Das Nürnberger Schwein oder: Wohnungsbau ... - Kunstlexikon Saar
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Fritz Schmoll gen. Eisenwerrth, <strong>Das</strong> <strong>Nürnberger</strong> <strong>Schwein</strong>, Beitrag zur Festschrift J. A. Schmoll gen. Eisenwerth, 2005, S. 14 /<br />
24<br />
chenkonsum der einzelnen Haushalte – ein wohnungsreformerisch gewollter Effekt, denn<br />
Wohnungsnot war ja vor allem definiert als zu dichte Wohnungsbelegung, zu geringer Wohnflächenkonsum.<br />
Ein Mietenstop verhindert aber außerdem steigende Renditen der Vermieter,<br />
so dass anlagesuchendes Kapital nicht in den <strong>Wohnungsbau</strong> gelenkt wird. Damit nimmt ein<br />
Mietenstop den Wohnungsmarkt gewissermaßen in die Zange: mehr Nachfrage und weniger<br />
Angebot. Ein Mietenstop muss daher mit staatlicher Subvention (<strong>oder</strong> direktem staatlichem<br />
<strong>Wohnungsbau</strong>) zusammengehen, wenn er nicht zur Verschärfung der Knappheit führen soll.<br />
Kurzfristig sind Mietenstop und Subvention ein sehr wirksames Instrumentenpaar, wenn<br />
Wohnungsmangel schnell überwunden werden soll und die langsame Reaktion des freien<br />
Marktes gesellschaftlich <strong>oder</strong> politisch nicht akzeptiert werden kann. Langfristig führt dieses<br />
Instrumentenpaar aber zu immer höherem Subventionsbedarf, insbesondere dann, wenn auch<br />
die Mieten in den neuen, subventionierten Wohnungen niedrig gehalten werden, was ja das<br />
sozialpolitische Ziel ist. Denn niedrige Mieten im Sozialwohnungssektor üben einen Konkurrenzdruck<br />
auf den nicht subventionierten <strong>Wohnungsbau</strong> aus mit der Folge, dass dort immer<br />
weniger investiert wird, der subventionierte <strong>Wohnungsbau</strong> also einen immer größeren Anteil<br />
an der <strong>Wohnungsbau</strong>produktion einnehmen muss: crowding out – Verdrängung privater Investitionen<br />
durch staatliche, nennen Ökonomen diesen Effekt.<br />
Der Staat hat die Mittel für die Subventionen ja nicht einfach, sie müssen über Steuereinnahmen<br />
aufgebracht werden, das heißt, die Mittel stehen an anderer Stelle dem privaten Sektor<br />
nicht für Investitionen zur Verfügung. Die ökonomische Krise des Weimarer Staates dürfte<br />
wohl zu einem erheblichen Teil auf eine Sozialpolitik – und auch auf einen sozialen <strong>Wohnungsbau</strong><br />
– zurückzuführen sein, der die Wachstumskraft der deutschen Wirtschaft überfordert<br />
hat. 28<br />
In nennenswertem Umfang wurde die <strong>Wohnungsbau</strong>subventionierung der Weimarer Republik<br />
erst nach der Hyperinflation von 1920 wirksam: Vor 1924 wurden Förderungsmittel aus dem<br />
allgemeinen Haushalt gewährt; die Art der Subvention wurde bis 1921 mehrfach verändert<br />
und blieb immer hinter den geplanten Zahlen zurück, da die Inflation sich beschleunigte. Mit<br />
der Dritten Steuernotverordnung von 1924 wurde das System grundsätzlich umgestellt: von<br />
da an wurde der Althausbesitz mit einer Geldentwertungs-Ausgleichsteuer (in Preußen: Hauszinssteuer)<br />
belegt. Dadurch sollte ein Ausgleich geschaffen werden dafür, dass die vor 1914<br />
aufgenommenen Hypothekendarlehen durch die Inflation entwertet worden waren, die Hauseigentümer<br />
damit also faktisch schuldenfrei gestellt waren. Zugleich sollten die Mieten im<br />
Althausbestand angehoben werden (die Steuer war umlegbar auf die Miete), um so die Altbaumieten<br />
an die höheren Neubaumieten subventionierter Wohnungen anzugleichen. Damit<br />
sollte das System aus Mietenstop und <strong>Wohnungsbau</strong>subvention langfristig überflüssig gemacht<br />
werden. <strong>Das</strong> Aufkommen aus der Hauszinssteuer floss zu ca. 50% in den allgemeinen<br />
Staatshaushalt, aus dem Rest wurden zinsgünstige Darlehen für den sozialen <strong>Wohnungsbau</strong><br />
ausgereicht („Hauszinssteuer-Hypothek“). Die Gemeinden haben in unterschiedlichem Maße,<br />
insgesamt aber wahrscheinlich noch einmal in der gleichen Größenordnung Darlehen aus ihren<br />
Haushalten ausgereicht und Bürgschaften für Kapitalmarktdarlehen übernommen. Über<br />
die Zahl der zwischen 1924 und 1931 so neu errichteten Wohnungen gibt es in der Literatur<br />
unterschiedliche Angaben, es dürfte sich um 2 Mio bis 2,5 Mio gehandelt haben, davon in den<br />
Jahren intensivster Bautätigkeit 1928 – 1930 jährlich ca. 300.000 Wohnungen, während im<br />
Kaiserreich der jährliche Wohnungszugang im Durchschnitt bei ca. 200.000 Wohnungen<br />
lag. 29 Die Hauszinssteuermittel kamen überwiegend gemeinnützigen Baugenossenschaften<br />
und <strong>Wohnungsbau</strong>gesellschaften zugute, deren Anteile im Eigentum der Städte <strong>oder</strong> anderer<br />
Non-Profit-Organisationen (z. B. der Gewerkschaften) waren.<br />
28<br />
Vgl. von Saldern, Adelheid, Häuserleben, S. 122 mit weiteren nachweisen zu diesem Aspekt der Wirtschaftsgeschichte<br />
der Weimarer Republik.<br />
29<br />
Verschiedene Quellen ausgewertet bei Schmoll, Wohnungsnot, S. 311 und von Saldern, Häuserleben, 121