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Das Nürnberger Schwein oder: Wohnungsbau ... - Kunstlexikon Saar

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Fritz Schmoll gen. Eisenwerrth, <strong>Das</strong> <strong>Nürnberger</strong> <strong>Schwein</strong>, Beitrag zur Festschrift J. A. Schmoll gen. Eisenwerth, 2005, S. 11 /<br />

24<br />

größer 1 bedeutet, dass bei steigendem Einkommen ein größerer Teil des Zuwachses für eine<br />

höhere Miete, also für mehr <strong>oder</strong> besseren Wohnraum ausgegeben wird. Bei einer Elastizität<br />

gleich 1 ändert sich das Verhältnis Mietausgaben zu gesamten Konsumausgaben nicht, wenn<br />

das Einkommen steigt. Bei einer Elastizität kleiner 1 wird vom Zuwachs weniger für zusätzlichen<br />

Wohnkonsum ausgegeben, aber immer noch steigt der Wohnkonsum mit steigendem<br />

Einkommen, nur eben unterproportional. Die Einkommenselastizität bestimmter Konsumausgaben<br />

gilt als Hinweis auf die Konsumpräferenzen der Haushalte: Güter, bei denen die Einkommenselastizität<br />

hoch ist, sind dem Haushalt wichtig, es sind superiore Güter, beispielsweise<br />

Luxusgüter; Güter, bei denen die Einkommenselastizität niedrig ist, sind inferiore, notwendige<br />

Güter. Je geringer die Einkommenselastizität, um so ausgeprägter ist die Sättigung.<br />

Auch negative Einkommenselastizitäten (bei steigendem Einkommen gibt der Haushalt absolut<br />

weniger für ein bestimmtes Gut aus) kommen vor: absolut inferiore Güter werden mit steigendem<br />

Einkommen durch höherwertige ersetzt bzw. ganz aus dem Konsumplan gestrichen.<br />

Einkommenselastizitäten nahe Null sind also ein Hinweis auf Sättigungstendenzen für ein<br />

bestimmtes Gut bei einem bestimmten Haushaltstyp. Anhand der Schwabe’schen Datenreihen<br />

wurden Einkommenselastizitäten errechnet. Es ist ein wenig erstaunliches Ergebnis, dass die<br />

Einkommenselastizität der Wohnungsmiete mit steigendem Einkommen abnimmt: je reicher<br />

ein Haushalt, um so mehr rückt das Wohnen vom Bereich der luxuriösen in den Bereich der<br />

notwendigen (inferioren) Güter. 22<br />

Hohe Einkommenselastizitäten der Mietausgaben bei den ärmeren städtischen Haushalten,<br />

wie sie anhand der Schwabe’schen Daten für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts belegt<br />

sind, bedeuten also, dass die Nachfrage nach Wohnungen für Haushalte mit niedrigem Einkommen<br />

noch bei weitem nicht gesättigt war. Wie auch, angesichts der oben geschilderten<br />

Wohnverhältnisse?<br />

Nicht die Zahl der Einwohner <strong>oder</strong> die Zahl der Haushalte ohne Wohnung sondern steigende<br />

Realeinkommen und eine positive Einkommenselastizität der Wohnausgaben waren also die<br />

Voraussetzungen dafür, dass eine steigende, zahlungskräftige Nachfrage nach kleineren Wohnungen<br />

in den wachsenden Städten entstehen konnte. Ohne diese Voraussetzung war eine<br />

„Lösung der Wohnungsfrage durch die Privatspekulation“ nicht möglich. Dies wurde von den<br />

liberalen Wohnungsreformern jedoch nicht thematisiert, vielmehr wurde das „Schwabe’sche<br />

Gesetz“ als Ausdruck der Unfähigkeit der ärmerem Schichten interpretiert, den Wert des<br />

Wohnens richtig zu schätzen. Erst nach 1870 setzte eine bedeutende Steigerung der Reallöhne<br />

ein: zwischen 1871 und 1914 haben sich diese nahezu verdoppelt. 23 Erst mit steigenden Realeinkommen<br />

war eine Bedingung für eine rege Bautätigkeit erfüllt .<br />

Eine gestiegene, zahlungskräftige Nachfrage ist zwar eine notwendige, aber keine hinreichende<br />

Bedingung für ein steigendes Wohnungsangebot. Vielmehr muss die gestiegene Nachfrage<br />

von potentiellen Bauherren als anhaltend eingeschätzt werden. Die lange Lebensdauer von<br />

Wohngebäuden – ökonomisch: die lange Kapitalbindung – führt dazu, dass nicht in erster<br />

Linie die jeweils aktuelle Nachfragesituation entscheidend ist, sondern die erwartete künftige<br />

Entwicklung. Erst wenn die Investition in Grundstück und Wohngebäude eine Kapitalrentabilität<br />

verspricht, die mit anderen Investitionsmöglichkeiten gleichzieht, wird privates Kapital in<br />

nennenswertem Umfang in den Bau von Mietwohnungen für eine anonyme Nachfrage strömen.<br />

Der Mietwohnungsbau war von Anfang an durch einen hohen Anteil an Fremdmittelfinanzierung<br />

gekennzeichnet, für die Mitte des 19. Jahrhunderts wird von Fremdkapitalquoten von 2/3<br />

22 Asta Hampe, 1958, zitiert nach Jenkis: <strong>Das</strong> Schwabe’sche Gesetz und die Lütge’sche Regel; in: Jenkis (Hg):<br />

Kompendium der Wohnungswirtschaft, München 3 S. 361 ff<br />

23 Kaschuba, Wolfgang, Lebenswelt und Kultur der unterbürgerlichen Schichten im 19. und 20. Jahrhundert,<br />

München 1990, S. 34

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