Harald Duwe - Stiftungen der Sparkasse Holstein
Harald Duwe - Stiftungen der Sparkasse Holstein
Harald Duwe - Stiftungen der Sparkasse Holstein
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong><br />
Graue Wand und an<strong>der</strong>e Realitäten.<br />
1
Wenn Kunst, insbeson<strong>der</strong>e in <strong>der</strong> abendländischen Tradition seit<br />
<strong>der</strong> Renaissance, „die Aneignung von Wirklichkeit d.h. beispielweise<br />
von Räumen, Personen und <strong>der</strong>en Handeln, Wirken und<br />
Wirkungen mit Mitteln <strong>der</strong> wie<strong>der</strong>gebenden Darstellung und<br />
Abbildung [...] bedeutet“, so kann man das künstlerische Werk<br />
von <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong> ohne weiteres in dieses Bezugsfeld einordnen.<br />
Mimesis d.h. Nachahmung des Sichtbaren ist dann Ziel und<br />
Problem zugleich: gilt es doch mit dem Erscheinungsbild durch<br />
das Oberflächenbild zum Wesen des Dargestellten zu gelangen.<br />
Eben: Bil<strong>der</strong> zu erzeugen, die in diesem Sinne überzeugen.<br />
<strong>Stiftungen</strong> <strong>der</strong> <strong>Sparkasse</strong> <strong>Holstein</strong><br />
<strong>Sparkasse</strong>n-Kulturstiftung Stormarn<br />
<strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong><br />
Graue Wand und an<strong>der</strong>e Realitäten.<br />
2 3
<strong>Stiftungen</strong> <strong>der</strong> <strong>Sparkasse</strong> <strong>Holstein</strong><br />
<strong>Sparkasse</strong>n-Kulturstiftung Stormarn<br />
4 5
Vorwort<br />
Kulturstiftung Stormarn<br />
Die Kulturstiftung Stormarn <strong>der</strong> <strong>Sparkasse</strong> <strong>Holstein</strong> präsentiert<br />
seit vielen Jahren Werke zeitgenössischer Künstler<br />
und Künstlerinnen in <strong>der</strong> historischen Stallhalle des<br />
Marstalls bei Schloss Ahrensburg. Über 33 Ausstellungen<br />
hat sie seit 2001 in <strong>der</strong> restaurierten Stallhalle gezeigt.<br />
Sie will damit einen wichtigen För<strong>der</strong>beitrag für Künstler<br />
und Künstlerinnen leisten und konnte einen inzwischen<br />
viel beachteten Ort für zeitgenössische Kunst konstituieren.<br />
Mit den Werken des am 15. Juni 1984 tödlich verunglückten<br />
<strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong> zeigt die <strong>Sparkasse</strong>n-Kulturstiftung<br />
eine künstlerische Position, die gerade wegen ihrer gesellschaftskritischen<br />
Aspekte bekannt wurde auf <strong>der</strong><br />
Grundlage eines unbestechlichen kritischen Blickes, <strong>der</strong><br />
Alltag sowie Protagonisten <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland<br />
erfasste.<br />
<strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong>, <strong>der</strong> in Stormarn lebte und hier sein Atelier<br />
hatte, gilt es 25 Jahre nach seinem Tod als Chronist seiner<br />
Zeit wie<strong>der</strong> o<strong>der</strong> erneut zu entdecken.<br />
Dazu soll die Präsentation im Kulturzentrum Marstall in<br />
Ahrensburg anregen.<br />
Unser großer Dank gilt dem Entgegenkommen <strong>der</strong> Familie<br />
<strong>Duwe</strong>, namentlich Heilwig <strong>Duwe</strong>-Ploog, ohne die<br />
das Ausstellungsprojekt nicht denkbar und realisierbar<br />
gewesen wäre.<br />
Mit dem Begleitkatalog zur Ausstellung will die <strong>Sparkasse</strong>n-Kulturstiftung<br />
Stormarn die Begegnung über die<br />
Ausstellung hinaus ermöglichen.<br />
Hier gilt unser spezieller Dank den Autoren Prof. Dr. Martin<br />
Deppner und Dr. Johannes Spallek sowie dem Grafiker<br />
Michel Magens.<br />
Landrat Klaus Plöger<br />
Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Sparkasse</strong>n-Kulturstiftung Stormarn<br />
Dr. Martin Lüdiger<br />
Stellvertreten<strong>der</strong> Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Sparkasse</strong>n-Kulturstiftung Stormarn<br />
2 Umschlag: Graue Wand II (Detail) | Öl auf Leinwand | 200 t 100 cm | 1968<br />
3
Wirklichkeit – gesehen durch ein Kunstwerk<br />
<strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong>s Realismus im Lichte <strong>der</strong> Farben<br />
I. Menschliche Asche<br />
Auf <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong>s Bil<strong>der</strong> ist viel zu sehen, so viel, dass oft<br />
übersehen wird, dass da noch mehr ist, als die sich aufdrängenden<br />
Motive, seien es die malträtierten und gefolterten<br />
Leiber in den Werken <strong>der</strong> sechziger Jahre o<strong>der</strong> die<br />
übersättigten, sich langweilenden Körper <strong>der</strong> siebziger,<br />
die im Wohlstandsmüll verkümmernden Kin<strong>der</strong> o<strong>der</strong> die<br />
Saturiertheit in den vollgestopften Wohnzimmern, die<br />
jedes Familienfest zu einem Trauerspiel werden lassen.<br />
<strong>Duwe</strong> hat mit diesen Bil<strong>der</strong>n ein Stück Kunstgeschichte<br />
geschrieben, das allerdings noch <strong>der</strong> Entdeckung bedarf.<br />
Denn <strong>Duwe</strong> steht für eine Kunst, die mit dem Etikett Realismus<br />
versehen, einen zu engen Rahmen erhielt. Zudem<br />
wurde seine an <strong>der</strong> Figuration orientierte Malerei<br />
in eine unbequeme Ecke gestellt, folgte sie doch nicht<br />
dem Mainstream <strong>der</strong> Avantgarde, son<strong>der</strong>n orientierte<br />
sich an <strong>der</strong> Tradition deutscher Kunst in <strong>der</strong> Verwandtschaft<br />
zur Neuen Sachlichkeit samt ihren kritischen Begleitern<br />
wie Otto Dix und George Grosz. Zuweilen sind<br />
die Vorbil<strong>der</strong> auch im Realismus des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts zu<br />
finden, Wilhelm Leibl und Gustave Courbet etwa wären<br />
zu nennen; auch ist Théodore Géricault von Bedeutung 1 .<br />
Gefährlich war diese Verwandtschaft vor allem dadurch,<br />
dass die Kunst <strong>der</strong> DDR sich zuweilen auf die gleichen<br />
Vorbil<strong>der</strong> berief, womit <strong>Duwe</strong> in eine von ihm keinesfalls<br />
geliebte Nachbarschaft gerückt wurde.<br />
Den Blick jener Zeit hatte die Kunstkritik auf eine Ost-<br />
West-Dualität festgelegt, in <strong>der</strong> die Nuancen verloren<br />
gingen. Erst die folgenreiche international ausgerichtete<br />
Ausstellung im Kunstverein Hamburg „Als guter Realist<br />
muss ich alles erfinden“(1978 / 79), an <strong>der</strong> <strong>Harald</strong><br />
<strong>Duwe</strong> mit fünf Gemälden teilnahm, lies erahnen, dass<br />
Figuration nicht den Ausschluss von Abstraktion und<br />
Komplexität bedeuten musste 2 . Auch Realismus als<br />
Kunstposition entwickelt sich an Ansprüchen, wie sie<br />
einer Wahrnehmungskonstellation in <strong>der</strong> medial aufgerüsteten<br />
Nachkriegsmo<strong>der</strong>ne entsprachen. Langsam<br />
rückte ins Bewusstsein, was bereits seit Kandinsky bekannt<br />
sein sollte, dass die Kunst <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne sich insgesamt<br />
wesentlich an den beiden Polen, Realismus und<br />
Abstraktion, orientierte und rieb 3 . Der Paradigmenwechsel,<br />
<strong>der</strong> im Realismus <strong>der</strong> Kunst eine Erfindung von Wirklichkeit<br />
sah, nicht dessen Wie<strong>der</strong>holung, lies in <strong>der</strong> Folge<br />
auch <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong>s Kunst in ein reflektierendes Licht<br />
rücken, obwohl es noch lange dauern sollte, bis ein von<br />
politischen Dogmen freier Blick die Gegenwartskünste<br />
