Urbanisierung von Favelas am Beispiel der Favela - Hildegardis ...
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<strong>Urbanisierung</strong> <strong>von</strong> <strong><strong>Favela</strong>s</strong><br />
<strong>am</strong> <strong>Beispiel</strong> <strong>der</strong> <strong>Favela</strong> „Jardim<br />
Copacabana“ in São Paulo<br />
Facharbeit <strong>von</strong><br />
Larissa Willeke<br />
im Grundkurs<br />
Erdkunde (EK1)<br />
Frau Schnei<strong>der</strong><br />
Schuljahr 2005/6<br />
Jahrgang 12<br />
<strong>Hildegardis</strong>-Schule<br />
Hagen
Inhaltsverzeichnis:<br />
1. Einleitung:<br />
1.1. Themenfindung<br />
1.2. Was bedeutet Urbanisation <strong>von</strong> <strong><strong>Favela</strong>s</strong>?<br />
2. Hauptteil:<br />
2.1 Allgemeines zur <strong>Favela</strong> „Jardim Copacabana“<br />
2.1.1 Lage <strong>der</strong> <strong>Favela</strong><br />
2.1.2 Wer lebt in <strong>der</strong> <strong>Favela</strong>?<br />
2.1.3 Das Leben in <strong>der</strong> unurbanisierten <strong>Favela</strong><br />
2.1.3.1. Architektonisch<br />
2.1.3.2 Sozial<br />
2.2 <strong>Urbanisierung</strong><br />
2.2.1 Phasen <strong>der</strong> Wohnpolitik<br />
2.2.2 Das Projekt „Guarapiranga“<br />
2.2.2.1 Arbeiten in „Jardim Copacabana“<br />
2.2.2.1.1 Konkrete Durchführung<br />
2.2.2.1.2 Bewohner<br />
2.2.2.1.4 Fazit<br />
2.2.2.2 Finanzen<br />
3. Schlussteil:<br />
3.1 Zus<strong>am</strong>menfassung Ergebnisse<br />
3.2 Anhang<br />
4. Literaturverzeichnis<br />
5. Erklärung<br />
3<br />
3<br />
4<br />
5<br />
6<br />
8<br />
9<br />
10<br />
11<br />
12<br />
14<br />
14<br />
15<br />
16<br />
18
1. Einleitung<br />
1.1 Themenfindung<br />
3<br />
Letztes Jahr war ich zum Austausch in Brasilien, einem Schwellenland mit sehr<br />
gravierenden sozialen Unterschieden. Schon <strong>am</strong> Tag meiner Ankunft sah ich die<br />
unzählbaren <strong><strong>Favela</strong>s</strong>, die sich an den Hängen zu Seiten <strong>der</strong> Fernstraßen hochziehen. Es<br />
ist einfach unvorstellbar dort zu wohnen, und doch gibt es Millionen <strong>von</strong> Menschen, die<br />
unter <strong>der</strong>artigen Bedingungen ihr Leben fristen. Im Laufe des letzten Jahres habe ich in<br />
unterschiedlichsten Gegenden Brasiliens diese Hüttensiedlungen gesehen, welche es<br />
natürlich aufgrund <strong>der</strong> Marginalisierung in den Metropolen wie Rio de Janeiro und São<br />
Paulo in größter Anzahl gibt. Die reichere Bevölkerung, welche oft gar nicht unweit <strong>von</strong><br />
diesen weit verbreiteten Armenvierteln wohnt, interessiert sich nicht für das Elend<br />
dieser Mittellosen, son<strong>der</strong>n ist froh, diese als billige Arbeitskräfte, beispielsweise als<br />
Hausmädchen, Fahrer o<strong>der</strong> Gärtner, beschäftigen zu können. (Der Begriff Ausnutzung<br />
kommt ihr dabei nicht in den Sinn.) So hat die Mehrheit dieser sozial Bessergestellten<br />
kein Interesse daran, ihren Mitbürgern zu helfen. Während wir hier aus Deutschland,<br />
ähnlich wie an<strong>der</strong>e Europäer, über staatliche För<strong>der</strong>ung (z.B. Entwicklungshilfe,<br />
regionale Projekte), Spendenaktionen, Partnerschaften und Ähnliches diesen armen<br />
Menschen oft durch Einrichtung <strong>von</strong> Bildungszentren helfen, gibt es aus dem eigenen<br />
Land kaum Hilfsprojekte.<br />
Eines Tages erblickte ich auf dem Weg nach C<strong>am</strong>pinas ein großes Schild an <strong>der</strong><br />
Fernstraße, welches auf die <strong>Urbanisierung</strong> <strong>von</strong> <strong><strong>Favela</strong>s</strong> hinwies. Es waren Hochhäuser<br />
abgebildet, die an Stelle zu dieser Zeit noch existierenden <strong>Favela</strong> entstehen sollten.<br />
Da ich in <strong>der</strong> <strong>Urbanisierung</strong> eine sinnvolle und auch notwendige Initiative sehe, habe<br />
ich mich entschlossen, diese zum Thema meiner Facharbeit zu machen und werde mich<br />
beispielhaft mit <strong>der</strong> <strong>Urbanisierung</strong> <strong>der</strong> <strong>Favela</strong> „Jardim Copacabana“ in São Paulo<br />
beschäftigen.<br />
1.2 Was bedeutet <strong>Urbanisierung</strong> <strong>von</strong> <strong><strong>Favela</strong>s</strong>?<br />
Die <strong>Urbanisierung</strong> <strong>von</strong> <strong><strong>Favela</strong>s</strong> bedeutet die Strukturierung dieser meist illegal gebauten<br />
Armenviertel. In den <strong><strong>Favela</strong>s</strong> existieren menschenunwürdige Lebensumstände und nicht
4<br />
einmal die Grundbedürfnisse <strong>der</strong> „<strong>Favela</strong>dos“, wie die Bewohner dieser<br />
Hüttensiedlungen genannt werden, werden befriedigt. Dies habe ich auch bei dem<br />
Besuch in einer <strong>Favela</strong> gesehen. Durch die Urbanisation wird die Infrastruktur in diesen<br />
Gebieten verbessert. Straßen ersetzen die schmalen Tr<strong>am</strong>pelpfade, es werden<br />
Wasserversorgung sowie Abwasser- und Müllentsorgung organisiert. Öffentliche<br />
