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Das Nürnberger Schwein oder: Wohnungsbau ... - Kunstlexikon Saar

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Fritz Schmoll gen. Eisenwerrth, <strong>Das</strong> <strong>Nürnberger</strong> <strong>Schwein</strong>, Beitrag zur Festschrift J. A. Schmoll gen. Eisenwerth, 2005, S. 16 /<br />

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in traditionalistischer <strong>oder</strong> regionalistischer Bauform gestaltet waren, wiesen in der Regel sehr<br />

sorgfältig durchdachte und durchgeplante Wohnungsgrundrisse auf. Die Ideale der Wohnungsreformer<br />

des 19. Jhs. wurden nun verwirklicht und weiterentwickelt: Grundrisse mit<br />

einzelnen, nach den wichtigsten häuslichen Funktionen gegliederten Räumen, in der Regel<br />

mit einer der Wohnung zugeordneten Freifläche (Terrasse, Mietergarten <strong>oder</strong> Balkon), funktionale<br />

Küchen, ausreichend Abstellmöglichkeiten, Möglichkeit der Querlüftung der Wohnungen<br />

und Orientierung der Räume und der Gebäudeanordnung nach Kriterien der Besonnung<br />

und Belüftung haben sich nun durchgesetzt.<br />

Aus dem Avantgarde-Bewußtsein heraus wirkten Stadtplaner, Architekten und Wohnungsunternehmen<br />

auch pädagogisch auf die Bewohner ein. Sie konnten dabei auf Traditionen der<br />

Baugenossenschafts-Bewegung aufbauen, die seit 1890 einen gewissen Aufschwung genommen<br />

hatte. Parallel zu den Studien über optimale Wohnungsgrundrisse wurden die Bewohner,<br />

und dabei vorwiegend die Hausfrauen angehalten, sich entsprechend der neuen, rationell gestalteten<br />

Wohnung auch rational zu verhalten. Taylor’s Prinzipien der Arbeitsteilung und der<br />

rationellen Produktionsabläufe wurden auf die Hausarbeit übertragen und in einen Fortschritts-<br />

und Emanzipationsdiskurs eingebunden. Konsumorientierte Haushaltsführung wurde<br />

so kulturell vorbereitet und unterstützt. Prominentes Beispiel hierfür ist sicherlich die Frankfurter<br />

Küche und die Rolle ihrer Erfinderin Margarete Schütte-Lihotzky im Team von Ernst<br />

May in Frankfurt a. M.<br />

In der Weltwirtschaftskrise der frühen 30er Jahre fand keineswegs eine Umkehr dieser Entwicklung<br />

statt. Zwar konnten sich in der Krise diejenigen politischen Kräfte durchsetzen, die<br />

den geförderten <strong>Wohnungsbau</strong> und die Preis- und Belegungskontrolle im Wohnungsbe- stand<br />

von Anfang an bekämpft hatten. Die Hauszinssteuermittel flossen ab 1930 vollständig in den<br />

allgemeinen Staatshaushalt, die <strong>Wohnungsbau</strong>subventionen wurden um 70% gekürzt. Die<br />

ohnehin geringe Größe der geförderten Wohnungen wurde weiter reduziert, zu diesem Zweck<br />

wurden Untersuchungen über minimale Wohnungsgrößen gefördert. 31 Die verbliebenen Subventionsmittel<br />

wurden auf die Anlage und den Bau von Kleinsiedlungen umgestellt: (teilweise)<br />

Eigenleistung beim Bau und später (teilweise) Eigenversorgung mit Produkten der kleingärtnerisch<br />

bewirtschafteten Siedlerstelle wurden zum Programm für Arbeitslose und deren<br />

Familien. Die in den 20er Jahren genährte Hoffnung auf Verbesserung der Wohn- und Lebensverhältnisse<br />

durch standardisierten Massenwohnungsbau auf relativ hohem Qualitätsniveau<br />

wurden so auf das rechte Maß proletarischer Existenzbedingungen zurückgestutzt.<br />

Die städtischen <strong>Wohnungsbau</strong>gesellschaften und die Baugenossenschaften wurden durch das<br />

Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz von 1934 „gleichgeschaltet“ und in die deutsche Arbeitsfront<br />

eingegliedert. <strong>Das</strong> Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (basierend auf der Wohnungsgemeinnützigkeitsverordnung<br />

von 1930) galt in der alten BRD – um nationalsozialistische Zielsetzungen<br />

und Gleichschaltungs-Vorschriften bereinigt – bis zur Aufhebung durch den Bundesgesetzgeber<br />

1990.<br />

Zugleich konnten sich zunehmend traditionalistische Gestaltungsauffassungen Anerkennung<br />

verschaffen. Vor allem in den ersten Jahren des nationalsozialistischen Regimes wurde der<br />

M<strong>oder</strong>nisierungsanspruch auf der kulturellen Ebene zunächst zurückgenommen, sozial- demokratisches<br />

und sozialistisches M<strong>oder</strong>nitätspathos als ”Kulturbolschewismus” diffamiert.<br />

Demgegenüber wurde der <strong>Wohnungsbau</strong> durch staatliche Beschränkung der Kreditzinsen<br />

faktisch wieder angekurbelt. Die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen wurden im Zuge<br />

der ”Gleichschaltung” in die ”Deutsche Arbeitsfront” eingegliedert, zu wenigen, potenten<br />

Großunternehmen zusammengefasst und auf die politische Linie der NSDAP ausgerichtet.<br />

31 Symptomatisch der Titel einer Ausstellung, veranstaltet vom II. Internationalen Kongress für Neues Bauen<br />

und dem Frankfurter Hochbauamt im Jahre 1930: „Die Wohnung für das Existenzminimum“ (Katalog: Frankfurt<br />

a. M., Englert & Schlosser 1930)

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