neu zu sichten begann. Dies stellte sich vor allem nach<br />
dem Fall <strong>der</strong> Mauer und <strong>der</strong> damit einsetzenden neuen<br />
Bewertung <strong>der</strong> DDR Kunst ein, ein zuweilen kontrovers<br />
geführter Bil<strong>der</strong>streit, <strong>der</strong> bis heute andauert 4 .<br />
Zweifelsohne hat dieser Impuls eine Wende in <strong>der</strong> Beurteilung<br />
auch <strong>der</strong> traditionell wirkenden, auf das Tafelbild<br />
ausgerichteten Kunst eingeläutet. Zusätzlich tat sich ein<br />
weiteres Feld in <strong>der</strong> Betrachtung <strong>der</strong> Künste nach 1945<br />
auf, obwohl es immer einsehbar war und auch von <strong>Harald</strong><br />
<strong>Duwe</strong> nicht übersehen wurde. Die Rede ist von <strong>der</strong><br />
figurativen Tradition in <strong>der</strong> englischen Malerei, die mit<br />
Lucian Freud, David Hockney, Francis Bacon, Frank Auerbach,<br />
Leon Kossoff und R.B. Kitaj im Mainstream <strong>der</strong><br />
Kunst als individueller Son<strong>der</strong>weg betrachtet wurde,<br />
nicht aber als grundsätzliche Haltung 5 . Nicht von ungefähr<br />
hat sich <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong> in den sechziger Jahren in<br />
seinen Reaktionen auf die Enthüllungen <strong>der</strong> Auschwitzprozesse<br />
an den verknoteten und geschundenen Leibern<br />
in den Werken Francis Bacons orientiert 6 und sicherlich<br />
ist ihm ebenfalls nicht entgangen, dass in den siebzigern<br />
Jahren von London aus eine Debatte geführt wurde, die,<br />
als „Return to the Figurative“ 7 , von Kitaj und Hockney<br />
gestartet, schließlich in den achtziger Jahren zur Gründung<br />
einer „School of London“ führte, mit dem erklärten<br />
Ziel, die menschliche Asche als „human clay“ in den Bil<strong>der</strong>n<br />
Gestalt werden zu lassen 8 .<br />
II. Farbdramaturgien des Ausblicks<br />
Zur Neubewertung des Realismus in <strong>der</strong> westlichen<br />
Avantgarde gehört zum einen die Erkenntnis, dass Realisten<br />
des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts, wie Gustave Courbet, wesentliche<br />
Neuerungen vor allem durch den Einsatz <strong>der</strong><br />
Farbe erlangten und die inhaltlich besetzten Motive<br />
mit Farbmaterie und Pinselstruktur variantenreich zu<br />
untergraben bzw. zu verstärken verstanden 9 . Ein weiterer<br />
wichtiger Schritt war die Aufwertung des abgebildeten<br />
Gegenstandes in <strong>der</strong> Pop-art, <strong>der</strong> allerdings als ein<br />
medial gewendeter ins Bild trat, d.h. einer unmittelbaren<br />
Sinnlichkeit entzogen, künstlich gefärbt und von fotografischen<br />
wie filmischen Einstellungen zerlegt, hervorgehoben<br />
und „aufgeblasen“ 10 .<br />
Beide Spuren finden sich auch in den Werken <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong>s,<br />
die sowohl die Aufwertung <strong>der</strong> Farbe als Sinnträger<br />
erkennen lassen wie die Überlagerung <strong>der</strong> Realität durch<br />
die mediale Künstlichkeit spiegeln. <strong>Duwe</strong>s Strandbil<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> siebziger Jahre etwa zeugen von einer Zusammenführung<br />
des Erlebten und des medial Wahrgenommenen.<br />
Die zum Bildmotiv erhobene neu gewonnene Freizeit<br />
<strong>der</strong> Wohlstandsbürger etwa, beobachtet am Strand<br />
als neu eroberte Zonen des „süßen Lebens“, gerät in den<br />
Augen <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong>s nicht zum Erlebnis <strong>der</strong> Natur, son<strong>der</strong>n<br />
enthüllt sich als Poster des Stillstands. Alles ist erstarrt<br />
in Posen des Zeigens. Zugleich sind es Posen vor<br />
<strong>der</strong> Kamera, Einübungen für den medialen Blick. Plakative<br />
Farbigkeit entlarvt die Form <strong>der</strong> Selbstdarstellung<br />
als Reflex medialer Repräsentationen und wird doch<br />
zugleich von malerischer Kleinteiligkeit untergraben.<br />
Resultat: Die Menschen in <strong>der</strong> Sonne erkalten im schockgefrorenem<br />
Zustand werbestrategischer Bil<strong>der</strong> – zuweilen<br />
mischt sich in das Licht die Bläue <strong>der</strong> Dämmerung,<br />
als Atmosphäre aus einer an<strong>der</strong>en Zeit, eine ambivalente<br />
Perspektive erzeugend.<br />
Die gemalte Oberfläche operiert mit dem medial Verkommenen,<br />
gleichwohl ist eine Empörung im Geiste des<br />
Humanen auszumachen. Sie ist als Klage formuliert und<br />
in Farbe vorgetragen. So erdrücken die Fernsehmonitore<br />
in den vollgestopften Zimmern das kindliche Spiel im<br />
bläulichem Fernsehlicht (Familien-Weihnacht, 1980).<br />
Dieses überstrahlt die häusliche Tafel, kontaminiert die<br />
Lebensmittel. Zudem sind es die farbigen Muster <strong>der</strong><br />
Kleidung, die gemeinsam mit den drapierten Vorhängen<br />
die Fettleibigkeit als Dekor begleiten. Umformend<br />
tritt mittels Farbmodulation ins Bild, was die „Luft“ stickig<br />
und die Zeit bleiern werden lässt. Die Familienfeier<br />
4 5
(1974) zum Anlass des 7. Geburtstages eines im Bild nicht<br />
vorkommenden Kindes, hat die Familie samt Gästen in<br />
einer an<strong>der</strong>en Variante vor <strong>der</strong> übervollen Tafel ebenfalls<br />
zur Unbeweglichkeit verdammt. Der Kachelofen <strong>der</strong> Gemütlichkeit<br />
aus alten Tagen ist erkaltet, die Farben des<br />
Winters Grau, Blau, Weiß verdrängen die warmen Töne<br />
des üppigen Mahls. In einem an<strong>der</strong>en Beispiel wird das<br />
Leben beherrscht von den Tagesthemen (1982) einer Gesellschaft,<br />
die sich ihre Leitbil<strong>der</strong> aus dem Fernsehen holt<br />
und den Kin<strong>der</strong>n die Müllhalde aus den Verpackungen<br />
ihres Konsums hinterlässt 11 .<br />
Über diese apokalyptischen Bil<strong>der</strong> legt sich jedoch die<br />
Feinstufigkeit <strong>der</strong> Farben, die in den vorherrschenden<br />
blauen, zuweilen blaugrauen Tönen wie ein farbiges<br />
Licht ein eigenes ästhetisches Spiel vorantreibt. Die Gefrorenheit<br />
wechselt in eine Coolness, die durch den Farbfilter<br />
Distanz aufbaut und den erschreckenden Motiven<br />
die Kraft <strong>der</strong> Kunst entgegensetzt 12 .<br />
III. Feintonmalerei als ästhetisches Refugium<br />
Die Modulationen <strong>der</strong> Farbe sind es, die die Künstlichkeit<br />
in die Motive <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong>s einschreibt. Waren es<br />
im Frühwerk die Farbe aufrauhenden Pinselspuren, die<br />
die Figurationen und Landschaften in expressionistische<br />
Stimmungen versetzten, ihren Anspruch auf Unversehrtheit<br />
als Gefährdung ihrer Existenz kennzeichnend,<br />
so überwiegt in den Gemälden <strong>der</strong> siebziger und<br />
achtziger Jahre die Feintonmalerei. Die Dualität von Figur<br />
und Farbe ist dabei aus <strong>der</strong> Zeichnung entwickelt,<br />
die die Stratuarik wesentlich aus <strong>der</strong> Linie gewinnt und<br />
zugleich glättend wirkt. Die Linien <strong>der</strong> Körpereinfassungen<br />
korrespondieren auf diese Weise mit den feinen, zur<br />
Oberfläche gedehnten Farblinien, da beide Modalitäten<br />
die Kanten und schroffen Striche meiden. Die damit erreichte<br />
Planität verbindet sich mit einer Farblichtwirkung,<br />
wahrnehmbar als ein Eintauchen <strong>der</strong> Motive in<br />
ein gegenstandübergreifendes, farbiges Überblenden.<br />
Dieser Effekt emotionssteigern<strong>der</strong> Farbdramaturgie,<br />
