katalog-overlapping voices - Ritesinstitute

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25.01.2013 Aufrufe

Kuratorische Verantwortung und ausstellungen politischer israelischer und palaestinensischer Kunst in europa alexander ari Joskowicz kuratiert oder veranstaltet man ausstellungen palästinensischer und israelischer politischer kunst in europa, sieht man sich mit zwei gegensätzlichen Positionen konfrontiert. Die erste Position meint, es sei nicht notwendig, solche werke in einem europäischen land zu kontextualisieren, nicht einmal wenn sie in einer gesellschaft gezeigt werden, die zutiefst in die shoah verwickelt war (wie zum Beispiel der österreichischen). Die kunstwerke sprechen für sich selbst, und egal welche verstrickungen es zwischen der israelischen, österreichischen und palästinensischen geschichte gab, sie unterscheiden sich qualitativ nicht von den verstrickungen in der geschichte anderer länder. aus dieser Perspektive muss die tatsache, dass viele Österreicher vor einem halben Jahrhundert in nazi-verbrechen involviert waren, nicht bedeuten, dass die Österreicher von heute unfähig sind, die israelische und palästinensische Realität unbeeinflusst wahrzunehmen. Die zweite Position vertritt die ansicht, dass die Österreicher und Österreich als gesellschaft so tief in die naziverbrechen verstrickt waren, dass eine ausstellung politischer kunst, die in irgendeiner weise mit Juden in Zusammenhang steht, von umfangreichen erklärungen über die geschichte des österreichischen antisemitismus und das schicksal der österreichischen Juden während des Zweiten weltkriegs begleitet sein muss. Die erste Position ist nur schwer aufrechtzuerhalten, wenn man bedenkt, dass die österreichische und die jüdische geschichte nicht einfach nur „verstrickt“ sind. vielmehr wird die österreichische wahrnehmung von Juden, israelis und Palästinensern immer noch stark von Bildern, Debatten und gefühlen beeinflusst, die auf die naziherrschaft in Österreich zurückgehen. Die idee einer österreichischen nation begann in der nachkriegszeit akzeptanz zu finden, als die Österreicher versuchten, sich von den vorgeblich deutschen (d. h. nicht österreichischen) verbrechen zu distanzieren. es 30 OVERLAPPING VOICES wäre unredlich zu behaupten, dass Österreich – eine nation, deren existenz geradezu auf der Distanzierung von den verbrechen gegen die Juden gründet – ein neutraler ort für die ausstellung von kunst sei, die die konsequenzen der gründung eines „jüdischen staates“ beleuchtet. in einem land wie Österreich sowie in anderen ländern, in deren geschichte es starke nationalsozialistische oder antisemitische gefühle gab, ist die Diskussion über die schuld, die israel und die israelis auf sich geladen haben, oft teil eines versuches, anschuldigungen abzuwehren, die eigenen staatsbürger seien in die verbrechen des nationalsozialismus verwickelt gewesen. was, wenn nicht die geschichte des nationalsozialismus, würde einer solchen ausstellung in großen teilen europas lokale Relevanz geben? Die zweite Position geht zwar viel sensibler mit fragen der politischen verortung um, weist aber ebenfalls fallstricke auf. Dieser aufsatz setzt sich mit der möglichkeit einer besonderen form von kontextualisierung auseinander, die sich bewusst ist, welche einschränkungen und gefahren darin liegen, moralisch bestimmte wahrnehmungsinstruktionen für Betrachter zu schaffen. es soll erörtert werden, mit welcher art von intervention tatsächlich ein Raum geschaffen wird, der es ermöglicht, sich mit der arbeit und der politischen Botschaft eines künstlers auseinanderzusetzen, auch in einem kontext, der besondere historische sensibilität verlangt. obwohl es hier im speziellen um den holocaust und israelische und palästinensische kunst geht, lassen sich die angestellten Überlegungen auch auf andere Zusammenhänge anwenden – auf die frage beispielsweise, wie die geschichte der kolonialbeziehungen und der europäischen islamophobie die Rezeption politischer kunst aus früheren kolonien in nordafrika und im nahen osten in verschiedenen europäischen ländern heute beeinflusst. letztendlich sollte dieser aufsatz nicht als erklärung der kuratorischen ent- scheidungen gesehen werden (die eigenständig getroffen wurden), sondern als ein versuch, mit den kuratoren und den anderen veranstaltern der ausstellung in Dialog zu treten. Intervention und Erklärung Die Rezeptionserfahrung des Publikums wird nicht nur durch die anordnung im ausstellungsraum bestimmt. sie wird von vielen zusätzlichen elementen beeinflusst, von denen einige kontrolliert werden können (wie etwa der ausstellungstitel) und andere nicht (beispielsweise die öffentliche identität von veranstaltern und kuratoren). einer der aspekte, die nicht geändert werden können, ist die tatsache, dass die künstler als israelis und Palästinenser markiert werden. egal welchen titel die ausstellung trägt und wie sehr sich die kuratoren auch anstrengen, vorgefasste kategorien zu meiden, die „overlapping voices“ werden immer als israelische und palästinensische stimmen verstanden werden. im Zusammenhang mit dieser identifizierung mit einer „seite“ eines konfliktes gibt es zwei Probleme. erstens könnten die arbeiten als authentische stimme oder repräsentativer ausdruck der gefühle einer seite angesehen werden. Da dieses thema von kritikern wie künstlern häufig angesprochen wird, werde ich nicht weiter darauf eingehen. ein zweites Problem, dem viel weniger aufmerksamkeit geschenkt wird, ist die tatsache, dass Besucher mit geringer kenntnis der politischen Umstände im nahen osten sich auf die pädagogische funktion der arbeiten konzentrieren werden. sie werden danach trachten, aus ihnen grundlegende informationen über die politische situation zu gewinnen, anstatt sie als politischen kommentar zu lesen. Das gilt sogar für Projekte, die nicht offenkundig etwas zu erklären versuchen. Das Projekt von Yoav weiss, das die „grenzmauer“ in israel kommentiert, ist ein gutes Beispiel. in seinem statement