Telefonzellen werden aufgestellt und Straßenbeleuchtung installiert. Dies ist auch ein<br />
Schritt zur Reduzierung <strong>der</strong> hohen Kriminalitätsrate, weiterhin werden Spiel- und<br />
Sportplätze sowie (Kultur-)Plätze und teils sogar Schulen und medizinische Zentren<br />
eingerichtet. 1<br />
Diese Maßnahme bedeutet für die <strong>Favela</strong>dos, welche eine Randgruppe darstellen, neben<br />
einem besseren Leben auch die Chance auf soziale Integration in die Gesellschaft. 2<br />
2. Hauptteil<br />
2.1 Allgemeines zur <strong>Favela</strong> „Jardim Copacabana“<br />
2.1.1 Lage <strong>der</strong> <strong>Favela</strong> 3<br />
Im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t wurde im Süden <strong>der</strong> Metropolregion São Paulo <strong>der</strong> Guarapiranga<br />
D<strong>am</strong>m angelegt, um den durch São Paulo in den Parnaíba fließenden Fluss Tietê zu<br />
regulieren. 4 Der Stausee wurde zum Naherholungsgebiet, sodass sich an <strong>der</strong> rechten<br />
Uferseite Ober- und Mittelschicht mit Wochenendhäuschen, Yachtklubs und ähnlichem<br />
ansiedelten, während die steilere linke Seite <strong>von</strong> <strong>der</strong> Unterschicht eingenommen wurde. 5<br />
Etwa ein Drittel <strong>der</strong> Ges<strong>am</strong>tfläche des Gebietes wird <strong>von</strong> 200 irregulären Siedlungen<br />
und 176 <strong><strong>Favela</strong>s</strong> eingenommen. 6 <strong><strong>Favela</strong>s</strong> „sind illegale, durch spontane o<strong>der</strong> geplante<br />
Inbesitznahme öffentlicher o<strong>der</strong> privater Grundstücke entstandene Wohnviertel [<strong>der</strong><br />
unteren sozialen Schichten], oftmals auf unwegs<strong>am</strong>em Gelände<br />
(Überschwemmungsgebiete, Hanglage u.ä.)“ 7 in <strong>der</strong> Peripherie großer Städte.<br />
1<br />
The World Bank Group: (© 2001). <br />
2<br />
Carrilho Arquitectos (2000), S. 13-16<br />
3<br />
s. Anhang, Abb. 1-9<br />
4<br />
eb.d., S. 69<br />
5<br />
eb.d., S. 70<br />
6<br />
Prefeitura da Cidade de São Paulo (Hrsg.): Progr<strong>am</strong>a Guarapiranga<br />
7<br />
Berg-Schlosser /Happe /Schmitt /Sperberg (2000), S. 42
5<br />
Jardim Copacabana, im Nordwesten des Guarapiranga Gebietes gelegen 8 , ist aufgrund<br />
<strong>der</strong> Steigung <strong>von</strong> zum Teil über 30% sehr instabil. 9 Die <strong>Favela</strong> gehört zu dem Stadtteil<br />
M’boi Mirim.<br />
2.1.2 Wer lebt in <strong>der</strong> <strong>Favela</strong>? 10<br />
Heute leben in Brasilien „fast ein Fünftel <strong>der</strong> Einwohner in prekären Wohngebieten.“ 11<br />
Wie in allen illegalen Siedlungen wohnen in <strong>der</strong> <strong>Favela</strong> „Jardim Copacabana“<br />
Menschen, denen aufgrund fehlen<strong>der</strong> finanzieller Mittel keine Alternativen bleiben. 12<br />
Die Armutsquote liegt in <strong>der</strong> Metropole São Paulo bei schätzungsweise 22%. 13<br />
„Migrationsströme aus dem Nordosten Brasiliens verdoppelten in den 60er Jahren die<br />
Armutsbevölkerung in Rio de Janeiro und São Paulo.“ 14 Aber auch Landflüchtige aus<br />
<strong>der</strong> Umgebung zieht es in die Metropolen, <strong>von</strong> denen sie sich ein besseres leben<br />
erhoffen. Außerdem gab es vor allem in den 1990er Jahren eine starke<br />
Bevölkerungsexplosion, welche sich auf die arme Bevölkerung, nämlich die <strong>Favela</strong>dos<br />
und Obdachlosen beschränkte. Die Armutsquote im Landeswirtschaftszentrum São<br />
Paulo ist höher als in mehr als <strong>der</strong> Hälfte <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Hauptstädte. 15<br />
Trotz achtjähriger Schulpflicht können es sich nicht alle F<strong>am</strong>ilien leisten, ihre Kin<strong>der</strong><br />
zur Schule zu schicken, da diese gebraucht werden, um zum Lebensunterhalt <strong>der</strong><br />
F<strong>am</strong>ilie beizutragen. Auf <strong>der</strong>artige ökonomische Gründe ist wohl auch zurückzuführen,<br />
dass „<strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong>jenigen, die keine Schulbildung genossen haben, bei den Ärmsten<br />
(unterhalb <strong>der</strong> Armutsgrenze) größer [ist] als bei den wohlhaben<strong>der</strong>en<br />
Slumbewohnern“. 16<br />
Laut Umfragen, welche die Projektleitung des „Guarapiranga Progr<strong>am</strong>ms“ anstellte,<br />
besuchten beinah 70% <strong>der</strong> Bewohner des Guarapiranga Gebietes weniger als vier Jahre<br />
eine Schule.<br />
Viele Kin<strong>der</strong> arbeiten als Schuhputzer, Straßenverkäufer, Parkwächter o<strong>der</strong> betteln.<br />
Aufgrund ihrer schweren Situation schließen sich jedoch viele noch nicht Strafmündige<br />
zu Kin<strong>der</strong>banden zus<strong>am</strong>men. Sie begehen Taschendiebstähle, überfallen Imbissstuben<br />
8 Carrilho Arquitectos (2000), S. 78<br />
9 eb.d., S. 80, 82<br />
10 s. Anhang, Abb. 10-18<br />
11 Schmitt (2000), S. 111<br />
