleichberechtigung der arabischen Bürger anzustreben. Die israelische Regierung akzeptierte den offiziellen Bericht und die empfehlungen der orr-kommission und versprach, sie umzusetzen. Jedoch ist in den vier Jahren seit veröffentlichung des Berichts in dieser hinsicht wenig geschehen. für die arabischen Bürger

war die riesige kluft zwischen politischer Rhetorik und Praxis keine Überraschung. sie verzeichneten es als einen weiteren frustrierenden fall in der langen Reihe falscher versprechen, die man ihnen in ihrer kurzen geschichte als arabische minderheit im jüdischen staat seit der Unabhängigkeitserklärung im Jahr 1948 gegeben hatte. trotz der vorfälle vom oktober 2000 und ihrer auswirkungen auf die Beziehungen zwischen der jüdischen mehrheit und der arabischen minderheit ist der status der Palästinenser in israel seit 2001 relativ stabil. Der status quo ist jedoch aus der sicht der arabischen Bürger keine wünschenswerte option. Die Privatisierung der wirtschaft und andere maßnahmen der Regierungspolitik verbreitern die sozioökonomische kluft zwischen Reich und arm in israel. nach allen indizes sind die arabischen Bürger die Ärmsten der armen im land. als gemeinschaft leiden sie unter der lange bestehenden Diskriminierung durch den staat, und um ihre sozioökonomische mobilität ist es sehr schlecht bestellt. Daher bemühen sie sich unablässig um eine Änderung in den systemimmanenten Ungerechtigkeiten, da dies eine voraussetzung für eine bessere Zukunft darstellt. Das politische verhalten und die erwartungen der arabischen Bürger israels haben sich in den letzten 60 Jahren dramatisch verändert. in den ersten zwei Jahrzehnten ging es um das Überleben. Die israelische staatsbürgerschaft war ein mittel zum Zweck, um in der heimat zu bleiben und die ausweisung zu verhindern. während dieser Periode war der größte traum die abschaffung der militärkontrolle und ein ende der Beschlagnahme von arabischem land durch den staat und seine Behörden. Die ergebnisse des krieges im Juni 1967 führten zu einer bedeutenden veränderung. Der sechstagekrieg änderte die politische wahrnehmung unter den arabern in der Region im allgemeinen und speziell unter den arabern in israel. Der kampf ums Überleben war gewonnen, und die neue, auch von den kommunisten vertretene politische agenda enthielt zwei forderungen an die israelische Regierung: die Besetzung des westjordanlandes und des gazastreifens zu beenden, um die errichtung eines palästinensischen staates neben israel und die vollständige gleichstellung der arabischen Bürger zu ermöglichen. Zu diesem Zeitpunkt bedeutete gleichstellung grundsätzlich das ende der gegen araber gerichteten Diskriminierung. von aktiven oder positiveren bürgerrechtlichen Zielen, die von einer anderen und klaren vision getragen werden, hörte man erst in den 90er Jahren. nach dem vertrag von oslo und dem friedensprozess in der mitte der 90er Jahre begannen palästinensische intellektuelle in israel ihre vision zu formulieren. sie meinten, dass das Paradigma der völligen gleichstellung als staatsbürger nicht mit der eigendefinition israels als jüdischer staat kompatibel sei. Diese Definition bezieht viele Juden mit ein, die außerhalb des landes leben, aber potenziell einfluss auf seine Politik haben. Zugleich grenzt israel als staat des jüdischen volkes seine arabischen Bürger aus und bereitet damit den weg für die Diskriminierung von nichtjuden, besonders von palästinensischen arabern. Epilog seit kurzem versucht die gesetzgebende versammlung israels, die knesset, eine verfassung auf dem konsensweg zu schaffen. Dieser versuch wurde von den arabischen Bürgern israels als ernsthafte Bedrohung für jede hoffnung gesehen, gleiche Rechte und chancen in israel zu erhalten. im gegensatz zu anderen fällen der weltgeschichte, in denen die verabschiedung einer verfassung ein festlicher anlass war, stellt der israelische versuch eine festschreibung des problematischen status quo der seit langem bestehenden Besetzung dar. Zu seinem 60. Jahrestag hat israel noch immer keine anerkannten grenzen, hat einen problematischen ansatz in puncto staatsbürgerschaft, und Besetzung und kolonisierung sind ein Dauerzustand. in einem solchen stadium der israelischen geschichte haben die Palästinenser im allgemeinen und die Bürger des jüdischen staates im Besonderen nichts zu gewinnen. Jede Zustimmung von ihrer seite zur vorgeschlagenen