Das Nürnberger Schwein oder: Wohnungsbau ... - Kunstlexikon Saar
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Fritz Schmoll gen. Eisenwerrth, <strong>Das</strong> <strong>Nürnberger</strong> <strong>Schwein</strong>, Beitrag zur Festschrift J. A. Schmoll gen. Eisenwerth, 2005, S. 23 /<br />
24<br />
dieser Subventionsform kaum erreicht. Eine Expertenkommission, von der Bundesregierung<br />
im Jahre 1992 eingesetzt, hat 1994 Änderungsvorschläge vorgelegt 35 , die 2001 zur<br />
Aufhebung des Zweiten <strong>Wohnungsbau</strong>gesetzes führten. An seine Stelle trat das<br />
Wohnraumförderungsgesetz (WoFG). Ziel ist nun nicht mehr in erster Linie der Neubau von<br />
Wohnungen, sondern die Sicherung eines gewissen Bestands an belegungsgebundenen<br />
Wohnungen in unteren Preissegmenten. Die Zielgruppe der Förderung ist nunmehr ebenfalls<br />
enger gefasst, es geht nicht mehr um die „breiten Schichten des Volkes“, sondern um<br />
Haushalte, die „auf [staatliche] Unterstützung angewiesen“ sind.<br />
Die demographische Entwicklung deutet darauf hin, dass auch künftig eine Wohnungsnot,<br />
wie sie zwischen 1850 und 1990 in mehr <strong>oder</strong> weniger starker Ausprägung in deutschen<br />
Städten auftrat, der Vergangenheit angehört. Die Bevölkerungszahl in Deutschland geht schon<br />
seit langem zurück. Wohnungsnachfrager sind allerdings nicht Personen, sondern private<br />
Haushalte, und deren Zahl wird im kommenden Jahrzehnt noch leicht zunehmen, weil der<br />
Anteil der Einpersonen-Haushalte zunimmt und den Bevölkerungsrückgang<br />
überkompensiert. 36 Dieser Ausblick auf die künftige Entwicklung gilt allerdings nur für<br />
Deutschland insgesamt und im Hinblick auf die natürliche Bevölkerungsentwicklung.<br />
Wanderungsbewegungen über die Grenzen und innerhalb der Grenzen werden lokale<br />
Ungleichgewichte auch in der Zukunft verursachen.<br />
Dies ist bereits an den Wohnungsleerständen in Regionen mit Bevölkerungsrückgang<br />
erkennbar. Seit Mitte der 1990er Jahre war zunächst in vielen Teilen der neuen Bundesländer<br />
zu beobachten, dass das Wohnungsangebot die Nachfrage übersteigt, während noch im letzten<br />
Jahr der DDR ein erheblicher Wohnungsfehlbestand zu verzeichnen war. Der<br />
Zusammenbruch der Wirtschaft und Abwanderung von Arbeitssuchenden auf der einen Seite,<br />
staatlich forcierter Wohnungsneubau, vor allem auch im Eigentumssektor, auf der anderen<br />
Seite, haben diese Situation herbeigeführt. Mittlerweile finden sich ähnliche (wenn auch<br />
weniger stark ausgeprägte) Erscheinungen in strukturschwachen Regionen der alten Länder.<br />
Der Staat hat mit neuerlichen Subventionsprogrammen reagiert: Stadtumbau Ost und<br />
Stadtumbau West – so die Titel der entsprechenden Programme. Die Reduktion des<br />
Wohnungsbestands zur Anpassung an die verringerte Nachfrage durch Abrisse und Rückbau<br />
von Wohngebäuden wird subventioniert.<br />
Wieder zeigen sich die Folgen unterschiedlicher Entwicklungsgeschwindigkeiten. Diesmal<br />
haben sich Lebensbedingungen und Alltagspraktiken rasant verändert, zurück geblieben sind<br />
überflüssige Wohnungen – Sachkapital, das in der Erwartung einer viel längeren Lebens- und<br />
Amortisationsdauer investiert worden ist. Die Alltagspraxis der nicht abgewanderten, nicht<br />
mobilen Bewohner, die in den schrumpfenden Städten und Regionen zurück bleiben, wird<br />
sich an veränderte räumliche Verhältnisse anpassen müssen. Nicht überfüllte Wohnungen,<br />
sondern Städte und Quartiere, die mit Brachen durchsetzt sind wie der Emmenthaler mit<br />
Löchern, Wohngebäude in denen dauerhaft einige Wohnungen – meist in den obersten und<br />
unteren Geschossen – leer stehen, das wird zum Alltag gehören. Historische Stadtkerne, oft<br />
liebevoll und aufwändig denkmalpflegerisch restauriert, entwickeln sich zu Potemkin’schen<br />
Dörfern: in den Erdgeschossen noch Souvenirläden neben Schlecker <strong>oder</strong> Hennes & Mauritz,<br />
die Obergeschosse aber mehr und mehr unbewohnt. Wieder reibt sich das Alte am neuen: das<br />
<strong>Nürnberger</strong> <strong>Schwein</strong> unter umgekehrten Vorzeichen.<br />
35 Sinn/Expertenkommission, Wohnungspolitik auf dem Prüfstand, Tübingen 1994<br />
36 Birg