12 eb.d., S. 72<br />
13 Berg-Schlosser /Happe /Schmitt /Sperberg (2000), S. 43<br />
14 Schmitt (2000): S. 109<br />
15 Corrêa (2002): População de <strong>Favela</strong>dos e “sem-casa” supera a de 15 capitais<br />
16 Happe /Sperberg (2000), S. 97
6<br />
und Kioske. Oftmals sind sie mit Waffen ausgestattet. Wie 1999 in <strong>der</strong> FSP (Folha de<br />
São Paulo), einer Tageszeitung <strong>der</strong> Stadt São Paulo veröffentlicht wurde, geht man<br />
da<strong>von</strong> aus, dass es in São Paulo über 1500 Kin<strong>der</strong>banden gibt. 17<br />
Für die meisten <strong>Favela</strong>dos existiert keine stabile Erwerbssituation. Wenig rechtlicher<br />
Schutz und keine sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse bedeuten<br />
geringen Kündigungsschutz und führen somit zu häufigem Arbeitsplatzwechsel. 18<br />
Oft sind sie im formellen o<strong>der</strong> informellen Sektor tätig.<br />
Dabei zeigt sich im Gegensatz zu an<strong>der</strong>en Drittweltlän<strong>der</strong>n, dass <strong>der</strong><br />
Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen nicht beson<strong>der</strong>s groß ist.<br />
Die Männer haben mit unter neun Stunden täglich relativ kurze Arbeitszeiten. Der<br />
Großteil <strong>der</strong> Frauen arbeitet als Hausmädchen, und d<strong>am</strong>it in <strong>der</strong> Regel über neun<br />
Stunden täglich.<br />
Der monatliche Mindestlohn, welcher jährlich aktualisiert wird, liegt bei 300 Real, also<br />
ungefähr 100 Euro. In São Paulo bekommen Hausmädchen meistens zwischen<br />
eineinhalb und zwei Mindestlöhnen.<br />
Die schwarze Bevölkerung leidet, trotz demokratischen Systems, unter offener<br />
Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, daher ist ihr Anteil in den <strong><strong>Favela</strong>s</strong> beson<strong>der</strong>s<br />
hoch. 19 Zum Vergleich: in ganz Brasilien sind es etwa 54% Weiße, rund 40% Mulatten<br />
(aus Verbindungen zwischen Weißen und Schwarzen), Caboclos (aus Verbindungen<br />
zwischen Weißen und Indios) und Cafusos (aus Verbindungen zwischen Indios und<br />
Schwarzen) und 5% Schwarze. 20<br />
„Gastarbeiter o<strong>der</strong> Flüchtlinge aus Nachbarlän<strong>der</strong>n finden sich [hingegen] kaum.“ 21<br />
Während fast 94% <strong>der</strong> Einwohner Brasiliens Katholiken sind 22 , sind 13-15% <strong>der</strong><br />
<strong>Favela</strong>-Bewohner Mitglie<strong>der</strong> einer <strong>der</strong> neuen stärker fund<strong>am</strong>entalistischen<br />
evangelischen Kirchen o<strong>der</strong> sympathisieren mit ihnen. 23<br />
17<br />
Dielmann u.a. (Hrsg.) (2001), S. 247<br />
18<br />
Happe /Sperberg (2000), S. 91<br />
19<br />
eb.d., S. 98<br />
20<br />
Meyers Lexikonredaktion (Hrsg.) (1999): „Brasilien“<br />
21<br />
Happe /Sperberg (2000), S. 98<br />
22<br />
Meyers Lexikonredaktion (Hrsg.) (1999): „Brasilien“<br />
23<br />
Happe /Sperberg (2000), S. 98
2.1.3 Das Leben in <strong>der</strong> unurbanisierten <strong>Favela</strong><br />
2.1.3.1 Architektonisch 24<br />
7<br />
Allgemein sind die Baubedingungen in den <strong><strong>Favela</strong>s</strong> äußerst ungünstig. Dies hängt mit<br />
ihrer Lage in ungünstigen Gebieten zus<strong>am</strong>men, die wegen verschiedener<br />
Umweltbedingungen (z.B. Steilhänge, Überschwemmungsflächen <strong>der</strong> Flüsse) nicht<br />
ohne erheblichen Aufwand regulär bebaut o<strong>der</strong> genutzt werden können. 25 Die Hütten<br />
werden ohne beson<strong>der</strong>e Bodenbefestigung in Eigenarbeit gebaut. Als Material wird<br />
alles verwendet, was irgendwie verfügbar und zu gebrauchen ist. So bestehen diese<br />
Hütten zumeist aus unbearbeiteten Holzschwarten und acht-löcherigen<br />
Lehmziegelsteinen. Aber auch Pappplatten und Plastikbanner, die im Müll o<strong>der</strong> <strong>am</strong><br />
Straßenrand zu finden sind, werden verwendet. 26 Während Einf<strong>am</strong>ilienhäuser <strong>der</strong><br />
Mittel- o<strong>der</strong> Oberschicht in Brasilien, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, zumeist nur<br />
ein Geschoß haben, bestehen die <strong>Favela</strong>hütten aus bis zu 3 Etagen. Auch die<br />
Dacheindeckungen bekommen meist keinen wasserfesten Anstrich, da dieser<br />
Geldaufwand zu groß wäre, zumal man sich ohnehin die Möglichkeit offen lässt, bei<br />
Bedarf ein weiteres Geschoß aufzusetzen. 27 Es gibt jedoch auch Dächer, die mit in Teer<br />
getränkten Pappkartonplatten gedeckt sind. 28 Manchmal baut auch die eine F<strong>am</strong>ilie ihre<br />
Hütte auf dem Dach einer an<strong>der</strong>en. Insges<strong>am</strong>t hat die Bauweise „einen improvisierten<br />
Charakter“. 29 Oft halten die <strong><strong>Favela</strong>s</strong> Erosionen o<strong>der</strong> Regenfällen nicht stand. 30<br />
„Durch die hohe Wohn- und Bevölkerungsdichte verschärft sich die Problematik<br />
mangeln<strong>der</strong> Infrastruktur an Kanalisation, Müllbeseitigung o<strong>der</strong> Stromversorgung.“ 31<br />
