Volltext Prokla 26
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thema gemacht worden war. Die internen Differenzen der Unionsparteien, das gescheiterte<br />
MiBtrauensvotum und def zwiespaltige Wahlkampf vereitelten die Chance,<br />
die giinstigen Startbedingungen in einen Unionssieg umzumiinzen. Diese Startbedingungen<br />
waren gekennzeichnet vor aHem durch die Inflation und den Preisanstieg,<br />
aber auch durch die Riicktritte von Alex Moller und Karl Schiller, die Beschltisse des<br />
SPD-Steuerparteitages, die massive Wahlhilfe vom Springer- und Bauer-Konzern sowie<br />
von der Industrie auf dem Wege direkter Spenden oder getarnter Zeitungsanzeigen<br />
und nicht zuletzt durch die Hoffnung auf den Lowenanteil def 4,3 % NPD-Stimmen<br />
von 1969.<br />
Wie schon 1969 so verfocht die CSU auch 1972 einen harten Oppositionskurs,<br />
wahrend die CDU unter dem gegen den Willen der CSU 1971 zum Nachfolger Kiesingers<br />
in den Parteivorsitz gewahlten, wenig werbewirksamen, Rainer Barzel einen<br />
halbherzigen Oppositionskurs unter dem Motto "Wir bauen den Fortschritt auf Stabilitat"<br />
steuerte. Die seit Vollendung des Basiskonsens erstmalig hohe Polarisierung<br />
im Wahlkampf war hauptsachlich das Verdienst der CSU und der Hilfstruppen der<br />
Union, die mit mren personiichen Verunglimpfungen Willy Brandts wohl eher das<br />
Gegenteil von dem erreichten, was sie wollten. Gerade die offensive Unternehmer<br />
Kampagne zwang die SPD, oder erlaubte es mr, sich deutlich als Arbeitnehmer-Partei<br />
darzustellen; vor aHem Willy Brandt hielt Wahlversammlungen in GroBbetrieben ab,<br />
was die Arbeitgeberverbande zu heftigen Reaktionen veranlaBte.<br />
Das Ergebnis def Bundestagswahl war ein eindrucksvoller Sieg der Koalition.<br />
Die Wahlbeteiligung erreichte Ergebnis der Polarisierung und Mobilisierung - mit<br />
91,1 % mren hOchsten Stand. Die SPD erhielt 45,8 %der abgegebenengiiltigen Zweitstimmen<br />
und wurde damit erstmals starkste Partei. Wiederum erzielte sie gegeniiber_<br />
der Vorwahl einen Zuwachs von 3,1 Prozentpunkten und errang etwa 3,1 Millionen<br />
zusatzliche Stimmen, also etwa 22,1 % mehr als 1969. (Dabei ist die Herabsetzung<br />
des Wahlalters und die au8erordentlich hohe Wahlbeteiligung zu berticksichtigen.)<br />
Die CDUjCSU hingegen verlor mit dem von ihr erzielten Zweitstimmenanteil von<br />
44,9 % gegeniiber 1969 1,2 Prozentpunkte und btiBte mre Position als starkste Frak<br />
Hon ein. Die FDP schlieBlich erreichte mit 8,4 % ein um 2,6 Prozentpunkte besseres<br />
Ergebnis als 1972. Per Saldo gewann sie etwa 1,2 Millionenneue Wahler hinzu, das<br />
sind 64,4 % mehr als 1969 (<strong>26</strong>).<br />
Wie schon 1969 war auch das Wahlergebnis 1972 bedingt durch einschneidende<br />
Wandlungen der Parteienpraferenz bestimmter Bevolkerungsgruppen. Hervorzuheben<br />
sind auch fUr diese Wahl die schon haufig angeftihrten Stabilitaten des Wahlerverhaltens<br />
gegeniiber CDUjCSU und SPD: Auch bei dieser Wahl hatte die CDUjCSU<br />
mre Hochburgen in Gebieten mit hohem Katholikenanteil und die SPD die mrigen<br />
in Arbeiterwohngegenden (:27). Freilich veranderte sich 1972 die Starke dieser<br />
Hochburgen deutlich und in fur beide Parteien unterschiedHchem AusmaB.<br />
Aus Ergebnissen von Aggregatdaten-Analysen und Meinungsumfragen ergibt<br />
<strong>26</strong> Dazu und zum folgenden: Werner Kaltefieiter, Zwischen Konsens und Krise. Eine Analyse<br />
der Bundestagswahl1972, Kaln 1973, S. 127 ff.<br />
27 Max Kaase, Die Bundestagswahlen 1972; Probleme und Analysen, in: PVS, 14. Jg. 1973,<br />
S. 165 -170.<br />
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