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Das Nürnberger Schwein oder: Wohnungsbau ... - Kunstlexikon Saar

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Fritz Schmoll gen. Eisenwerrth, <strong>Das</strong> <strong>Nürnberger</strong> <strong>Schwein</strong>, Beitrag zur Festschrift J. A. Schmoll gen. Eisenwerth, 2005, S. 9 / 24<br />

so vermietet. Bettine von Arnim hat in ihrem „Dies Buch gehört dem König“ 17 einen Anhang<br />

beigefügt („Bericht eines jungen Schweizers aus dem Vogtlande“) in dem die erbärmlichen<br />

Zustände in diesen Familienhäusern beschrieben sind. Es hat sich nach der Rekonstruktion<br />

von Geist/Kürvers um langgestreckte Gebäude mit drei Haupt- und ein bis zwei Dachgeschossen<br />

gehandelt, in denen beidseits eines Mittelgangs die Stuben angeordnet waren. 18<br />

Die Wohnungsreformer beschränkten sich nicht auf theoretische Diskussionen. Zwischen<br />

1840 und 1870 gab es in 26 deutschen Städten Gründungen von gemeinnützigen Baugesellschaften<br />

und ähnlichen Unternehmungen. Nicht alle gegründeten Unternehmen, aber viele<br />

von ihnen bauten tatsächlich auch einige Wohnungen. Die Gründungen erfolgten in der Regel<br />

durch die lokalen Honoratioren – Intellektuelle und Industrielle – bisweilen hat sich das jeweilige<br />

Herrscherhaus engagiert, wie in Bayern <strong>oder</strong> Preußen. Gemeinnützig waren die Baugesellschaften<br />

insofern, als die Ausschüttung auf das gezeichnete Kapital (der meist in der<br />

Rechtsform der AG gegründeten Unternehmen) auf 4% begrenzt war (in Nürnberg auf 5% -<br />

aber das wurde nie erreicht). Die begrenzte Gewinnausschüttung ist eines der Leitmotive der<br />

gemeinnützigen Wohnungswirtschaft, sie zieht sich von der ersten derartigen Gründung (Berlin<br />

1847) bis zum 1990 aufgehobenen Gesetz über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen<br />

hindurch.<br />

Hinter dem Konzept der Gemeinnützigkeit durch Gewinnausschüttungs-Beschränkung steht<br />

die Vorstellung eines Kompromisses zwischen zwei doch unvereinbaren Zielen: Die Gewinnausschüttung<br />

sollte einerseits genug Anreiz bieten, privates Kapital in den Arbeiterwohnungsbau<br />

(<strong>oder</strong> in der jüngeren Diktion des Zweiten <strong>Wohnungsbau</strong>gesetzes der alten Bundesrepublik<br />

aus dem Jahre 1956: in den „<strong>Wohnungsbau</strong> für die breiten Schichten des Volkes“ 19 )<br />

zu lenken. Die Begrenzung auf 4% sollte andrerseits günstige Mieten garantieren. Ohne staatliche<br />

Subventionen wurden aber beide Ziele verfehlt: 4% waren zu niedrig, um mit rentablen<br />

Investitionsmöglichkeiten zu konkurrieren, aber zu hoch, um niedrige Mieten zu sichern.<br />

J. A. Romberg, Herausgeber der „Zeitschrift für praktische Baukunst“, neben C. W. Hoffmann<br />

einer der wenigen Architekten, die sich in der Wohnungsreform-Bewegung engagierten,<br />

durchschaute dieses ökonomische Dilemma. Mit seiner kritischen Haltung war er aber um<br />

die Mitte des 19. Jahrhunderts noch völlig isoliert, erst kurz vor der Wende zum 20. Jahrhundert<br />

setzte sich die Ansicht, dass der Staat mit Subventionen den Massenwohnungsbau fördern<br />

sollte, zunächst einmal in der theoretischen Literatur durch. Romberg schreibt schon<br />

1845, also noch im Vormärz:<br />

„Es giebt in unserer Zeit wenig reiche Leute, welche für solchen wohlthätigen Zweck ein bedeutendes<br />

Capital opfern. Wenn aber dasselbe nicht geopfert, sondern verzinst werden soll,<br />

so fällt jeder Vortheil für das Gemeinwohl weg. Es ist durchaus nicht wahr, dass für die untern<br />

Klassen in größeren Städten, wo der Grund und Boden gekauft werden muß, von einem<br />

Privatmanne Wohnungen erbaut werden können, die zu billigem Zins abzugeben seien, und<br />

jede Berechnung der Art ist entweder Selbsttäuschung <strong>oder</strong> eine Täuschung Anderer.“ 20<br />

Ã<br />

III Die Trägheit des Wohnungsmarktes<br />

<strong>Das</strong> <strong>Nürnberger</strong> <strong>Schwein</strong> auf dem Dachboden zeigt exemplarisch: es gibt Entwicklungsphasen,<br />

in denen sich Lebensbedingungen und Alltagspraxis mit unterschiedlicher Geschwindigkeit<br />

entwickeln. Tradierte Praktiken sind den veränderten Bedingungen nicht mehr angemes-<br />

17<br />

Berlin 1843<br />

18<br />

Geist, Johann Friedrich und Klaus Kürvers: <strong>Das</strong> Berliner Mietshaus, Bd. I 1740 – 1862, München 1980<br />

19<br />

II. WoBauG (1956) § 1<br />

20<br />

Romberg, J. A.: Über den Mangel an kleinen Wohnungen in unseren Städten; in: Zeitschrift für praktische<br />

Baukunst, Jg. 5/1845, S. 298

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