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Die Herrschaft Pöhlberg - geschichte-ana.de

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<strong>Die</strong> <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong> bis zu ihrem <strong>de</strong>finitiven Anfall an das<br />

Haus Wettin.<br />

Ein Beitrag zur Territorial<strong>geschichte</strong> <strong>de</strong>s Erzgebirges,<br />

dargeboten von<br />

P. Lic. Dr. Bönhoff<br />

(mit einer Karte)<br />

Einzelne verworrene und fehlerhafte Notizen über die <strong>Herrschaft</strong> „Balberg“ fin<strong>de</strong>n<br />

wir in „S c h u m a n n u n d S c h i f f n e r , L e x i k o n v o n S a c h s e n “ VIII,<br />

449; XIII, 273; XIV, 147. 241; XVIII, 490. <strong>Die</strong> erste richtige, wenn auch knappe Beschreibung<br />

<strong>de</strong>s gedachten Gebietes gibt uns M ä r c k e r in seinem „B u r g g r a f t -<br />

h u m M e i ß e n “. (S. 237. 337 nebst zwei Urkun<strong>de</strong>n Nr. 129. S. 531 und Nr. 140.<br />

S. 548.) Ausführlicher hat sich in d i e s e n Mitteilungen (V, 3-15) Oberlehrer F i n c k<br />

über die vorliegen<strong>de</strong> Frage verbreitet. Gestreift haben sie M e r k e l in <strong>de</strong>n „Mitteilungen<br />

<strong>de</strong>r Deutschen Gesellschaft zur Erforschung vaterländischer Sprache und Altertümer<br />

in Leipzig“ (Bd. 8. Heft 3, S. 3. 11. 14.) und Dr. F r a n z im „Jahresbericht<br />

<strong>de</strong>s Kgl. Realgymnasiums zu Annaberg 1904“ (S. 7. u. Anm. 2 und 3). Damit dürfte<br />

wohl die hauptsächlichste Literatur über unsern Gegenstand erschöpft sein.<br />

In <strong>de</strong>m zuletzt aufgeführten Programme wird übrigens an einer an<strong>de</strong>ren Stelle<br />

(S. 23 u. 24) mit Recht betont, daß die Namensform „Balberg“ auf einer Verzerrung beruht.<br />

<strong>Die</strong>se Unform, welche zum ersten Male in <strong>de</strong>m oben erwähnten „Lexikon von<br />

Sachsen“ auftaucht und selbst von <strong>de</strong>m sonst so genauen Märcker ruhig beibehalten<br />

wor<strong>de</strong>n ist, hat sich bis zum heutigen Tage fortgeerbt. Sie ist, abgesehen davon, daß<br />

sie sich urkundlich überhaupt nicht belegen läßt, grundfalsch und ist durch die älteste<br />

Form B e l b e r g (Hauptstaatsarchiv Dres<strong>de</strong>n, Orig. Urk. 5542 vom 7. März 1411) zu<br />

ersetzen, als <strong>de</strong>ren verschlimmbesserte mo<strong>de</strong>rne Schreibart „<strong>Pöhlberg</strong>“ sich gebil<strong>de</strong>t<br />

hat. <strong>Die</strong> mit einem falschen Scheine von Wissenschaftlichkeit umgebene Form „Balberg“<br />

besitzt <strong>de</strong>mnach gar keine Existenzberechtigung und verschwin<strong>de</strong>t hoffentlich<br />

für immer aus allen künftigen Schriften und Aufsätzen, die unsere Gegend geschichtlich<br />

schil<strong>de</strong>rn. 1<br />

<strong>Die</strong> erste urkundliche Erwähnung <strong>de</strong>r <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong> erfolgt in einem Pfandbriefe<br />

Burggraf Heinrichs I. von Meißen, Grafen zu Hartenstein, vom 7. März (am Sunabun<strong>de</strong><br />

vor Reminiscere) <strong>de</strong>s J. 1411. (s. o.) 2 Laut <strong>de</strong>sselben versetzt dieser Dynast,<br />

<strong>de</strong>r Vorletzte <strong>de</strong>s edlen Geschlechts <strong>de</strong>r Meinheringer († 1423), an die Markgrafen von<br />

Meißen, die Brü<strong>de</strong>r Friedrich IV. (<strong>de</strong>n Streitbaren) und Wilhelm II., für 900 gute alte<br />

rheinische Gul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n <strong>Pöhlberg</strong> sowie fünftehalb Dörfer in seiner Umgebung. Eine beson<strong>de</strong>re<br />

Pfandschrift war nicht ausgemacht, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Burggraf konnte je<strong>de</strong>rzeit<br />

von <strong>de</strong>n Wettinern zur W i e d e r e i n l ö s u n g aufgefor<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n (adir sie <strong>de</strong>r losunge<br />

von vns nicht heischin), wie er seinerseits das Recht dazu besaß und es, wann es<br />

ihm beliebte, ausüben durfte, natürlich unter Berücksichtigung einer halbjährigen<br />

1 Beiläufig bemerkt, bezeichnet z. B. im Volksmun<strong>de</strong> die Benennung „Bahlberg“ jenes Stück Zickzackweg<br />

(Hüttensteig) in Annaberg, welches von <strong>de</strong>r Bahnhofstraße zum Promena<strong>de</strong>nwege heraufführt.<br />

An seiner Mündung liegt das Etablissement, welches bis zum J. 1904 sich im Besitz von Jul. Herm.<br />

B a h l befand.<br />

2 Abgedruckt bei Märcker, a. a. O. S. 531 (Urk. Nr. 129) und in d i e s e n Mitteilungen V. 8. 9.<br />

1


Kündigungsfrist. Heinrich I. und sein gleichnamiger Sohn, Heinrich II., haben von<br />

diesem Rechte ebensowenig Gebrauch gemacht, als ihnen seitens <strong>de</strong>r Wettiner eine<br />

Zurücknahme <strong>de</strong>r Verpfändung angesonnen wor<strong>de</strong>n ist.<br />

<strong>Die</strong> letzteren wür<strong>de</strong>n vielmehr ruhig und ohne Einspruch in <strong>de</strong>n dauern<strong>de</strong>n Besitz<br />

<strong>de</strong>s ihnen verpfän<strong>de</strong>ten Gebietes gelangt sein, wenn nicht durch <strong>de</strong>n Tod <strong>de</strong>s letzten<br />

Meinheringers, Heinrich II., in <strong>de</strong>r Schlacht wi<strong>de</strong>r die Hussiten bei Außig am 15. Juni<br />

1426 die Burggrafschaft von Meißen samt ihren Zubehörungen zur Erlerdigung gekommen<br />

wäre. Sie war ein Reichslehn, und soweit ihre Pertinenzstücke auch diesen<br />

Charakter trugen, ward sie mit <strong>de</strong>nselben vom Kaiser Sigismund <strong>de</strong>m Reichshofrichter<br />

Heinrich, Herrn von Plauen, am 21. Juli 1426 verliehen. Der neubestallte Burggraf<br />

for<strong>de</strong>rte nun als Rechtsnachfolger <strong>de</strong>r ausgestorbenen Meinheringer u. a. die Herausgabe<br />

<strong>de</strong>r <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong>. Nach zweijährigen Verhandlungen, über <strong>de</strong>nen Kurfürst<br />

Friedrich <strong>de</strong>r Streitbare am 5. Januar 1428 wegstarb, kam es endlich zwischen<br />

seinen Söhnen Friedrich V., Sigismund und Wilhelm III. und <strong>de</strong>m Burggrafen Heinrich<br />

I. aus <strong>de</strong>m Hause Plauen zu <strong>de</strong>m Vertrage von Arnshaug, <strong>de</strong>r am 7. September<br />

1428 abgeschlossen ward. Darin räumten die Herzöge von Sachsen <strong>de</strong>m neuen Burggrafen<br />

von Meißen und <strong>de</strong>ssen Erben bezüglich <strong>de</strong>r <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong> das W i e -<br />

d e r k a u f s r e c h t unter <strong>de</strong>nselben Bedingungen wie <strong>de</strong>n Meinheringern ein. 3<br />

Eine neue Verwicklung ergab sich in<strong>de</strong>s dadurch, daß <strong>de</strong>r Burggraf bereits im<br />

J. 1429 starb, ohne die kaiserliche Bestätigung jenes Vertrages zu erwirken, und sein<br />

Sohn Heinrich II. sich an <strong>de</strong>nselben überhaupt nicht kehrte, son<strong>de</strong>rn viel anmaßen<strong>de</strong>re<br />

For<strong>de</strong>rungen stellte, die er <strong>de</strong>shalb so hoch spannte, um aus <strong>de</strong>m Nachlasse <strong>de</strong>r<br />

Meinheringer, <strong>de</strong>r für ihn und seine Familie immerhin ein zweifelhafter Gewinn war,<br />

möglichst viel Vorteil zu ziehen. So beanspruchte er u. a. in einer Klagschrift, die er<br />

für <strong>de</strong>n Tag zu Forchheim, <strong>de</strong>r am 5. Mai 1435 behufs eines Schiedsgerichtes stattfand,<br />

hatte ausarbeiten lassen, einfach die u n e n t g e l t l i c h e H e r a u s g a b e<br />

<strong>de</strong>r <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong>. Allein in <strong>de</strong>r Folgezeit rächte sich die enge Verbindung, in<br />

welche sein Vater dieselbe mit <strong>de</strong>r Grafschaft Hartenstein gesetzt hatte. 4 Denn als König<br />

Albrecht II. am 4. Mai 1439 zu Preßburg <strong>de</strong>m Herrn von Plauen nur die Titel, die<br />

Wür<strong>de</strong> und das Wappen eines Meißner Burggrafen überließ, hingegen die Burggrafschaft<br />

selbst samt <strong>de</strong>r (verpfän<strong>de</strong>ten) Grafschaft Hartenstein <strong>de</strong>n Wettinern zusprach,<br />

fiel ihnen durch diesen Machtspruch auch die <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong> ohne weiteres zu,<br />

die ihre Prozeßgegner als Anhängsel jener Grafschaft betrachtet hatten. Wenn sie<br />

schließlich auch im Koburger Vertrage vom 13. Februar 1440 versprachen, <strong>de</strong>n Burggrafen<br />

Heinrich II. aus <strong>de</strong>m Hause Plauen wegen <strong>de</strong>r Grafschaft Hartenstein selbst<br />

nicht mehr behelligen zu wollen, so war doch von <strong>de</strong>r <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong> und von ihrer<br />

Wie<strong>de</strong>reinlösung, vollends gar von <strong>de</strong>ren unentgeltlichen Herausgabe mit keiner<br />

einzigen Silbe die Re<strong>de</strong> mehr. Ihr <strong>de</strong>finitiver Anfall an das Haus Wettin war durch<br />

<strong>de</strong>n Preßburger Machtspruch besiegelt.<br />

Allein wir lenken unserer Aufgabe gemäß die Blicke rückwärts! Es han<strong>de</strong>lt sich zunächst<br />

um <strong>de</strong>n Bestand <strong>de</strong>r <strong>Herrschaft</strong>. <strong>Die</strong> früheste sie betreffen<strong>de</strong> Urkun<strong>de</strong> vom<br />

3 H. St. A. Dres<strong>de</strong>n Orig. Urk. Nr. 6101.: „... vnd auch <strong>de</strong>n B e l b e r g mit funfftehalben dorffe …, als<br />

das v o r s a c z t ist, vnd wenn wir adir u n s e r e r b e n das losen wollen vmb solche vorsaczte Summe,<br />

das sullen vns … vnser herre, herczoge fri<strong>de</strong>rich, adir weme er es eingegebin hette, czulösen gebin<br />

an hin<strong>de</strong>rnusse.“ Abgedruckt bei Märcker, a. a. O. S. 548 (Urk. Nr. 140) und in d i e s e n Mitteilungen<br />

V, 10.<br />

4 s. vor. Anm.: „... vnd auch <strong>de</strong>n B e l b e r g mit funfftehalben dorffe, … auch gehoren<strong>de</strong> czu <strong>de</strong>r Graueschaft<br />

czum hartensteyne, als das vorsaczt ist ...“<br />

2


J. 1411 führt folgen<strong>de</strong>, vermutlich nach ihrer Größe geordnete Ortschaften auf: R u g -<br />

k e r s w a l d e, f r o n a u w e, G i r s t o r f f, d a z d o r f f i c h i n und T a n n e n b e r g<br />

h a l b. Letzteres, auf <strong>de</strong>m r e c h t e n Ufer <strong>de</strong>r Zschopau gelegen, ist eigentlich eine<br />

beson<strong>de</strong>re Ansiedlung für sich, wenn auch von geringem Umfange, empfing aber seinen<br />

Namen von <strong>de</strong>m Orte, <strong>de</strong>r sich am linken Ufer jenes Gewässers mitsamt <strong>de</strong>m Rittergute<br />

befin<strong>de</strong>t. Wegen <strong>de</strong>s gemeinsamen Namens 5 also wird die <strong>de</strong>r <strong>Herrschaft</strong><br />