schreibt weiss, dass stücke der Berliner mauer letztendlich um gutes geld verkauft wurden, sobald das Bauwerk seine kontrollfunktion verloren hatte. laut weiss wird der israelischen mauer sicher ein ähnliches schicksal beschieden sein, und teile davon werden bald zu begehrten souvenirs werden. er offeriert ein besonderes schnäppchen für frühentschlossene, die sich bereits jetzt ihr stück von der mauer sichern wollen. im israelischen kontext ist die arbeit von weiss eine intervention. Die interpretation seiner arbeiten im land selbst basiert immer darauf, dass die Betrachter die israelische mauer und die Realität, für die sie steht, schon kennen. wir sollten uns nicht so sehr darüber gedanken machen, dass einzelne Betrachter in Österreich oder anderswo in europa die tatsache übersehen könnten, dass weiss ironisch spricht. wichtiger ist, dass sogar jene europäischen Betrachter, die die arbeit als ironischen kommentar verstehen, beim verweis auf die weniger bekannte mauer in israel an die bekanntere Berliner mauer denken werden. wenn sich umsichtige österreichische Betrachter die arbeit von weiss mit dem Ziel anschauen, die mauer in israel zu verstehen, ihre konsequenzen und ihre politische Bedeutung, dann tun sie das unvermeidlich beeinflusst davon, was sie über die Berliner mauer wissen. Die arbeit von weiss wird für jene, die mit der geschichte der israelischen mauer nicht vertraut sind, eine größtenteils pädagogische funktion haben. kurz gesagt: Der Unterschied ist, dass in israel die kunst hauptsächlich in einem kontext interveniert, während sie in Österreich auch erklärt. Damit erhebt sich die frage: würde der zusätzliche pädagogische wert, der sich daraus ergibt, dass politische kunst verpflanzt und in einer gruppenausstellung im ausland gezeigt wird, nicht verlangen, dass sich die kuratoren auch mit dieser ebene irgendwie auseinan- dersetzen? ein lösungsweg könnte die schaffung eines getrennten Raums sein, der den informationsbedarf der Besucher stillt und über den kontext der ausgestellten kunst auskunft gibt. Dabei geht es nicht darum, einzelne kunstwerke zu erklären – beispielsweise ein hinweisschild aufzustellen, das erläutert, wie die installation von weiss zu lesen ist. sondern darum, durch ein zusätzliches informationsangebot die kunst von der funktion des lehrmittels zu befreien, für die sie nicht recht taugt. im essl museum werden in einem separaten Raum informationen über aspekte wie die geschichte der vom staat israel gebauten mauer oder ein glossar bereitgestellt, und – dieser ansatz lässt den kunstwerken mehr Raum, ihre eigene autonome sprache zu entwickeln. Zugleich hat ein solches arrangement den nachteil, dass kunst- und informationsteil miteinander konkurrieren könnten. schließlich können information und hintergrund kaum neutral bleiben. sowohl die ausgestellten kunstwerke als auch die in- formationen sind politische interventionen. für dieses Problem gibt es keine einfache lösung. Bestenfalls sollte der informationsteil darauf abzielen, den kontext der verschiedenen kunstwerke auf flexible art zu erklären, indem er die politischen Debatten, auf die verwiesen wird, in einen historischen Bezugsrahmen stellt. anstatt offen politische erklärungen zur gebauten mauer abzugeben, sollte er die geschichte der Diskussion über dieses Projekt aufzeigen, einschließlich der geschichte der darin verwendeten terminologie (wie z. B. „apartheid wall“, „security barrier“ und „separation fence“), sowie gegensätzlicher argumente zur legitimität der mauer und ihrer konsequenzen für das leben von Palästinensern und israelis. es geht hier weder darum eine art politischer objektivität zu behaupten, noch darum kunstwerke vor kuratorischen eingriffen zu schützen, um ihre vermeintliche authentizität zu bewahren. vielmehr ist das Ziel, sie nicht auf die bloße illustration einer programmatischen erklärung anderer autoren zu reduzieren. was für einen sinn hätte es, eine komplexe arbeit wie jene von Yoav weiss zu zeigen, wenn daneben eine lange abhandlung (oder sogar eine politische erklärung) der kuratoren über ihre ablehnung der mauer zu finden wäre? Seltsame Bedeutungen, seltsame Bundesgenossen ein zweiter Problemkreis erschließt sich, wenn die Besucher ein kunstwerk zwar nicht als ausgangspunkt für eine