<strong>der</strong> in den Spielfilmen <strong>der</strong> fünfziger und sechziger Jahre<br />
zur Anwendung gelangte 13 , ist zuvor bereits in den<br />
Gemälden von Philipp Otto Runge – so in den Morgen-<br />
Bil<strong>der</strong>n – angewandt worden, erstmalig und überdies<br />
von Runge selbst theoretisch begründet 14 . Farblicht und<br />
Gegenstandsfarbe werden als zwei Möglichkeiten des<br />
Farbeinsatzes begründet, die <strong>der</strong> Ikonographie des Motivs<br />
einen melodramatischen Effekt verleihen. Mittels<br />
<strong>der</strong> Einbeziehung dieser sowohl kunsthistorisch wie<br />
medienästhetisch wirksamen Farbinszenierung erreicht<br />
<strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong> eine ambivalente Anmutungsqualität, die,<br />
jenseits <strong>der</strong> Gesten und Haltungen, diese verän<strong>der</strong>nd<br />
und untergrabend, eine Aufwertung des Gefühls betreibt<br />
und somit weiterreichende Dimensionen erschließen<br />
hilft. Der Maler selbst spricht von einer „Feintonstufung“<br />
die seine „Pinselschrift“ begleitet 15 . Mit dem<br />
feinen Ton, dem seine Malerei zustrebt, deutet <strong>Harald</strong><br />
<strong>Duwe</strong> eine künstlerische Dimension an, die angesichts<br />
<strong>der</strong> Drastik seiner Motive aus dem Blickfeld geraten kann<br />
und deshalb bislang nicht zur Interpretation seiner Werke<br />
hinzugezogen wurde.<br />
<strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong> war nicht nur ein großer Wagnerianer, <strong>der</strong><br />
mitunter auch nach Bayreuth reiste und dieses Ereignis<br />
in dem Gemälde Bayreuth. Götterdämmerung (1979)<br />
festhielt, mit eigenem Konterfei. <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong> malte, so<br />
ist aus dem engsten Familienkreise bekannt, mit ständiger<br />
Musikbegleitung 16 . Neben Richard Wagner waren<br />
vor allem Anton Bruckner und Gustav Mahler seine Favoriten.<br />
Allein dieser Gegensatz, malend die Realität<br />
des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts mit seinen Problemzonen vor Augen<br />
– zugleich die feinen Töne einer hoch artifiziellen<br />
Musik aus <strong>der</strong> Epoche des Ästhetizismus hörend, muss<br />
eine Zusammenballung <strong>der</strong> Emotionen bewirkt haben,<br />
die die Gegensätze in eine spannungsgeladene Bildregie<br />
überleiten half. Wie bereits <strong>der</strong> Ästhetizismus des Fin de<br />
siècle als Reaktion auf eine durch Industriealisierung aus<br />
den Fugen geratene Welt zu interpretieren ist, als Schutz<br />
vor dessen Auswirkung und Suche nach einem Refugium<br />
zum Überleben in ästhetischen Dimensionen 17 , so<br />
erscheint die weit mehr aus den Fugen geratene Welt <strong>der</strong><br />
Nachkriegsmo<strong>der</strong>ne in den Werken <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong>s als<br />
Wirklichkeit, die durch ein Kunstwerk gesehen wurde<br />
und also solche noch erträglich ist. Darum <strong>der</strong> Einsatz<br />
<strong>der</strong> Farben als Instanz sinnlicher Opposition, darum die<br />
bis ins Detail verfolgten Farbklänge, die die Würde des<br />
Menschen selbst in seinen Abgründen zu retten bereit<br />
sind. Darum erscheinen die Bil<strong>der</strong> auch nicht eindimensional<br />
als eine Apokalypse <strong>der</strong> Menschheit, die aus den<br />
Folgen <strong>der</strong> eigenen Unzulänglichkeit und mangeln<strong>der</strong><br />
Selbstbescheidung <strong>der</strong> Genusssucht zum Opfer fällt.<br />
<strong>Duwe</strong>s Visionen des Untergangs sind Demonstrationen<br />
im Zwielicht. Was sich zuweilen über die Bil<strong>der</strong> zieht, die<br />
blauen Töne des Fernsehlichts, die auch mit dem Blau auf<br />
romantischen Gemälden korrespondieren, reibt sich an<br />
<strong>der</strong> Wirklichkeit, geht nicht in ein l´art pour l´art auf, das<br />
auf das losgelöst Ästhetische setzte. Dennoch beziehen<br />
die Bil<strong>der</strong> <strong>Duwe</strong>s daraus ihre Kraft. Sie beschwören diese<br />
europäische Tradition, die auch in den Bil<strong>der</strong>n <strong>der</strong> erwähnten<br />
Maler <strong>der</strong> „School of London“ von Bedeutung ist<br />
und <strong>der</strong>en Spannungsreichtum ausmacht. Damit ist ein<br />
Weg beschritten, <strong>der</strong> sich gegenüber einer radikalen Loslösung<br />
von <strong>der</strong> Tradition unterscheidet, also an<strong>der</strong>s ist,<br />
als jener <strong>der</strong> amerikanischen Avantgarde. Diese richtete<br />
sich als Geste <strong>der</strong> radikalen Freiheit gegen die Verwerfungen<br />
<strong>der</strong> europäischen Zivilisation, vornehmlich gegen<br />
<strong>der</strong>en Entgleisungen wie Weltkrieg und Holocaust.<br />
Die Wildheit des Antizivilsatorischen führte zu einem<br />
Anrühren <strong>der</strong> Ursuppe o<strong>der</strong> zu einer Tabula Rasa im Bild,<br />
so in den Drippings Jackson Pollocks o<strong>der</strong> in den radikalen<br />
Monochromien Barnett Newmans 18 .<br />
Das Scheitern <strong>der</strong> europäischen Aufklärung lies jedoch<br />
Künstler wie <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong> nicht ruhen, nach <strong>der</strong>en Ursachen<br />
zu fragen. Sein Blick fällt dabei auch auf die ästhetischen<br />
Versprechen <strong>der</strong> europäischen Kultur, beschwört<br />
<strong>der</strong>en Utopie, ohne ihre Gefahren zu übersehen.<br />
Aufgerichtet ist eine Kunst, die nicht aufgibt, in den<br />
Überlieferungen Reibungsfllächen für die Gegenwart zu<br />
entdecken. Diese neu ins Bild zu setzen erzeugt ein gebrochenes<br />
Licht <strong>der</strong> Farben, das auf eine Fährte des Überlebens<br />
weist, die in <strong>der</strong> Kunst selber liegt.<br />
Martin Roman Deppner<br />
1<br />
Zur Entwicklung <strong>der</strong> Kunst <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong>s vgl. Jens Christian Jensen (Hg.),<br />
<strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong> 1926 - 1984, München 1987, S. 15 – 33.<br />
2<br />
Vgl. Uwe M. Schneede (Hg.), Ausst.Kat. Als guter Realist muss ich alles erfinden.<br />
Internationaler Realismus heute, Kunstverein und Kunsthaus Hamburg<br />
1978 / 1979 , Stuttgart-Bad Cannstatt 1978.<br />
3<br />
Vgl. Wassily Kandinsky, Über die Formfrage, in: Wassily Kandinsky / Franz<br />
Marc (Hg.), Der Blaue Reiter. Dokumentarische Neuausgabe von Klaus Lankheit,<br />
München / Zürich 1989 (Erstausgabe 1912), S.143 und 147.<br />
4<br />
Vgl. Karl-Siegbert Rehberg / Paul Kaiser (Hg.), Das Ende des Bil<strong>der</strong>streits. Die<br />
Debatte um die Kunst aus <strong>der</strong> DDR, Berlin 2010.<br />
5<br />
Vgl. Susan Compton (Hg.), Englische Kunst im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t. Malerei und<br />
Plastik, Ausst.Kat. Royal Academy of Arts, London / Staatsgalerie Stuttgart<br />
1987, München 1987<br />
6<br />
Vgl. Uwe Haupenthal, Wahrnehmen ist für mich eine geistige Leistung.<br />
Anmerkungen zur Malerei <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong>s, in: Uwe Haupenthal (Hg.) <strong>Harald</strong><br />
<strong>Duwe</strong>. Werke aus fünf Jahrzehnten, Ausst.Kat. Museumsverband Nordfriesland<br />
Schloss vor Husum 2006, Dresden 2006, S.26.ff.<br />
7<br />
„R.B. Kitaj and David Hockney Discuss the Case for a Return to the Figurative.“<br />
The New Review 3.34-35 (January-February 1977): 75-77.<br />
8<br />
Vgl. Alistair Hicks, The School of London the resurgence of contemporary<br />