<strong>Pöhlberg</strong> zugehörige Ansiedlung als eine Dorfhälfte betrachtet, während sie rechtlich<br />

selber ein Dorf ist, eine Erscheinung, die sich auch bei <strong>de</strong>m unfern davon gelegenen<br />

Königswal<strong>de</strong> (s. u.) bemerkbar macht. Im übrigen ist <strong>de</strong>r Name ebenso wie <strong>de</strong>rjenige<br />

<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren vier Dörfer durchaus <strong>de</strong>utschen Ursprungs. 6<br />

T a n n e n b e r g erklärt sich von selbst und verrät uns, welche Baumart die ersten<br />

Ansiedler in dieser Gegend vorwiegend angetroffen haben.<br />

D ö r f e l besitzt strenggenommen gar keinen Eigennamen, son<strong>de</strong>rn heißt schlechtweg<br />

„Das kleine Dörfchen“, das als solches für die Umwohner keiner weiteren unterschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Bezeichnung bedurfte.<br />

F r o h n a u hängt zusammen mit <strong>de</strong>m mittelhoch<strong>de</strong>utschen Eigenschaftswort vrôn<br />

o<strong>de</strong>r frôn, <strong>de</strong>m das althoch<strong>de</strong>utsche frô = Herr zugrun<strong>de</strong> liegt. Es be<strong>de</strong>utet also die<br />

„<strong>de</strong>m Herrn (d. h. <strong>de</strong>m Grundherrn) eigene Aue“, die er auf seine Unkosten besie<strong>de</strong>lte,<br />

während er z. B. die Anlage <strong>de</strong>r nächsten bei<strong>de</strong>n Dörfer Lokatoren überließ, mit <strong>de</strong>nen<br />

er Nie<strong>de</strong>rlassungsverträge abgeschlossen hatte. <strong>Die</strong> Benennung Frohnaus zeigt uns<br />

an, daß die Ansiedlung von <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Sehmaflusses aus erfolgte, an <strong>de</strong>m ja<br />

auch die noch heute so benannte „Herrenmühle“ gelegen ist, die noch unter <strong>de</strong>n Wettinern<br />

lange Zeit Sitz <strong>de</strong>r Verwaltung <strong>de</strong>r <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong> o<strong>de</strong>r, wie man später<br />

sagte, <strong>de</strong>s Mühlenamtes gewesen ist.<br />

R ü c k e r s w a l d e , im Gegensatz zu <strong>de</strong>m „großen“ o<strong>de</strong>r „fernen“ Rückerswal<strong>de</strong> bei<br />

Marienberg, <strong>de</strong>ssen Rittergut samt einem Ortsteile noch heute <strong>de</strong>n einfachen Namen<br />

ohne Beisatz beibehalten hat, das „kleine“ benannt, hat wie dieses von seinem Lokator,<br />

<strong>de</strong>r die Ansiedlung im Auftrage <strong>de</strong>s betreffen<strong>de</strong>n Grundherrn leitete, <strong>de</strong>n Namen<br />

empfangen. Während <strong>de</strong>ssen Formen bei Kleinrückerswal<strong>de</strong> Rugkerswal<strong>de</strong> (1411) und<br />

Rukirswal<strong>de</strong> (1428) lauten, treffen wir bei Großrückerswal<strong>de</strong> in einem Leibgedingebriefe,<br />

<strong>de</strong>n Markgraf Wilhelm I. von Meißen für Metze, die Gemahlin Anarchs von Wal<strong>de</strong>nberg,<br />

Herrn zu Wolkenstein, am 8. April 1386 ausstellen ließ 7 , die Form<br />

Rotgerswal<strong>de</strong> an. Rückerswal<strong>de</strong> be<strong>de</strong>utet also „Das Walddorf eines Ratger“.<br />

G e y e r s d o r f wür<strong>de</strong> ebenfalls uns einen Lokator, Gerhard geheißen, namhaft<br />

machen, worauf die Formen Girstorff und Gersdorff hinführen. <strong>Die</strong> letztere ist aus einem<br />

ursprünglichen Gerhartstorff verkürzt. Auf diese Form leitet uns auch die nachweisbar<br />

älteste <strong>de</strong>s Ortsnamen, die <strong>de</strong>r heutigen gleichkommt: Geyersdorff. Gera<strong>de</strong>so<br />

wie z. B. <strong>de</strong>r Name Meyersdorff auf ein Meynhartstorff schließen läßt, das infolge Erweichung<br />

sich <strong>de</strong>rgestalt verän<strong>de</strong>rt hat, so gilt ein Gleiches von <strong>de</strong>n Formen Gerhartsdorff<br />

und Geyersdorff. Letzterer begegnen wir in einer Urkun<strong>de</strong> Burggraf Heinrichs I. von<br />

Meißen, worin er einem Bauer namens Paul Richter zu Rückerßwal<strong>de</strong> ein Stück Wald,<br />

<strong>de</strong>n späteren Standort eines Teiles <strong>de</strong>r Stadt Annaberg, das auf <strong>de</strong>r einen Seite an<br />

5 Ob dieser Name freilich stets von Anfang an gemeinsam war, kann gefragt wer<strong>de</strong>n. Vielleicht besaß<br />

diese Ansiedlung am rechten Ufer <strong>de</strong>r Zschopau gegenüber Tannenberg doch einst einen an<strong>de</strong>ren<br />

Namen. Es steht zu vermuten, daß sie nach <strong>de</strong>m nahen „S a u w a l d e “ geheißen ward.<br />

6 Sie lauten in <strong>de</strong>r Arnshauger Vertragsurkun<strong>de</strong> (1428) also: f r o n a w, d a s d ö r f e l, R u k i r s -<br />

w a l d e, G e r s t o r f f und T a n n e n b e r g ( h a l b ).<br />

7 H. St. A. Orig. Urk. Nr. 4542. Abgedruckt Cod. dipl. Sax. reg. I B, 1. S. 131. (Nr. 173).<br />

3


<strong>de</strong>ssen Gut, auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren jedoch an <strong>de</strong>n Weg stieß, „<strong>de</strong>r do gheet von Geyersdorff biß<br />

ghen Fronawe“, am 11. November (an Sanct Martinus tage) 1397 zu Lehen reichte. 8<br />

Hieraus ergeben sich <strong>de</strong>mnach die urkundlich ältesten Namensformen <strong>de</strong>r drei<br />

Nachbarorte Annabergs, die am Ausgange <strong>de</strong>s 14. Jahrhun<strong>de</strong>rts <strong>de</strong>n Meißner Burggrafen<br />

bereits zustan<strong>de</strong>n. Aber aus <strong>de</strong>m bisher Aufgeführten ergeben sich uns nunmehr<br />

verschie<strong>de</strong>ne Fragen, die wir im folgen<strong>de</strong>n beantworten wollen, soweit wir dazu<br />

imstan<strong>de</strong> sind. Wir formulieren dieselben:<br />

1) War die <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong> ein selbständiges Gebiet?<br />

2) Welche Lehnsqualität besaß dieselbe?<br />

3) War ihr Bestand vor<strong>de</strong>m einmal größer?<br />

4) Wann gelangte sie in <strong>de</strong>n Besitz <strong>de</strong>r Meißner Burggrafen?<br />

Wir erledigen diese Fragen <strong>de</strong>r Reihe nach.<br />

Man könnte an <strong>de</strong>r S e l b s t ä n d i g k e i t <strong>de</strong>r <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong> zweifeln, hielte<br />

man sich allein an die Angabe Burggraf Heinrichs I. aus <strong>de</strong>m Hause Plauen beim Abschluß<br />

<strong>de</strong>s Arnshauger Vertrags (1428), wonach auch sie zur Grafschaft Hartenstein<br />

gehören sollte. Dagegen ist vor allem als Hauptbe<strong>de</strong>nken zu erheben, daß in <strong>de</strong>m<br />

Pfandbriefe über die ganze Grafschaft Hartenstein, <strong>de</strong>r wohlgemerkt vom 2. Juli 1406<br />

stammt, von <strong>de</strong>r <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong> gar nicht gere<strong>de</strong>t wird. Dennoch hätte sie unbedingt<br />

gleichwie die <strong>Herrschaft</strong> Wil<strong>de</strong>nfels, <strong>de</strong>ren Lehnshoheit sich Burggraf Heinrich<br />

I. von Meißen ausdrücklich vorbehielt, genannt wer<strong>de</strong>n müssen, wenn sie<br />

wirklich ein Pertinenzstück <strong>de</strong>r Grafschaft Hartenstein gewesen wäre. Wie hätte sie<br />

sonst im J. 1411 an die Herzöge von Sachsen versetzt wer<strong>de</strong>n können? (s. o.) Hätte sie<br />

zu jener Grafschaft irgendwie in einem Abhängigkeitsverhältnis gestan<strong>de</strong>n, so wäre<br />

sie ja schon im J. 1406 an <strong>de</strong>ren Pfandherren, die Herren von Schönburg, gekommen.<br />

Nun aber ist das n i c h t <strong>de</strong>r Fall, wie die Versetzung an die Wettiner bloß ein Jahrfünft<br />

später beweist, also bil<strong>de</strong>te sie kein Annex besagter Grafschaft, son<strong>de</strong>rn eine beson<strong>de</strong>re<br />

Allodialherrschaft, „alz vnser el<strong>de</strong>rn vnd wir die bis her gehabt vnd besessen<br />

habin“, wie Burggraf Heinrich I. (<strong>de</strong>r Meinheringer) bemerkt.<br />

Es ließe sich übrigens die obige Angabe, daß die <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong> zur Grafschaft<br />

Hartenstein gehört habe, aus einer ungenauen Ausdrucksweise verstehen, wobei, wie<br />

schon Märcker (a. a. O.) bemerkt hat, man nicht streng zwischen <strong>de</strong>n wesentlich verschie<strong>de</strong>nen<br />

Begriffen „Grafschaft Hartenstein“ und „Besitzungen <strong>de</strong>r Grafen zu Hartenstein“<br />

unterschied. Eine Besitzung <strong>de</strong>r Meißner Burggrafen, die zugleich Grafen<br />

von Hartenstein waren, ist freilich die <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong> gewesen. Allein von <strong>de</strong>m<br />

eigentlichen Gebiete jener Grafschaft, das uns aus <strong>de</strong>m Pfandbriefe vom J. 1406 sehr<br />

gut bekannt ist, trennte sie ja die Gemarkung <strong>de</strong>s Ortes H e r m a n n s d o r f, welcher<br />

<strong>de</strong>m Cisterzienserkloster Grünhain bis zu <strong>de</strong>ssen Säkularisierung zustand. Dazu<br />

kommt noch, daß die Grafschaft Hartenstein und die <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong> in zwei verschie<strong>de</strong>ne<br />

Diözesen, jene in <strong>de</strong>r Naumburger, diese in <strong>de</strong>r Meißner, lagen. Wir wissen<br />

aber, daß die Sprengel <strong>de</strong>r Bistümer sich an die p o l i t i s c h e n Grenzen anlehnten.<br />

Da nun in hiesiger Gegend keine sorbischen Gaue existierten, son<strong>de</strong>rn ein weiter Urwald<br />

sich aus<strong>de</strong>hnte, <strong>de</strong>r erst durch fränkische Kolonisation gelichtet ward, so liegen<br />

eben die Grenzen <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Grundherrschaften <strong>de</strong>n kirchlichen zugrun<strong>de</strong>. <strong>Die</strong>selben<br />

machen es auch im höchsten Gra<strong>de</strong> wahrscheinlich, daß Hermannsdorf ebenfalls<br />

früher zur <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong> gezählt wer<strong>de</strong>n darf.<br />

8 H. St. A. Lok. 9827 (abschriftlich). Zum ersten Male gedruckt in d i e s e n Mitteilungen V, 13.<br />

4


War diese also ein selbständiger Bezirk, so fragt sich weiter, von wem sie zu L e h n<br />

herrührte. Man hat ohne jedwe<strong>de</strong> Angabe, die zur Begründung herangezogen wer<strong>de</strong>n<br />

könnte, behauptet, sie habe wie die südwärts gelegene benachbarte <strong>Herrschaft</strong> Schlettau,<br />

bei <strong>de</strong>r allerdings dies zutrifft, unter böhmischer Lehnshoheit gestan<strong>de</strong>n. Allein<br />

unter <strong>de</strong>n Gebieten, welche laut <strong>de</strong>s Vertrages von Eger im J. 1459 als böhmische<br />

pflichtenlose Lehen an Sachsen übergingen, fehlt die <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong> durchaus.<br />

Sie teilte vielmehr mit <strong>de</strong>r Grafschaft Hartenstein die R e i c h s u n m i t t e l b a r -<br />

k e i t, ein Umstand, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Burggrafen Heinrich I. aus <strong>de</strong>m Hause Plauen bestimmt<br />

hat, sie als ein Pertinenzstück <strong>de</strong>rselben zu betrachten. <strong>Die</strong> <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong> teilte<br />

ihre Lehnsqualität mit <strong>de</strong>r Grafschaft Hartenstein und <strong>de</strong>n <strong>Herrschaft</strong>en Schwarzenberg,<br />