In „Jardim Copacabana“ sind Wohnungen ohne geotechnische Kontrolle auf<br />
Hangeinschnitten und <strong>am</strong> Rand eines Gewässers gebaut. Dadurch sind sie regelmäßigen<br />
Fluten und Hangrutschen ausgesetzt. 32 Zu dem Mangel an Infrastruktur und Fehlen<br />
einer grundlegenden sanitären Versorgung kommt die armselige Konstruktion <strong>der</strong><br />
Hütten. Schlechte Ausführungen und Risse führen zu einer instabilen Struktur und<br />
24<br />
s. Anhang, Abb. 19-26<br />
25<br />
Carrilho Arquitectos (2000), S. 87<br />
26<br />
eb.d., S. 87<br />
27<br />
eb.d., S. 87<br />
28<br />
Schmitt (2000), S. 113<br />
29<br />
eb.d., S. 113<br />
30<br />
eb.d., S. 113<br />
31<br />
eb.d., S.1 11<br />
32<br />
Carrilho Arquitectos (2000), S. 87
8<br />
Infiltration. Insges<strong>am</strong>t erweisen sich d<strong>am</strong>it die Wohnbedingungen als extrem<br />
ungesund. 33<br />
Zu den Häusern führen bloß schmale, unebene Gassen, die kein Durchkommen für<br />
Autos, Krankenwagen, Müllentsorgung und so weiter ermöglichen. 34 Die mangelnde<br />
Möglichkeit <strong>der</strong> Müllentsorgung führt zu Abfallentladungen und –ans<strong>am</strong>mlungen <strong>am</strong><br />
Gassenrand. 35 Von früher Kindheit an lernen die <strong>Favela</strong>bewohner nicht ihren Müll<br />
richtig zu entsorgen und werfen alles achtlos auf den Boden. Als ich dies sah, war ich<br />
zuerst sehr verwun<strong>der</strong>t, später wurde mir jedoch erklärt, dass dies aus Angewohnheit<br />
und Unkenntnis an<strong>der</strong>er Möglichkeiten geschieht.<br />
Es gibt keine Kanalisation, so läuft <strong>der</strong> Müll mit dem Abwasser und dem Regenwasser<br />
in den Gassen die Hänge hinunter. Der Regen wäscht auch Asphaltstaub, organische<br />
Materialien und Metalle aus, und spült sie mit sich, bis all dieses schließlich in Kuhlen<br />
o<strong>der</strong> Wasserbecken anlangt und diese verunreinigt. 36 Im Guarapiranga entstehen durch<br />
die Verschmutzung des Trinkwassers im Stausee große ökologische Probleme. 37 Schon<br />
aus dem unangenehmen Geruch lässt sich <strong>der</strong> krankheitserregende Einfluss erkennen.<br />
Im Guarapiranga fließen ca. 80% des Abwassers in den Stausee. Insges<strong>am</strong>t haben dort<br />
45% <strong>der</strong> Bevölkerung einen Anschluss an die Kanalisation, da<strong>von</strong> nur auf <strong>der</strong> „reichen“<br />
rechten Seite 85%, darunter sind 80% Reiche und nur 20% Arme. 38<br />
2.1.3.2 Sozial<br />
Die <strong>Favela</strong>dos haben, obwohl sie sehr nah beieinan<strong>der</strong> wohnen, wenig Kontakt und<br />
Vertrauen zu ihren Nachbarn. 52% <strong>der</strong> brasilianischen <strong>Favela</strong>dos sagen aus, dass es in<br />
ihrem Wohnviertel keinen Zus<strong>am</strong>menhalt <strong>der</strong> Bewohner gibt. 32% vertrauen<br />
niemandem, 58% nur wenigen. 39 Auf Unterstützung durch Freunde, Nachbarn o<strong>der</strong><br />
F<strong>am</strong>ilienangehörige können nur ca. 8 % vertrauen. 40<br />
Gefühle <strong>der</strong> Einheit und des Vertrauens werden <strong>von</strong> bewaffneten Drogenbanden, die ein<br />
Klima <strong>der</strong> Einschüchterung und Angst schaffen, unterdrückt. 41 Nachts trauen sich die<br />
Menschen nicht auf die Straße, aus Angst Opfer <strong>der</strong> hohen Kriminalität zu werden. 42<br />
33 eb.d., S. 87<br />
34 eb.d., S. 88<br />
35 eb.d., S. 88f<br />
36 eb.d., S. 98<br />
37 eb.d., S. 89<br />
38 eb.d., S. 97<br />
39 Happe/Sperberg (2000), S. 102<br />
40 eb.d., S. 94<br />
41 eb.d., S. 103
9<br />
Innerhalb ihrer Siedlungen wohnen die <strong>Favela</strong>dos nach Einkommensgruppen getrennt. 43<br />
Die Lebenszufriedenheit liegt mit 89% jedoch hoch, was d<strong>am</strong>it zus<strong>am</strong>menhängt, dass<br />
die <strong>Favela</strong>dos ihre Situation nicht mit höheren sozialen Schichten, son<strong>der</strong>n innerhalb<br />
<strong>der</strong> <strong>Favela</strong> vergleichen. 44<br />
2.2 <strong>Urbanisierung</strong><br />
2.2.1 Phasen <strong>der</strong> Wohnpolitik<br />
Es lassen sich in <strong>der</strong> staatlichen Wohnpolitik weltweit vier zeitlich aufeinan<strong>der</strong> folgende<br />
Reaktionen auf Armenviertel feststellen.<br />
Die ursprünglich erste Reaktion ist die bewusste Ignorierung <strong>der</strong> Viertel und<br />
Ausgrenzung <strong>der</strong> Bewohner. 45 Aufgrund <strong>der</strong> stetigen Vergrößerung und Ausdehnung<br />
des Elends wird dies jedoch mit <strong>der</strong> Zeit schwierig.<br />
So folgt als zweite Maßnahme eine aktive Räumungspolitik. Mir wurde berichtet, wie<br />
<strong><strong>Favela</strong>s</strong> in großem Maß abgerissen wurden, was jedoch auch nicht beson<strong>der</strong>s viel Erfolg<br />
zeigte, da die Hütten nicht son<strong>der</strong>lich aufwendig konstruiert sind und die <strong>Favela</strong>dos<br />
