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katalog-overlapping voices - Ritesinstitute

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hat es sich so entwickelt, dass dies alles in unserer Realität als „extrem“ angesehen wird. Und so wurde<br />

ich als „linksextrem“ definiert und fixiert, und ich hielt mich doch selbst nie für einen solchen<br />

extremisten.<br />

langsam begriff ich: Die Realität um mich herum ist extrem, nicht meine ideen.<br />

in den vergangenen Jahren habe ich an verschiedenen ausstellungen und events außerhalb israels<br />

teilgenommen. ich bemerkte das interesse nicht nur an meiner kunst, sondern auch an meinem persönlichen<br />

leben als israeli. manchmal genoss ich diese aufmerksamkeit und manchmal fühlte ich mich<br />

von der schwere dieser aufgabe belastet. ich fand mich selbst wieder in gesellschaftlichen situationen,<br />

in denen ich bei wein und käse gegenüber mehr oder weniger fremden menschen die politischen vorgänge<br />

interpretierte, Prognosen abgab, geschichte, Religion, Regierungsformen erläuterte, ... verschiedene<br />

Positionen erklärte, verteidigte, attackierte, repräsentierte. Repräsentierte?! Zeitweise nahm ich<br />

mich selber dabei wahr, etwas zu repräsentieren, etwas, jenseits meines eigenen selbst. ich ließ mich<br />

dazu hinreißen, die israelis zu vertreten, die Juden, die Zionisten, die Beduinen, die armee, die linken,<br />

die „seperation wall“ (trennungsmauer).<br />

später bemerkte ich, dass auch ich, wie sie, ein Botschafter wurde.<br />

Bei unserem treffen baten sie mich, dass ich ihnen mehr über die gruppenausstellung im essl museum<br />

erzähle. ich berichtete ihnen über unsere kuratorischen entscheidungen und über meine eigene künstlerische<br />

arbeit, die ebenfalls ausgestellt werden wird; das Projekt „Unrecognized“ („nicht anerkannt“),<br />

das die geschichte der Beduinen im negev erzählt. es ist dies die geschichte einer schwachen und<br />

diskriminierten gemeinschaft, deren lebensrealität sich, ignoriert von der offiziellen Politik, auf eine<br />

soziale katastrophe hinentwickelt. „Unrecognized“ ist ein Projekt, das zur Bewusstseinsbildung geschaffen<br />

wurde und dafür, zur veränderung der situation zu bewegen.<br />

sie sagten mir, hätten sie die ausstellung in israel besucht, so hätte ich sie vielleicht an meiner seite<br />

dafür streitend und sie gegen kritik verteidigend wiedergefunden. Jedoch, so sagten sie, eine solche<br />

arbeit sollte nicht außerhalb von israel gezeigt werden. sie erklärten, Projekte wie meines würden, aufgrund<br />

des unterschwelligen antisemitismus sowie der mangelnden fähigkeit des europäischen Publikums,<br />

die gesellschaftspolitisch-historischen Prozesse in israel wirklich zu verstehen, nur zu einer<br />

falschen, weil simplifizierenden und dichotomen vorstellung von der israelischen Realität ermutigen.<br />

interpretiert man sie oberflächlich, könnten solche kunstprojekte gefährliche und abgründige meinungen<br />

mit antisemitischem hintergrund legitimieren.<br />

sie erklärten ihre enttäuschung über die kuratorische auswahl der anderen künstlerischen arbeiten<br />

dieser gruppenausstellung im essl museum und über das versäumnis dieser ausstellung, ein ausgewogenes<br />

Bild der israelischen gesellschaft zu zeigen, vor allem das palästinensische narrativ zu betonen<br />

und lösungen anzubieten, welche das existenzrecht israels als jüdischen staat untergraben.<br />

ich stimme ihnen zu, dass die menschen hier in europa die lebenswirklichkeit in israel nicht genau<br />

verstehen. sie kennen vielleicht nicht die verschiedenen und widersprüchlichen narrative, sehen vielleicht<br />

nicht die vielschichtigkeiten unseres landes und wissen nichts über die verschiedenen gemeinschaften<br />

in israel. auch ich, als israeli, maße mir nicht an, die lebensrealität in anderen orten der welt<br />

vollkommen zu verstehen. sollte mich das jedoch davon abhalten, über die geschichte des konfliktes<br />

in nord-irland zu lernen, über die Umweltschutzbewegung in island oder mehr über die not und die<br />

sozialen kämpfe der Roma und sinti in Österreich zu erfahren?<br />

ich stimme ebenso ihren ausführungen über den antisemitismus in europa und besonders jenem in<br />

Österreich, zu. ich weiß: Dass israels diskriminierende Politik wahrgenommen oder israel als aggressor<br />

gezeigt wird, dient einigen als entschuldigung für Österreichs jüngste nazivergangenheit und zur<br />

Rechtfertigung gegenwärtiger antisemitischer ideen. Jedoch wird dies dadurch gelöst, dass die kreative<br />

arbeit jener Poeten, autoren, forscher und studenten, die sich mit politischer kritik beschäftigen,<br />

auf ihre nationalstaatlichen grenzen beschränkt wird?<br />

ich stimme ebenso ihrem statement bezüglich unseres versäumnisses, ein ausgewogenes Bild der israelischen<br />

gesellschaft zu zeichnen, zu. ich bezweifle jedoch, dass uns dies möglich gewesen wäre,<br />

selbst wenn wir es versucht hätten. abgesehen davon, dass wir natürlich bemüht waren, keine oberflächliche<br />

oder tendenziöse ausstellung zu kuratieren, leben und operieren wir immer noch in einem<br />

ganz konkreten ideologischen Umfeld. Und dieses prägt unseren Blick auf die und unser verständnis<br />

von den kunstwerken, die wir uns im Zuge unseres kuratorischen auswahlprozesses angesehen<br />

haben.<br />

gleichfalls ist es notwendig zu betonen, dass es genauso der staat israel selbst ist, der zu simplifizierenden<br />

und dichotomen wahrnehmungen dieses staates ermutigt – und zwar sowohl bezüglich seiner<br />

staatsbürger als auch im ausland. gerade solch eine polarisierende Darstellung der israelischen<br />

Realität verpflichtet zu erhöhter wachsamkeit gegenüber allen versuchen, jene stimmen zu kontrollieren<br />

und einzuschränken, die bemüht sind, die erzählungen der anderen, der schwachen, marginalisierten<br />

und ausgeschlossenen gesellschaftsteile zu erfahren und zu gehör zu bringen. israel unterscheidet<br />

sich darin natürlich nicht von anderen ländern. wie diese auch, durchläuft israel einen<br />

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