israelischen verfassung wird sich auf ihren kampf um gleichstellung hinderlich auswirken. Die gegenwärtig vorgeschlagene verfassung legitimiert den status quo und festigt die Definition von israel als einem jüdischen und demokratischen staat. eine solche verfassungsmäßige Definition von israel ist für die arabischen Bürger absolut inakzeptabel. Daher entschloss sich die politische und intellektuelle führung der arabischen minderheit, ihre eigene vision der jüdisch-arabischen Beziehungen zu veröffentlichen. Das erste Dokument mit dem titel „the future vision“ (Die Zukunftsvision) wurde im Dezember 2006 von einer gruppe politischer aktivisten und maßgebender arabischer akademiker unter der federführung von shawqi khatib, dem leiter des „high follow-up committee“, veröffentlicht. im märz 2007 publizierte dann adalah, das juristische Zentrum für arabische minderheitenrechte in israel, sein Dokument mit dem titel „Democratic constitution“ (Demokratische verfassung). Dieses Dokument weist viele gemeinsamkeiten mit „the future vision“ auf, konzentriert sich aber auf juristische themen. es handelt sich eigentlich um eine art grundrechtekatalog aus der Perspektive der arabischen minderheit. Die letzte veröffentlichung dieser art erschien im mai 2007 unter dem titel „Document of haifa“ (Dokument von haifa). Dieser text wurde von Dutzenden intellektuellen und Bürgerrechtsaktivisten verfasst und unterzeichnet. Die treffen der gruppe fanden in haifa im mada- Zentrum für angewandte sozialforschung statt. Die drei Dokumente ergänzen einander und präsentieren die ansichten des politischen main- streams der Palästinenser in israel. es ist angezeigt, abschließend festzustellen, dass die Dokumente und ihre veröffentlichung in hebräischer und englischer sprache, zusätzlich zum arabischen, einen neuen trend in den führungskreisen der arabischen minderheit in israel darstellen. Diese kreise ergriffen die initiative, mit der jüdischen mehrheit in einen Dialog einzutreten, statt nur auf ihre ansichten zu reagieren. Zusätzlich zur inhaltlichen seite ist das eine sehr wichtige entwicklung, die von allen betroffenen seiten berücksichtigt werden sollte. Die araber in israel legten in den Dokumenten ihre konditionen für eine gleichberechtigte Partnerschaft mit der jüdischen mehrheit dar. Diese neue herausforderung der arabischen minderheit an den jüdischen staat ist Zeichen eines dramatischen wandels, mit dem sich die hegemonische mehrheit in Zukunft auseinandersetzen muss. aus israel einen normalen staat für alle seine Bürger zu machen, könnte auch die Beziehungen zwischen den Juden und den arabischen völkern im nahen osten normalisieren. Die palästinensische Katastrophe (Nakba) israel konstituierte sich am 15. mai 1948 mitten in einem krieg mit den Palästinensern und den benachbarten arabischen ländern als jüdischer staat. am ende dieses krieges, nach Unterzeichnung der waffenstillstandsabkommen im Jahr 1949, wurde die tragweite der arabischen niederlage und der palästinensischen katastrophe für alle Beteiligten klar ersichtlich. Die winzige jüdische gemeinde in Palästina (etwa 650.000 Personen) konnte die Palästinenser (1.350.000) und die sie unterstützenden arabischen armeen besiegen. Die araber verabsäumten es, die errichtung des jüdischen staates zu verhindern. Zudem wurde israel auf einem größeren gebiet errichtet als vom teilungsplan der Uno vorgesehen. Der arabische staat, der für die Palästinenser vorgesehen war, wurde bis zum heutigen Datum nicht errichtet, und das palästinensische volk ist seit 1948 staatenlos. israel wurde auf etwa 77 Prozent des gebietes des historischen Palästina errichtet. Der Rest des landes wurde zwischen Jordanien (westjordanland) und Ägypten (gazastreifen) aufgeteilt. so konnte der Zionismus die erreichung seines größten Ziels (ein jüdischer staat) feiern, während die Palästinenser begannen, an den verlust ihres heimatlandes zu erinnern. Der name Palästina wurde aus der weltkarte und den landkarten des nahen ostens gestrichen. Palästinenser verloren ihr land und wurden zu einem staatenlosen volk, das in isolierte und ausgegrenzte gemeinschaften zersplittert wurde. Das ist kurz zusammengefasst das wesen der palästinensischen katastrophe im Jahr 1948. Die palästinensische gesellschaft wurde zerstreut, und mehr als die hälfte (etwa 750.000) wurde zu flüchtlingen, die ihr heim, ihr land und ihren Be- 39