Stollberg, Lichtenstein, Glauchau und Wal<strong>de</strong>nburg. <strong>Die</strong>se <strong>Herrschaft</strong>en verwan<strong>de</strong>lten<br />

sich im 13. und 14. Jahrhun<strong>de</strong>rt in böhmische Reichsafterlehen; die Grafschaft<br />

Hartenstein behielt ihre Lehnsqualität bis zum J. 1456, wo sie Kaiser Friedrich III. an<br />

Sachsen wies. <strong>Die</strong> <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong> aber blieb bis zu ihrer Verpfändung ein Reichslehn,<br />

woran die böhmische Krone keinerlei Ansprüche besaß.<br />

War nun ihr Gebiet einst größer? Wir haben bereits ange<strong>de</strong>utet, daß wir Hermannsdorf<br />

dazu rechnen. Es bestimmt uns zu solcher Annahme nicht nur <strong>de</strong>r Umstand, daß<br />

noch heute Hermannsdorf und Dörfel, mit <strong>de</strong>nen bis zum Jahre 1502 9 auch Tannenberg<br />

(<strong>Pöhlberg</strong>er Seite) in kirchlicher Verbindung stand, ein Kirchspiel bil<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn<br />

auch die Tatsache, daß mit <strong>de</strong>r westlichen Flurgrenze von Hermannsdorf eine<br />

v i e r f a c h e kirchliche Grenze gegeben ist. Denn hier berühren sich die E l t e r l e i -<br />

n e r und die H e r m a n n s d o r f e r Pfarrei, das L ö ß n i t z e r und das W o l -<br />

k e n s t e i n e r Landkapitel (se<strong>de</strong>s), <strong>de</strong>r T r a n s m u l d a n i s c h e und <strong>de</strong>r<br />

C h e m n i t z e r Archidiakonat sowie das N a u m b u r g e r und das M e i ß n e r<br />

Bistum! Das ist wohl <strong>de</strong>r stärkste Beweis für die ehemalige Zugehörigkeit <strong>de</strong>r Ortschaft<br />

Hermannsdorf zu <strong>de</strong>m Bestan<strong>de</strong> <strong>de</strong>r <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong>. Wie sie von <strong>de</strong>rselben<br />

an das Grünhainer Kloster abgekommen ist, wer<strong>de</strong>n wir bei Beantwortung <strong>de</strong>r letzten<br />

noch übrigen Frage erörtern. Je<strong>de</strong>nfalls lernen wir hier einen dritten Lokator, nach<br />

<strong>de</strong>m eine Nie<strong>de</strong>rlassung benannt ist, einen gewissen Hermann, kennen, und fast will<br />

es scheinen, als sei Dörfel, das ja eigentlich gar keinen Namen trägt, als ein rechts <strong>de</strong>r<br />

Zschopau gelegenes Anhängsel von Hermannsdorf anzusehen, worauf auch die Gemeinsamkeit<br />

<strong>de</strong>r Kirche <strong>de</strong>uten wür<strong>de</strong>.<br />

Allein wir vermissen noch einen innerhalb <strong>de</strong>s <strong>Pöhlberg</strong>er <strong>Herrschaft</strong>sbezirkes gelegenen<br />

Ort. In <strong>de</strong>m Gna<strong>de</strong>nbriefe Herzog Georgs für seine Stadt Annaberg vom 27. Oktober<br />

1497 10 heißt es: „So haben Wir auch gemelter Stat das wüste Witzstorff, Borgkwal<strong>de</strong><br />

genant, wie das In seynen Reynen begriffen ist, Sovil vnns von Recht daran zustehet, o<strong>de</strong>r<br />

zustehen magk, … zugeeignet vnnd gegeben.“ Wir erfahren also aus einer ziemlich jungen<br />

Urkun<strong>de</strong> von einer Wüstung, die an die Geyersdorfer Flur grenzte und zwischen<br />

<strong>de</strong>r Stadt und <strong>de</strong>m <strong>Pöhlberg</strong> gelegen war. Sie kann nicht erst im Hussitenkrieg (1430)<br />

entstan<strong>de</strong>n sein, da bereits <strong>de</strong>r Pfandbrief vom J. 1411 <strong>de</strong>n Ort nicht mehr erwähnt.<br />

In <strong>de</strong>r Bezeichnung Witzstorff aber dürfte nicht <strong>de</strong>r Gattungsbegriff „Wüstung“ zu fin<strong>de</strong>n<br />

sein, da hierauf schon das Eigenschaftswort „wüste“ abzielt, son<strong>de</strong>rn es ist <strong>de</strong>r<br />

Name <strong>de</strong>r verschwun<strong>de</strong>nen Nie<strong>de</strong>rlassung. Derselbe dürfte nicht mit <strong>de</strong>m H e r z o g<br />

als „Dorf <strong>de</strong>s Witigo“, son<strong>de</strong>rn wie Witzschdorf bei Zschopau als „D o r f d e s W e t -<br />

z e l “ zu <strong>de</strong>uten sein. Wetzel (Wicelinus) aber ist die Verkleinerungsform <strong>de</strong>s Namens<br />

9 In diesem Jahre ward die Kapelle zu Tannenberg (links <strong>de</strong>r Zschopau), bis dahin Filial von Geyer,<br />

zur Pfarrkirche erhoben und ihr Tannenberg (rechts <strong>de</strong>r Zschopau) damals überwiesen.<br />

10 Archiv f. d. Sächs. Gesch. II, 207.<br />

5


Wernher. So wür<strong>de</strong>n wir <strong>de</strong>mnach außer <strong>de</strong>n bereits genannten drei Kolonisatoren unserer<br />

Gegend (Ratger, Gerhard und Hermann) noch einen vierten hiermit ermittelt<br />

haben. Der ganze Bestand <strong>de</strong>r <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong> wird sich also anfangs auf sieben<br />

Dörfer belaufen haben.<br />

Um nun noch die letzte Frage zu beantworten, dürfte es sich vorerst empfehlen, <strong>de</strong>n<br />

Grenzumfang <strong>de</strong>r <strong>Herrschaft</strong> in seiner ursprünglichen Gestalt zu kennzeichnen. Wir<br />

beginnen im Sü<strong>de</strong>n. Hier grenzte die bereits erwähnte <strong>Herrschaft</strong> S c h l e t t a u. Als<br />

ihre urkundlich frühesten Inhaber erscheinen die Herren von Schönburg auf Hassenstein,<br />

die sie als ein Mannlehn von <strong>de</strong>r böhmischen Krone empfangen hatten. 11 Sie<br />

umfaßte nebst <strong>de</strong>m Schlosse und <strong>de</strong>r Stadt dabei die Ortschaften W a l t h e r s d o r f,<br />

C r a n z a h l, S e h m a, C u n e r s d o r f und K ö n i g s w a l d e links <strong>de</strong>s Pöhlbaches,<br />

d. i. die sogen. „Amtsseite“. In <strong>de</strong>r Nordostecke <strong>de</strong>s also gekennzeichneten Gebietes<br />

lag „d a s B u c h h o l t z “, welches vor alters <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> von Schlettau<br />

gehörte. Als diese es abtrat, erhielt sie zur Entschädigung dafür das „Stock-Holz“, welches<br />

vor<strong>de</strong>m ein Zubehör <strong>de</strong>s Schlosses gebil<strong>de</strong>t hatte. <strong>Die</strong> Nordgrenze <strong>de</strong>r Fluren von<br />

Schlettau, Buchholz, 12 Cunersdorf und Königswal<strong>de</strong> stieß also an die Südgrenze <strong>de</strong>r<br />

Gemarkungen von Hermannsdorf, Frohnau, Kleinrückerswal<strong>de</strong> und Geyersdorf. <strong>Die</strong>ser<br />

Grenzzug gewann ja seit <strong>de</strong>m J. 1485 mit Ausnahme <strong>de</strong>r Schlettau-Hermannsdorfer<br />

Grenze, wofür die Hermannsdorf-Dörfelsche Grenze eintrat, eine erhöhte<br />

Be<strong>de</strong>utung als Landmark, die das ernestinische (kurfürstliche) Gebiet vom albertinischen<br />

(herzoglichen) schied. 13<br />

Im Westen <strong>de</strong>r <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong> zog sich das Gebiet <strong>de</strong>r oberen Grafschaft<br />

H a r t e n s t e i n hin. Hierbei kommt allein die Flur <strong>de</strong>r Stadt Elterlein in Betracht,<br />

in welcher laut <strong>de</strong>s Kaufbriefes <strong>de</strong>s Kurfürsten August vom J. 1559 die Gehölze am<br />

Schatzenstein und am Fuchssteine lagen. 14 Seit <strong>de</strong>m 12. Jahrhun<strong>de</strong>rt befand sich diese<br />

Stadt gleich <strong>de</strong>r ganzen Grafschaft, wie noch heute ihr Wappen aufweist, im Besitze<br />

<strong>de</strong>r Meißner Burggrafen, <strong>de</strong>ren Andreaskreuz, die Hausmarke <strong>de</strong>s<br />

meinheringischen Geschlechtes, in <strong>de</strong>m Wappen erscheint. In <strong>de</strong>r Nähe von Elterlein<br />

stand übrigens die alte Q u e d l i n b u r g, für <strong>de</strong>ren Dasein sein heutiger Ortsteil<br />

B u r g s t ä d t e l bei Zwönitz beredtes Zeugnis ablegt. Wir begreifen hiernach vollkommen,<br />

daß die Meißner Burggrafen es sich angelegen sein ließen, die ihrer Grafschaft<br />

Hartenstein so nahe benachbarte <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong> in ihre Hän<strong>de</strong> zu<br />

bringen, zumal wenn Hermannsdorf bei <strong>de</strong>ren Erwerbe noch nicht Grünhainer Klosterbesitz<br />

gewor<strong>de</strong>n war, mithin bei<strong>de</strong> Territorien unmittelbar sich berührten und miteinan<strong>de</strong>r<br />

zusammenhingen.<br />

Im N o r d e n begrenzte die <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong> zunächst das Gebiet <strong>de</strong>r Burg<br />

G r e i f e n s t e i n, <strong>de</strong>ren Existenz für die Zeit von 1349 – 72 urkundlich belegbar ist. 15<br />

Zu ihrem Bezirke haben wir, soweit es für unseren Zweck in Betracht kommt, zu rechnen:<br />

Geyer, <strong>de</strong>ssen altehrwürdiger Wartturm vielleicht einen Rest jener Burg dar-<br />

11 Bernau, Hassenstein. S. 208. Urk. II. vom 25. Mai 1351.<br />

12 <strong>Die</strong> ursprüngliche Nordgrenze <strong>de</strong>s Buchholzer Gebietes nach Frohnau zu gab <strong>de</strong>r Bach ab, <strong>de</strong>r gleich<br />

unterhalb <strong>de</strong>s früheren Hospitals in die Sehma mün<strong>de</strong>te, sodaß die vor<strong>de</strong>re Stadt samt <strong>de</strong>r vor<strong>de</strong>ren<br />

Mühle, <strong>de</strong>m Hospitale und <strong>de</strong>m Münzgebäu<strong>de</strong> unter <strong>de</strong>m Mühlamte stan<strong>de</strong>n, während das rechte<br />

Ufer <strong>de</strong>r Sehma bis an <strong>de</strong>n Bach, <strong>de</strong>r unterhalb <strong>de</strong>r „Katzenmühle“ mün<strong>de</strong>t, in <strong>de</strong>r Flur von Kleinrückerswal<strong>de</strong><br />

sich befand.<br />

13 Melzer, Buchholzer Chronik I, 25b. 26a. 180b.<br />

14 Schönburgische Gegenanzeige, Beilage X, 6.<br />

15 Annaberger Wochenblatt Nr. 252 (vom 28. Okt. 1904). S. 3, Spalte 1 und 2.<br />

6


stellt, Tannenberg am linken Ufer <strong>de</strong>r Zschopau (mit Siebenhöfen) und Schönfeld. <strong>Die</strong><br />

<strong>Herrschaft</strong> Greifenstein blieb bis zum J. 1439 ein Besitztum <strong>de</strong>r Herren von Wal<strong>de</strong>nberg,<br />

die 40 Jahre später ausstarben. Ihnen stan<strong>de</strong>n auch die Schlösser zu W o l k e n -<br />

s t e i n und S c h a r f e n s t e i n zu, <strong>de</strong>ren Zubehör je nach <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen<br />

Erbteilungen und Verkäufen innerhalb dieser Dynastenfamilie wechselte. So zählten<br />

im J. 1386 zu <strong>de</strong>m Besitzkomplexe <strong>de</strong>r Burg Scharfenstein u. a. Schönbrunn, Falkenbach,<br />

Mil<strong>de</strong>nau, Grumbach und Goswinsdorf, d. i. das heutige Jöhstadt, während <strong>de</strong>mnach<br />

auf das Schloß Wolkenstein entfielen: Neudorf, Wiesa, Streckewal<strong>de</strong>,<br />