painting, Oxford 1989, S. 32ff.<br />
9<br />
Vgl. Klaus Herding, Farbe und Weltbild. Thesen zu Courbets Malerei, in: Werner<br />
Hofmann in Verbindung mit Klaus Herding (Hg,): Courbet und Deutschland.<br />
Ausst.Kat. Hamburger Kunsthalle / Städtische Galerie Frankurt am<br />
Main 1978, Köln 1978, S. 478-492.<br />
10<br />
Vgl. Marco Livingstone (Hg.), Pop Art, Ausst.Kat. Museum Ludwig Köln 1992,<br />
München 1992.<br />
11<br />
Vgl. Werner Hofmann, Tagesthemen, in: Jens Christian Jensen (Hg.), <strong>Harald</strong><br />
<strong>Duwe</strong> 1926 - 1984, München 1987, S. 229-230.<br />
12<br />
In diesem Sinne wurde durch die Ausstellung „Birth of the Cool“ eine Neuinterpretation<br />
<strong>der</strong> amerikanischen Kunst nach 1945 eingeleitet, Vgl. Bice Curiger,<br />
Birth of the Cool. Amerikanische Malerei von Georgia O´Keeffe bis Christopher<br />
Wool, Ausst.Kat. Deichtorhallen Hamburg / Kunsthaus Zürich 1997,<br />
Ostfil<strong>der</strong>n-Ruit bei Stuttgart, 1997.<br />
13<br />
Vgl. Martin Roman Deppner, „motion is emotion“, in: Anna Zika (Hg.), the moving<br />
image. Beiträge zu einer Medientheorie des bewegten und bewegenden<br />
Bildes, Weimar 2004, S. 90-110.<br />
14<br />
Vgl. Jörg Träger, Philipp Otto Runge. Die Hülsenbeckschen Kin<strong>der</strong>. Von <strong>der</strong> Reflexion<br />
des Naiven im Kunstwerk <strong>der</strong> Romantik, Reihe Kunststück herausgegeben<br />
von Klaus Herding, Frankfurt am Main 1987, S. 23 -32. Vgl. Lorenz Dittmann:<br />
Farbgestaltung und Farbtheorie in <strong>der</strong> abendländischen Malerei,<br />
Darmstadt 1987, S. 33O ff.<br />
15<br />
„... wenn man den höchsten Grad <strong>der</strong> Realität ... erreichen will, lässt sich das ...<br />
auf verschiedene Arten herstellen. Feintonstufung o<strong>der</strong> eben Pinselschrift“.<br />
<strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong> im Gespräch mit Armin R. Schreiber, 1973, in: Jens Christian Jensen<br />
(Hg.), <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong> 1926 - 1984, München 1987, S. 13.<br />
16<br />
So die Tochter des Künstlers, Katharina <strong>Duwe</strong>, im Gespräch mit dem Autor.<br />
17<br />
„ – denn nur als aesthetisches Phänomen ist das Dasein und die Welt ewig<br />
gerechtfertigt“, Friedrich Nietzsche, Die Geburt <strong>der</strong> Tragödie (1871), in Friedrich<br />
Nietzsche, Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe in 15 Einzelbänden,<br />
herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, München 1988,<br />
S. 47.<br />
18<br />
Vgl, Gottfried Boehm, Die Epiphanie <strong>der</strong> Leere. Barnett Newmans Vir heroicus<br />
sublimis, in: Eckhard Nordhofen (Hg.), Bil<strong>der</strong>verbot: Die Sichtbarkeit des<br />
Unsichtbaren, Pa<strong>der</strong>born 2001, S. 39-57.<br />
6 7
Eine sehr subjektive Sicht?<br />
Vor über 25 Jahren, am 15. Juni 1984, verunglückte <strong>Harald</strong><br />
<strong>Duwe</strong> tödlich auf <strong>der</strong> B 404 in <strong>der</strong> Höhe von Tremsbüttel<br />
im Kreis Stormarn. Er fuhr von seiner Arbeit an <strong>der</strong><br />
Muthesius-Fachhochschule in Kiel mit dem Auto zurück<br />
nach Großensee, wo er seit 1951 wohnte. Hier errichtete<br />
er ein Atelierhaus, das er bis zum Jahre 1979 ständig,<br />
auch für seine wachsende Familie erweiterte. Der Unfalltod<br />
beendete je einen künstlerischen Lebenslauf, <strong>der</strong><br />
in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts große<br />
öffentliche, nicht überall zustimmende Aufmerksamkeit<br />
erfahren hatte und im Jahr 1970 mit dem Edwin-Scharff-<br />
Preis <strong>der</strong> Freien und Hansestadt Hamburg und im Jahr<br />
1981 mit dem Kulturpreis <strong>der</strong> Landeshauptstadt Kiel öffentliche<br />
Anerkennung fand.<br />
<strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong> vertrat eine künstlerische Position, die<br />
wegen ihrer gesellschaftskritischen Aspekte Aufsehen<br />
erregte, und die ihn als kritischen Beobachter und engagierten<br />
Moralisten bekannt machten. Der malende Chronist<br />
erfasste mit unbestechlichem Blick Alltag, politische<br />
Aktionen sowie Protagonisten seiner deutschen bundesrepublikanischen<br />
Wirklichkeit. Er war Chronist einer<br />
aus heutiger Sicht an<strong>der</strong>en Zeit, ein engagierter Streiter<br />
für die Sozialdemokratische Partei Deutschland Willy<br />
Brandts (gemeinsam mit Günter Grass, Klaus Staeck u.a.).<br />
Heute wird sein Werk selten und kaum präsentiert, obwohl<br />
es sicher eines <strong>der</strong> interessantesten künstlerischen<br />
Positionen <strong>der</strong> bundesrepublikanischen Wohlstandsgesellschaft<br />
sowie <strong>der</strong> aufregenden Aufbruchszeiten um<br />
die 1968er war. Ebenso wie nach 20 Jahren Wie<strong>der</strong>vereinigung<br />
die alte Bundesrepublik fast schon „vergessen“<br />
zu sein scheint, so könnte man im heutigen Kunstbetrieb<br />
<strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong> ebenso als „fast Vergessenen“ bezeichnen.<br />
Auch wenn auf den ersten Blick die Bundesrepublik<br />
Deutschland des Jahres 2010 mit <strong>der</strong> alten Bundesrepublik<br />
<strong>der</strong> 68er Jahre und 1970er Jahre nur noch wenig zu<br />
tun hat, <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong>s künstlerisches Werk lohnt eine<br />
nähere Betrachtung. Er war ein Vertreter <strong>der</strong> Generation,<br />
die durch den Krieg ihr Elternhaus verloren und um ihre<br />
Jugend betrogen wurde. Geboren wurde er am 28.01.1926<br />
in einem Hamburger Arbeiterviertel, in Hamburg-Rothenburgsort.<br />
Seine Mutter Elsa Nieland war die Tochter<br />
eines Drechslermeisters. Sein Vater Hans <strong>Duwe</strong> besaß<br />
ein Fuhrgeschäft. Nach <strong>der</strong> Realschulreife 1942 ging <strong>Harald</strong><br />
<strong>Duwe</strong> zur Lehre als Lithograf in <strong>der</strong> Kunstdruckerei<br />
Mühlmeister und Johler in Hamburg. Die Lehre unterbrach<br />
<strong>der</strong> Reichsarbeitsdienst. Bei dem großen Bombenangriff<br />
„Gomorrha“ auf Hamburg wurde 1943 zusammen<br />
mit an<strong>der</strong>en sein Stadtviertel Rothenburgsort zur Feuerhölle<br />
und total verwüstet und somit auch sein Elternhaus<br />
zerstört. <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong> setzte seine Lehre vom März<br />
bis August 1944 in Leipzig fort. Auch hier verfolgte ihn<br />
<strong>der</strong> Krieg, er musste die ersten schweren Bombenangriffe<br />
auf Leipzig miterleben.<br />
Als Kriegseinsatz musste er zur Pilotenausbildung bei<br />
<strong>der</strong> deutschen Luftwaffe, allerdings blieben ihm Kampfeinsätze<br />
an <strong>der</strong> Front erspart. Nach <strong>der</strong> Entlassung aus<br />
amerikanischer Kriegsgefangenschaft beendete er die<br />
Lithografielehre und erhielt seinen Gesellenbrief.<br />
Es folgte von 1945 bis 1950 das Kunststudium an <strong>der</strong> Landeskunstschule,<br />
<strong>der</strong> späteren Hochschule für Bildende<br />
Künste in Hamburg. Seine Lehrer waren Wilhelm Grimm<br />
und Erich Hartmann.<br />
Stipendien im Wintersemester 1948 und im Sommersemester<br />
1949 für das Studium an <strong>der</strong> Königlichen Akademie<br />
in Stockholm sind höchst willkommen, bedeuten sie<br />
auch <strong>der</strong> Not in Deutschland für kurze Zeit den Rücken<br />
kehren zu können. Nach Beendigung des Studiums arbeitet<br />
<strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong> als freischaffen<strong>der</strong> Künstler.<br />
Im April 1965 dann die erste Einzelausstellung im Marburger<br />
Kunstverein. 1968 zeigte das Schleswig-<strong>Holstein</strong>ische<br />
Landesmuseum Schloß Gottorp in Schleswig die<br />
Ausstellung „<strong>Duwe</strong>-Engler-Schäuble“, in <strong>der</strong> wichtige<br />
Werke <strong>Duwe</strong>s zu sehen sind.<br />
1969 wurde er Mitglied <strong>der</strong> Sozialdemokratischen Partei<br />
Deutschlands. Ein Jahr später erhielt er, wie bereits bemerkt,<br />
den Edwin Scharff-Preis <strong>der</strong> Stadt Hamburg.<br />
1975 erfolgte die Berufung als Dozent am Fachbereich für<br />
Gestaltung <strong>der</strong> Fachhochschule Kiel (Muthesius-Schule),<br />
wo er als Lehrer einer Malklasse tätig war. Gelang ihm<br />
Ende <strong>der</strong> 60er Jahre <strong>der</strong> Durchbruch zur öffentlichen<br />
Aufmerksamkeit, was mit <strong>der</strong> Verleihung des Edwin<br />
Scharff-Preises im Jahre 1970 in Hamburg deutlich wird,<br />
so erfuhr er in dem nachfolgenden Jahrzehnt verstärkt<br />
öffentliche Anerkennung, was 1981 mit <strong>der</strong> Verleihung<br />
des Kulturpreises <strong>der</strong> Landeshauptstadt Kiel unterstrichen<br />
wird.<br />
Als <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong> in die SPD eintrat, galt die Losung „Willy<br />
wählen!“, die deutsche Teilung war durch den Eisernen<br />
Vorhang scheinbar auf Ewigkeit zementiert, <strong>der</strong><br />
Ost-West-Konflikt auf seinem Höhepunkt, überall entstanden<br />
jede Menge linker Gruppen, in Vietnam tobte<br />
<strong>der</strong> Krieg.<br />
Wenn heute die Sprache denn auf <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong> kommt,<br />
geht es vielfach primär nicht um seine Kunst und seine<br />
Bil<strong>der</strong>, son<strong>der</strong>n viele erinnern sich an sein Engagement, an<br />
seine kritischen Darstellungen <strong>der</strong> gesellschaftlichen Wirklichkeit.<br />
(Hierzu siehe den Beitrag von Martin Deppner.)<br />
Eines <strong>der</strong> herausragenden Ereignisse, das das kollektive<br />
Bewusstsein <strong>der</strong> Bundesrepublik erschütterte, waren die<br />
Auschwitz-Prozesse in den 60er Jahren gegen Angehörige<br />
<strong>der</strong> SS-Mannschaft dieses Terror- und Vernichtungslagers,<br />
das Teil <strong>der</strong> großen Unrechts- und Vernichtungsmaschinerie<br />
<strong>der</strong> nationalsozialistischen Gewaltherrschaft<br />
war. Die Prozesse brachten unvorstellbare schreckliche<br />
Einzelheiten zutage, die in den Berichten <strong>der</strong> Zeitungen,<br />
des Hörfunks und des Fernsehens veröffentlicht, weltweit<br />
Entsetzen und moralisches Verurteilen hervorriefen.<br />
Augenzeugen, Fotografien und Originaldokumente<br />
zeigten grauenhafte Handlungen, die jeden humanen<br />
Standpunkt verleugneten. <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong>, <strong>der</strong> den zweiten<br />
Auschwitz-Prozess im Jahre 1966 in Paris mitverfolgte,<br />
erklärte 1983: „Zu <strong>der</strong> Zeit war (für mich) ganz wesentlich<br />
<strong>der</strong> Auschwitz-Prozess, <strong>der</strong> tief in mein Bewusstsein<br />
eindrang und das Grundthema anschlug: was machen<br />
Menschen mit Menschen?“ (Zitat nach Hanna Peters, <strong>Harald</strong><br />
<strong>Duwe</strong> und <strong>der</strong> Auschwitz-Prozess, in <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong>,<br />
Werke aus 5 Jahrzehnten, 2006, Seite 39).<br />
<strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong> setzte sich intensiv mit dem Gegenstand<br />
und dem Thema auseinan<strong>der</strong> und schuf innerhalb kürzester<br />
Zeit rd. 50 Bil<strong>der</strong>. Die Auseinan<strong>der</strong>setzung kulminierte<br />
in dem 4-teiligen Hauptwerk, die Graue Wand<br />
(Werkverzeichnis 349 – 352). Der von ihm gegebene Titel,<br />
„Graue Wand“, ist in seiner lakonischen Art sicherlich bewusst<br />
gewählt, wenn er auch für den einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />
8 9
10 Verleihung des Kulturpreises <strong>der</strong> Landeshauptstadt Kiel | 1981<br />
Selbst mit Hand vor Augen | Lithographie | 20,5 t 18,5 cm | 1972 11
missverständlich o<strong>der</strong> irreführend sein dürfte. Ein Unbedarfter<br />
dürfte bei dem Titel eher an eine monochrome<br />
Malerei denken, die reine malerische Subtilität verspricht<br />
(Abbildung Seite 12 und Seite 13). <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong><br />
zeigt uns aber das schockierende Bild von geschundenen<br />
Körpern, gefolterten Menschen, die an Eisenstangen aufgehängt,<br />
mit starken harten Seilen verknotet, wie Pakete<br />
verschnürt, brutale Spuren von Folter und Misshandlungen<br />
aufweisen, unmenschliche Schmerzen ertragen haben<br />
müssen, mehrere Leiber kopfüber hängend mit austretenden<br />
Gedärmen o<strong>der</strong> blutenden Wunden, die von<br />
unmenschlichem Leid zeugen, Anblicke die schockieren<br />
und nach Empathie für ihren Schmerz rufen. <strong>Harald</strong><br />
<strong>Duwe</strong> zwingt uns mit seiner unerbittlichen Darstellung<br />
<strong>der</strong> geschundenen Leiber einen Blick auf die menschenverachtende<br />
Todesmaschinerie <strong>der</strong> Nationalsozialisten<br />
zu werfen. Damit macht er sich zum moralischen Chronisten<br />
und Ankläger <strong>der</strong> Nazigräuel, <strong>der</strong> dem von manchem<br />
nur allzu gern Verdrängten seine eigene Realität<br />
gibt. Auch wenn <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong> selbst natürlich kein unmittelbarer<br />
Augenzeuge war.<br />
Die Kraft seiner malerischen Intensität steigert er durch<br />
ein gespenstisches kaltes Licht, das die Schatten <strong>der</strong> geschundenen<br />
Leiber auf die graue Wand zeichnet und in<br />
<strong>der</strong> durchdachten und auf äußerste durchkomponierten<br />
Farbigkeit und <strong>der</strong> Plastizität <strong>der</strong> Körper ihre menschliche<br />
Würde erahnen lässt. Die Farbpalette ist minutiös<br />
gestaltet von schwefelgelb o<strong>der</strong> schwarzbraun, von leichenweiß<br />
bis grünlich und bläulichgrau. Auffallend sind<br />
die plastisch stark hervorgehobenen Füße, die im Kontrast<br />
zu den durch Folter und Schläge amorphen Flächen<br />
stehen.<br />
Zu dem Bild Graue Wand II, gibt es eine Studie in schwarzer<br />
und farbiger Kreide, die das Kompositionsschema<br />
deutlich werden lässt. Ein an seinen Händen aufgehängter<br />
männlicher Körper, <strong>der</strong> mit den Beinen verknotet<br />
schwer mit seinem Eigengewicht lastet (Abbildung Seite<br />
17). In <strong>der</strong> Grafik, <strong>der</strong> die Plastizität und die farbige Komposition<br />
fehlen, wird die Nähe <strong>der</strong> Körperkomposition zu<br />
gotischen Kreuzigungsdarstellungen spürbar. Als ein Beispiel<br />
sei erinnert an die Kreuzigungsszene von Matthias<br />
Grünewald im Isenheimer Altar, wo die detailgenaue<br />
Abbildung <strong>der</strong> Leiden bewusstes Bildprogramm war<br />
und zur „compassio“, zum Mitleiden bei den Betrachtern<br />
und Betrachterinnen führen sollte. Mit an<strong>der</strong>en Worten:<br />
Bei <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong> schwingt das Bildmotiv des am Kreuz<br />
Leidenden <strong>der</strong> großen abendlichen christlichen sakralen<br />
