Das Nürnberger Schwein oder: Wohnungsbau ... - Kunstlexikon Saar
Das Nürnberger Schwein oder: Wohnungsbau ... - Kunstlexikon Saar
Das Nürnberger Schwein oder: Wohnungsbau ... - Kunstlexikon Saar
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Fritz Schmoll gen. Eisenwerrth, <strong>Das</strong> <strong>Nürnberger</strong> <strong>Schwein</strong>, Beitrag zur Festschrift J. A. Schmoll gen. Eisenwerth, 2005, S. 2 / 24<br />
gen sein. Riehl war 1848 Mitglied des Paulskirchenparlaments und seit 1854 Professor für<br />
Staatswissenschaft in München, er gilt als einer der Väter der Sozialwissenschaften in<br />
Deutschland. Er sah in einer ständisch geordneten Gesellschaft und in funktionsfähigen Familien<br />
die wichtigsten Grundlagen politischer Stabilität, Riehl war ein Konservativer, ein kulturpessimistischer<br />
Stadtkritiker. Wahrscheinlich waren neben Riehls Initiative auch die Ergebnisse<br />
der hygienischen Untersuchungen von Pettenkofers über die Choleraepidemie des<br />
Jahres 1854 in München, die 1855 publiziert worden sind, ausschlaggebend, 3 denn von Pettenkofer<br />
hat sich (ähnlich wie Varrentrapp in Frankfurt a. M. und Virchow in Berlin) in der<br />
zweiten Hälfte des 19. Jhs. unermüdlich für Wohnungs- und Stadthygiene eingesetzt. Sein<br />
Bericht über die Münchener Epidemie hat weit über Bayern hinaus große Aufmerksamkeit<br />
erfahren, zumal die Cholera in Europa eine neue Seuche war, die erst im 19. Jahrhundert auftrat.<br />
Nürnberg, dessen wirtschaftliche Bedeutung im 18. Jahrhundert sehr zurückgegangen war,<br />
verlor mit dem Wiener Kongress seine Reichsunmittelbarkeit und wurde bayrisch. Danach<br />
erlebte die Stadt schon von den 1820er Jahren an einen frühindustriellen Aufschwung: neben<br />
den traditionellen Gewerbezweigen (Nahrungsmittel, Spielzeug, Holzwaren) spielten Metallverarbeitung,<br />
Tuchfabrikation, Chemie und Farbenfabrikation ein zunehmende Rolle. Frühe<br />
Industriestandorte entwickelten sich im Osten und Süden der alten Stadt sowie zwischen<br />
Nürnberg und Fürth. Nürnberg-Fürth war ja bekanntlich auch die erste deutsche Eisenbahnlinie<br />
(„Ludwigsbahn“ 1835). Von ca. 25.500 Einwohnern im Jahre 1806 wuchs Nürnberg auf<br />
ca. 44.500 im Jahre 1834 – schneller und früher als die meisten anderen deutschen Städte,<br />
relativ (nicht absolut) auch schneller als München. Nürnberg dürfte also keine zufällige, sondern<br />
eine wohlüberlegte Wahl für die königliche Initiative gewesen sein.<br />
Abb. 1 (Quelle: Mummenhoff, Ernst: Die Königshausstiftung und die Königsstiftungshäuser<br />
in Nürnberg; Zur 50jährigen Feier der Eröffnung des Königsstiftungshauses am 1, Mai 1857;<br />
Nürnberg 1907)<br />
Aber das <strong>Nürnberger</strong> Bürgertum war auch nach 1848 selbstbewusst, allzu großen Einfluss des<br />
Hofes mochte man nicht. Der Bürgermeister von Waechter versuchte, die königliche Initiative<br />
zu kanalisieren, indem er sich bemühte, eine bürgerliche Gesellschaft ins Leben zu rufen, die<br />
Arbeiterwohnungsbau betreiben sollte. Dieser erste Versuch schlug aber fehl, und es kam<br />
3 Pettenkofer, Max von: Untersuchungen und Beobachtungen über die Verbreitungsart der Cholera; München<br />
1855