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Download Künstlervita (4.9 MB) - Gesche Piening

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17. März 2011, HA<strong>MB</strong>URGER FEUILLETON (www.hamburger-feuilleton.de)<br />

Ich arbeite, also bin ich!?<br />

Was bedeutet Arbeit für uns? Liebt der Deutsche seinen Beruf zu sehr? Und darf man auch manchmal gar nichts<br />

tun? An einem der ersten Frühlingstage in einem Münchner Straßencafé. Müßiggang oder Arbeit? Hier ist die<br />

Grenze fließend. Denn ein Interview mit Regisseurin <strong>Gesche</strong> <strong>Piening</strong> ist ein Vergnügen. Deren Produktion<br />

»Lohn und Brot“ gastiert am 25. und 26. 3. in Hamburg. Ein Gespräch über Arbeit und unsere Liebe dazu.<br />

Da sitzt sie bei ihrem Pilz-Risotto und erzählt. <strong>Gesche</strong><br />

<strong>Piening</strong> ist bei der Arbeit und in ihrem Element. Ihr<br />

Element heißt Theater, ihre Arbeit Regie. Was liegt da<br />

näher als ein Stück zum Thema Arbeit zu machen?<br />

Ach, Blödsinn, eins! <strong>Piening</strong> macht keine halben<br />

Sachen. Sie nimmt gleich zwei Gesprächsprotokolle<br />

zum Thema, die unterschiedlicher nicht sein könnten,<br />

und bringt diese mit vier Schauspielern auf die<br />

Bühne: Die Produktion »Lohn und Brot« vermengt<br />

Erika Runges klassenkämpferische »Bottroper Protokolle«<br />

von 1968 und Kathrin Rögglas »wir schlafen<br />

nicht« aus dem Jahr 2004, das aus Gesprächen mit<br />

Chefs und Arbeitnehmern der New Economy zusammengestellt<br />

ist.<br />

Zu Beginn der Probenzeit hat sie ihren Schauspielern<br />

vom Luxus erzählt, jetzt sechs Wochen an diesen Stoffen<br />

probieren zu können. Und das sogar bezahlt! Das<br />

sind Stadttheater-Bedingungen, und dafür hat sie<br />

gekämpft. Ein ganzes Jahr lang. »Ich konnte doch kein<br />

Stück über Arbeitsbedingungen in Deutschland<br />

machen und dann meine Schauspieler schlecht bezahlen!«<br />

sagt sie, Empörung im Blick. Zahlreiche Förderungen<br />

hat sie für die Produktion erhalten. Die freie<br />

Szene ist ein hartes Brot, in der der Lohn erkämpft<br />

sein will. <strong>Gesche</strong> <strong>Piening</strong> weiß, wovon sie spricht –<br />

und lacht darüber: »Du hast eine Idee, beißt dich<br />

daran fest, schreibst ein Konzept, stellst einen Antrag.<br />

Dann wirst du gefördert – und kriegst erstmal die<br />

Panik. Und dann beginnst du eben zu arbeiten.“<br />

Wenn sie gewusst hätte, was ihr Beruf bedeutet, ob<br />

sie dann trotzdem Schauspiel studiert hätte? Kurze<br />

Denkpause. Dann heftiges Nicken. Sie hätte sich<br />

allerdings besser darauf vorbereiten wollen im<br />

Rahmen ihres Studiums: »Als Regisseur in der<br />

freien Szene bist du alles auf einmal: Arbeitnehmer,<br />

Manager, du schreibst Förderanträge,<br />

machst Akquise. Für Kunst bleibt da wenig Zeit.«<br />

Sie blättert in ihren Unterlagen und liest vor aus dem<br />

»Report Darstellende Künste«, aus dem sie für ihre<br />

Schauspiel-Studierenden Passagen abgetippt hat: »Die<br />

durchschnittliche Arbeitswochenzeit der freien Theater–<br />

und Tanzschaffenden beträgt 45 Stunden. Davon<br />

fließen 35 Prozent in künstlerische und nichtkünstlerische<br />

Nebentätigkeiten, um den Lebensunterhalt zu<br />

sichern; 32 Prozent fließen in die Organisation und<br />

Akquise der künstlerischen Haupttätigkeit. Für die<br />

eigentliche künstlerische Arbeit verbleiben nur knapp<br />

33 Prozent.“<br />

In einem Festengagement sähe das anders aus. Dort<br />

wird man zwar nicht reich, aber immerhin regelmäßig<br />

bezahlt. Warum sie das nicht macht? Nach ihrer<br />

Ausbildung an der Otto-Falckenberg-Schule kam das<br />

für sie nicht in Frage. Denn diese staatliche Schauspiel-<br />

Ausbildung, das ist so eine Sache:<br />

»Man geht im ersten Jahr in eine Art Tunnel hinein<br />

und kümmert sich um nichts. Und dann kommt man<br />

nach vier Jahren wieder raus und hat sich nur mit sich<br />

selbst beschäftigt.« Für die Absolventin <strong>Piening</strong> stellt<br />

sich eine entscheidende Frage: Wie soll man als Schauspieler<br />

eine Welt darstellen, von der man keine<br />

Ahnung hat, ohne in Klischees zu verfallen?<br />

Die junge Schauspielerin entscheidet sich für die Arbeit<br />

mit Managern, Mittelstand, Industrie, Pfarrern, kurz:<br />

Menschen in Sprechberufen. Diese lernen von ihr.<br />

Und sie lernt von ihnen. Währenddessen unterrichtet<br />

sie Schauspiel. Und macht sich Gedanken darüber,<br />

wie eine Ausbildung aussehen müsste, die Schauspieler<br />

darauf vorbereitet, auch in der freien Szene zu<br />

arbeiten. Denn das lernt man nicht. Und dann sitzt<br />

man da und hat keine Ahnung, wie man das am besten<br />

angeht.<br />

Die Idee zu der Textcollage? »Hat mein Dramaturg mir<br />

geschenkt.« sagt sie. Peter Punckhaus und sie haben

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