durch den Abriss keinen großen Verlust erlitten. Sie nahmen ihr weniges Hab und Gut<br />
und bauten in <strong>der</strong> Nähe eine ähnliche Siedlung auf o<strong>der</strong> kehrten nach den Abrissarbeiten<br />
direkt in ihr altes Wohnviertel zurück, um aus den Schutthaufen neue Häuser zu<br />
errichten, falls das Gebiet nicht direkt für an<strong>der</strong>e Zwecke genutzt wurde.<br />
Aus <strong>der</strong> Erkenntnis, dass man die <strong><strong>Favela</strong>s</strong>, als Schandfleck <strong>der</strong> Städte, konstruktiv<br />
beseitigen müsse, wurde als dritte Reaktion das Modell des „[staatlichen sozialen<br />
Wohnungsbaus] <strong>von</strong> den Industrienationen kopiert.“ 46 Da „die Baumaßnahmen häufig<br />
zu teuer gerieten, [war] die Vergabe <strong>der</strong> Wohnungen klientelistischen Praktiken<br />
unterworfen [, sodass <strong>am</strong> Ende] Wohnraum für die Mittelschichten entstand.“ 47 „Eine<br />
Untersuchung <strong>der</strong> Weltbank in sechs Großstädten <strong>der</strong> Dritten Welt k<strong>am</strong> zu dem<br />
Ergebnis, dass zwischen ein und zwei Drittel <strong>der</strong> Haushalte es sich nicht leisten<br />
42 Carrilho Arquitectos (2000), S. 185<br />
43 eb.d., S. 103<br />
44 eb.d., S. 100<br />
45 Schmitt (2000), S. 120<br />
46 eb.d., S. 122<br />
47 eb.d., S. 122
10<br />
konnten, die billigsten verfügbaren Wohnungseinheiten des staatlichen Wohnungsbaus<br />
zu kaufen o<strong>der</strong> zu mieten.“ 48<br />
Als vierte Reaktion steht die Erkenntnis, dass es nicht möglich ist, die städtischen<br />
Armen aus ihren Marginalsiedlungen zu vertreiben o<strong>der</strong> gar für alle möglichst gut<br />
ausgestattete Wohnungen zu schaffen, son<strong>der</strong>n dass die existierenden Siedlungen so zu<br />
gestalten seien, dass die Grundbedürfnisse <strong>der</strong> Bewohner gedeckt sind. 49 Wichtig war<br />
hierzu zuerst einmal die Legalisierung solcher Viertel, 50 darauf folgten Maßnahmen zur<br />
Verbesserung <strong>der</strong> Lebensbedingungen.<br />
Zum Teil versprechen Politiker Strom- und Wasserversorgung, ein Straßennetz o<strong>der</strong><br />
ähnliches im Gegenzug zu Wahlstimmen. Diese Versprechen werden jedoch nicht<br />
immer gehalten; zum Teil werden Viertel aber auch schon als Wahlgeschenk in<br />
Vorwahlk<strong>am</strong>pagnen infrastrukturell besser ausgestattet. 51<br />
Mit <strong>der</strong> Demokratisierung nahmen die Hilfsprogr<strong>am</strong>me zur Verbesserung <strong>der</strong><br />
infrastrukturellen Versorgung <strong>der</strong> <strong><strong>Favela</strong>s</strong> zu. 52 Obwohl die Zuständigkeit für<br />
„,Angelegenheiten im lokalen Interesse'“ den Kommunen unterliegt, müssen diese<br />
aufgrund fehlen<strong>der</strong> finanzieller Mittel ihre „Kompetenzen an die Bundesstaaten<br />
zurückdelegieren“. 53 Behörden für Wohnpolitik und Lebenssituation befassen sich mit<br />
den Problemen. 54<br />
Hauptsächlich werden „upgrading“-Progr<strong>am</strong>me <strong>von</strong> <strong>der</strong> Weltbank initiiert und<br />
finanziert, aber auch an<strong>der</strong>e Entwicklungsorganisationen engagieren sich bei den<br />
Maßnahmen zur Verbesserung <strong>der</strong> Infrastruktur in prekären Wohnvierteln. 55<br />
2.2.2 Das Projekt „Guarapiranga“<br />
Das Projekt Guarapiranga wurde 1992 <strong>von</strong> <strong>der</strong> Weltbank als Teil des Projektes zur<br />
Verbesserung <strong>der</strong> Wasserqualität ins Leben gerufen. 56 In Zus<strong>am</strong>menarbeit mit <strong>der</strong><br />
Regierung des Staates São Paulo und <strong>der</strong> Stadtverwaltung sollte die Qualität des<br />
48 Harrison (1984), S. 96<br />
49 eb.d., S. 95, 99<br />
50 Schmitt (2000): S. 120<br />
51 eb.d., S. 113, 127f<br />
52 eb.d., S. 104<br />
53 eb.d., S. 41<br />
54 eb.d., S. 119<br />
55 eb.d., S. 123<br />
56 Denaldi (2003), S. 109
11<br />
Wassers im Stausee, welcher über drei Millionen Einwohner <strong>der</strong> Südzone <strong>der</strong><br />
Metropole mit Wasser versorgt, verbessert werden. 57<br />
Das Ziel des Progr<strong>am</strong>ms war die Verbesserung <strong>der</strong> Infrastruktur <strong>der</strong> <strong><strong>Favela</strong>s</strong> und somit<br />
auch <strong>der</strong> Lebensqualität ihrer Bewohner. 58 Dies sollte auch durch die Schaffung neuer<br />
Wohnmöglichkeiten bzw. Verbesserung <strong>von</strong> Wohnraum erreicht werden.<br />
2.2.2.1 Maßnahmen in „Jardim Copacabana“<br />
2.2.2.1.1 Konkrete Durchführung 59<br />
In Jardim Copacabana wurde mit den Arbeiten im Juli 1996 begonnen. 60<br />
Insges<strong>am</strong>t wurden ein Wasserversorgungsnetz <strong>von</strong> 2,35 km Länge und ein<br />
Abwassernetz <strong>von</strong> 2,9 km angelegt. Im Gegensatz zu vorher haben nun 397 weitere<br />
Häuser einen Anschluss an fließendes Wasser und 469 Häuser eine Neuanbindung an<br />
die Kanalisation. 61<br />
Um Zugang für Krankenwagen, Feuerwehrfahrzeuge und Müllabfuhr zu gewährleisten<br />