tenziellen erfordernissen des Überlebens unterordnen.<br />

Die Begegnung mit anderen Palästinensern<br />

in den neu besetzten gebieten führte zu<br />

neuen schwierigkeiten im hinblick auf die gemeinsame<br />

identität und die auswirkungen, die es für<br />

jemanden hatte, Palästinenser und israelischer<br />

staatsbürger zu sein. Die israelische staatsbürgerschaft<br />

erhielt zwar einerseits nach der abschaffung<br />

der militärkontrolle viel mehr Bedeutung,<br />

wurde aber andererseits auch problematischer.<br />

Bürger jenes staates zu sein, der als Besatzungsmacht<br />

für die eigenen leute im westjordanland<br />

und im gazastreifen auftrat, wurde zu einem aspekt,<br />

der sich störend auf das politische verhalten<br />

auswirkte.<br />

Die Besetzung des westjordanlandes und des gazastreifens<br />

legitimierte die grenzen des waffenstillstands<br />

von 1949.<br />

Das hauptaugenmerk der internationalen Diplomatie<br />

und des arabischen kampfes verlagerte sich<br />

im Juni 1967 auf die neu besetzten gebiete. im<br />

vergleich zu den Palästinensern im westjordanland<br />

und im gazastreifen erfreuten sich die araber<br />

in israel eines besseren status. Das Problem<br />

des Überlebens war in den 1960er Jahren im vordergrund<br />

gestanden, aber nun konzentrierte sich<br />

die politische agenda auf die erlangung gleicher<br />

Bürgerrechte. es ist jedoch eine sehr komplizierte<br />

Doppelidentität, palästinensischer Bürger israels<br />

zu sein, eines staates, der mitbrüdern im gazastreifen<br />

und im westjordanland als Besatzungsmacht<br />

gegenübertritt. Die araber in israel konnten<br />

angesichts des leids ihrer Brüder, die um freiheit<br />

und ein ende der Besetzung kämpften, nicht<br />

gleichgültig bleiben. allerdings verminderte die solidarität<br />

mit ihrem kampf die eigenen aussichten<br />

darauf, jüdische Unterstützung für die Bemühungen<br />

um gleiche Rechte und chancen in der israelischen<br />

gesellschaft zu erlangen.<br />

in den 1970ern und über weite strecken der 1980er<br />

konnten die Palästinenser in israel ein fragiles<br />

gleichgewicht zwischen den bürgerrechtlichen und<br />

den nationalen politischen Zielen halten. Bis zum<br />

ausbruch der intifada im Dezember 1987 wurde<br />

der nationale palästinensische kampf von außen<br />

durch aktivisten der Plo geführt. während dieser<br />

Zeit bekannten sich die araber in israel zur palästinensischen<br />

komponente ihrer identität, ohne die<br />

sinnvolle israelische staatsbürgerschaft aufzugeben.<br />

Die palästinensische gemeinschaft in israel<br />

entwickelte ein stärkeres selbstbewusstsein und<br />

verlangte offensiver nach gleichen Rechten und<br />

chancen. gleichzeitig bekräftigte sie, dass neben<br />

israel ein palästinensischer staat im westjordanland<br />

und im gazastreifen errichtet werden sollte.<br />

sie war der ansicht, dass die bürgerrechtlichen<br />

und nationalen anliegen einander ergänzten und<br />

nicht widersprachen. nach dem ausbruch der gewalt<br />

wurde es jedoch schwieriger, dieses heikle<br />

gleichgewicht zu halten. Die hitzigkeit, mit der der<br />

palästinensisch-israelische konflikt seit 1988 aus-<br />

38 OVERLAPPING VOICES<br />

