Volltext Prokla 26

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25.01.2013 Aufrufe

gen wm gegenwartigen Stand des Arbeiterbewuilotseins in Einklang bringen (51). Dabei muilo freilich vor dem Miliverstandnis gewarnt werden, daB die Objekte der instrumenteHen Orientierung tatsachlich beUebig verftigbare Instrumente in def Hand def Arbeiter seien: Gemeint ist lediglich, daB die Arbeiter alle diese Objekte ohne emotionale Bindung ausschlieBlich nach konkreten Nutzenerwagungen beurteilen und sich dementsprechend ihnen gegenuber verhalten. In bezug auf die Bindung an die SPD ist indessen def empirische Nachweis des Instrumentalismus bislang noch nicht geftihrt worden. Eckart u.a. konstatieren, da£ auch bei kampfbereiten Arbeitern das BewuBtsein der eigenen Interessen und die SPD-Loyalitiit unvermittelt nebeneinander stehen. Sie prognostizieren fUr den Fall eines offenen Konflikts zwischen eigenem Interesse und SPD-Loyalitat "eher einen Ruckzug von der politischen auf die okonomische Sphiire" (52), nicht aber ein auf reinen Nutzenerwagungen beruhendes Verhalten, das in einem solchen Konflikt fUr die eigenen Interessen und gegen die SPD-Loyalitat ausfallen mtiBte. Deppe u.a. interpretieren die Arbeiteraktionen vom April 1972 gegen das CDU-Militrauensvotum als Ausdruck des Willens der Arbeiter, "ein politisches Instrument zu verteidigen, dessen Funktion von der eigenen Aktion gepragt wird." (53) Hier wird aber eben gerade der Instrument-Begriff zu wortlich genommen und den Arbeitern die Vorstellung unterstellt, sie konnten die SPD als ihr Instrument handhaben. Daftir aber gibt es bei Deppe u.a. und auch sonst in BewuBtseinsuntersuchungen keinen Anhaltspunkt. Gleichwohl kann die - auf die SPD-Bindung bezogene - Instrumentalismus­ These durchaus eine Tendenz bezeichnen, die fill eine Durchgangsphase des politischen und okonomischen ArbeiterbewuBtseins in der BRD charakteristisch 1st: Die bisherigen Grundlagen der SPD-Bindung, Reformismus und Wachstumsideologie, haben sich aufgelost, an ihre Stene sind keine neuen Bindungselemente, weder an die SPD noch an efne andere politische Organisation getreten, vielmehr hat sich die Distanz zur Spmre der staatlichen Politik, der die SPD zugerechnet wird, vergro­ Bert. Die SPD wird tendenziell nach denselben MaBstaben wie jede andere Partei beurteilt. Prinzipiell wird daher ein Wechsel wr Wahl der CDU moglich, sofern diese Partei den Anschein erweckt, ein fur die eigenen Interessen ntitzlicheres Programmangebot zur Handhabung def Staatsgewalt prasentieren zu k6nnen. Die SPD-Einbri1che und CDU-Gewinne in Arbeiterregionen Westberlins und Baden-Wiirttembergs bei den Landtagswahlen 1976 deuten in diese Richtung (54). Die Instrumentalismus-These kann auch erklaren, warum die Mehrheit der Arbeiter weiterhin SPD und nur eine verschwindende Minderheit DKP wiihlt: Die SPD verspricht immerhin den Lohnabhangigen eine mildere Auflastung von Krisenfolgen als die CDUjCSU, 51 Vgl. z. B. Jiirgen Prott: Industriearbeit und betriebliche Umstrukturierungen, Kaln 1975, S. 341 52 S.46 53 S.392 54 VgL Horst W. Schmollinger: "Die Berliner Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen yom 2. Marz 1975: Proteststimmen in der Krise" in: Zeitschrift fUr Parlamentsfragen, Jg. 6 (1975), S. 446 - 464 22

gen wm gegenwartigen Stand des Arbeiterbewuilotseins in Einklang bringen (51).<br />