Mauersberg, Arnsfeld und Königswal<strong>de</strong> rechts <strong>de</strong>s Pöhlbaches, d. i. die sogen. Ratsseite.<br />

<strong>Die</strong> Entstehung dieser letzteren Bezeichnung zeigt uns, wie die einzelnen herrschaftlich<br />

Wal<strong>de</strong>nbergischen Ortschaften bald zu diesem, bald zu jenem Schlosse<br />

geschlagen wur<strong>de</strong>n. Im J. 1439 entäußerte sich Heinrich von Wal<strong>de</strong>nberg <strong>de</strong>s Schlosses<br />

Scharfenstein, wozu damals aus unserer Gegend Königswal<strong>de</strong> rechts <strong>de</strong>s Pöhlbaches<br />

gehörte, welches als ein D o r f f ü r s i c h galt. <strong>Die</strong> Kurfürsten von Sachsen<br />

bil<strong>de</strong>ten 1445 das Amt Scharfenstein, verkauften es jedoch 1472 an Heinrich von<br />

Schönberg; dieser wie<strong>de</strong>rum überließ es um 1475 an Friedrich Blanke; von diesem gelangte<br />

es 1482 an Heinrich von Starsche<strong>de</strong>l, von ihm endlich 1492 an Heinrich von<br />

Einsie<strong>de</strong>l. Letzterer ward am 31. Januar d. J. damit beliehen, und seine Nachkommen<br />

haben die Besitzung bis auf <strong>de</strong>n heutigen Tag behalten. Nur das Dorf Königswal<strong>de</strong> gaben<br />

sie im J. 1512 auf, welches <strong>de</strong>r reiche Annaberger Bürger Paul Thumshirn erwarb,<br />

um es mit allem Zubehör, beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>n Waldungen, an <strong>de</strong>n R a t seiner Stadt<br />

zu überlassen. Er empfing dafür 3035 Gul<strong>de</strong>n, wovon 2000 auf das Dorf Schönfeld mit<br />

in Anschlag gebracht wur<strong>de</strong>n, während Herzog Georg am 9. September 1513 <strong>de</strong>n Rat<br />

von Annaberg mit Königswal<strong>de</strong> belieh.<br />

<strong>Die</strong> Dörfer M i l d e n a u und K ö n i g s w a l d e (Ratsseite) stießen also im O s -<br />

t e n, das Dorf W i e s a hingegen im N o r d e n an die <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong>, und die<br />

Herren von Wal<strong>de</strong>nberg, seit <strong>de</strong>m 13. Jahrhun<strong>de</strong>rt in diesem Landstrich begütert, bil<strong>de</strong>ten<br />

ihre Nachbarschaft im Nordosten und Osten. Für eine Zeit lang traten freilich<br />

nach <strong>de</strong>r letzteren Himmelsrichtung hin an<strong>de</strong>re an ihre Stelle: es waren die Cisterzienser<br />

<strong>de</strong>s Klosters B u c h bei Leisnig, das <strong>de</strong>n dortigen Burggrafen seine Entstehung<br />

verdankte. Im J. 1241 faßten sie zum ersten Male Fuß in unserer Gegend. Laut einer<br />

Urkun<strong>de</strong> Markgraf Heinrichs <strong>de</strong>s Erlauchten vom 31. Juli 1241 ließ ihm nämlich<br />

Hugo II. von Wal<strong>de</strong>nberg die Lehn über S t r e c k e w a l d e samt <strong>de</strong>m anstoßen<strong>de</strong>n<br />

Wal<strong>de</strong> für das Kloster auf. 16 Dasselbe erweiterte in<strong>de</strong>ssen seine hiesigen Liegenschaften.<br />

Denn im J. 1270 bestätigte Landgraf Albrecht (<strong>de</strong>r Entartete) von Thüringen seinerseits<br />

nach <strong>de</strong>m Vorgange seines Vaters, eben jenes Markgrafen, die Uebereignung<br />

<strong>de</strong>r Orte Mil<strong>de</strong>nau und Reichenau. 17 Letzterer ist jetzt <strong>de</strong>r südliche Teil <strong>de</strong>s ersteren<br />

und ist ganz in <strong>de</strong>nselben aufgegangen, während <strong>de</strong>r Name, <strong>de</strong>r nur im 13. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />

vorkommt, völlig verschwun<strong>de</strong>n ist. Allein auf diese drei Dörfer beschränkte sich<br />

<strong>de</strong>r Besitz <strong>de</strong>s Klosters Buch noch nicht. Nach <strong>de</strong>m Jahre 1270 run<strong>de</strong>te es <strong>de</strong>nselben<br />

noch weiter ab. Denn in einer Urkun<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Edlen <strong>Die</strong>trich von Leisnig vom 2 Mai<br />

1291 wer<strong>de</strong>n außer Streckewal<strong>de</strong> (Strekkenwal<strong>de</strong>), Mil<strong>de</strong>nau (Mil<strong>de</strong>now) und Reichenau<br />

(Richenow) noch die bei<strong>de</strong>n Dörfer Mauersberg (Ursberch, d. i. am Auersberg)<br />

16 Schöttgen-Kreysig, Diplom. et script. hist. Germ. m. aev. II, 184 B: „... S t r e k e n w a l d e, quam nobis<br />

resignavit H u g o miles d e W a l d e n b e r c cum memore attinente ...“ Kaiser Friedrich II. bestätigte<br />

im März <strong>de</strong>s J. 1245 die Schenkung. (a. a. O. II, 184 D.)<br />

17 a. a. O. II, 197 B: „... proprietatem villae M i l d i n o w e et R i c h i n o w e …, quemadmodum in privilegiis<br />

dilecti patris … super eis<strong>de</strong>m bonis plenius continetur.“<br />

7


und Lichtenhain (Lychtenhayn), ersteres zwischen Streckewal<strong>de</strong> und Mil<strong>de</strong>nau, letzteres<br />

hinter Reichenau erwähnt. 18 <strong>Die</strong> Aufzählung erfolgt also von Nor<strong>de</strong>n nach Sü<strong>de</strong>n<br />

zu. Lichtenhain muß <strong>de</strong>mnach im Sü<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s heutigen Mil<strong>de</strong>nauer Oberdorfes, d. i. <strong>de</strong>s<br />

alten Reichenau, gesucht wer<strong>de</strong>n. Wir gehen nicht fehl, wenn wir es mit <strong>de</strong>r Ratsseite<br />

von Königswal<strong>de</strong> i<strong>de</strong>ntifizieren. Ursprünglich eignete <strong>de</strong>r heutige Name dieses gesamten<br />

Dorfes n u r <strong>de</strong>r links <strong>de</strong>s Pöhlbaches gelegenen Amtsseite zu, d. h. <strong>de</strong>m in <strong>de</strong>r<br />

Schlettauer <strong>Herrschaft</strong> befindlichen Dorfe. <strong>Die</strong> Ratsseite bil<strong>de</strong>te eine Ansiedlung für<br />

sich, auf welche im 14. Jahrhun<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r Name <strong>de</strong>r gegenüberliegen<strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>rlassung<br />

überging und <strong>de</strong>n älteren (Lichtenhain) verdrängte und ersetzte. Wie mag dies aber<br />

zugegangen sein?<br />

<strong>Die</strong> soeben angezogene Urkun<strong>de</strong> berichtet uns nicht nur, daß sich hier <strong>de</strong>r Besitzstand<br />

<strong>de</strong>s Klosters Buch über jene fünf Orte erstrecke, sich also zwischen <strong>de</strong>m Kuntoppel-<br />

und <strong>de</strong>m Pöhlbache, <strong>de</strong>m Stücke <strong>de</strong>r Zschopau von <strong>de</strong>r Mündung <strong>de</strong>s letzteren<br />

bis zu <strong>de</strong>rjenigen <strong>de</strong>r Preßnitz, dieser selber, <strong>de</strong>m Rauschen- und <strong>de</strong>m Sandbache aus<strong>de</strong>hnte,<br />

son<strong>de</strong>rn sie teilt uns auch mit, daß diese Orte durch eine böse Feh<strong>de</strong> heimgesucht<br />

wur<strong>de</strong>n. Bei <strong>de</strong>rselben scheint Lichtenhain <strong>de</strong>rart mitgenommen wor<strong>de</strong>n zu<br />

sein, daß es eine Zeit lang ebenso wie Reichenau wüste liegen blieb. Als bei<strong>de</strong> Dörfer<br />

dann wie<strong>de</strong>r erstan<strong>de</strong>n, empfing Reichenau <strong>de</strong>n Namen <strong>de</strong>s n ö r d l i c h e n Nachbarortes<br />

Mil<strong>de</strong>nau, Lichtenhain dagegen <strong>de</strong>njenigen <strong>de</strong>s gegenüberliegen<strong>de</strong>n Königswal<strong>de</strong>.<br />

Wir müssen uns mit jener Feh<strong>de</strong>, die ja als eines <strong>de</strong>r frühesten Ereignisse, die wir<br />

kennen, sich auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n unserer hiesigen Umgegend abgespielt hat, noch <strong>de</strong>s näheren<br />

beschäftigen. Ihre Urheber waren die B u r g g r a f e n v o n A l t e n b u r g,<br />

Albrecht III. und <strong>de</strong>ssen ältester Sohn Heinrich IV. 19 Der erstere starb am 3 Mai (VII.<br />

Idus Maji) eines ungenannten Jahres; da er aber noch am 29. Juni 1281 als Schenkgeber<br />

auftritt, sein Sohn jedoch im J. 1282 <strong>de</strong>m Altenburger Bergerkloster alles dasjenige<br />

bestätigte, was <strong>de</strong>r Vater diesem im J. 1275 verliehen hatte, so muß Albrecht III.<br />

das Zeitliche 1282 gesegnet haben. Vor dieses Jahr fällt auch jener verdrießliche Han<strong>de</strong>l,<br />

in <strong>de</strong>n er mit <strong>de</strong>m Kloster Buch in unserem Gebirge verwickelt ward. Zum ersten<br />

Male tritt neben ihm sein Sohn Heinrich im J. 1279 auf, und so ist die Feh<strong>de</strong> zwischen<br />

<strong>de</strong>n oben genannten bei<strong>de</strong>n Jahren zeitlich einzusetzen. 20<br />

Bei<strong>de</strong> Burggrafen starben binnen kurzem weg: Albrecht III., wie gesagt, am 9. Mai<br />

1282, Heinrich IV. in <strong>de</strong>n ersten Tagen <strong>de</strong>s Jahres 1291 unter Hinterlassung eines<br />

posthumen Sohnen, Albrecht V., über <strong>de</strong>ssen Schicksale die Forscher nicht ganz einig<br />

sind. 21 Der Scha<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n sie bei<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n erzgebirgischen Besitzungen Buchs angerichtet<br />

hatten, belief sich auf 200 Mark Silber (nach unserem Gel<strong>de</strong> auf nahezu<br />

7000 Reichsmark), ward aber erst später von Albrechts III. Bru<strong>de</strong>r, <strong>Die</strong>trich II., sowie<br />

seinen jüngeren Söhnen, <strong>Die</strong>trich III. und Heinrich V., vergütet. Burggraf <strong>Die</strong>trich II.<br />

überließ nämlich an Buch 7 Hufen bei Altenburg, 4 in Selwitz (Seluwize) und 3 in Unterlödla<br />

(in inferiori villa Lyt<strong>de</strong>llow), welche <strong>de</strong>r Edle <strong>Die</strong>trich von Leisnig von seinem<br />

verstorbenen Neffen Heinrich IV. in Lehn gehabt hatte, zur Entschädigung und leistete<br />

darauf vor <strong>de</strong>m Altenburger Landgerichte am 2. Mai 1291 Verzicht. Zu dieser Ueberlassung<br />

gaben seine Neffen, <strong>Die</strong>trich III. und Heinrich V., gegen Empfang von<br />

18 Mencke, Script. rer. Germ. III, 1037-39.<br />

19 Bei <strong>de</strong>r Zählung folgen wir Löbe, <strong>Die</strong> Burggrafen und Burgmannen in Altenburg. Mitt. d. Gesch.-<br />

und Altertumsforsch.-Gesellsch. d. Osterlan<strong>de</strong>s. X, 3. S. 254-289.<br />

20 a. a. O. S. 268 4.7. 269. 270. (vgl. S. 267)<br />

21 a. a. O. S. 273 1. 274 u. Anm. 1, Wahrscheinlich starb dieser Sprößling frühzeitig wie<strong>de</strong>r. (vgl. S. 277.)<br />

8


10 Mark Silber am 31. August/1. September 1292 ihre nachträgliche Einwilligung. 22<br />

Das Kloster jedoch mochte seine verwüsteten erzgebirgischen Besitzungen nicht genug<br />

für gesichert erachten wegen solcher gefährlichen Nachbarschaft, die in Zukunft<br />

ihm neuen Scha<strong>de</strong>n bringen konnte. Es v e r ä u ß e r t e die sämtlichen Ortschaften<br />

wie<strong>de</strong>r an ihre früheren Grundherren, die Herren von Wal<strong>de</strong>nberg, und mit <strong>de</strong>m Erlös,<br />