getragen wird, wirkte sich auf das prekäre Zusammenleben<br />

von Juden und arabern in israel aus.<br />

Der gesellschaftspolitische status der Palästinenser<br />

in israel wurde auch von internen entwicklungen<br />

beeinflusst. Die kleine traumatisierte gemeinde<br />

ist seit 1948 quantitativ und qualitativ<br />

gewachsen. Die zweite und dritte generation der<br />

Palästinenser in israel erhielt eine viel bessere ausbildung<br />

als die besiegte und traumatisierte erste<br />

generation. tausende von arabischen studenten<br />

besuchten die israelischen Universitäten, und viele<br />

absolventen wurden zu politischen und gesellschaftlichen<br />

anführern der gemeinschaft. Die alte<br />

konservative führerschaft verschwand und wurde<br />

von einer radikalen und selbstbewussten führungsriege<br />

ersetzt. Diese junge und gut ausgebildete<br />

führungsmannschaft verstärkte den kampf<br />

um gleiche Rechte und chancen. sie beschränkte<br />

die Bemühungen der arabischen staatsbürger<br />

nicht auf das thema der chancengleichheit, sondern<br />

hinterfragte die grundlagen der israelischen<br />

identität und der legitimierung israels als jüdischer<br />

staat. sie zeigte den inhärenten widerspruch zwischen<br />

einem jüdischen und einem demokratischen<br />

staat auf. israel grenze als staat des jüdischen<br />

volkes arabische Bürger aus und schließe potenziell<br />

Juden ein, die außerhalb des landes leben.<br />

statt eines normalen demokratischen staates für<br />

alle Bürger sei israel eine ethnische Demokratie,<br />

in der alle nichtjuden, besonders araber, diskriminiert<br />

werden. Die offizielle Definition und die zionistische<br />

ideologie israels seien die Quelle von<br />

Diskriminierung, ausgrenzung und Ungleichheit<br />

der arabischen Bürger im jüdischen staat, meinten<br />

die jungen anführer.<br />

Die Palästinenser in israel sind sich der tatsache<br />

bewusst, dass der israelisch-arabische konflikt<br />

eine wichtige Ursache ihres Problems darstellt. Daher<br />

unterstützten sie eine politische lösung und<br />

einen historischen kompromiss zwischen israel<br />

und den arabischen nachbarn, besonders den Palästinensern.<br />

Der frieden mit Ägypten ende der<br />

70er Jahre und die laut werdenden gemäßigten<br />

stimmen in der Plo-führerschaft weckten hoffnung<br />

auf einen kompromiss an der israelisch-palästinensischen<br />

front.<br />

Die Palästinenser in israel waren die ersten, die die<br />

grundlagen eines solchen kompromisses zwischen<br />

den gegnern benannten. Die Palästinenser sollten<br />

israel anerkennen und im gegenzug ein ende der<br />

Besetzung und die errichtung eines unabhängigen<br />

staates erleben, der in frieden mit seinen nachbarn<br />

existiert. allmählich akzeptierten immer mehr<br />

palästinensische und jüdische israelis diese grundlagen,<br />

und viele dachten, dass mit dem vertrag von<br />

oslo im Jahr 1993 das ende des konflikts noch vor<br />

der Jahrhundertwende erreicht wäre. Die Palästinenser<br />

in israel waren enthusiastische Befürworter<br />

des friedensprozesses.<br />

außerdem konnten die Palästinenser in israel während<br />

der frühen 90er Jahre von der verknüpfung<br />