wurde ein befestigtes Straßennetz <strong>von</strong> einem Kilometer Länge und einer Ges<strong>am</strong>tfläche<br />
<strong>von</strong> 6.214 m² angelegt. 62 Für Fußgänger entstanden viele Treppenanlagen, die nun<br />
helfen, die extremen Steigungen zu überwinden. 63<br />
Zur Stabilisierung <strong>der</strong> Hänge wurden Befestigungsmauern (insges<strong>am</strong>t 1.925 m²)<br />
angelegt. 64<br />
In <strong>der</strong> Siedlung entstand Regenwassernetz <strong>von</strong> ca. 1,8 km. 65<br />
Der breite Wasserlauf, ein Nebenfluss <strong>der</strong> Itupu Flusses, dessen Flussbett sich<br />
ursprünglich durch das Tal <strong>der</strong> Siedlung zog, wird nun an selber Stelle unterirdisch<br />
durch breite Rohre geleitet. So ist das Wasser besser vor umweltschädlichen Einflüssen<br />
geschützt. 66 Wo ursprünglich das Flussbett lag, befindet sich heute die Hauptstraße des<br />
Viertels. An ihrem Ende, ziemlich genau in <strong>der</strong> Mitte des Viertels gelegen, wurde auf<br />
1.315 m² ein zentraler Platz geschaffen, <strong>der</strong> neben einem Fußballfeld und einem großen<br />
57<br />
Prefeitura da Cidade de São Paulo (Hrsg.): Progr<strong>am</strong>a Guarapiranga<br />
58<br />
Denaldi (2003), S. 110<br />
59<br />
s. Anhang, Abb. 30-50<br />
60<br />
eb.d., S. 143<br />
61<br />
eb.d., S. 143<br />
62<br />
eb.d., S. 143, 231<br />
63<br />
eb.d., S. 186<br />
64<br />
eb.d., S. 143<br />
65<br />
eb.d., S. 143<br />
66<br />
eb.d., S. 188
12<br />
Spielplatz weitere 1.000 m² Erholungsfläche bietet. 67 Diese Gemeinschaftsfläche<br />
verbessert das Verhältnis <strong>der</strong> Nachbarn, die dadurch viel öfter miteinan<strong>der</strong> in Kontakt<br />
und ins Gespräch kommen. 68<br />
Als Ersatz für unvermeidbare Hausabrisse, wurden 25 neue Wohneinheiten mit jeweils<br />
50 m² Nutzfläche im Gebiet <strong>der</strong> <strong>Favela</strong> geschaffen. 69 Weitere Wohnungen wurden in<br />
Wohnkomplexen außerhalb <strong>der</strong> <strong>Favela</strong> in einem „normalen Wohngebiet“ in <strong>der</strong><br />
Umgebung geschaffen.<br />
Als die Arbeiten im Mai 1997 abgeschlossen wurden, waren 398 F<strong>am</strong>ilien speziell <strong>von</strong><br />
diesem Progr<strong>am</strong>m begünstigt worden. Insges<strong>am</strong>t hat die <strong>Urbanisierung</strong> für alle ca. 2200<br />
Einwohner Vorteile und Verbesserungen mit sich gebracht. 70<br />
Viele Bewohner <strong>der</strong> <strong>von</strong> dem Progr<strong>am</strong>m nicht direkt betroffenen Häuser haben sich im<br />
Zuge <strong>der</strong> <strong>Urbanisierung</strong> dazu entschlossen, selbst weitere Renovierungsmaßnahmen wie<br />
Anbauten o<strong>der</strong> Verbesserungen an ihrem Haus vorzunehmen.<br />
2.2.2.1.2 Bewohner<br />
Vor Beginn <strong>der</strong> Maßnahmen wurden in <strong>der</strong> <strong>Favela</strong> o<strong>der</strong> ihrer unmittelbaren Nähe<br />
Vers<strong>am</strong>mlungen mit den Bewohnern einberufen. So wurden die Bewohner über die<br />
bevorstehenden Arbeiten informiert und Ansprechpartnern vorgestellt. 71 Außerdem<br />
wurde über die Beschäftigungsmöglichkeiten für die Bewohner im Rahmen des<br />
Progr<strong>am</strong>ms informiert.<br />
Weitere Informationen beschäftigten sich mit den notwendigen<br />
Umsiedlungsprogr<strong>am</strong>men. Betroffen waren hierbei jene Bewohner, die zeitweise o<strong>der</strong><br />
prinzipiell umgesiedelt werden mussten. 72<br />
Dauerhaft umgesiedelt werden musste, wer in nicht bewohnbaren Gebieten wohnte.<br />
Diese konnten sich für verschiedene Wohnkomplexe in <strong>der</strong> Umgebung bewerben. Wer<br />
in eine Wohnung <strong>der</strong> Wohnkomplexe umsiedeln durfte, wurde anhand verschiedener<br />
Kriterien wie Einkommen, Alter und F<strong>am</strong>ilienstand entschieden. 73 Wer nicht den<br />
67<br />
eb.d., S. 188, 196<br />
68<br />
eb.d., S. 233<br />
69<br />
eb.d., S. 143<br />
70<br />
eb.d., S. 143<br />
71<br />
Carrilho Arquitectos (2000), S. 223<br />
72<br />
eb.d., S. 223<br />
73<br />
eb.d., S. 224
13<br />
Kriterien entsprach, dem wurde innerhalb <strong>der</strong> <strong>Favela</strong> eine <strong>der</strong> neu entstandenen<br />
Wohneinheiten zur Verfügung gestellt. 74<br />
Zeitweise umgesiedelt werden mussten jene, die an den Hängen wohnten, die stabilisiert<br />
werden mussten, o<strong>der</strong> in den Gebieten, die trocken gelegt werden mussten o<strong>der</strong> wo<br />
Straßen entstehen sollten. 75 Für jene wurden jedoch später an alter Stelle neue<br />
Wohneinheiten gebaut.<br />
Während <strong>der</strong> Arbeiten wurden alle, die darauf warteten, wie<strong>der</strong> in ihr gewohntes<br />
Umfeld o<strong>der</strong> in einen <strong>der</strong> Wohnkomplexe zu ziehen, in <strong>der</strong> Umgebung untergebracht. 76<br />
Ziel hierbei war es, möglichst wenig Menschen umsiedeln zu müssen und wenn nicht<br />
