katalog-overlapping voices - Ritesinstitute
katalog-overlapping voices - Ritesinstitute
katalog-overlapping voices - Ritesinstitute
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
die palästinenser<br />
in israel<br />
(1948–2008)<br />
adel manna<br />
Einleitung<br />
Das historische Palästina wurde infolge des krieges<br />
1948 zerstückelt. in den im darauffolgenden Jahr<br />
von den kriegsgegnern unterzeichneten waffenstillstandsverträgen<br />
wurden die kriegsgrenzen von<br />
israel und seinen arabischen nachbarn anerkannt.<br />
Palästina wurde in drei teile geteilt. israel erhielt<br />
etwa 77 Prozent des gebietes, was weit über das<br />
gebiet hinausging, das dem jüdischen staat im<br />
teilungsplan der Uno vom 29. november 1947<br />
zugedacht worden war. Der zweitgrößte teil Palästinas,<br />
das westjordanland, wurde von Jordanien<br />
besetzt und annektiert. Der dritte teil, der gazastreifen,<br />
ein winziges gebiet von weniger als 400<br />
Quadratkilometern, stand bis Juni 1967 unter<br />
ägyptischer verwaltung. Damit verschwand Palästina<br />
von der weltkarte und den offiziellen landkarten<br />
der Region. Die in der heimat ihrer vorfahren<br />
lebenden Palästinenser wurden heimatlos und<br />
staatenlos.<br />
auch die palästinensische gesellschaft wurde innerhalb<br />
und außerhalb des historischen Palästina<br />
in isolierte und ausgegrenzte gruppen zersplittert.<br />
auf dem gebiet, das nach 1948 zu israel wurde,<br />
lebten bis zum ausbruch von gewalt und krieg<br />
etwa 900.000 Palästinenser. Die meisten dieser<br />
Palästinenser wurden vertrieben und lebten als<br />
flüchtlinge in benachbarten arabischen ländern.<br />
nach dem waffenstillstandsabkommen im sommer<br />
1949 gelang es etwa 156.000 Palästinensern,<br />
in israel zu überleben, wo sie die arabische minderheit<br />
eines jüdischen staates bildeten. Dieser<br />
aufsatz bietet einen kurzen Überblick über die geschichte<br />
der Palästinenser in israel und ihren gesellschaftspolitischen<br />
status in den letzten 60 Jahren.<br />
weiters sollen Zukunftsvisionen erörtert<br />
werden, wie sie in verschiedenen vor kurzem im<br />
nazareth und haifa veröffentlichten Dokumenten<br />
dargestellt werden.<br />
israel feiert dieses Jahr die 60. wiederkehr seiner<br />
Unabhängigkeit, während die Palästinenser den<br />
3 OVERLAPPING VOICES<br />
60. Jahrestag der katastrophe (nakba) begehen, die<br />
über sie hereinbrach. in der Unabhängigkeitserklärung<br />
von mitte mai 1948 versprach die israelische<br />
führung den arabischen Bürgern des neugeborenen<br />
jüdischen staates volle staatsbürgerrechte<br />
und eine gerechte vertretung in allen institutionen.<br />
Diese versprechen wurden nie erfüllt. Die geschichte<br />
der jüdisch-arabischen Beziehungen in<br />
israel in den letzten 60 Jahren war sehr wechselvoll.<br />
israel wird besonders im westen als demokratischer<br />
staat wahrgenommen. Diese wahrnehmung<br />
basiert auf der richtigen einschätzung von<br />
freien wahlen, einer freien Presse und anderen<br />
freiheiten, wie sie in einem gerechten, demokratischen<br />
system gewährleistet und institutionalisiert<br />
sind. Jedoch zeigen die besonderen erfahrungen<br />
der arabischen minderheit seit 1948 eine systematische<br />
Diskriminierung in Politik und Praxis, die<br />
vom staat und seinen jüdischen institutionen<br />
ausgeht.<br />
Die arabische minderheit in israel zählt zurzeit<br />
mehr als 1,2 millionen staatsbürger (ohne die<br />
42.000 Palästinenser in ostjerusalem, die seit Juni<br />
1967 zwar in israel ansässig, aber keine staatsbürger<br />
sind). Dieses signifikante demografische<br />
wachstum (ausgehend von rund 150.000 im Jahr<br />
1949) macht aus den palästinensischen arabern<br />
in israel eine selbstbewusste gemeinschaft. Die<br />
quantitativen und qualitativen veränderungen der<br />
letzten 60 Jahre steigerten auch das Bedürfnis<br />
nach und den anspruch auf gleiche Bürgerrechte<br />
und chancen. Die verzögerte erfüllung solcher erwartungen<br />
verstärkte die frustration und die Bitterkeit<br />
besonders unter den angehörigen der zweiten<br />
und dritten generation dieser gemeinschaft.<br />
was sind die hauptmerkmale der palästinensischen<br />
araber in israel? welche auswirkungen<br />
haben ihre erfahrungen als arabische minderheit<br />
im jüdischen staat? welche höhen und tiefen gab<br />
es in der haltung des jüdischen staates gegenüber<br />
seinen palästinensischen Bürgern? Und<br />
schließlich: was sind die hauptpunkte ihrer politischen<br />
agenda und ihre Zukunftsvisionen? Dies<br />
sind einige der wichtigsten fragen, die auf den folgenden<br />
seiten beantwortet werden sollen.<br />
Geografie und Demografie<br />
1948 wurde israel auf den Ruinen der palästinensischen<br />
gesellschaft und ihrer heimat aufgebaut.<br />
mehr als die hälfte der palästinensischen Bevölkerung<br />
(etwa 750.000) wurde zu flüchtlingen. sie<br />
verloren ihr heim, ihr land, ihre Dörfer und städte<br />
und mussten in flüchtlingslagern ihr leben vollkommen<br />
neu beginnen. Das gesamte palästinensische<br />
eigentum wurde vom staat und anderen jüdischen<br />
institutionen zu gunsten von Juden<br />
enteignet. mehr als 400 Dörfer wurden zerstört und<br />
das land auf alte und neue jüdische siedlungen<br />
aller art aufgeteilt. Die palästinensische stadt verschwand,<br />
und einige 100.000 araber, die in Jaffa,<br />
haifa, akko, lydda, Ramle und anderen städten<br />
lebten, wurden zu flüchtlingen. nazareth überlebte<br />
als einzige arabische stadt den krieg und<br />
wurde zur hauptstadt der Palästinenser in galiläa.<br />
es muss festgehalten werden, dass die meisten<br />
der in israel überlebenden Palästinenser in galiläa<br />
nördlich von haifa leben.<br />
Die vertreibung der meisten araber aus israel und<br />
die Zerstörung hunderter ihrer orte bedeutete eine<br />
durchgreifende veränderung der geografischen<br />
und demografischen situation der Region. Jene,<br />
die die katastrophe überlebten (geschätzte<br />
156.000 im sommer 1949), wurden formal zu israelischen<br />
staatsbürgern. sie hatten gewissermaßen<br />
noch glück, nicht dasselbe los zu erleiden<br />
wie die flüchtlinge. Die angst vor der ausweisung<br />
war eines der wesentlichen motive für die relativ<br />
duldsame haltung der araber in israel während<br />
der 1950er. Diese angst war auch nicht unbegründet.<br />
in den frühen 50er Jahren wies israel weiterhin<br />
araber aus galiläa, aschkelon, dem negev und<br />
anderen orten aus. außerdem waren viele araber