Das Nürnberger Schwein oder: Wohnungsbau ... - Kunstlexikon Saar
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Fritz Schmoll gen. Eisenwerrth, <strong>Das</strong> <strong>Nürnberger</strong> <strong>Schwein</strong>, Beitrag zur Festschrift J. A. Schmoll gen. Eisenwerth, 2005, S. 18 /<br />
24<br />
nungsbau erst um 1900 wirksam werden. Vor 1870 gibt es nur eine echte <strong>Wohnungsbau</strong>genossenschaft,<br />
den 1865 gegründeten und 1885 liquidierten Bürger-Bau-Verein zu Elberfeld<br />
und auch nach 1870 blieb deren Zahl gering. (Die übrigen frühen Gründungen, auch wenn Sie<br />
wie die Stiftung Maximilians II. in Nürnberg, mit dem Begriff Genossenschaft hantierten,<br />
hatten andere Rechtsformen, meist die der Aktiengesellschaft, manchmal die der Stiftung).<br />
Neben dem Gedanken der Selbsthilfe ist schon bei Huber und auch bei liberalen Autoren die<br />
befriedende Wirkung, die dem Privateigentum (auch in genossenschaftlicher Form) zugeschrieben<br />
wurde, Motor der Idee. Tatsächlich reichten aber die gemeinsam von den Wohnungssuchenden<br />
aufzubringenden Spargroschen nicht aus, um eine nennenswerte Bautätigkeit<br />
zu entfalten. Demgegenüber konnten sich die Kredit- und Konsumgenossenschaften nach dem<br />
Modell von Schulze-Delitzsch von der Jahrhundertmitte an positiv entwickeln (mit Mitgliedern<br />
hauptsächlich aus den Reihen der kleinen Handwerker, Kaufleute und qualifizierten<br />
Lohnarbeiter).<br />
Für Baugenossenschaften blieben bis gegen 1900 zwei Probleme ungelöst: in der Genossenschaft<br />
hafteten alle Mitglieder gesamtschuldnerisch und unbeschränkt. Dies musste gerade<br />
diejenigen abschrecken, die etwas zu verlieren hatten, denn sie hätten im Ernstfall mit ihrem<br />
gesamten Vermögen für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft einstehen müssen – unabhängig<br />
von der Höhe des eigenen Anteils. <strong>Das</strong> Erste Genossenschaftsgesetz (preußisches Gesetz<br />
1867, vom Norddeutschen Bund 1868 und vom Reich 1871 übernommen) schrieb ausdrücklich<br />
die unbeschränkte Haftung vor, um die Kreditwürdigkeit von Genossenschaften zu<br />
stärken; dies war im Interesse der landwirtschaftlichen, handwerklichen und Konsumgenossenschaften,<br />
verhinderte aber die Gründung von Baugenossenschaften, die – wollten sie in<br />
nennenswertem Umfang bauen – in großem Umfang Kredite hätten aufnehmen und so den<br />
Mitgliedern ein untragbares Haftungsrisiko aufbürden müssen. Erst mit dem Zweiten Genossenschaftsgesetz<br />
von 1889 wurde die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft mit beschränkter<br />
Haftung geschaffen. Zugleich wurde die Revisionspflicht eingeführt, die Genossenschaften<br />
mussten ihre Jahresabschlüsse von einem unabhängigen Prüfer des jeweiligen<br />
Genossenschaftsverbands prüfen lassen.<br />
<strong>Das</strong> zweite zentrale Problem der Baugenossenschaften, die Beschaffung günstiger Finanzierungsmittel,<br />
wurde ebenfalls gegen Ende des Jahrhunderts gelöst. Im Gesetz über die Alters-<br />
und Invaliditätsversicherung von 1889 – dem letzten der Bismarck’schen Sozialgesetze – war<br />
vorgesehen, dass das Kapital der Versicherungsanstalten „gemeinnützig“ anzulegen sei. Damit<br />
war zwar zunächst nicht die Förderung des gemeinnützigen <strong>Wohnungsbau</strong>s intendiert,<br />
aber die einzelnen Landesversicherungsanstalten entwickelten doch ein Eigeninteresse daran,<br />
die Wohnungslage ihrer Mitglieder zu verbessern, getreu einem der Hauptstränge der Argumentation<br />
der Wohnungsreformer, dass schlechte Wohnungen Ursache für Krankheit und<br />
Invalidität seien. Die Landesversicherungsanstalten reichten aus dem Versicherungsvermögen<br />
Baudarlehen an gemeinnützige Wohnungsunternehmen aus, mit denen der <strong>Wohnungsbau</strong><br />
für die Versicherten finanziert wurde. Es handelte sich um annuitätisch rückzahlbare Darlehen<br />
mit Zinssätzen unterhalb des Marktniveaus. Bis zum ersten Weltkrieg flossen so etwa 20% bis<br />
25% des Vermögens der Versicherungsanstalten, insgesamt etwa 0,5 Mrd Mark, in die Finanzierung<br />
des <strong>Wohnungsbau</strong>s durch gemeinnützige Genossenschaften und Gesellschaften. Zwischen<br />
1890 und dem ersten Weltkrieg gewannen so die <strong>Wohnungsbau</strong>genossenschaften immer<br />
mehr an Bedeutung. <strong>Das</strong> von Genossenschaften in den Städten errichtete Bauvolumen<br />
dürfte in diesem Zeitraum bei 1,5% des gesamten städtischen Wohnungs-Neubauvolumens<br />
gelegen haben. 34<br />
Die Genossenschaft war für viele Wohnungsreformer nur ein Kompromiss, eigentlich ging es<br />
darum, Arbeiterfamilien ein eigenes Heim auf eigener Scholle zu verschaffen. Dieses Konzept<br />
34 Vgl. ebda. S. 57 mit weiteren Nachweisen