Volltext Prokla 26
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Unterdruckung erklliren, deren Grundlagen es zu beseitigen galt und noch gilt.<br />
(2.) Von besonderer Bedeutung ist in Gramscis politischer Theorie seine Anades<br />
btirgerHchen Staates. Er begreift den Staat mit der Fillie seiner Institutionen<br />
nicht als einen homogenen Apparat gegentiber der Gesellschaft, sondern al:> ein breites<br />
System von Institutionen, durch das und in dem die Klasse ihre Herrschaft<br />
austibt. Das Insitutionensystem wird von Gramsci in die "societa civile" und<br />
in die "societa politica" eingeteilt. Die "societa civile" umfalilt nach diesen Vorstellungen<br />
die Gesamtheit def Institutionen und Bereiche, in denen die burgerliche Legitimitat<br />
und def gesellschaftliche Konsens erzeugt und reproduziert werden. Dabei ist<br />
es nicht notwendig, da£ diese Institutionen alle staatlich im engeren Sinne sind, urn<br />
herrschaftssichernd zu wirken, sie k6nnen auch privat betrieben werden (43). Insgesamt<br />
zahlen zur "societa civile" daher nlcht nur staatliche Einrichtungen, sondern<br />
vor allem auch die Parteien, Massenmedien, Kirchen, Vereine etc. Die "societa politica"<br />
1st dagegen der eigentliche Staatsapparat mit seinen Exekutivorganen und dem<br />
unmittelbaren Gewaltapparat (44), Diese Zweiteilung des staatlichen Systems setzt<br />
Gramsci vor aHem den Vorstellungen Lenins entgegen, die dieser in "Staat und Revolution"<br />
mit dem Ziel der Zerschlagung des btirgerHchen Staatsapparats formulierte<br />
(45). Gramsci begreift Lenins Auffassung im wesentlichen rus einen Ausdruck der<br />
Bedingungen des zaristischen Gewaltapparats. Demgegentiber sieht er die Notwendigkeit,<br />
differenziertere Vorstellungen vom biirgerlichen Staat als einem komplizierten<br />
Herrschaftssystem weiterzuentwickeln, das niclit nur auf unmittelbarer Zwangsgewalt<br />
grundet, sondern auf einem vielgUederigen System von Institutionen, die gesellschaftlichen<br />
Konsens vermitteln und Legitimitat produzieren und dadurch btirgerHche<br />
Herrschaft aufrechterhalten. Die btirgerliche Klasse entwickelt innerhalb der Institutionen<br />
der Gesellschaft ihre Hegemonie - ein zentraler Begriff in def italienischen<br />
Diskussion -, d. h. sie setzt die Dominanz ihreI politischen, kulturellen und<br />
moralischen Vorstellungen durch, die den Konsens auch anderer Klassen zum bestehenden<br />
Gesellschaftssystem Hnden. Dergestalt gelingt es ihr, ihre Herrschaft abzusichern.<br />
(3.) Diese hier nur oberflachlich angerissenen Vorstellungen Gramscis bilden<br />
die Grundlage fur die Formulierung def Strategie. Die Strategie der sozialistischen<br />
Umwruzung mulil an den kulturellen und politischen Machtzentren des Gesellschaftssystems<br />
ansetzen, d. h. an def Hegemonie der herrschenden Klasse. Ziel wird eS,den<br />
Konsens breiter Schichten und Klassen zu verandern und in diesem Proze8 die Hegemonie,<br />
d. h. die politischen, kulturellen und moralischen VorsteHungen der Arbeiterbewegung<br />
herauszubilden und durchzusetzen. Die Entwicklung des Sozialismus bedeutet<br />
nach diesem Verstandnis 6konomische, politische, kulturelle und moralische<br />
Umwhlzung (46), A. Kramer formuliert: "Die Veranderung der biirgerlichen Gesell-<br />
43 Eingroj),er Tell der Bildungseinrichtungen ist z. B. in den Hiinden der katholischen Kirche.<br />
44 siehe dazu z. B. Annegret Kramer, Gramscis Interpretation des Marxismus, in: Gesellschaft,<br />
Beitrage zur Marxschen Theorie, 4. Hrsg. H.-G. Backhaus u.a., Frankfurt/M. 1975<br />
45 entrallt<br />
46 Eine zentrale Rolle spiden dabei die Intellektuellen - im weitesten Sinn begriffen; darauf<br />
kann hier jedoch nicht niiher eingegangen werden.<br />
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