Tradition mit bei <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung <strong>der</strong> politischen<br />
profanen Wirklichkeit von Terrorherrschaft im 20.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>t.<br />
In dieser Zeit beschäftigte <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong> sich weiter mit<br />
<strong>der</strong> Vernichtungsmaschinerie <strong>der</strong> Nationalsozialisten, so<br />
in dem Gemälde Lager, entstanden 1967, das ausgemergelte<br />
Insassen eines Konzentrationslagers zeigt, die von<br />
<strong>der</strong> Kraft zehrenden Arbeit im Lagerleben zeugen, ein<br />
erzwungenes zur gänzlichen Apathie <strong>der</strong> Geschundenen<br />
führendes, menschenunwürdiges Leben. Ein Appell an<br />
die Empathie <strong>der</strong> Betrachter.<br />
Ein weiteres Hauptwerk dürfte Der Trommler sein, ein<br />
Triptychon, das die Verführung und Verblendung <strong>der</strong> Jugend<br />
beispielhaft an einem HJ-Jungen vor Augen führt,<br />
<strong>der</strong> unter <strong>der</strong> Aufsicht eines feisten Mannes in brauner<br />
Uniform im ersten Bild des Triptychons Schießunterricht<br />
erhält, im Mittelteil seine Trommel zu einer standrechtlichen<br />
Erschießung schlägt, im dritten Bildteil, dem<br />
Abschlussbild, eine völlig zerstörten Stadtlandschaft<br />
zeigt, in <strong>der</strong>en Ruinen sich das grauenhafte Bild eines<br />
erschlagenen Brandopfers findet, und ein Einzelner mit<br />
Bollerwagen seinen Weg des Überlebens in dieser apokalyptischen<br />
Umgebung zu finden sucht (im Bestand des<br />
Kunstmuseums in Utrecht).<br />
In diesen Jahren nimmt <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong> auch Stellung zum<br />
Vietnam-Krieg. Beispielhaft sei auf das Gemälde hingewiesen<br />
Noch immer Krieg, entstanden 1969, das ein verwundetes<br />
unschuldiges Kind als Opfer zeigt, dem eine<br />
behütete unbeschwerte Kindheit gestohlen wird, wie<br />
ein Plakatausriss im Hintergrund des Bildes als verlorene<br />
Utopie erahnen lässt.<br />
Und noch – o<strong>der</strong> wie<strong>der</strong> – 1982 zeichnet <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong><br />
Bombenopfer (Abbildung Seite 26 und 27). Das traumatische<br />
und kindheitsprägende Erlebnis <strong>der</strong> Zerstörung von<br />
Hamburg-Rothenburgsort dürfte <strong>der</strong> Katalysator für die<br />
Haltung sein, die davon spricht, wir dürfen dieses Gräuel<br />
und dieses Unrechtssystem niemals vergessen. Unrecht<br />
o<strong>der</strong> Menschenwürde mit Füssen treten wird dann möglich,<br />
wenn gegen menschenverachtende Politik nicht<br />
Wi<strong>der</strong>stand geleistet wird. So finden sich im Werk von<br />
<strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong> immer wie<strong>der</strong> auch Bil<strong>der</strong> von zivilem Protest<br />
z.B. von Demonstrationszügen, so aus dem Jahre 1974<br />
(Abbildung Seite 33) <strong>der</strong> Demonstrationszug (Rote Zelle<br />
Kunst) o<strong>der</strong> die Friedensdemonstration (mit Totenkopf)<br />
aus dem Jahre 1982.<br />
Ein weiteres großes Feld für <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong> war seine Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />
mit <strong>der</strong> Wohlstandsgesellschaft <strong>der</strong><br />
Bundesrepublik und ihrem Freizeitverhalten. Beispielhaft<br />
hierfür stehen die Bil<strong>der</strong> Ein Platz an <strong>der</strong> Sonne –<br />
Kind mit Schaufel aus dem Jahre 1979 o<strong>der</strong> Studie für<br />
ein Denkmal am Strand, entstanden 1968, o<strong>der</strong> Kind am<br />
Strand mit Mercedes, aus dem Jahre 1972 sowie Wohnwagen,<br />
1969 / 1970 entstanden. Hierin hält <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong><br />
einer selbstgefälligen und satten Gesellschaftsschicht<br />
einen Spiegel vor, die dumm vor sich hin zu vegetieren<br />
scheint und in „Luxusgütern“ wie einem hochklassigen<br />
Pkw o<strong>der</strong> einem voluminösen Wohnwagen stolze Standesbekundungen<br />
vorführt. Mit dem Titel „Ein Platz an<br />
<strong>der</strong> Sonne“ greift <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong> das Motto einer großen<br />
bundesweiten Lotterie auf, die benachteiligten Kin<strong>der</strong>n<br />
zumindest in <strong>der</strong> Urlaubszeit einige unbeschwerte Tage<br />
in frischer und freier Natur möglichst an ausgewählten<br />
guten Plätzen ermöglichen soll. Das Bild von <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong><br />
zeigt jedoch, wie ein Kind am Abfall <strong>der</strong> Überflussgesellschaft<br />
von ursprünglicher Natur entfernt wird und durch<br />
den achtlos verteilten Abfall unmittelbar bedroht ist.<br />
Wie sehr <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong> individuelle Lebensläufe bedingt<br />
durch gesellschaftliche Konventionen, Schranken und<br />
Bedingungen empfunden hat, zeigt sein 4-teiliges Gemälde<br />
Liebe, eine ganz alltägliche Geschichte, in <strong>der</strong><br />
er anstelle <strong>der</strong> normalerweise romantischen Sicht die<br />
Entwicklung einer Paarbeziehung in vier Teil-Bil<strong>der</strong>n<br />
und damit vier Lebensstationen nüchtern seziert: ein<br />
nacktes junges Liebespaar am Strand, ein Hochzeitspaar<br />
mit weißer Braut und Bräutigam in Ausgehuniform mit<br />
Festgesellschaft, ein wohlsituiertes Paar in mittleren<br />
Jahren mit einem kleinen Kind in einem gutbürgerlichen<br />
konventionell opulent ausgefüllten Wohnzimmer sowie<br />
einer sich auf ein Bett stützenden von Alter geduckten<br />
allein lebenden alten Frau.<br />
Und schließlich nimmt <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong> stets auch immer<br />
wie<strong>der</strong> Familienidyllen und Feiern detailgenau und gnadenlos<br />
in ihrem seelenlosen Konformismus ins Visier,<br />
so bei dem Gemälde Sonntagnachmittag, entstanden<br />
1956 – 1960, (im Bestand <strong>der</strong> Hamburger Kunsthalle, Abbildung<br />
Seite 44) o<strong>der</strong> Familienfeier, entstanden 1974 (im<br />
Bestand vom Haus <strong>der</strong> Geschichte in Bonn, Abbildung<br />
Seite 45).<br />
Wenn Kunst insbeson<strong>der</strong>e in <strong>der</strong> abendländischen Tradition<br />
seit <strong>der</strong> Renaissance und beson<strong>der</strong>s in Deutschland<br />
intensiv z.B. seit Albrecht Dürer und dann auch im 19.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>t „die Aneignung von Wirklichkeit d.h. beispielweise<br />
von Räumen, Personen und <strong>der</strong>en Handeln,<br />
Wirken und Wirkungen mit Mitteln <strong>der</strong> wie<strong>der</strong>gebenden<br />
Darstellung und Abbildung – nach bestimmten formalen<br />
Regeln wie Zentralperspektive, Farbkompositionen,<br />
Licht- und Schattenspiel, ikonographischen Programmen<br />
– bedeutet“, so kann man das künstlerische Werk<br />
von <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong> ohne weiteres in dieses Bezugsfeld<br />
einordnen. Mimesis d.h. Nachahmung des Sichtbaren<br />
ist dann Ziel und Problem zugleich: gilt es doch mit dem<br />
Erscheinungsbild durch das Oberflächenbild zum Wesen<br />
des Dargestellten zu gelangen. Eben: Bil<strong>der</strong> zu erzeugen,<br />
die in diesem Sinne überzeugen.<br />
Johannes Spallek<br />
Bad Oldesloe im Oktober 2010<br />
12 13
14 Graue Wand I-IV | Öl auf Leinwand | 200 t 100 cm | 1968<br />
15
16 Graue Wand, Am Balken hängen<strong>der</strong> Gefolteter | Kohle, schwarze und farbige Kreiden | 61,1 t 43 cm | 1966<br />