erklärung, sondern als intervention ansehen – aber als eine intervention, die themen anspricht, die israelischen oder palästinensischen Betrachtern nicht in den sinn kommen würden. Der kern dieses Problems liegt darin, dass die politische Botschaft der ausgestellten kunstwerke ursprünglich oft nicht an ein österreichisches Publikum gerichtet war. arbeiten wie die Dokumentation von tal adler über die nicht anerkannten Beduinendörfer könnten als interventionen in mehreren kontexten gesehen werden. adler verwendet eine sprache, die dem Publikum in tel aviv genauso zugänglich ist wie dem Publikum in london oder wien. Und doch versucht er nicht, gegenwärtige österreichische Bilder von israelis, Juden, Palästinensern und Beduinen zu hinterfragen, die von der österreichischen geschichte kollektiver antijüdischer gewalt, den Debatten zur schuld am genozid und vom antisemitismus beeinflusst werden. sogar die auswahl der kuratoren und die organisation der ausstellung haben in Österreich eine andere Bedeutung als innerhalb der israelischen und palästinensischen gesellschaft. Die tatsache allein, dass ein jüdischer israeli und eine Palästinenserin als kuratoren fungieren, sowie die tatsache, dass die arbeiten von palästinensischen und israelischen künstlern seite an seite gezeigt werden, ist ein statement gegen jene, die einer solchen Bündnisbildung feindlich gegenüberstehen. für die israelis und Palästinenser kann dies als Beleg für die möglichkeit eines gemeinsamen kampfes gegen die Besetzung dienen. Das muss jedoch nicht die primäre interpretation in Österreich sein. in Österreich könnte die tatsache, dass kuratoren und künstler paritätisch von „beiden seiten“ kommen, das trügerische gefühl verstärken, dass die Österreicher als unbeteiligte Dritte auftreten könnten. auch wenn beide kuratoren in ihrem widerstand gegen die israelische Besetzung eine gemeinsame sicht haben, gibt es immer noch das gefühl, dass allein weil beide identitäten präsent sind, die Österreicher zu so etwas wie neutralen vermittlern werden; eine Rolle, für die sie, wie oben beschrieben, in diesem fall schlecht gerüstet sind. Die frage ist, wie eine ausstellung mit der tatsache umgehen soll, dass die österreichischen medien die israelis und damit auch die Palästinenser immer durch die Brille der österreichischen vergangenheit sehen. vielleicht ist in diesem fall die metapher der Brille auch zu schwach: es geht nicht um eine fehlerhafte lesart, sondern um Projektion. Politische kunst aus israel/Palästina kann eine chance zur auseinandersetzung mit historischen themen darstellen, die nicht immer offen angesprochen werden. Die Diskussion bei einem jüngst in wien abgehaltenen israelischen filmfestival kann als Beispiel dafür dienen. nach der vorführung eines films über eine liebesaffäre zwischen zwei frauen in der israelischen armee boten die veranstalter den Zusehern die gelegenheit, den film mit dem Regisseur zu diskutieren. in der Diskussion erwähnte eine österreichische frau im Publikum den selbstmord ihres großvaters, der in der wehrmacht gekämpft hatte. ein anderes mitglied des Publikums beschuldigte sie daraufhin des faschismus. innerhalb von minuten hatte sich die Diskussion von einem gespräch über sexuelle identitäten in israel auf einen polemischen austausch über die österreichische Beteiligung an den nazikriegsverbrechen verlagert. Der film wurde nicht missverstanden. er wurde nur zum anlass für eine vollkommen andere Debatte. im oben beschriebenen kontext hat jede Beschäftigung mit israelischer Politik – besonders wenn es um die missachtung von menschenrechten geht, wie in der Dokumentation von tal adler über nicht anerkannte Beduinendörfer – das Potenzial, zu einer wiederaufnahme der Diskussion über die kollektive österreichische geschichte und die familiengeschichte einzelner Österreicher zu führen. teil des argumentes für die veranstaltung dieser ausstellung über israelische und palästinensische politische kunst war die tatsache, dass es spannend ist zu sehen, wie eine solche Debatte in Österreich funktioniert. leider haben die Umstände auch das Potenzial, sich hinderlich auf eine Rezeption auszuwirken, die einen differenzierten Blick auf die israelische und palästinensische Politik und ihre konflikte erlauben würde. eine auf- 31