<strong>de</strong>n dieser Verkauf eintrug, erwarb es vor allem die wichtige Stadt Belgern bei<br />

Torgau, in <strong>de</strong>ren Nähe es schon 1270, gleichzeitig mit Mil<strong>de</strong>nau und Reichenau, Landbesitz<br />

erlangt hatte. Jene Aufgabe seiner Besitzungen in unserer Gegend fand entwe<strong>de</strong>r<br />

am Ausgange <strong>de</strong>s 13. o<strong>de</strong>r gleich zu Beginn <strong>de</strong>s 14. Jahrhun<strong>de</strong>rts statt.<br />

Allein wozu haben wir uns diese Abschweifung, die ja allerdings unserer engeren<br />

Heimatkun<strong>de</strong> zugute kommt, erlaubt? Es geschah im Interesse <strong>de</strong>r Aufgabe, die wir<br />

uns gestellt haben. Wir brauchen uns bloß die Frage vorzulegen, woher <strong>de</strong>nn jener Angriff<br />

auf die Buchschen Klosterdörfer erfolgt sei. Von Nor<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r von Osten her kann<br />

er nicht unternommen wor<strong>de</strong>n sein, da hier, wie wir bei unserer Grenzumschau bemerkten,<br />

die Herren von Wal<strong>de</strong>nberg ansässig waren. Da aber in ihren Hän<strong>de</strong>n sich<br />

die Orte <strong>de</strong>r alten Kirchfahrt A r n s f e l d befan<strong>de</strong>n, d. i. außer <strong>de</strong>m Pfarrdorfe die<br />

Nie<strong>de</strong>rlassungen namens Schmie<strong>de</strong>berg, Steinbach, Satzung, Grumbach und Goswinsdorf<br />

(Jöhstadt), so ist auch ein Ueberfall von Sü<strong>de</strong>n her völlig ausgeschlossen. So<br />

bleibt hiernach nur eine Seite offen, woher er kommen mußte, nämlich <strong>de</strong>r Westen,<br />

d. i. die Gegend auf <strong>de</strong>m linken Ufer <strong>de</strong>s Pöhlbaches, mithin die <strong>Herrschaft</strong>en Schlettau<br />

und <strong>Pöhlberg</strong>. <strong>Die</strong> erstere war von vornherein böhmisch, wofür die tschechischen<br />

Namen <strong>de</strong>r Burg Schlettau (slatina), <strong>de</strong>r Ansiedlungen Kleine Sehma (ö. von Schlettau),<br />

Sehma und Rothensehma (zeme), <strong>de</strong>r Anhöhen Douratzsch (nö. von Rothensehma)<br />

und Lauseberg (w. von Schlettau), <strong>de</strong>r Lauswiese (louze) und eventuell <strong>de</strong>s<br />

Zschapelwal<strong>de</strong>s sprechen, 23 und worin uns die kirchliche Zugehörigkeit zum Prager<br />

Erzsprengel noch bestärkt. Da nun aber, wie wir sogleich sehen wer<strong>de</strong>n, in unserm<br />

Falle nur an ein reichsunmittelbares Gebiet gedacht wer<strong>de</strong>n kann, so bleibt <strong>de</strong>mgemäß<br />

im Westen n u r ein einziges übrig: die <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong>.<br />

Von hier aus, wahrscheinlich über Geyersdorf und Kleinrückerswal<strong>de</strong>, fielen die<br />

Burggrafen von Altenburg, Albrecht III. und Heinrich IV., Vater und Sohn, über die<br />

Klosterdörfer her; <strong>de</strong>r eine suchte sengend und brennend Mil<strong>de</strong>nau, Streckewal<strong>de</strong> und<br />

Mauersberg, <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Lichtenhain und Reichenau heim. Im letzten Viertel <strong>de</strong>s<br />

13. Jahrhun<strong>de</strong>rts also befand sich die <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong> in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Altenburger<br />

Burggrafen. Unsere letzte Frage, die wir uns jetzt noch zu beantworten unterließen,<br />

modifiziert sich hierdurch dahin: Wann ging diese <strong>Herrschaft</strong> von <strong>de</strong>n<br />

Altenburgern auf die Meißner Burggrafen über? Es bedarf nun erst eines kurzen genealogischen<br />

Ueberblickes über die ersteren Dynasten, <strong>de</strong>n wir in drei Übersichten<br />

folgen lassen: 24<br />

22 Mencke, a. a. O. III, 1081. Vgl. 1038: „... septem (mansos) in Seluwize et in Lit<strong>de</strong>llow habuimus in feodo<br />

a nobili viro felicis memorie iam <strong>de</strong>functo, domino Heinrico <strong>de</strong> Al<strong>de</strong>nburch burggravio, quorum collatio per<br />

successionem ad virum nobilem, dom. Theo<strong>de</strong>ricum <strong>de</strong> Al<strong>de</strong>nburch burggravium iuit <strong>de</strong>voluta, a quo diligentibus<br />

precibus et beneplacitis servitiis optinuimus, ut propter Deum et eciam in restaurum dampni,<br />

quod computatum est ad ducentas marcas, quod in villis ecclesie Buoch, scilicet Strekkenwal<strong>de</strong>, Ursberch,<br />

Mil<strong>de</strong>now, Richenow, Lychtenhayn, frater suus, dns. Albertus et, filius fratris iam prenominatus,<br />

dns. Heinricus, in Al<strong>de</strong>nburch burggravii, ei<strong>de</strong>m ecclesie Buoch intulerant, ipsos predictos septem mansos<br />

in Selowize et in Lyt<strong>de</strong>llow sepedicto conventui et ecclesie Buoch conferret perpetuo possi<strong>de</strong>ndos.“<br />

23 Franz, <strong>Die</strong> Amtshauptmannschaft Annaberg (a. a. O.) S. 26. 28-30. 32.<br />

24 Löbe, a. a. O. S. 265. 269. 274. 278. 280f. 286. 288.<br />

9


1) Albrecht II. († 23. Aug. 1270)<br />

Albrecht III., <strong>Die</strong>trich II., Heinrich III.,<br />

Herr von Zinnberg. Herr von Rochsburg. Domherr zu Naumburg.<br />

s. unter 2a. s. unter 2b. († um 1303)<br />

2a) Albrecht III. († 9. Mai 1282)<br />

Heinrich IV. <strong>Die</strong>trich III. Heinrich V.<br />

(† Jan. 1291) († nach 1301) († nach 1292, vor 1296)<br />

improles. improles.<br />

Albrecht V. NB. Damit erlischt die Z i n n b e r g e r Linie.<br />

(† 1291/2?)<br />

2b) <strong>Die</strong>trich II. († 24. Febr. 1301)<br />

<strong>Die</strong>trich IV., Albrecht IV.<br />

Deutschor<strong>de</strong>ns-Hochmeister († 1. Hälfte 1329)<br />

(† 6. Okt. 1341)<br />

NB. Der Letzte seines Stammes. Elisabeth<br />

oo Otto I., Burggraf von Leisnig.<br />

Aus diesen vorstehen<strong>de</strong>n drei Uebersichten ergiebt sich, daß nach <strong>de</strong>m To<strong>de</strong> Albrechts<br />

III. seine drei Söhne, d. h. die Zinnberger Linie, nach einem Schlosse sw. von<br />

Penig benannt, die <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong> übernahmen. Von ihnen starb zuerst Heinrich<br />

IV., <strong>de</strong>r sich am Überfall <strong>de</strong>r Buchschen Besitzungen beteiligt hatte, mit ihm sein<br />

Posthumus, und sodann Heinrich V., sodaß 1296 als alleiniger Grundherr <strong>Die</strong>trich III.<br />

verblieb. Da nun <strong>de</strong>rselbe am 30. Mai 1299 seinen Vettern von <strong>de</strong>r Rochsburger Linie,<br />

<strong>Die</strong>trich IV. und Albrecht IV., seine sämtlichen Reichslehen in Meißen und Pleißen<br />

überließ, 25 und unter diesen, welche auf Albrechts IV. Schwiegersohn (s. o.) übergingen,<br />

sich nachweislich die <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong> nicht befin<strong>de</strong>t, so muß sich <strong>de</strong>mzufolge<br />

ihrer <strong>Die</strong>trich III. bereits vor 1299 entäußert haben. Wahrscheinlich geschah dies<br />

nach <strong>de</strong>m Absterben seines jüngsten Bru<strong>de</strong>rs. Es ist uns bekannt, daß <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsche<br />

König Adolf von Nassau im J. 1296 mit König Wenzel II. von Böhmen in Grünhain<br />

eine Zusammenkunft hatte, 26 und hierbei wird <strong>de</strong>r Altenburger Burggraf die <strong>Herrschaft</strong><br />

<strong>Pöhlberg</strong>, die ja ein Reichslehen war, vor <strong>de</strong>m Reichsoberhaupte für <strong>de</strong>n Meißner<br />

Burggrafen, M e i n h e r III., einen warmen Anhänger <strong>de</strong>sselben, aufgelassen<br />

haben. <strong>Die</strong>ser Dynast war übrigens finanziell in guten Verhältnissen; unter seinen<br />

Schuldnern treffen wir Adolf selbst und <strong>de</strong>n Markgrafen Friedrich <strong>de</strong>n Gebissenen<br />

an. 27<br />

25 Löbe, a. a. O. S. 280 1 .<br />

26 Franz, a. a. O. S. 9 13 .<br />

27 Märcker, a. a. O. S. 434. (Urk. Nr. 34); S. 436. (Urk. Nr. 35).<br />

10


Er erwarb für sich und sein Geschlecht am Ausgange <strong>de</strong>s 13. Jahrhun<strong>de</strong>rts die an<br />

seine Grafschaft Hartenstein stoßen<strong>de</strong> Landschaft, welche dasselbe über 100 Jahre<br />

festgehalten hat, bis sie <strong>de</strong>r Urenkel verschleu<strong>de</strong>rte. <strong>Die</strong> Reihe <strong>de</strong>r bis auf diesen herabgehen<strong>de</strong>n<br />

Besitzer aus meinheringischen Stamme läßt sich wie<strong>de</strong>rum genealogisch<br />

folgen<strong>de</strong>rmaßen veranschaulichen: 28<br />

Meinher III. († 30. Aug. 1308)<br />

Hermann III. Meinher IV. Albert<br />

(† Okt. 1336) († zw. 13. Nov. 1355 (zuletzt erwähnt<br />

und 30. März 1356) 21. Okt. 1319)<br />

improles improles<br />

Meinher V. Hermann IV. Berthold<br />

(† letztes Viertel († zw. 18. Dez. 1348 (im Mitbesitz bis zur<br />

<strong>de</strong>s J. 1386) und 9. März 1351) Erbteilung 1381)<br />

improles<br />

Heinrich I. NB. Er verpfän<strong>de</strong>t 7. März 1411 die Besitzung.<br />

Im übrigen wür<strong>de</strong> damit auch ein Licht auf die Art und Weise, wie Hermannsdorf<br />

von <strong>de</strong>r <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong> abkam, fallen. <strong>Die</strong> burggräflichen Gebrü<strong>de</strong>r, Hermann<br />

III., Meinher IV. und Albert, haben nach <strong>de</strong>m To<strong>de</strong> ihrer Mutter Sophia das<br />

Kloster Altzelle am 19. Oktober 1317 freigebig bedacht, wo selbst sie begraben lag.<br />

Man hat nach <strong>de</strong>m Begräbnisorte <strong>de</strong>s Burggrafen Meinher III. gefragt. Da er we<strong>de</strong>r zu<br />

Altzelle, wie seine Gemahlin, noch im Dome zu Meißen bestattet ist, so bleibt kein an<strong>de</strong>rer<br />

übrig als das von seinem Vater Merinher II. gestiftete und reich dotierte, auch<br />

von ihm selber beschenkte und unterstützte Kloster Grünhain. Selbstverständlich haben<br />

seine Söhne bei seinem Hinschei<strong>de</strong>n voll Pietät dasselbe bedacht, um <strong>de</strong>m Seelenheile<br />

<strong>de</strong>s Vaters för<strong>de</strong>rlich zu sein. Unter <strong>de</strong>n Zuwendungen, die sie machten, muß<br />

sich neben Zwönitz, welches damals ein Dorf war, auch Hermannsdorf befun<strong>de</strong>n haben.<br />

Keine an<strong>de</strong>ren Orte als diese zwei blieben neben all <strong>de</strong>n Grünhainer Klosterdörfern<br />

im Erzgebirge, <strong>de</strong>ren Art und Weise, wie sie erworben wur<strong>de</strong>n, uns<br />

dokumentarisch bekannt ist, übrig. Denn sie sind die bei<strong>de</strong>n einzigen, bei <strong>de</strong>nen wir<br />

dazu uns außerstan<strong>de</strong> sehen. Unser Vorschlag aber klärt die Ungewißheit in <strong>de</strong>r gefälligsten<br />