17
18 Lager | Öl auf Leinwand | 130 t 180 cm | 1967 | im Bestand vom schleswig-holsteinischen Landesmuseum Schloß Gottorp<br />
19
Der Trommler (Triptychon, Öl auf Leinwand) | 1982 | Hedendaagse Konst, Utrecht:<br />
Schießuntericht (150 t 100 cm) | Der Trommler (180 t 160 cm) | Ende (150 t 100 cm)<br />
20 Folgende Seite: Der Trommler (Details)<br />
21
22 23
24 Noch immer Krieg | Öl auf Leinwand | 130 t 100 cm | 1969<br />
25
26 Bombenopfer | Schwarze Kreide und Kohle | 60 t 80,1 cm | 1982<br />
Brandopfer | Öl auf Leinwand | 130 t 200 cm | 1982 27
28 Trümmer | Schwarze Kreide | 82 t 60 cm | 1983<br />
Friedensdemonstranten | schwarze, weiße und farbige Kreiden, Buntstift | 80,1 t 59,9 cm | 1982 29
30 Demonstration mit Friedenstaube | schwarze und farbige Kreiden, Bleistift | 1982<br />
Brockdorf | Öl auf Leinwand | 100 t 150 cm | 1980/81 31
32 Friedensdemonstration (mit Totenkopf) | Öl auf Leinwand | 150 t 200 cm | 1982<br />
Demonstrationszug (Rote Zelle Kunst) | Öl auf Leinwand | 150 t 200 cm | 1974 33
34 Ein Platz an <strong>der</strong> Sonne – Kind mit Schaufel | Öl auf Leinwand | 80 t 60 cm | 1979<br />
Studie für ein Denkmal am Strand | Öl auf Leinwand | 180 t 160 cm | 1968 35
36 Kind am Strand mit Mercedes | Öl auf Leinwand | 150 t 200 cm | 1972<br />
Wohnwagen | Öl auf Leinwand | 150 t 200 cm | 1969/70 37
38 Paar vor VW | schwarze und farbige Kreiden, Buntstifte | 62 t 88 cm | 1972<br />
39
Liebe, eine ganz alltägliche Geschichte | Öl auf Leinwand | 250 t 380 cm | 1980<br />
40 Folgende Seiten: Liebe, eine ganz alltägliche Geschichte (Details)<br />
41
42 43
44 Sonntag Nachmittag | Öl auf Leinwand | 130 t 180 cm | 1956 - 60 | Hamburger Kunsthalle<br />
Familienfeier | Öl auf Leinwand | 150 t 200 cm | 1974 45
46 Kind, Peace now | Aquarell und Deckfarbe, Farbstift, schwarze und farbige Kreide | 62,4 t 44 cm | 1984<br />
47
Kin<strong>der</strong>geburtstag | Öl auf Hartfaserplatte | 65 t 80 cm | 1984<br />
Streitende Kin<strong>der</strong> mit Osterhasen | Öl auf Hartfaserplatte | 65,5 t 82,5 cm | 1984 | Kieler Kunsthalle<br />
48 Ostern, zwei Kin<strong>der</strong> mit Coca-Cola-Dose | Öl auf Hartfaserplatte | 65,5 t 82 cm | 1983<br />
Streitende Kin<strong>der</strong> | schwarze und farbige Kreide | Deckfarbe, Bleistift | 44,9 t 62,3 cm | 1984 49
50 Fördeszene | Kohle- und Kreidezeichnung | 56,8 t 67,7 cm | 1977<br />
Fördeszene II | Öl auf Leinwand | 100 t 145 cm | um 1980 51
Metro II (Dreiteilig in einem Rahmen) | Öl auf Leinwand | 200 t 360 cm | 1966<br />
52 Folgende Seiten: Metro II (Details)<br />
53
54 55
56 Farbiger an Hauswand sitzend | schwarze und farbige Kreiden | 49 t 63 cm | 1983<br />
Sunside Strip Lexington Avenue | schwarze und gelbbraune Kreiden | 50 t 63 cm | 1983 57
Straße in New York | Öl auf Leinwand | 36 t 27 cm | 1983<br />
Auf Zeitungen liegen<strong>der</strong> Mann | Öl auf Hartfaserplatte | 48 t 36 cm | 1983<br />
58 New York, Menschen auf <strong>der</strong> Straße | Öl auf Hartfaserplatte | 48,5 t 36,5 | um 1983<br />
New York, Roadrunner | Öl auf Hartfaserplatte | 48,5 t 36,2 cm | 1983 59
60 Alter Amerikaner | Öl auf Hartfaserplatte | 48 t 36,5 cm | 1983<br />
61
Biografie<br />
1926, 28. Januar, wird <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong> in Hamburg-Rothenburgsort<br />
geboren, einem Arbeiterviertel <strong>der</strong> Stadt. Mutter<br />
Elsa Nieland (1899 - 1978), Tochter des Drechslermeisters<br />
Carl- August Nieland. Vater: Hans <strong>Duwe</strong> (1897 - 1979), arbeitete<br />
nach kaufmännischer Lehre im Fuhrgeschäft seiner Eltern<br />
– und ab 1935 – seines älteren Bru<strong>der</strong>s.<br />
Das zeitweise florierende Transportunternehmen wurde<br />
1950 aufgegeben. <strong>Duwe</strong> wächst bis 1935 im großen Anwesen<br />
seiner Großeltern <strong>Duwe</strong> auf.<br />
1932 bis 1938 – Schüler <strong>der</strong> Volksschule Stresowstraße in<br />
Rothenburgsort.<br />
1938 bis 1942 – Realschule Slomannstieg. Frühjahr 1942 Realschul-Reifeprüfung.<br />
1942 bis 1944 – Vom 1. April 1942 bis 22. September 1944<br />
Lehre als Lithograph in <strong>der</strong> Kunstdruckerei Mühlmeister &<br />
Johler in Hamburg.<br />
1943 Von Juli 1943 bis 1944 – Reichsarbeiterdienst und<br />
Unterbrechung <strong>der</strong> Lehre. Das Elternhaus wird 1943 durch<br />
Bomben zerstört.<br />
1944 Von März bis August setzt er seine Lehre in Leipzig<br />
fort, wo ein Teil <strong>der</strong> Kunstdruckerei untergebracht war. Dort<br />
erlebt er die ersten schweren Bombenangriffe auf Leipzig.<br />
Luftwaffensoldat vom 2.8.1944 bis 8.5.1945. Ausbildung zum<br />
Piloten, unter an<strong>der</strong>em auf <strong>der</strong> Luftkriegsschule in Tulln.<br />
Kein Kriegseinsatz.<br />
1945, 8. Mai – Kriegsgefangenschaft. Entlassung aus amerikanischer<br />
Gefangenschaft am 5.Juli. Beendet die Lithographielehre<br />
und erhält den Gesellenbrief.<br />
1945 bis 1950 – Studium an <strong>der</strong> Landeskunstschule, später<br />
Hochschule für bildende Kunst (HfBK) in Hamburg. Das Studium<br />
beginnt im Wintersemester 1945 bei Wilhelm Grimm,<br />
Mitstudenten: Vico von Bülow, Gisela Bührmann, Reinhard<br />
Drenkhahn, Hoffman-Son<strong>der</strong>burg, auch Heilwig Ploog. Die<br />
Mahlau-Schüler Horst Jansen und Paul Wun<strong>der</strong>lich gehören<br />
zum Kreis seiner engeren Studienkollegen.<br />
1947 – Wintersemester: Fortsetzung des Studiums bei Erich<br />
Hartmann.<br />
1948 bis 1949 – Wintersemester 1948 und Sommersemester<br />
1949 mit einem Stipendium Studium an <strong>der</strong> Königlichen<br />
Akademie in Stockholm. Mitstipendiaten waren Johanna<br />
Arnold, Volker Benninghoff und Heilwig Ploog.<br />
Ende des Studiums <strong>Duwe</strong> arbeitet als freischaffen<strong>der</strong><br />
Künstler. Seinen Lebensunterhalt verdient er sich zeitweise<br />
als Nachtwächter, Kohlenschipper usw.<br />
1951, 3. Dezember – Heiratet seine Studienkollegin Heilwig<br />
Ploog. Das Ehepaar zieht nach Großensee in das Wochenendhäuschen<br />
am See, das den Eltern Heilwig <strong>Duwe</strong>s gehört.<br />
In den nächsten Jahren baut er auf dem Grundstück Atelier<br />
und Wohnhaus, die er bis 1979 ständig erweitert.<br />
1952, 15. September – Geburt <strong>der</strong> Tochter Katharina.<br />
1953, September – Reise nach Italien: Venedig, Moneglia,<br />
Rapallo, Pisa.<br />
1954 – Stipendium des Kulturkreises im Bundesverband <strong>der</strong><br />
Deutschen Industrie.<br />
Reise nach Italien: Gardasee, Verona, Florenz, Siena, Rom,<br />
Paestum, Neapel.<br />
1955 – Reise nach Spanien: Barcelona, Colera, Porto de la Selva,<br />
Cadaques, Ibiza.<br />
1956, 6. August – Geburt des Sohnes Johannes.<br />
1958, Sommer – Dritte Italienreise<br />
1958, Winter – Reise ins Tessin. Bis 1963 wie<strong>der</strong>holte Aufenthalte<br />
<strong>der</strong> Familie <strong>Duwe</strong> im Tessin bei <strong>der</strong> befreundeten<br />
Familie Dr. Rudolf Maack in Guasti am Luganer See, Maack<br />
leitete als Oberstudiendirektor ein musisches Gymnasium<br />
in Hamburg.<br />
1960 und 1962 – Winter- und Herbstaufenthalte auf <strong>der</strong> Insel<br />
Föhr.<br />
1961, 26. August – Geburt des Sohnes Tobias.<br />
1964 – Lehrer für räumliches Darstellen an <strong>der</strong> Ingenieurschule<br />
für Fahrzeugtechnik in Hamburg. Diese Lehrtätigkeit<br />
sichert <strong>der</strong> Familie das Notwendigste zum Leben. Die<br />
Lehrtätigkeit gibt er erst 1977 auf.<br />