Kuratorische Verantwortung und<br />

ausstellungen politischer israelischer<br />

und palaestinensischer Kunst in europa<br />

alexander ari Joskowicz<br />

kuratiert oder veranstaltet man ausstellungen palästinensischer<br />

und israelischer politischer kunst<br />

in europa, sieht man sich mit zwei gegensätzlichen<br />

Positionen konfrontiert. Die erste Position meint,<br />

es sei nicht notwendig, solche werke in einem europäischen<br />

land zu kontextualisieren, nicht einmal<br />

wenn sie in einer gesellschaft gezeigt werden,<br />

die zutiefst in die shoah verwickelt war (wie zum<br />

Beispiel der österreichischen). Die kunstwerke<br />

sprechen für sich selbst, und egal welche verstrickungen<br />

es zwischen der israelischen, österreichischen<br />

und palästinensischen geschichte gab,<br />

sie unterscheiden sich qualitativ nicht von den verstrickungen<br />

in der geschichte anderer länder. aus<br />

dieser Perspektive muss die tatsache, dass viele<br />

Österreicher vor einem halben Jahrhundert in<br />

nazi-verbrechen involviert waren, nicht bedeuten,<br />

dass die Österreicher von heute unfähig sind, die<br />

israelische und palästinensische Realität unbeeinflusst<br />

wahrzunehmen. Die zweite Position vertritt<br />

die ansicht, dass die Österreicher und Österreich<br />

als gesellschaft so tief in die naziverbrechen verstrickt<br />

waren, dass eine ausstellung politischer<br />

kunst, die in irgendeiner weise mit Juden in Zusammenhang<br />

steht, von umfangreichen erklärungen<br />

über die geschichte des österreichischen<br />

antisemitismus und das schicksal der österreichischen<br />

Juden während des Zweiten weltkriegs<br />

begleitet sein muss.<br />

Die erste Position ist nur schwer aufrechtzuerhalten,<br />

wenn man bedenkt, dass die österreichische<br />

und die jüdische geschichte nicht einfach nur<br />

„verstrickt“ sind. vielmehr wird die österreichische<br />

wahrnehmung von Juden, israelis und Palästinensern<br />

immer noch stark von Bildern, Debatten und<br />

gefühlen beeinflusst, die auf die naziherrschaft in<br />

Österreich zurückgehen. Die idee einer österreichischen<br />

nation begann in der nachkriegszeit akzeptanz<br />

zu finden, als die Österreicher versuchten,<br />

sich von den vorgeblich deutschen (d. h. nicht österreichischen)<br />

verbrechen zu distanzieren. es<br />

30 OVERLAPPING VOICES<br />

wäre unredlich zu behaupten, dass Österreich –<br />

eine nation, deren existenz geradezu auf der Distanzierung<br />

von den verbrechen gegen die Juden<br />

gründet – ein neutraler ort für die ausstellung von<br />

kunst sei, die die konsequenzen der gründung<br />

eines „jüdischen staates“ beleuchtet. in einem<br />

land wie Österreich sowie in anderen ländern, in<br />

deren geschichte es starke nationalsozialistische<br />

oder antisemitische gefühle gab, ist die Diskussion<br />

über die schuld, die israel und die israelis auf<br />

sich geladen haben, oft teil eines versuches, anschuldigungen<br />

abzuwehren, die eigenen staatsbürger<br />

seien in die verbrechen des nationalsozialismus<br />

verwickelt gewesen. was, wenn nicht die<br />

geschichte des nationalsozialismus, würde einer<br />

solchen ausstellung in großen teilen europas lokale<br />

Relevanz geben?<br />

Die zweite Position geht zwar viel sensibler mit fragen<br />

