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Das Nürnberger Schwein oder: Wohnungsbau ... - Kunstlexikon Saar

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Fritz Schmoll gen. Eisenwerrth, <strong>Das</strong> <strong>Nürnberger</strong> <strong>Schwein</strong>, Beitrag zur Festschrift J. A. Schmoll gen. Eisenwerth, 2005, S. 12 /<br />

24<br />

berichtet. Darlehen für den <strong>Wohnungsbau</strong> wurden bis zur Reichsgründung überwiegend von<br />

Privaten gewährt. Meist handelte es sich um hypothekarisch besicherte Kredite, die nicht regelmäßig<br />

getilgt, sondern am Ende der vereinbarten Laufzeit in einem Betrag voll zurückgezahlt<br />

wurden. Hypothekenbanken entstanden (nach dem Vorläufer der 1769 gegründeten<br />

Schlesischen „Landschaften“, die Agrarkredite bereitstellten) ab 1835 (Bayerische Hypotheken-<br />

und Wechselbank, München), vermehrt ab 1867, zunächst allerdings ebenfalls spezialisiert<br />

auf landwirtschaftliche Kredite. Hypothekenordnungen, wie die preußische von 1872<br />

liberalisierten den Pfandbrief- und Darlehensmarkt, so dass die Banken sich über die Emission<br />

von Pfandbriefen refinanzieren und ihr Angebot an Darlehen rasch ausdehnen konnten.<br />

Die Ausleihungen wuchsen von 0,17 Mrd Mark im Jahre 1870 auf ca. 10 Mrd Mark im Jahre<br />

1900. 24 Den Ausleihungen entspricht ein gleiches Wachstum der Pfandbriefemissionen: im<br />

Zuge der Industrialisierung und insbesondere im Gründerjahre-Boom wurden private Ersparnisse<br />

in großem Umfang in Pfandbriefen angelegt.<br />

Neben steigender, zahlungskräftiger Nachfrage und einem funktionierenden, liquiden Kapitalmarkt<br />

bedarf es eines ausreichenden Angebots an erschlossenen, bebaubaren Grundstücken,<br />

damit Wohnungen entstehen können. Die kommerzielle Erschließung von Bauland besorgten<br />

zunehmend „Terraingesellschaften“, die im Einzugsbereich wachsender Städte von den 60er<br />

Jahren des 19. Jhs. an entstanden. Bekannt wurde in Deutschland J. A. W. Carstenn durch<br />

seine Projekte in Wandsbek bei Hamburg, später in Lichterfelde bei Berlin (ab 1866). Terraingesellschaften<br />

kauften agrarisch genutztes Land auf, sorgten für die Erschließung, parzellierten<br />

das Gelände und verkauften die so geschaffenen Grundstücke zur Bebauung weiter.<br />

Diese ersten Projekte waren zunächst für den Villenbau konzipiert, später aber wurden Stadterweiterungsgebiete<br />

auf diese Weise auch für den Mietshausbau erschlossen. Die Errichtung<br />

der Gebäude selber wurde überwiegend von mittelständischen Bauhandwerkern organisiert<br />

und häufig auch – bis zum Verkauf – vorfinanziert. Der Bauunternehmer des 19. Jahrhunderts<br />

war in vielen Fällen Architekt, Bauausführender und Bauträger zugleich. Die Entwürfe wurden<br />

– sofern es sich um innerstädtische Mietshäuser handelte – von den Baumeistern und nur<br />

selten von Architekten angefertigt. Käufer der bebauten Mietwohngrundstücke, das heißt Anbieter<br />

von Mietwohnungen, waren vielfach mittelständische Handwerker, kleine Unternehmer<br />

und Händler, die das „Zinshaus“ als Kapitalanlageobjekt und Alterssicherung erwarben.<br />

Es kamen also mehrere Faktoren zusammen, die dazu geführt haben, dass sich ab 1870 eine<br />

rege Bautätigkeit in vielen Städten entwickelte:<br />

��die zahlungskräftige Nachfrage nach Wohnungen war aufgrund gewachsener Realeinkommen<br />

auch breiterer Schichten gestiegen,<br />

��für die Erschließung von Bauland hatten sich mit den Terraingesellschaften kommerzielle<br />

Strukturen herausgebildet,<br />

��zunehmende Ersparnisse mittlerer Schichten wurden in Pfandbriefen angelegt und dienten<br />

der Refinanzierung der Baukredite<br />

��ein entwickeltes Hypothekenbanksystem organisierte dieses Geschäft indem diese Einlagen<br />

gesammelt und in Baudarlehen umgewandelt wurden.<br />

Auf dieser Grundlage entfaltete sich zwischen 1870 und dem ersten Weltkrieg in den Städten<br />

jene Bautätigkeit, deren Hinterlassenschaft wir heute noch als Mietskasernengürtel bzw.<br />

Gründerzeitviertel ringförmig um den vorindustriellen Stadtkern fast aller deutscher Städte<br />

vorfinden. Zwar reichte die Bautätigkeit wohl lediglich dazu aus, die Wohnungsversorgung<br />

der Arbeiter und städtischen Unterschichten qualitativ ein wenig zu verbessern; zumindest<br />

scheint der Indikator „Wohndichte“ (heizbare Zimmer pro Person) auf eine Verbesserung<br />

24 Goedecke, Wolfgang / Kerl, Volkher / Scholz, Helmut, Die deutschen Hypothekenbanken, Frankfurt a. M.<br />

1997, S. 38 f

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