vermeidbar, dann in nah gelegene Gebiete, sodass keine für sie unangenehmen<br />
Verän<strong>der</strong>ungen auftraten. 77<br />
Die Bewohner wurden in die Arbeiten bereits bei <strong>der</strong> Planung miteinbezogen, um ihre<br />
Bedürfnisse zu ergründen und ihre Erfahrungen zu nutzen, um so eine höhere<br />
Akzeptanz <strong>der</strong> Maßnahme zu erzielen. 78 Außerdem wurden sie während <strong>der</strong> Arbeiten<br />
über alles, sowohl Fortschritte als auch Schwierigkeiten, ausgiebig informiert, ihr<br />
gewohntes Leben sollte dabei möglichst wenig beeinflusst werden. 79<br />
Es fanden geson<strong>der</strong>te Treffen mit nach Straßen und Sektoren geordneten Gruppen statt,<br />
um mit diesen über die sie betreffenden Arbeiten zu sprechen und sie über den Zeitplan<br />
zu informieren.<br />
Die Menschen, die in <strong>der</strong> <strong>Favela</strong> leben, gehören, in allen überprüften Sektoren, zu den<br />
<strong>am</strong> wenigsten gebildeten, insbeson<strong>der</strong>e auch im Bereich des Umweltschutzes. Es fanden<br />
Informations- und Schulungsveranstaltungen in diesem Bereich statt, da es für die<br />
Nachhaltigkeit <strong>der</strong> Verbesserungen beson<strong>der</strong>s wichtig ist, dass die Bewohner pfleglich<br />
mit <strong>der</strong> Siedlung und ihren Einrichtungen umgehen, dass die<br />
Müllentsorgungseinrichtungen genutzt werden und so <strong>der</strong> Lebensraum geschützt wird.<br />
Nach Abschluss <strong>der</strong> Arbeiten sind die Bewohner für den Erhalt und die Instandhaltung<br />
des Gebietes selber zuständig. 80<br />
74 eb.d., S. 225<br />
75 eb.d., S. 81<br />
76 eb.d., S. 225<br />
77 eb.d., S. 222<br />
78 eb.d., S. 223<br />
79 eb.d., S. 222<br />
80 eb.d., S. 34
2.2.2.1.3 Fazit 81<br />
14<br />
Die <strong>Urbanisierung</strong> <strong>der</strong> <strong>Favela</strong> „Jardim Copacabana“ hat die Lebensqualität ihrer<br />
Bewohner extrem verbessert. Durch Installation <strong>von</strong> sanitären Einrichtungen und<br />
Kanalisation haben sich die hygienischen und gesundheitlichen Zustände stark<br />
verbessert. Das Abwassernetz verhin<strong>der</strong>t auch die zuvor häufig auftretenden<br />
Überschwemmungen. 82<br />
Durch bessere Verkehrswege und Anschlüsse ist mehr Bewegungsfreiheit gegeben und<br />
Zulieferer, Postwagen, Feuerwehr, Krankenwagen, Müllabfuhr und an<strong>der</strong>e Fahrzeuge<br />
haben besseren Zugang. 83<br />
Der Zustand <strong>der</strong> Häuser hat sich sowohl durch die Maßnahmen des Progr<strong>am</strong>ms als auch<br />
durch die dadurch angeregte Eigeninitiative verbessert. 84<br />
Wegen <strong>der</strong> d<strong>am</strong>it zus<strong>am</strong>menhängenden Zus<strong>am</strong>menarbeit hat sich auch <strong>der</strong> Kontakt<br />
zwischen den Bewohnern des Viertels verbessert. 85<br />
Den Kin<strong>der</strong>n bieten Fußballplatz und <strong>der</strong> ges<strong>am</strong>te Erholungsbereich eine<br />
Beschäftigungsmöglichkeit, die sie <strong>von</strong> <strong>der</strong> Straße fern hält und „Kriminalität aus<br />
Langeweile“ vorbeugt. Die Sitzmöglichkeiten des Platzes bieten Gelegenheiten zum<br />
Lernen für die Schule. 86<br />
2.2.2.2 Finanzen<br />
Ursprünglich waren Investitionen <strong>von</strong> 262 Millionen Dollar in das Projekt Guarapiranga<br />
vorgesehen, 199 Millionen da<strong>von</strong> <strong>von</strong> <strong>der</strong> Weltbank, <strong>der</strong> Restbetrag wurde <strong>von</strong><br />
Bundesstaat und Kommune aufgewendet. 87 Dabei war vorgesehen, pro F<strong>am</strong>ilie 6.450<br />
Dollar aufzuwenden. Letztlich mussten jedoch durchschnittlich 13.045 Dollar pro<br />
F<strong>am</strong>ilie aufgewendet werden. 88<br />
81 s. Anhang, Abb. 51-58<br />
82 eb.d., S. 233<br />
83 eb.d., S. 230f<br />
84 eb.d., S. 231<br />
85 eb.d., S. 233<br />
86 eb.d., S. 233<br />
87 Denaldi (2003), S. 110<br />
88 eb.d., S. 111
15<br />
Aufgrund <strong>der</strong> finanziellen Fehlkalkulation konnten nur 67 <strong>der</strong> 168 <strong><strong>Favela</strong>s</strong> im<br />
Guarapirangagebiet urbanisiert werden. 89<br />
In die Maßnahmen in „Jardim Copacabana“ wurden 1.742.006,16 Real investiert. 90<br />
3. Schlussteil<br />
3.1 Schlussbetrachtung<br />
<strong>Urbanisierung</strong> ist die effektivste Lösung, um die Lebensbedingungen <strong>der</strong> <strong>Favela</strong>dos zu<br />
verbessern.<br />
Das hohe Maß an Akzeptanz durch die Bewohner gewährleistet einen dauerhaften<br />
Erfolg <strong>der</strong> Maßnahme.<br />
Durch die Verbesserung in den bereits besiedelten, ohnehin nicht an<strong>der</strong>s nutzbaren<br />
Gebieten müssen keine neuen Flächen gefunden werden und kein Bewohner muss das<br />
gewohnte Gebiet verlassen. Da die <strong><strong>Favela</strong>s</strong> meistens so gelegen sind, dass <strong>von</strong> ihnen aus<br />
die Stadt relativ schnell zu erreichen ist, wünschen sich die meisten Bewohner keine<br />