Art: im Herbst <strong>de</strong>s Jahres 1308 kam Hermannsdorf behufs Stiftung eines Anniversariums<br />

für Burggraf Meinher III. von Meißen von <strong>de</strong>r <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong>,<br />

welche <strong>de</strong>rselbe seinem Hause erwarb, ab.<br />

Wenn wir auch das Jahr <strong>de</strong>s Anfalls jenes Territoriums an die Meinheringer ermittelt<br />

haben, lassen sich immerhin noch einige Fragen aufwerfen, jedoch nicht eine je<strong>de</strong><br />

von ihnen befriedigend lösen, weil dazu die ausreichen<strong>de</strong>n Mittel fehlen. Sie lassen<br />

sich also formulieren:<br />

28 a. a. O. S. 68 16 . 69 2 . 72 7 . 74 11 . 79. 80 17 18. 85. 502. (Urk. Nr. 104.)<br />

11


a) Besaß die <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong> einen festen Mittelpunkt?<br />

b) Wie mag diese Feste geheißen haben?<br />

c) Wann gelangten die Burggrafen von Altenburg in ihren Besitz?<br />

d) Wann dieselbe etwa ein?<br />

<strong>Die</strong> erste dieser neuen vier Fragen ist leicht beantwortbar. Der Beiname, <strong>de</strong>n die<br />

Wüstung Witzdorf laut <strong>de</strong>s herzoglichen Privilegs für Annaberg vom Jahre 1497 führt,<br />

lautete bekanntlich (s. o.) „B o r g k w a l d e“. Der erste Teil dieses Wortes <strong>de</strong>utet etymologisch<br />

zuverlässig auf eine B u r g hin, die in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>r Wüstung stand, sodaß<br />

dieselbe nach ihr bezeichnet wer<strong>de</strong>n konnte. Nach<strong>de</strong>m nämlich die Rainung <strong>de</strong>s ehemaligen<br />

Dorfes vom Wald, <strong>de</strong>r damals sich nördlich von Kleinrückerswal<strong>de</strong>, am Fuße<br />

<strong>de</strong>s noch unbewal<strong>de</strong>ten <strong>Pöhlberg</strong>es, erstreckte, zum Teile überzogen wor<strong>de</strong>n war,<br />

nannte man das neuentstan<strong>de</strong>ne Waldstück <strong>de</strong>n „Burgwald“ und die übrige Witzdorfer<br />

Markung „zum Burgwal<strong>de</strong>“; im gewöhnlichen Leben fiel die Präposition fort und<br />

die Dativform <strong>de</strong>s neuen Ortsnamens griff platz. Den S t a n d o r t <strong>de</strong>r Burg dürften<br />

wir etwa nw. vom <strong>Pöhlberg</strong>e, an <strong>de</strong>ssen Abhange, nahe bei <strong>de</strong>r Annaberg – Satzunger<br />

Straße, woselbst man ja Spuren alter Baulichkeiten ent<strong>de</strong>ckt hat, 29 annehmen.<br />

Wie sie freilich geheißen haben mag, ist schon schwerer zu bestimmen; doch darf<br />

<strong>de</strong>r Versuch dazu nicht unterbleiben. Bekanntlich hieß zur Zeit Herzog Albrechts <strong>de</strong>s<br />

Beherzten unsere Gegend die „Wil<strong>de</strong> Ecke“. <strong>Die</strong>ser Begriff ward von <strong>de</strong>n einzelnen<br />

Schriftstellern bald enger, bald weiter gefaßt, sodaß ihn z. B. R i c h t e r auf <strong>de</strong>n<br />

Landstrich von Wolkenstein bis Joachimsthal, von Wiesenthal bis Schneeberg aus<strong>de</strong>hnt.<br />

Ursprünglich hat natürlich diese Bezeichnung an einem beson<strong>de</strong>rs markanten<br />

Punkte gehaftet und allmählich eine weitere Fassung gewonnen. Jener Ort aber, für<br />

<strong>de</strong>n sie am charakteristischsten bleibt, ist kein an<strong>de</strong>rer als <strong>de</strong>r P ö h l b e r g, und mit<br />

Recht hat man darum <strong>de</strong>r Aussicht auf <strong>de</strong>r Nordostecke <strong>de</strong>sselben <strong>de</strong>n Namen „Zur<br />

wil<strong>de</strong>n Ecke“ verliehen. Vielleicht war „Wil<strong>de</strong>ck“ überhaupt <strong>de</strong>r älteste <strong>de</strong>utsche<br />

Name <strong>de</strong>s Berges und kennzeichnet <strong>de</strong>nselben in <strong>de</strong>r Tat aufs trefflichste. Als sich<br />

dann <strong>de</strong>r Name erweiterte, bedurfte es einen neuen für <strong>de</strong>n Berg, und dieser ward,<br />

ähnlich wie beim Wilischberg o<strong>de</strong>r Flöhberg, <strong>de</strong>m Wasserlaufe entlehnt, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Fluß<br />

<strong>de</strong>sselben bespülte, <strong>de</strong>m Pöhlbache. 30 Ist unsere Annahme richtig, dann dürfte sich<br />

auch <strong>de</strong>r Name <strong>de</strong>s Schlosses mit <strong>de</strong>mjenigen <strong>de</strong>s Berges <strong>de</strong>cken: d i e B u r g d e r<br />

H e r r s c h a f t P ö h l b e r g h i e ß d e m n a c h W i l d e c k. Eine <strong>ana</strong>loge Benennung<br />

existiert für das Schloß zu Zschopau, wenn schon dieselbe urkundlich n i c h t<br />

belegbar ist. Daß man <strong>de</strong>n Namen, mit Beibehaltung <strong>de</strong>sselben für jene Burg, weiter<br />

am Flusse hinauf getragen habe, bis wie<strong>de</strong>r oberhalb Wolkensteins Halt gemacht wur<strong>de</strong>,<br />

ist eine Behauptung, die unerweisbar sein dürfte. 31 Denn daß zwei Schlösser <strong>de</strong>s<br />

gleichen Namens, <strong>de</strong>r noch dazu <strong>de</strong>m unsrigen ähnlich klingt, in einiger Entfernung<br />

voneinan<strong>de</strong>r liegen, dafür bietet uns das Vogtland ein treffliches Beispiel. Bei <strong>de</strong>r<br />

Stadt Schöneck sowohl als westlich von Oelsnitz nahe beim Bahnhofe Pirk liegt je eine<br />

Burg, die <strong>de</strong>n Namen „S c h ö n e c k “ führt. So steht <strong>de</strong>nn nichts <strong>de</strong>r Tatsache im<br />

Wege, daß das Zschopauer Schloß und die Burg am <strong>Pöhlberg</strong>e eine und dieselbe Benennung<br />

erfahren haben.<br />

29 Finck in d i e s e n Mitteilungen V, 4 1 .<br />

30 Franz, a. a. O. S. 23 5 .<br />

31 Herfurth, Geschichtliche Nachrichten von Zschopau. S. 9.<br />

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W a n n die Burggrafen von Altenburg Schloß Wil<strong>de</strong>ck und sein Zubehör in Besitz<br />

genommen haben, ob es von ihnen erbaut ward o<strong>de</strong>r durch Heirat, Erbschaft, Kauf<br />

o<strong>de</strong>r Schenkung an sie kam, darüber wissen wir gar nichts. <strong>Die</strong> Gegend, in <strong>de</strong>r es<br />

stand, erschloß sich etwa zu Beginn <strong>de</strong>s 13. Jahrhun<strong>de</strong>rts <strong>de</strong>r Kultur. Wir dürfen annehmen,<br />

daß jener Albrecht III., <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Einfall ins angrenzen<strong>de</strong> Bucher Klosterland<br />

verübte, bereits von seinem Vater, Albrecht II. († 23. Aug. 1270), die Burg überkommen<br />

hat. Allein mehr läßt sich nicht sagen, und es darf hierzu nur noch bemerkt wer<strong>de</strong>n,<br />

daß ein an<strong>de</strong>res edles Geschlecht aus <strong>de</strong>r Altenburger Pflege, die Titulargrafen<br />

von Starkenberg, das Schloß und die <strong>Herrschaft</strong> S t o l l b e r g im 13. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />

sein eigen nannte und ebenfalls vom Reiche zu Lehn trug. <strong>Die</strong>se Burg, auch Hoheneck<br />

genannt, mit ihren etwa ein Dutzend Dörfer umspannen<strong>de</strong>n Bezirke gehörte nämlich<br />

ebenso wie die <strong>Herrschaft</strong>en Wil<strong>de</strong>ck, Greifenstein, Wolkenstein-Scharfenstein, Zschopau,<br />

Glauchau, Lichtenstein, Schwarzenberg (letztere bei<strong>de</strong>n bis 1213), Wal<strong>de</strong>nburg<br />

und Rabenstein, die Grafschaft Hartenstein, sowie die Klöster zu Remse, Chemnitz<br />

und Grünhain, zum Bereiche <strong>de</strong>s Pleißnerlan<strong>de</strong>s, welches unter kaiserlichen Landrichtern<br />

stand.<br />

Wann endlich die Burg Wil<strong>de</strong>ck am <strong>Pöhlberg</strong>e e i n g e g a n g e n sein mag, ein<br />

Schicksal, das wahrscheinlich <strong>de</strong>r nahe bei ihr gelegene Ort Witzsdorf mit ihr teilt,<br />

entzieht sich ebenfalls unserer genauen Kenntnis. Doch möchte ich auf eine Urkun<strong>de</strong><br />

Burggraf Meinhers III. von Meißen für seine Stadt Lößnitz verweisen, die unterm<br />

19. Februar 1284 gegeben ist. 32 Darin heißt es bezeichnen<strong>de</strong>rweise: „Da die Bösen im<br />

Lan<strong>de</strong> sich mehren, so lasten w e g e n d e r n e u e n K ä m p f e, d i e s i c h t ä g -<br />

l i c h b e g e b e n, neue Bür<strong>de</strong>n auf euch (<strong>de</strong>n Bürgern), nämlich Wachdienste, Bauten<br />

und Befestigungen in unserer Stadt Lößnitz.“ Ferner mel<strong>de</strong>te uns eine Urkun<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>sselben Edlen für das dortige Hospital vom 1. September 1286 (also zwei Jahre später)<br />

von <strong>de</strong>r Schenkung einiger Äcker <strong>de</strong>s Dorfes Sebottendorf, welche die Stadtgemein<strong>de</strong><br />

vor<strong>de</strong>m mit burggräflicher Erlaubnis n a c h d e r V e r ö d u n g d e r<br />

O r t s c h a f t als Viehwei<strong>de</strong> benutzt hatte. 33 <strong>Die</strong>se „Verödung“, in Verbindung mit jenen<br />

„neuen Kämpfen“ und mit <strong>de</strong>r Feh<strong>de</strong> wi<strong>de</strong>r das Kloster Buch im J. 1282 gesetzt,<br />

spricht <strong>de</strong>utlich genug dafür, daß das ausgehen<strong>de</strong> 13. Jahrhun<strong>de</strong>rt eine sehr bewegte<br />

Zeit war, zumal wenn wir noch <strong>de</strong>n Feldzug König Adolfs von Nassau wi<strong>de</strong>r die Meißner<br />

Markgrafenbrü<strong>de</strong>r Friedrich <strong>de</strong>n Freidigen und <strong>Die</strong>zmann hinzunehmen. Feh<strong>de</strong>n<br />

scheinen in <strong>de</strong>n angegebenen Jahren an <strong>de</strong>r Tagesordnung gewesen zu sein, sodaß einer<br />

solchen auch unsere Feste am <strong>Pöhlberg</strong>e samt einem Dorfe zum Opfer fiel. Mehr<br />

läßt sich nicht ergrün<strong>de</strong>n, und so müssen unsere letzten bei<strong>de</strong>n angeregten Fragen offen<br />

bleiben. Denn daß etwa noch unbekannte Urkun<strong>de</strong>n zur Aufhellung <strong>de</strong>r Geschichte<br />

<strong>de</strong>s Erzgebirges im 12. und 13. Jahrhun<strong>de</strong>rts, son<strong>de</strong>rlich unserer Gegend, beitragen<br />

dürften, ist nicht einmal eine schwache Hoffnung, son<strong>de</strong>rn bleibt nur ein frommer<br />

Wunsch <strong>de</strong>s suchen<strong>de</strong>n Forschers. Wir müssen uns beschei<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m, was wir haben,<br />

und was sich daraus kombinieren läßt. <strong>Die</strong>ses kurz und übersichtlich zusammenzustellen,<br />

war <strong>de</strong>r Zweck dieser Arbeit, an <strong>de</strong>ren Schlusse noch eins übrig bleibt,<br />