des konflikts mit ihrem gesellschaftspolitischen<br />

status in israel profitieren.<br />

Die Regierung Rabin, die die Unterstützung der<br />

arabischen wähler für eine politische einigung mit<br />

der Plo benötigte, versprach eine Politik der gleichen<br />

Bürgerrechte und begann dieses versprechen<br />

sofort umzusetzen. während der Jahre 1992–<br />

1995 genossen die Palästinenser in israel aufgrund<br />

der gleichstellungspolitik bessere Bürgerrechte<br />

und chancen. in diesen Jahren setzte die Regierung<br />

einen Prozess in gang, um die sozioökonomische<br />

kluft zwischen Juden und arabern in israel<br />

zu schließen. Die Regierung Rabin war die<br />

erste in der geschichte des landes, die ihr versprechen<br />

auf chancengleichheit für die arabischen<br />

Bürger einhielt. leider war es bis jetzt auch die<br />

letzte. Die ermordung von Rabin im november<br />

1995 und der Regierungswechsel im Jahr darauf<br />

setzten der hoffnung auf frieden und gleichheit<br />

der arabischen Bürger ein ende.<br />

Bis 1992 repräsentierte Jizchak Rabin die eiserne<br />

hand der israelischen armee in den besetzten gebieten.<br />

nach dem vertrag von oslo wandelte sich<br />

allerdings sein image in den augen der Palästinenser<br />

in israel und anderswo dramatisch. ein bemerkenswertes<br />

Beispiel für diesen wandel ist die Reaktion<br />

der arabischen Bürger auf die nachricht<br />

von seiner ermordung. tausende von arabischen<br />

Bürgern beweinten öffentlich seinen tod, was nie<br />

zuvor beim tod eines israelischen spitzenpolitikers<br />

der fall gewesen war. sie verstanden instinktiv,<br />

dass Rabins tod ein ende des friedensprozesses<br />

mit der Plo bedeutete und auch seine Regierungspolitik<br />

der gleichen Rechte und chancen für alle<br />

Bürger gefährden konnte. in den letzten 13 Jahren<br />

hat sich tatsächlich herausgestellt, dass der<br />

rechtsextreme mörder von Rabin erfolg mit seiner<br />

politischen mission hatte.<br />

Die Realität heute und Zukunftsvisionen<br />

seit oktober 2000 scheinen sich die jüdisch-<br />

arabischen Beziehungen in israel nach einem vorfall,<br />

bei dem 13 junge araber von der Polizei und<br />

anderen sicherheitskräften erschossen wurden, zu<br />

verschlechtern. Die tötungen von Demonstranten<br />

und Protestierenden in den arabischen orten in israel<br />

führte erneut den unsicheren status der arabischen<br />

Bürger im jüdischen staat vor augen. Die<br />

orr-kommission, die die vorfälle vom oktober 2000<br />

untersuchte, wies auf die seit langem bestehende<br />

staatliche Politik der Diskriminierung arabischer<br />

Bürger in israel als hauptgrund für den ausbruch<br />

von gewalt hin. weiters meinte die kommission, es<br />

sei die verantwortung der Regierung, ihre haltung<br />

zu ändern und in ihrer Politik eine gleichberechtigung<br />

der arabischen Bürger anzustreben. Die israelische<br />

Regierung akzeptierte den offiziellen Bericht<br />

und die empfehlungen der orr-kommission und versprach,<br />

sie umzusetzen. Jedoch ist in den vier Jahren<br />

seit veröffentlichung des Berichts in dieser hinsicht<br />

wenig geschehen. für die arabischen Bürger

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