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katalog-overlapping voices - Ritesinstitute

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…do the right thing<br />

it’s the hottest day of the summer.<br />

you can do nothing, you can do something, or you can …<br />

karin schneider, friedemann Derschmidt<br />

spike lees sprachwitz besteht natürlich darin,<br />

dass es schon gut wäre, in einer verworrenen<br />

situation das Richtige zu tun. aber leider sagt<br />

einem niemand, was das ist. Und es stellt sich<br />

leicht der verdacht ein, das Richtige ist bereits etwas<br />

anderes im moment, da man es tut.<br />

Von hier aus<br />

Unser interesse an israel bezog sich, aus Österreich<br />

kommend, immer klar auf die eigene geschichte.<br />

von dieser aus, und so war es immer gewesen, sprachen<br />

wir, von dieser aus fuhren wir nach israel und<br />

nicht nach chile oder tibet oder Beirut – auch gute<br />

orte für schwierige Projekte – und zunächst auch<br />

nicht nach Ramallah.<br />

wir sprachen immer von der engen verstrickung<br />

der wiener und der israelischen geschichte und<br />

meinten damit die geschichte des wiener antisemitismus<br />

und nicht nur, aber letztlich auch die der<br />

shoah – der vernichtung und vertreibung des österreichischen,<br />

des europäischen Judentums. Und<br />

wir dachten an die figur des erfolgreichen Propheten<br />

und staatskonstrukteurs theodor herzl, an die<br />

mit ihm und seinem antisemitischen wiener Umfeld<br />

verbundene geschichte des politischen Zionismus,<br />

der antwort oder einer der möglichen antworten<br />

auf diesen antisemitismus.<br />

Simple Komplexitäten, schnell erzählt<br />

Unsere intention war vor einem halben Jahr noch<br />

sehr gut in jene einfachen worte zu fassen, die wir<br />

in unseren Projekttexten immer wieder verwendeten:<br />

wir wollten ein komplexeres Bild dessen vermitteln,<br />

was hier schlicht als „nahostkonflikt“<br />

wahrgenommen und darunter subsumiert wird.<br />

Der konflikt wird hierzulande nicht selten durch<br />

nahostexperten erklärt, die gar nicht dort leben.<br />

Unsere mission zu Beginn des Projektes bestand<br />

klar in der verunklärung wenigstens dieser einen<br />

simplifizierung. Unser anliegen war und ist es,<br />

eine größere ehrfurcht vor der vielschichtigkeit und<br />

10 OVERLAPPING VOICES<br />

verworrenheit einzufordern. Die grundlage all unserer<br />

anstrengungen war die idee, möglichst alle<br />

stimmen für sich selbst sprechen zu lassen, auch<br />

oder gerade dann, wenn ihre Botschaft nicht dem<br />

mainstream entspricht oder in unserem kontext<br />

schwer verständlich ist. Das ertragen von widersprüchen<br />

ist dabei voraussetzung. auch einige der<br />

Beiträge im <strong>katalog</strong> spiegeln dieses Begehren<br />

wider.<br />

eine stimme haben wir in dem gewirr allerdings<br />

beinahe zum schweigen gebracht, sobald wir uns<br />

in die auseinandersetzung mit unseren israelischen<br />

oder palästinensischen Partnerinnen und<br />

Partnern begaben: unsere eigene.<br />

Die stimme der europäischen, österreichischen<br />

Position, die in diesem gefüge nicht unbedeutend<br />

ist. selbst dann, wenn wir uns nicht mit dieser unserer<br />

geschichte und gesellschaft identifizieren<br />

(so wie das unsere Partner mit der ihrigen oft auch<br />

nicht tun), sind wir ein teil und ein Produkt des<br />

ortes, von dem aus wir sprechen oder im Projektverlauf<br />

immer öfter schwiegen.<br />

Das verschweigen der eigenen interessen und Begehren<br />

wird jedoch in dem masse problematisch,<br />

wo wir andere auffordern, die ihrigen zu äußern.<br />

allzu leicht erliegt man der versuchung, daraus einen<br />

status der objektivität und damit einen der<br />

(europäisch-kolonialistischen) Überlegenheit abzuleiten.<br />

schließlich ist der Umstand, dass man<br />

erst einmal aufgefordert ist, zuzuhören und nicht<br />

selbst „farbe bekennen“ muss, ja auch sehr<br />

komfortabel.<br />

Die Sprache wiedergefunden<br />

immer wenn wir – gepäck und kopf voll von neuen<br />

geschichten, neuem wissen und neuen erfahrungen<br />

– nach Österreich zurückkamen, in diese<br />

so vertraute Redseligkeit, erschien uns unser in israel<br />

eingeübtes schweigen als genau das Richtige.<br />

wir hatten von unseren Partnern gelernt, einfach<br />

nur zuzuhören, ohne es besser wissen zu wollen.<br />

wir haben einen für uns neuen, weil radikalen Respekt<br />

vor den unterschiedlichsten tabus, grenzen<br />

und verletzlichkeiten des gegenübers kennen gelernt.<br />

Und diese erfahrung gab uns die gewissheit,<br />

klüger geworden zu sein. Zu hause machten wir<br />

uns zu experten und begannen über die fremde<br />

zu berichten.<br />

es geht also um die vertraute frage, wer in welchem<br />

kontext in wessen namen das wort ergreift<br />

und wer tatsächlich auch gehört wird.<br />

Diese frage stellt sich prinzipiell, aber sie stellt sich<br />

natürlich in Bezug auf eine Region, die immer wieder<br />

als folie für politische Positionierungen innerhalb<br />

europas herhalten muss, umso dringender.<br />

wir wollen hier auch darüber schreiben, wie leicht<br />

und unbedarft selbst jene, die es gar nicht wollen,<br />

in die kolonialistische falle des „expertinnentums“<br />

tappen – schlicht deshalb, weil es ihnen (uns!)<br />

schmeichelt.<br />

wir würden die strukturen der kolonisierung nicht<br />

begreifen können, wenn wir darüber hinwegblickten,<br />

wie hübsch und angenehm es sich für uns privilegierte<br />

weiße europäerinnen und europäer anfühlt,<br />

gescheit über andere zu sprechen, während<br />

wir von uns selbst und unserer geschichte schweigen,<br />

als wären wir ein unbeschriebenes Blatt.<br />

so oder so: we didn’t do the right thing. es könnte<br />

durchaus sein, dass es letztendlich kein Richtiges<br />

im falschen gibt. wir entkommen den postkolonialistischen<br />

fallen nicht so schnell.<br />

Transformationsprozesse<br />

wenn schon vermitteln, dann der eigenen gesellschaft<br />

das eigene. vermutlich waren wir einigen<br />

künstlerinnen und künstlern, die wir durch tal adler<br />

kennen lernten, deshalb so zugetan, weil sie uns<br />

Projekte vorstellten, die das in aller konsequenz<br />

in Bezug auf ihre gesellschaft tun. auch die Besucherinnen<br />

und Besucher dieser ausstellung und<br />

die leserinnen und leser dieses <strong>katalog</strong>s sind eingeladen,<br />

sich nicht speziell über israel oder über

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