32 Oesfeld, Hist. Beschrg. einig. merkw. Städte im Erzgeb. I, 179: „... malis crebrescenibus in terra<br />

propter nova praelia, quae quotidie oriuntur, novi labores vobis insurgunt in vigiliis, aedificiis et munitionibus<br />

civitatis nostrae Lesniz ...“<br />

33 Oesfeld, a. a. O. I, 183: „... quosdam agros villae nostrae Sebottendorff (zw. Lößnitz und Hartenstein)<br />

adhaerentes, quos pro pascuis pecorum communitas eius<strong>de</strong>m civitatis nostrae Lesniz post huius villae<br />

<strong>de</strong>solationem … hucusque possi<strong>de</strong>bat ...“<br />

13


nämlich die Schil<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r k i r c h l i c h e n Verhältnisse in <strong>de</strong>r <strong>Herrschaft</strong><br />

<strong>Pöhlberg</strong>.<br />

Sie lag gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Südwestecke <strong>de</strong>s Bistums M e i ß e n, wo dasselbe an die Diözesen<br />

von N a u m b u r g (Elterlein) und P r a g (Schlettau u. a. mit Cunersdorf und Königswal<strong>de</strong><br />

links <strong>de</strong>r Pöhla, auch seit 1501 Buchholz) stieß. Sie war ferner <strong>de</strong>r<br />

C h e m n i t z e r K i r c h e n p r o v i n z <strong>de</strong>s gedachten Sprengels zugeteilt, <strong>de</strong>ssen<br />

Leitung seit 1312 <strong>de</strong>m Abte <strong>de</strong>s dortigen Bergklosters als einem Archidiakonus <strong>de</strong>s<br />

Hochstiftes übertragen wor<strong>de</strong>n war. Sie und die <strong>Herrschaft</strong>en Greifenstein (Thum mit<br />

Jahnsbach, Ehrenfrie<strong>de</strong>rsdorf und Geyer mit Tannenberg links <strong>de</strong>r Zschopau), Wolkenstein<br />

und Scharfenstein (Drebach mit Herold, Gelenau mit Weißbach, Schönbrunn<br />

mit Wiesa, Wolkenstein mit Großolbersdorf, Mil<strong>de</strong>nau, Großrückerswal<strong>de</strong> mit Mauersberg<br />

und Arnsfeld mit Steinbach, Satzung, Grumbach und Jöhstadt) bil<strong>de</strong>ten einen<br />

<strong>de</strong>r vier Kreise jener Kirchenprovinz, das L a n d k a p i t e l (se<strong>de</strong>s) z u W o l k e n -<br />

s t e i n. <strong>Die</strong> <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong> selber aber hat anfänglich nicht nur eine politische,<br />

son<strong>de</strong>rn auch eine k i r c h l i c h e E i n h e i t dargestellt. <strong>Die</strong> Pfarrkirche <strong>de</strong>s ganzen<br />

Gebietes befand sich zu Kleinrückerswal<strong>de</strong>. Noch im J. 1495 wird dieselbe in <strong>de</strong>r Matrikel<br />

<strong>de</strong>s Meißner Bistums als Ruckerswal<strong>de</strong> prope Sleten mit einem Zins von 4 Mark<br />

Silber (etwa 16 Reichsmark) aufgeführt, wozu eine jüngere Hand vermerkt hat: Est filiatio<br />

cum Monte S. Anne facta 1514. 34 Am 8. Mai dieses Jahres verleibte sie nämlich<br />

<strong>de</strong>r Bischof Johann VI. (von Salhausen) <strong>de</strong>r Parochie <strong>de</strong>r hiesigen Annenkirche ein. 35<br />

Ihr ursprünglicher Bezirk <strong>de</strong>ckte sich, wie gesagt, mit <strong>de</strong>mjenigen <strong>de</strong>r weltlichen<br />

<strong>Herrschaft</strong>, d. h. die Kirchfahrt umfaßte neben Kleinrückerswal<strong>de</strong> die Orte G e y e r s -<br />

d o r f, Witzsdorf und Burg Wil<strong>de</strong>ck, Frohnau, Dörfel, Tannenberg (am Sauwal<strong>de</strong>) und<br />

H e r m a n n s d o r f. In <strong>de</strong>m ersten und letzten dieser sechs Dörfer aber stan<strong>de</strong>n K a -<br />

p e l l e n, die <strong>de</strong>r Kleinrückerswal<strong>de</strong>r Pfarrer wohl mit Hilfe eines Kaplans versorgte.<br />

36 <strong>Die</strong>jenige zu Hermannsdorf war <strong>de</strong>m Erzengel M i c h a e l geweiht, 37 und zu ihr<br />

hielten sich die Einwohner von D ö r f e l und von T a n n e n b e r g rechts <strong>de</strong>r Zschopau.<br />

Als dann eine Pfarrkirche an ihrer Stelle entstand und ein beson<strong>de</strong>res Kirchspiel<br />

sich von Kleinrückerswal<strong>de</strong> abson<strong>de</strong>rte, verblieben die genannten Nie<strong>de</strong>rlassungen<br />

mit Hermannsdorf zusammen. Erst im Jahre 1502, als Tannenberg links <strong>de</strong>r Zschopau<br />

(s. o.) durch die Bemühungen <strong>de</strong>s damaligen Rittergutsbesitzers, Matthäus von<br />

Reitzenstein, eine eigene Pfarrkirche erhielt, ist auch das Dorf auf <strong>de</strong>m gegenüberliegen<strong>de</strong>n<br />

Ufer zu ihrem Sprengel gezogen wor<strong>de</strong>n. Hermannsdorf selber scheint im J.<br />

1308 o<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>mselben ausgepfarrt wor<strong>de</strong>n zu sein, da <strong>de</strong>r Kirchensatz (Patronat)<br />

<strong>de</strong>m Kloster Grünhain zustand. Dasselbe wird dafür Sorge getragen haben, das ihm<br />

überlassene Dorf kirchlich selbständig und auch in dieser Hinsicht von seiner neuen<br />

Grundherrschaft abhängig zu machen. Zum e n g e r e n Sprengel <strong>de</strong>r Kleinrückerswal<strong>de</strong>r<br />

Kirche, die <strong>de</strong>r M a r i a gewidmet war, sind also außer <strong>de</strong>m Pfarrorte<br />

Witzsdorf und Frohnau zu rechnen. Letzteres hat merkwürdigerweise die alte K i r -<br />

m e s seiner früheren Mutterkirche beibehalten, 38 während das Pfarrdorf selbst die<br />

Feier um 14 Tage verschoben hat. Nach<strong>de</strong>m übrigens Kleinrückerswal<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Annaberger<br />

Parochie inkorporiert wor<strong>de</strong>n war, stand es ebenso wie Geyersdorf (Pfarrei: 1902<br />

34 N. Arch. f. Sächs. Gesch. XXII, 208. <strong>Die</strong> Mark ward zu 4 silbernen Groschen gerechnet.<br />

35 Richter, Chronik d. Bergstadt S. Annaberg. II, S. 9: „... atque parochiam in Ruckerswal<strong>de</strong> cum omnibus<br />

eius iuribus, proventibus et redditibus quibuscunque … ecclesie montis sancte Anne incorporamus“.<br />

36 <strong>Die</strong> Geyersdorfer Kapelle wur<strong>de</strong> 1508 von neuem erbaut.<br />

37 Sie stand auf <strong>de</strong>m 5. Gute unterhalb <strong>de</strong>r Pfarre.<br />

38 Im J. 1906 hat auch hier eine Verlegung stattgefun<strong>de</strong>n.<br />

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April 1.) in einem Filialverhältnis zur Hauptkirche, bis bei<strong>de</strong> 1540 (<strong>de</strong>finitiv 1555) wegen<br />

seelsorgerlicher Unzuträglichkeiten <strong>de</strong>r Hospitalkirche vor <strong>de</strong>n Mauern <strong>de</strong>r Stadt<br />

überwiesen wur<strong>de</strong>n. Nur Frohnau verblieb bei <strong>de</strong>r Hauptkirche bis auf <strong>de</strong>n heutigen<br />

Tag, vermutlich auf Begehr seiner Einwohner. So sind <strong>de</strong>nn an die Stelle <strong>de</strong>s e i n e n<br />

Pfarrsystems im Laufe <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>ren v i e r getreten.<br />

N a c h t r a g : Was die Grenze im Nor<strong>de</strong>n anlagt, so gehörten die D r e i -Güter, das<br />

P l a t t e n -, das N e u e , das W e i ß - und das P r a g e r -Gut wie auch die R i e s e n -<br />

b u r g zur Flur und Kirche von W i e s a. (Oesfeld, a. a. O. II, 208; Franz, a. a. O. S. 6).<br />

– Bemerkenswert ist ferner, daß <strong>de</strong>r S a u w a l d s e l b s t anfangs nach Kleinrückerswal<strong>de</strong><br />

pfarrte (Ziehnert, Kleine Kirchen- und Schulchronik <strong>de</strong>r Eph. Annaberg.<br />

S. 26), daß das S a u w a l d g u t nach Hermannsdorf, das Sauwald v o r w e r k nach<br />

Tannenberg kircht. (Alte Sächs. K. Gal. XII, 64. 168. Ziehnert, a. a. O. S. 193). Das<br />

G u t „Neu<strong>de</strong>ck“ gehört kirchlich nach Annaberg, das V o r w e r k gleichen Namens<br />

nach Tannenberg. – „Burckwal<strong>de</strong>“ tritt noch in einer Verschreibung <strong>de</strong>s Annaberger<br />

Pfarrers Wolfgang von Elterlein vom 5. Juni 1508 auf (Richter, a. a. O. II, 46) und erstreckte<br />

sich bis zum Galgenberge. (Ebenda S. 15.) Sein Dezem ward mit 3 Gul<strong>de</strong>n abgelöst.<br />

Der eben erwähnte Geistliche, <strong>de</strong>r mit seinem Familiennamen M e s s e r s c h m i d t<br />

hieß, bezeichnet sich in <strong>de</strong>r gedachten Urkun<strong>de</strong> „nhwmals als Besitzer solcher Pfarhen<br />

Ruckerswal<strong>de</strong>“. <strong>Die</strong> früheren Pfarrer von Kleinrückerswal<strong>de</strong> hatten nämlich in Burgwal<strong>de</strong><br />

„Tetzen an korn, habern und Gersten“ zu for<strong>de</strong>rn; er aber war ihr Rechtsnachfolger<br />

gewor<strong>de</strong>n. Denn Herzog Georg hatte in einem Vertrage, <strong>de</strong>n er zwischen <strong>de</strong>m<br />

Rate und <strong>de</strong>m Pfarrer von Annaberg am 20. Juli 1506 zustan<strong>de</strong> brachte, sich auch zu<br />

folgen<strong>de</strong>m anheischig gemacht: „Wir wollen auch, das in <strong>de</strong>r Confirmation vnd bestetigung<br />

beurter pfarren die Pfarre zu Ruckerswal<strong>de</strong> als ein F i l i a l <strong>de</strong>rselbigen pfarren<br />

uff sant Annaperg anhengig gemacht vnd eingeleybt, Auch dasselbige Filial durch <strong>de</strong>n<br />

Itzigen (Magister Wolfgang Messerschmidt) und zukunfftigen Pfarher mit aller notturft,<br />

wie das vormals gewest vnd herkhommen ist, genuglich soll versorget wer<strong>de</strong>n“.<br />

(Richter, a. a. O. S. 7f.) <strong>Die</strong> kirchliche Verbindung Kleinrückerswal<strong>de</strong>s mit Annaberg<br />

wür<strong>de</strong> also aus <strong>de</strong>n ersten Jahren <strong>de</strong>s Pfarrers Messerschmidt stammen, <strong>de</strong>r 1504<br />

sein Amt antrat; je<strong>de</strong>nfalls bestand sie bereits im J. 1506. Wir müssen nämlich wissen,<br />

daß seinerzeit Johannes G u t k ä s, Pfarrer zu Kleinrückerswal<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r interimistisch<br />

auch das Pfarramt zu Annaberg in <strong>de</strong>n Jahren 1497 und 1498 sowie 1501, d. h.<br />

vor und nach D. Pfennig, verwaltete, <strong>de</strong>r letzte v o r <strong>de</strong>r Einverleibung <strong>de</strong>r dortigen<br />

Pfarrkirche gewesen ist. Er sie<strong>de</strong>lte n i c h t nach Annaberg über, son<strong>de</strong>rn nach seinem<br />

To<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r wahrscheinlich zwischen 1504 und 1506 erfolgte, übernahm Mag. Messerschmidt<br />

zugleich seine Stelle. (Richter, a. a. O. S. 43f.) Aus Angaben <strong>de</strong>s<br />

Annaberger Pfarrers Z e i d l e r ergeben sich übrigens für die Dotierung <strong>de</strong>r Kleinrückerswal<strong>de</strong>r<br />

Pfarrstelle nachstehen<strong>de</strong> Posten: 39<br />

a) 1 Schock Acker- und Wisenzins, gefelt auf Michaelis;<br />

(NB. Es war dies die Pachtsumme für das Pfarrlehn; späterhin war dieselbe,<br />

etwas kleiner, zwischen <strong>de</strong>n Kirchen von Annaberg und Kleinrückerswal<strong>de</strong><br />

geteilt wor<strong>de</strong>n. Denn laut Matricul vndt Abschie<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Svperinten<strong>de</strong>ntz S. An-<br />