der politischen verortung um, weist aber ebenfalls<br />

fallstricke auf. Dieser aufsatz setzt sich mit<br />

der möglichkeit einer besonderen form von kontextualisierung<br />

auseinander, die sich bewusst ist,<br />

welche einschränkungen und gefahren darin liegen,<br />

moralisch bestimmte wahrnehmungsinstruktionen<br />

für Betrachter zu schaffen. es soll erörtert<br />

werden, mit welcher art von intervention tatsächlich<br />

ein Raum geschaffen wird, der es ermöglicht,<br />

sich mit der arbeit und der politischen Botschaft<br />

eines künstlers auseinanderzusetzen, auch in<br />

einem kontext, der besondere historische sensibilität<br />

verlangt. obwohl es hier im speziellen um<br />

den holocaust und israelische und palästinensische<br />

kunst geht, lassen sich die angestellten<br />

Überlegungen auch auf andere Zusammenhänge<br />

anwenden – auf die frage beispielsweise, wie die<br />

geschichte der kolonialbeziehungen und der europäischen<br />

islamophobie die Rezeption politischer<br />

kunst aus früheren kolonien in nordafrika und im<br />

nahen osten in verschiedenen europäischen ländern<br />

heute beeinflusst. letztendlich sollte dieser<br />

aufsatz nicht als erklärung der kuratorischen ent-<br />

scheidungen gesehen werden (die eigenständig<br />

getroffen wurden), sondern als ein versuch, mit<br />

den kuratoren und den anderen veranstaltern der<br />

ausstellung in Dialog zu treten.<br />

Intervention und Erklärung<br />

Die Rezeptionserfahrung des Publikums wird nicht<br />

nur durch die anordnung im ausstellungsraum bestimmt.<br />

sie wird von vielen zusätzlichen elementen<br />

beeinflusst, von denen einige kontrolliert werden<br />

können (wie etwa der ausstellungstitel) und andere<br />

nicht (beispielsweise die öffentliche identität<br />

von veranstaltern und kuratoren). einer der aspekte,<br />

die nicht geändert werden können, ist die<br />

tatsache, dass die künstler als israelis und Palästinenser<br />

markiert werden. egal welchen titel die<br />

ausstellung trägt und wie sehr sich die kuratoren<br />

auch anstrengen, vorgefasste kategorien zu meiden,<br />

die „<strong>overlapping</strong> <strong>voices</strong>“ werden immer als<br />

israelische und palästinensische stimmen verstanden<br />

werden.<br />

im Zusammenhang mit dieser identifizierung mit<br />

einer „seite“ eines konfliktes gibt es zwei Probleme.<br />

erstens könnten die arbeiten als authentische<br />

stimme oder repräsentativer ausdruck der<br />

gefühle einer seite angesehen werden. Da dieses<br />

thema von kritikern wie künstlern häufig angesprochen<br />

wird, werde ich nicht weiter darauf eingehen.<br />

ein zweites Problem, dem viel weniger aufmerksamkeit<br />

geschenkt wird, ist die tatsache, dass<br />

Besucher mit geringer kenntnis der politischen<br />

Umstände im nahen osten sich auf die pädagogische<br />

funktion der arbeiten konzentrieren werden.<br />

sie werden danach trachten, aus ihnen grundlegende<br />

informationen über die politische situation<br />

zu gewinnen, anstatt sie als politischen kommentar<br />

zu lesen.<br />

Das gilt sogar für Projekte, die nicht offenkundig<br />

etwas zu erklären versuchen. Das Projekt von Yoav<br />

weiss, das die „grenzmauer“ in israel kommentiert,<br />

ist ein gutes Beispiel. in seinem statement

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