1965, April – Erste Einzelausstellung im Marburger Kunstverein.<br />
1966 – Stipendium des Landes Schleswig-<strong>Holstein</strong> für einen<br />
Halbjahresaufenthalt in <strong>der</strong> Citè des Arts in Paris. <strong>Duwe</strong><br />
lebt und arbeitet in seinem Atelierzimmer von Anfang Januar<br />
bis Ende Juni 1966.<br />
1967 – Reise durch Jugoslawien<br />
1968, Juli und August – Das Schleswig-<strong>Holstein</strong>ische Landesmuseum<br />
Schleswig zeigt zum ersten Mal in Schleswig-<br />
<strong>Holstein</strong> einen größeren Werkteil in <strong>der</strong> Ausstellung „<strong>Duwe</strong>-Engler-Schäuble“.<br />
1969 – Wird Mitglied <strong>der</strong> SPD<br />
1970 – Edwin-Scharff-Preis <strong>der</strong> Stadt Hamburg. Die mit dem<br />
Preis verbundene Einzelausstellung findet im November<br />
1972 – im Kunsthaus Hamburg statt.<br />
1974 – Dezember bis März 1975: Erste große Einzelausstellung<br />
in <strong>der</strong> Kunsthalle zu Kiel. Die Ausstellung wird von<br />
dem Von-<strong>der</strong>-Heydt-Museum in Wuppertal übernommen.<br />
1975 – H.D. wird zum Dozenten am Fachbereich für Gestaltung<br />
<strong>der</strong> Fachhochschule Kiel (ehem. Muthesius-Schule),<br />
Abteilung Freie Kunst/Malerei berufen. Bis zu seinem Lebensende<br />
ist er dort Lehrer einer Malklasse.<br />
1978 – Eine <strong>der</strong> jährlichen Kurzreisen zur Insel Sylt. Hier entstehen<br />
Strandbil<strong>der</strong> und Porträts <strong>der</strong> Familie Aldag.<br />
1979 – Reise nach Griechenland (Naxos)<br />
1979 – Das neue Dach des Ateliers in Großensee, das <strong>Duwe</strong><br />
mit den Söhnen und Freunden selbst errichtet hat, wird mit<br />
einem Fest eingeweiht.<br />
1981 – Kulturpreis <strong>der</strong> Landeshauptsadt Kiel<br />
August: Reise nach Madrid. Vier Tage werden vor den Bil<strong>der</strong>n<br />
im Prado verbracht.<br />
1982 – Sommer: Letzte Reise nach Sylt.<br />
1983, Januar und Februar – Ausstellung einer Werkübersicht<br />
in <strong>der</strong> Galerie Poll, Berlin<br />
24. Juni bis 21. Juli Aufenthalt in New York und Südengland.<br />
2. August bis 14. August Reise in die Provence, Frankreich.<br />
Noch im gleichen Spätsommer folgt die letzte <strong>der</strong> jährlich<br />
unternommenen Wan<strong>der</strong>ungen mit Freunden und <strong>der</strong>en<br />
Frauen (Vogesen).<br />
1984, 1. bis 9. Juni – Exkursion <strong>der</strong> Malklasse <strong>Duwe</strong> <strong>der</strong><br />
Fachhochschule Kiel auf die dänische Insel Langeland.<br />
1984 – Freitag, 15. Juni: Bei <strong>der</strong> Autorückfahrt von Kiel nach<br />
Großensee, nach viertägiger Arbeit in <strong>der</strong> Fachhochschule<br />
(Unterricht und Abschlussprüfungen und eigener künstlerischer<br />
Tätigkeit in seinem Kieler Atelier) verunglückt <strong>Harald</strong><br />
<strong>Duwe</strong> auf <strong>der</strong> B 404 zwischen Segeberg und Schwarzenbek<br />
in Höhe von Tremsbüttel tödlich. Er reißt den Fahrer<br />
des entgegenkommenden Wagens mit in den Tod.<br />
Mit freundlicher Genehmigung von Heilwig <strong>Duwe</strong>-Ploog und Johannes<br />
<strong>Duwe</strong>. (Quelle: http://www.harald-duwe.de/harald_duwe.html)<br />
62 63
Impressum<br />
<strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong><br />
Graue Wand und an<strong>der</strong>e Realitäten.<br />
Herausgeber<br />
<strong>Sparkasse</strong>n-Kulturstiftung Stormarn <strong>der</strong> <strong>Sparkasse</strong> <strong>Holstein</strong><br />
Redaktion und Produktion<br />
Dr. Johannes Spallek, Kultureller Geschäftsführer<br />
Gestaltung <strong>der</strong> Katalogreihe<br />
Michel Magens, Hamburg<br />
Druck<br />
Lithotec Oltmanns, Hamburg<br />
Ausstellung<br />
Kulturzentrum Marstall am Schloß Ahrensburg:<br />
Lübecker Straße 8, 22926 Ahrensburg<br />
<strong>Sparkasse</strong>n Kulturstiftung Stormarn <strong>der</strong> <strong>Sparkasse</strong> <strong>Holstein</strong>:<br />
Hagenstraße 19, 23843 Bad Oldesloe<br />
www.kulturstiftung-stormarn.de<br />
Bad Oldesloe, 2010<br />
© für die abgebildeten Werke von <strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong>: VG Bild - Kunst, Bonn<br />
© beim Künstler, dem Herausgeber und den Autoren<br />
68 Selbstporträt mit Mütze | Öl auf Hartfaserplatte | 48 t 37 cm | 1984<br />
69
<strong>Sparkasse</strong>n-Kulturstiftung Stormarn<br />
Die Kulturstiftung Stormarn wurde 1983 von <strong>der</strong> <strong>Sparkasse</strong> Stormarn mit dem Ziel gegründet, als gemeinnützige<br />
Stiftung vornehmlich Kunst und Kultur, Heimatkunde und Heimatpflege sowie Naturschutz zu<br />
för<strong>der</strong>n. Sie hat in den Jahren ihres Bestehens bemerkenswerte Initiativen ermöglicht. Beispielsweise hat<br />
sie in Grabau den Schutz einer ökologisch wertvollen Waldlandschaft mit Teich nachhaltig gesichert. Sie<br />
initiierte herausragende historische Forschungen und gab sie als Publikationen heraus. 1992 richtete sie<br />
das Jahresstipendium für bildende Künstler in <strong>der</strong> Trittauer Wassermühle ein.<br />
Marstall am Schloss Ahrensburg<br />
Seit 2001 präsentiert die <strong>Sparkasse</strong>n-Kulturstiftung Stormarn regelmäßig Ausstellungen <strong>der</strong> Reihe „Zeitgenössische<br />
Kunst“ auch im Kulturzentrum Marstall. Durch die Herausgabe eines Kataloges und durch<br />
Ankäufe von Kunstwerken för<strong>der</strong>t die Kulturstiftung Stormarn einzelne Künstlerpersönlichkeiten.<br />
Mit maßgeblicher Unterstützung <strong>der</strong> <strong>Sparkasse</strong>n-Kulturstiftung Stormarn konnte <strong>der</strong> Marstall wie<strong>der</strong><br />
mo<strong>der</strong>nisiert und in mo<strong>der</strong>nen Stand für eine Ausstellungshalle eingerichtet werden.<br />
Kulturzentrum Wassermühle Trittau<br />
Die <strong>Sparkasse</strong>n-Kulturstiftung Stormarn unterstützt die Gemeinde Trittau, die historische Wassermühle<br />
zu einem attraktiven Kulturzentrum auszubauen. In dem denkmalgeschützten, historischen Mühlengebäude,<br />
das 1701 erbaut wurde, konnte sich ein kleines aber feines Kulturzentrum entwickeln mit vielfältigen<br />
Veranstaltungen, Dichterlesungen, wissenschaftlichen Vorträgen und Konzerten. In <strong>der</strong> Galerie <strong>der</strong><br />
Mühle werden laufend Ausstellungen zeitgenössischer Kunst präsentiert.<br />
Atelierhaus bei <strong>der</strong> Trittauer Wassermühle<br />
Die <strong>Sparkasse</strong>n-Kulturstiftung Stormarn hat 2006 ein neues Atelierhaus in unmittelbarer Nachbarschaft<br />
zum Kulturzentrum Wassermühle eröffnet. In diesem sind vier Atelierräume eingerichtet. Drei Ateliers<br />
werden an Künstlerinnen und Künstler aus Schleswig-<strong>Holstein</strong> und Hamburg vergeben. Ein Atelierraum<br />
ist für den Stipendiaten bzw. die Stipendiatin <strong>der</strong> <strong>Sparkasse</strong>n-Kulturstiftung Stormarn reserviert. Das<br />
Atelierhaus besitzt ein Foyer von 91 m 2 , in dem bestimmte Veranstaltungen von <strong>der</strong> Ateliergemeinschaft<br />
und <strong>der</strong> <strong>Sparkasse</strong>n-Kulturstiftung Stormarn stattfinden.<br />
70 71
72<br />
<strong>Harald</strong> <strong>Duwe</strong> | Graue Wand und an<strong>der</strong>e Realitäten.<br />
Katalog Nr. 01, Ausstellung: 21.11. - 19.12.2010, Marstall am Schloss Ahrensburg<br />
<strong>Stiftungen</strong> <strong>der</strong> <strong>Sparkasse</strong> <strong>Holstein</strong><br />
<strong>Sparkasse</strong>n-Kulturstiftung Stormarn