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Das Nürnberger Schwein oder: Wohnungsbau ... - Kunstlexikon Saar

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Fritz Schmoll gen. Eisenwerrth, <strong>Das</strong> <strong>Nürnberger</strong> <strong>Schwein</strong>, Beitrag zur Festschrift J. A. Schmoll gen. Eisenwerth, 2005, S. 17 /<br />

24<br />

Gefördert durch staatliche Kredite, Bürgschaften und Steuervergünstigungen stieg das Neubauvolumen<br />

erneut an und im Jahre 1937 wurden nochmals Fertigstellungszahlen erreicht, die<br />

an die der späten 1920er Jahre heranreichten. Dennoch gelang es in der gesamten Zwischenkriegsphase<br />

nicht, den Wohnungsfehlbestand (die Differenz aus Zahl der Privathaushalte und<br />

Zahl der Wohnungen) zu reduzieren. Daher blieb auch die Begrenzung des Mietanstiegs immer<br />

ein sozialpolitisches Erfordernis. So wurde 1936 erneut ein Mietpreisstop verhängt, der<br />

auch nach 1945 zunächst aufrecht erhalten blieb. Die Wohnungsgrößen im Massenwohnungsbau<br />

der 30er Jahre blieben minimal, aber die Zahl neu erbauter Wohnungen wurde wieder<br />

gesteigert.<br />

Vor allem ab 1940, als ein ”Führererlaß” Planungen für den <strong>Wohnungsbau</strong> nach dem Krieg<br />

anordnete, wurde der Gesichtspunkt der Rationalisierung des Bauprozesses wieder betont, die<br />

”Volkswohnung” sollte nun doch - ähnlich wie die Konsumgüter ”Volksempfänger” und<br />

Volkswagen” - in taylorisierter Massenproduktion hergestellt werden. Damit brach - unter<br />

NS-Vorzeichen - die aus den 20er Jahren bekannte Kontroverse zwischen Vertretern einer<br />

„rationalistischen” und einer traditionalistisch-regionalistischen Aesthetik wieder auf. Innerhalb<br />

der NS-Wohnungspolitik der 40er Jahre haben - wenn auch regionalistisch dekoriert -<br />

serielle Gestaltungsprinzipien erneut die Oberhand gewonnen. Dies ist in engem Zusammenhang<br />

mit der verstärkten Kriegs-Technik-Propaganda zu sehen: mehr und mehr wurde die<br />

Überlegenheit technisch-industrieller Produkte und Verfahren als Bedingung für den militärischen<br />

Sieg und damit als Hoffnungsträger für einen nationalistischen Nachkriegs-Sozialstaat<br />

gemacht. 32<br />

Auch der <strong>Wohnungsbau</strong> und die Wohnungspolitik der Weimarer Republik und des NS-Staats<br />

können als Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Entwicklungsgeschwindigkeiten von<br />

Lebensbedingungen, Alltagspraxis und <strong>Wohnungsbau</strong> gesehen werden. Aus der historischen<br />

Distanz betrachtet, erweist sich das Jahr 1933 dabei nicht als die große Zäsur, vielmehr erscheint<br />

die gesamte Zwischenkriegszeit als diejenige Epoche, in der die Orientierung auf Arbeitsteilung,<br />

konsumorientierte Lebensweise und Massenproduktion auch mit dem Vehikel<br />

des <strong>Wohnungsbau</strong>s vorangetrieben und kulturell sowie diskursiv abgesichert wird. Die adäquate<br />

Nutzung und Benutzung der Wohnung wird von den gesellschaftlichen Avantgarden<br />

vorgelebt und mit pädagogischem Impetus in die breiten Schichten des Volkes hinein vermittelt.<br />

Der <strong>Wohnungsbau</strong> ist jetzt nicht Nachzügler der Entwicklung, sondern wird – zusammen<br />

mit Umwälzungen in den Produktionsformen und der Arbeitswelt – zum Vorreiter. <strong>Wohnungsbau</strong><br />

und Wohnungsreform verlangen, dass sich die Alltagspraxis des Wohnens und der<br />

privaten Haushaltsführung an die neue Wohnung und den neuen Stadtteil anpassen sollen.<br />

Tatsächlich aber widersetzten sich sozialkulturelle Bedürfnisse und aesthetische Vorlieben der<br />

Bewohner vielfach den pädagogischen Absichten von Architekten, Stadtplanern und Wohnungsreformern:<br />

Gebrauch, Einrichtung und Umgestaltung der m<strong>oder</strong>nen Wohnung durch die<br />

Bewohner zeigen, dass diese sich ihre Wohnumwelt in anderer Weise – „rückständig“, „kitschig“,<br />

„unvernünftig“ – aneignen konnten, als die Planer das vorgesehen hatten. 33<br />

VI Genossenschaftliches <strong>oder</strong> individuelles Wohnungseigentum?<br />

Die Wohnungsreformer des 19. Jhs. und der 1920er Jahre konnten als einzigen Mittelweg<br />

zwischen Mietwohnung und dem Häuschen auf eigener Scholle den genossenschaftlichen<br />

<strong>Wohnungsbau</strong> sehen. Die Genossenschaftsidee ist schon beim ersten großen Wohnungsreformer,<br />

V. A. Huber ein zentraler Gedanke. Später haben gerade Liberale die genossenschaftliche<br />

Lösung favorisiert. Tatsächlich konnte die genossenschaftliche Selbsthilfe im Woh-<br />

32 Schmoll, Schneller Wohnen, S. 293 mit weiteren Quellennachweisen<br />

33 Näheres vgl. von Saldern, Häuserleben, S. 410

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