Dabei muilo freilich vor dem Miliverstandnis gewarnt werden, daB die Objekte<br />

der instrumenteHen Orientierung tatsachlich beUebig verftigbare Instrumente in def<br />

Hand def Arbeiter seien: Gemeint ist lediglich, daB die Arbeiter alle diese Objekte<br />

ohne emotionale Bindung ausschlieBlich nach konkreten Nutzenerwagungen beurteilen<br />

und sich dementsprechend ihnen gegenuber verhalten.<br />

In bezug auf die Bindung an die SPD ist indessen def empirische Nachweis des<br />

Instrumentalismus bislang noch nicht geftihrt worden. Eckart u.a. konstatieren, da£<br />

auch bei kampfbereiten Arbeitern das BewuBtsein der eigenen Interessen und die<br />

SPD-Loyalitiit unvermittelt nebeneinander stehen. Sie prognostizieren fUr den Fall<br />

eines offenen Konflikts zwischen eigenem Interesse und SPD-Loyalitat "eher einen<br />

Ruckzug von der politischen auf die okonomische Sphiire" (52), nicht aber ein auf<br />

reinen Nutzenerwagungen beruhendes Verhalten, das in einem solchen Konflikt fUr<br />

die eigenen Interessen und gegen die SPD-Loyalitat ausfallen mtiBte.<br />

Deppe u.a. interpretieren die Arbeiteraktionen vom April 1972 gegen das<br />

CDU-Militrauensvotum als Ausdruck des Willens der Arbeiter, "ein politisches Instrument<br />

zu verteidigen, dessen Funktion von der eigenen Aktion gepragt wird."<br />

(53) Hier wird aber eben gerade der Instrument-Begriff zu wortlich genommen und<br />

den Arbeitern die Vorstellung unterstellt, sie konnten die SPD als ihr Instrument<br />

handhaben. Daftir aber gibt es bei Deppe u.a. und auch sonst in BewuBtseinsuntersuchungen<br />

keinen Anhaltspunkt.<br />

Gleichwohl kann die - auf die SPD-Bindung bezogene - Instrumentalismus­<br />

These durchaus eine Tendenz bezeichnen, die fill eine Durchgangsphase des politischen<br />

und okonomischen ArbeiterbewuBtseins in der BRD charakteristisch 1st: Die<br />

bisherigen Grundlagen der SPD-Bindung, Reformismus und Wachstumsideologie,<br />

haben sich aufgelost, an ihre Stene sind keine neuen Bindungselemente, weder an<br />

die SPD noch an efne andere politische Organisation getreten, vielmehr hat sich die<br />

Distanz zur Spmre der staatlichen Politik, der die SPD zugerechnet wird, vergro­<br />

Bert. Die SPD wird tendenziell nach denselben MaBstaben wie jede andere Partei beurteilt.<br />

Prinzipiell wird daher ein Wechsel wr Wahl der CDU moglich, sofern diese<br />

Partei den Anschein erweckt, ein fur die eigenen Interessen ntitzlicheres Programmangebot<br />

zur Handhabung def Staatsgewalt prasentieren zu k6nnen. Die SPD-Einbri1che<br />

und CDU-Gewinne in Arbeiterregionen Westberlins und Baden-Wiirttembergs<br />

bei den Landtagswahlen 1976 deuten in diese Richtung (54). Die Instrumentalismus-These<br />

kann auch erklaren, warum die Mehrheit der Arbeiter weiterhin SPD<br />

und nur eine verschwindende Minderheit DKP wiihlt: Die SPD verspricht immerhin<br />

den Lohnabhangigen eine mildere Auflastung von Krisenfolgen als die CDUjCSU,<br />

51 Vgl. z. B. Jiirgen Prott: Industriearbeit und betriebliche Umstrukturierungen, Kaln 1975,<br />

S. 341<br />

52 S.46<br />

53 S.392<br />

54 VgL Horst W. Schmollinger: "Die Berliner Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen<br />

yom 2. Marz 1975: Proteststimmen in der Krise" in:<br />

Zeitschrift fUr Parlamentsfragen, Jg. 6 (1975), S. 446 - 464<br />

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