39 Vgl. Richter, a. a. O. S. 14f.<br />

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nabergk Anno 1539, 1555, 1575. Liber II, pg. 69a und 74a bezog die Kirche zu<br />

Annaberg:<br />

15 gr. Zinßgelt vom pfargut Ruckerßwal<strong>de</strong>, die Kirche <strong>de</strong>s letzteren Ortes<br />

hingegen:<br />

7 gr. 3 Pf. von 1 acker: Nickel Schuffenheuer;<br />

5 gr. von einer wisen: Chrisostomus Schutz;<br />

4 gr. von 1 stuck acker: Michael Schmied im Buchholtz;<br />

4 gr. von 1 stuck acker: Frantz Rue<strong>de</strong>l im Buchholtz;<br />

6 gr. von 1 acker: Christoff Uthmann;<br />

5 gr. von 1 acker: Jocoff Hertel;<br />

5 gr. von 1 acker: Bartel Zimerman;<br />

2 gr. von 1 acker: Hans Ebert.<br />

Summa Summarum also: 53 ¼ Groschen.)<br />

b) 2 fl. (Gul<strong>de</strong>n) Geltzinß vnd 15 gr. für <strong>de</strong>n Dezem von Fronaw;<br />

c) Der Dezem von <strong>de</strong>n Dörffern (Kleinrückerswal<strong>de</strong> und Geyersdorf) allensambt<br />

macht: 23 Scheffel 40 halb Korn, halb Habern<br />

(NB. In <strong>de</strong>r angeführten Matricul etc. Lib. II, pg. 73a sind unter <strong>de</strong>m Einkommen<br />

<strong>de</strong>s Annaberger Hospitalpfarrers angeführt:<br />

8 strich korn Decem zu Ruckerswaldt;<br />

10 strich haffer 3 metzen Decem zu Ruckerswaldt;<br />

12 strich 3 metzen korn Geiersdorff;<br />

12 strich 3 metzen haffer Geiersdorff.<br />

Summa Summarum also: 21 ½ Scheffel 1 Metze utriusque, nämlich Korn<br />

10 Schf. 3 M., Hafer 11 Schf. 6 M. Der Dezem hatte sich <strong>de</strong>mnach etwas<br />

verringert, und zwar in Kleinrückerswal<strong>de</strong>, weil die Annaberger dort etliche<br />

Güter ausgekauft hatten.)<br />

d) Es haben auch die Geiersdorffer gegeben 12 alte Schock, weil man ihn<br />

kun<strong>de</strong> einen Priester zuschicken; es ist aber nu gantz gefallen vnd bleibt<br />

itz gantz aus.<br />

(NB. <strong>Die</strong>se Steuer war dann wie<strong>de</strong>r „angeschafft“ wor<strong>de</strong>n und betrug laut<br />

<strong>de</strong>r Matricul etc. 1. c.<br />

3 ½ alt schs kirchgeld von Geiersdorff: aus ie<strong>de</strong>m haus 1 ½ gr.)<br />

Hierzu kam noch das Opfergeld aus <strong>de</strong>n drei Dörfern und jene 3 Gul<strong>de</strong>n vom Galgenberg,<br />

d. h. die Ablösung <strong>de</strong>s Burgwal<strong>de</strong>r Decems (s. o.). 41 Über die Lage dieser Wüstung<br />

berichtet uns noch Jenisius in seiner „Annaberger Geschichte“ II, 3 folgen<strong>de</strong>s:<br />

„Im J. 1506 wird die Flur, die a m F u ß e d e s P ö h l b e r g e s n a c h<br />

G e y e r s d o r f z u gelegen ist, da, wo heutzutage (1605) die Viehtrift sich befin<strong>de</strong>t,<br />

vom Volke „das wüste Dorff“ genannt, <strong>de</strong>r neugegrün<strong>de</strong>ten Stadt von Herzog Georg<br />

zur Bebauung überwiesen.“ Einige Zeilen weiter heißt es: „Ein Schwindler hatte behauptet,<br />

er grabe alte Münzen unter Felsen a m F u ß e d e s P ö h l b e r g e s aus,<br />

40 1 Scheffel = 2 Strich; 1 Strich = 8 Metzen.<br />

41 Richter, a. a. O. S. 15. oo S. 46. (Ich weiß aber kein Zins [sc. <strong>de</strong>r Ruckerswal<strong>de</strong>r] wenn vom Galgenperg<br />

3 fl.; … vor allen Tetzen, es seyn an korn, habern o<strong>de</strong>r gersten, [sc. in Burgwal<strong>de</strong>] … drey gul -<br />

<strong>de</strong>n ...)<br />

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und for<strong>de</strong>rte nun, nach<strong>de</strong>m er <strong>de</strong>n Bergmeister an die Stelle geführt hatte, allzu unverschämt<br />

für sich <strong>de</strong>n Anweis eines Geviert Fel<strong>de</strong>s. Der Beamte merkte <strong>de</strong>n betrügerischen<br />

Schwin<strong>de</strong>l <strong>de</strong>s Menschen und be<strong>de</strong>utete ihm, er solle eins b i s z u m<br />

G a l g e n ausgemessen erhalten, womit er ihm sachte zu verstehen gab, daß, wenn er<br />

nicht ablasse, er gehenkt wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Zu <strong>de</strong>rselben Zeit soll ein Kreuz (als Grenzzeichen)<br />

o b e r h a l b d e s O r t e s G e y e r s d o r f a m A b h a n g e d e s<br />

P ö h l b e r g e s da, wo sich die Viehtrift befin<strong>de</strong>t (s. o.) gestan<strong>de</strong>n haben.“ Hieraus erhellt,<br />

daß Burgwal<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r Witzsdorf entlang <strong>de</strong>r Annaberger Seite <strong>de</strong>s <strong>Pöhlberg</strong>es vom<br />

Galgenberge bis an die Geyersdorfer Flurgrenze sich erstrecke, daß also <strong>de</strong>n größten<br />

Teil seiner Gemarkung <strong>de</strong>r heutige Stadtpark be<strong>de</strong>ckt. Ebenso spricht die erste Bemerkung<br />

von Jenisius für das Jahr 1506 als <strong>de</strong>n Termin <strong>de</strong>r kirchlichen Einverleibung<br />

Kleinrückerswal<strong>de</strong>s nach Annaberg. Rein aus <strong>de</strong>r Luft gegriffen wer<strong>de</strong>n übrigens die<br />

Angaben jenes Schwindlers doch nicht gewesen sein; er mochte schon einige alte Münzen<br />

gefun<strong>de</strong>n haben – und zwar an <strong>de</strong>r früheren Stätte von Witzsdorf.<br />

Wenn nun Ziehnert (a. a. O. S. 10) von einer P a r o c h i e Witzdorf re<strong>de</strong>t, so hat er<br />

diesen Namen aus „Voitzdorff“, d. i. Voigtsdorf bei <strong>de</strong>r Stadt Sayda i. E., eine Kirchfahrt,<br />

die anfangs <strong>de</strong>r Ephorie Annaberg zugewiesen wur<strong>de</strong>. (Vgl. Matricul etc. Lib. I.<br />

pg. 14b, Nr. 36 und pg. XXXVIb; an <strong>de</strong>r ersteren Stelle ähneln freilich die Buchstaben<br />

<strong>de</strong>r Ziehnertschen Lesart.) 42<br />

Zu bemerken ist noch, daß man für Geyersdorf als Abart seiner Namensform auch<br />

„Heyersdorf“ fin<strong>de</strong>t. (Zuerst Matricul etc. Lib. III, pg. 118, 123: in einer Kirchrechnung<br />

vom J. 1560.) <strong>Die</strong>se Abart geht zurück auf eine volkstümliche Erklärung <strong>de</strong>s Dorfnamens,<br />

von <strong>de</strong>r uns auch Jenisius (a. a. O. I, 26b, 27a) berichtet. Er schreibt: „Hieran<br />

(d. i. an Wiesa) schließt sich Geyersdorf an, welches sich an <strong>de</strong>m Abhange <strong>de</strong>s<br />

<strong>Pöhlberg</strong>s auf <strong>de</strong>r Seite, wo er nach Osten hin blickt, und weiter herab bis zum<br />

(Pöhl-)Bache sich erstreckt, einst Heiersdorff genannt, will sagen „Dorf <strong>de</strong>r Häuer“.<br />

Denn, wie es heißt, bot es <strong>de</strong>nselben vor <strong>de</strong>r Gründung <strong>de</strong>r Stadt Unterkunft; daher<br />

erfreut sich <strong>de</strong>r Ort nicht geringer Freiheiten, die ihm Kurfürst Friedrich II. (d. i. <strong>de</strong>r<br />

Sanftmütige) 1468 (lies: 1458) 43 verlieh, wie eine Urkun<strong>de</strong> ausweist, welche die Einwohner<br />

bewahren.“<br />

<strong>Die</strong>se volkstümliche Erklärung hat aber genau soviel Wert wie die an<strong>de</strong>re, daß <strong>de</strong>r<br />

Name Geyersdorf daher rühre, weil die meisten Bergleute aus Geyer hierher gezogen<br />

seien.<br />

Übrigens befand sich nicht nur bei Geyersdorf ein Grenzwasser, namens „das<br />

scheidbechlein“, welches im Juli <strong>de</strong>s J. 1506 nebst einem Wäldchen am Pöhlbache<br />

Herzog Georg <strong>de</strong>r dortigen Gemein<strong>de</strong> überließ (Jenisius, a. a. O. II, 3a), son<strong>de</strong>rn auch<br />

bei Buchholz. Es schied das Gebiet dieser Stadt von <strong>de</strong>m <strong>de</strong>s Dorfes Frohnau, d. h. die<br />

<strong>Herrschaft</strong>en Schlettau und <strong>Pöhlberg</strong>. <strong>Die</strong>ser Schei<strong>de</strong>bach wird 1503 zuerst erwähnt:<br />

er kam vom Schottenberge herab und floß bei <strong>de</strong>r vor<strong>de</strong>ren Mühle in die Sehma, ist<br />

aber heute über<strong>de</strong>ckt. (Beitr. z. Gesch. d. Stadt Buchholz III, 58. Anm. 1). Der gleichnamige<br />

Geyersdorfer Bach trennte die <strong>Herrschaft</strong>en <strong>Pöhlberg</strong> und Wolkenstein. Wir<br />

erinnern hierbei noch an <strong>de</strong>n bereits 1371 in einem Lehnbriefe Kaiser Karls IV. erwähnten<br />

Schei<strong>de</strong>nbach (zwischen Mosel und Dennheritz), nach <strong>de</strong>m ein Wald und ein<br />

Dorf (Wüstung Scheibicht) hieß; er war damals die G r e n z e zwischen <strong>de</strong>m Schönburgischen<br />

und Wettinschen Gebiete, früher noch die N o r d g r e n z e <strong>de</strong>s Gaues<br />

42 Er folgt hierin übrigens Richter II, 16.<br />

43 Ziehnert, a. a. O. S. 25.<br />

17


Zwickau und t r e n n t heute noch die Amtshauptmannschaften Glauchau und<br />

Zwickau.<br />

Berichtigung zu S. 318 [S. 17 dieser Abschrift, G.S.]: Da Jenisius (vgl. z. B. II, 14b)<br />

das Wort „Galgen“ (gabalus) auch mit crux wie<strong>de</strong>rgibt, so kann n i c h t von einem<br />

Grenzkreuze die Re<strong>de</strong> sein, son<strong>de</strong>rn, was zugleich auch die mitgeteilte Geschichte fortsetzt,<br />

von <strong>de</strong>m G a l g e n. <strong>Die</strong>ser hatte also ursprünglich seinen Standort nach Geyersdorf<br />

zu. Der Abhang <strong>de</strong>s <strong>Pöhlberg</strong>es nach dieser Richtung hin trug <strong>de</strong>mnach damals<br />

(z. B. 1539) <strong>de</strong>n Namen „Galgenberg“. Es war die alte Richtstatt <strong>de</strong>r <strong>Herrschaft</strong> und<br />

<strong>de</strong>s Mühlamtes. Bf.<br />

Quelle: Mitteilungen <strong>de</strong>s Vereins für Geschichte von Annaberg und Umgegend, X. Jahrbuch, 2. Ban<strong>de</strong>s<br />

5. Heft, 1907, S. 298-320.<br />

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<strong>Die</strong> <strong>Herrschaft</strong> <strong>Pöhlberg</strong> o<strong>de</strong>r Wil<strong>de</strong>ck<br />

NB. <strong>Die</strong> Zschopau hieß früher in ihren einzelnen Strecken „Schleter Bach“, „Tannenberger Wasser“ und<br />

„Wiesner Wasser“. Ihr Gesamtname hat sich flußaufwärts verbreitet<br />

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