Umsiedlung in ein an<strong>der</strong>es Gebiet.<br />
Ein aus meiner Sicht beson<strong>der</strong>s wichtiger Aspekt <strong>der</strong> infrastrukturellen Verbesserung ist<br />
die positive Auswirkung auf die Gesundheit. Müllentsorgung und Abwassernetz<br />
reduzieren das Infektionsrisiko und verhin<strong>der</strong>n die Verschmutzung des Stausees und<br />
erhöhen dadurch die Qualität des Trinkwassers für ganz São Paulo.<br />
Die gemeins<strong>am</strong>e Arbeit an dem Projekt bringt den Bewohnern neben <strong>der</strong> Beschäftigung<br />
und den d<strong>am</strong>it verbundenen Einnahmen auch Kommunikation mit ihren Nachbarn.<br />
Folgen hier<strong>von</strong> sind eine Reduzierung <strong>der</strong> Kriminalität, größeres Vertrauen und<br />
Gemeinschaftsgefühl.<br />
Mit dem Gewinn an Wohnwert steigt auch das Selbstwertgefühl. Der Wunsch zur<br />
Erhaltung <strong>der</strong> Wohnsituation trägt auch gleichzeitig zur Schaffung neuer Kompetenzen<br />
und Verantwortungen bei.<br />
Auch das Gefühl, vom Staat und an<strong>der</strong>en akzeptiert zu werden, wird durch die<br />
frühzeitige und umfassende Einbindung in alle Phasen des Progr<strong>am</strong>ms, erreicht.<br />
89 eb.d., S. 112<br />
90 Prefeitura da Cidade de São Paulo (Hrsg.): Progr<strong>am</strong>a Guarapiranga
3.2 Anhang<br />
Abbildung 1: Brasilien Abbildung 2: Regionen <strong>der</strong> Stadt<br />
(www.wikipedia.org) São Paulo<br />
(http://ww2.prefeitura.sp.gov.br//arq<br />
uivos/guia/mapas/0001/mapa_distrit<br />
os.jpeg)<br />
Abbildung 3: Copacabana<br />
(Carrilho Arquitectos, S.78)<br />
Abbildung 4: Steigung<br />
(Carrilho Arquitectos, S.80)
Abbildung 4: Steigung<br />
(Carrilho Arquitectos, S.82)<br />
Abbildung 6: Grundstückswert<br />
(Carrilho Arquitectos, S.27)<br />
Abbildung 5: M’boi Mirim<br />
(http://www.prefeitura.sp.gov.br/por<br />
tal/index.html)
Abbildung 7: Copacabana Sub-basin Luftbild<br />
(Carrilho Arquitectos, S.110)<br />
Abbildung 9: Hangbebauung Jardim Copacabana<br />
(Carrilho Arquitectos, S.111)<br />
Abbildung 8: Jardim<br />
Copacabana Grundriss<br />
(Carrilho Arquitectos, S.143)
Abbildung 10: <strong>Favela</strong>dos<br />
(http://www.prefeitura.sp.gov.br/portal/index.html)<br />
Abbildung 11: Einkommen<br />
(http://www.prefeitura.sp.gov.br/portal/index.html)<br />
Abbildung 12: Wohngründe Abbildung 13: registrierte Einwohner<br />
(Pesquisa) (Pesquisa)
Abbildung 14: Bevölkerungspyr<strong>am</strong>ide<br />
(http://www.prefeitura.sp.gov.br/portal/index.html)<br />
Abbildung 15: Schulbildung Abbildung 16: Beschäftigungssituation<br />
(Pesquisa) (Happe/Sperberg (2000), S.92)<br />
Abbildung 17: Anteil <strong>der</strong> rassischen Gruppen an Erwerbstätigen und <strong>am</strong> Einkommen<br />
(Briesemeister, S. 126)
Abbildung 18: Auspendler<br />
(http://www.prefeitura.sp.gov.br/portal/index.html)<br />
Abbildung 19: gefährliche Bebauung (Carrilho Arquitectos (2000), S.86)
Abbildung 20: prekäre Wohnungen 1 Abbildung 21: prekäre Wohnungen 2<br />
(Carrilho Arquitectos, S.111) (Carrilho Arquitectos, S.111)<br />
Abbildung 22: Gasse<br />
(Carrilho Arquitectos, S.83)<br />
Abbildung 23: Bebauung bei starker Steigung<br />
(Carrilho Arquitectos, S.83)<br />
Abbildung 25: Steigung und Bebauung<br />
(Carrilho Arquitectos, S.111)<br />
Abbildung 24: Abfall <strong>am</strong><br />
Wasserlauf<br />
(Carrilho Arquitectos, S.32)
Abbildung 26: Indikatoren des Elends<br />
(Briesemeister (1994), S.157)<br />
Abbildung 27: São Bernado, rechte Seite, Kontrast<br />
(Carrilho Arquitectos (2000), S.105)
Abbildung 28: Wohnbedingungen (http://www.prefeitura.sp.gov.br/portal/index.html)<br />
Abbildung 29: Todesursachen (http://www.prefeitura.sp.gov.br/portal/index.html)<br />
Abbildung 30: Ges<strong>am</strong>tbild vorher<br />
(Carrilho Arquitectos, S.142)<br />
Abbildung 31: Situation vorher<br />
(Carrilho Arquitectos, S.142)
Abbildung 32: während Abbildung 33: während Abbildung 34: während<br />
Ausschachtung Rohrverlegung Treppe<br />
(Carrilho Arquitectos, S.143) (e.b.d., S.143) (e.b.d., S. 143)<br />
Abbildung 35: während<br />
Weg<br />
(e.b.d., S. 143)<br />
Abbildung 37: Kanalisation<br />
(Pesquisa)<br />
Abbildung 36: während Wasserrohr<br />
(Prefeitura da Cidade de São Paulo)<br />
Abbildung 38: Straße nachher<br />
(Prefeitura da Cidade de São Paulo)
Abbildung 40: Straße und Wohneinheiten nachher<br />
Abbildung 39: Treppenanlage (Prefeitura da Cidade de São Paulo)<br />
nachher<br />
(Carrilho Arquitectos, S.143)<br />
Abbildung 41: Ges<strong>am</strong>tansicht nachher<br />
(Carrilho Arquitectos (2000), S.142)
Abbildung 42: Fußballfeld und Wohneinheiten nachher (Carrilho Arquitectos, S.196)<br />
Abbildung 43: Spielplatz nachher<br />
(Prefeitura da Cidade de São Paulo)<br />
Abbildung 45: Straße und Wohneinheiten (Carrilho Arquitectos, S.143)<br />
Abbildung 44: Square Plan<br />
(Carrilho Arquitectos, S.196)
Abbildung 46: Wohneinheiten<br />
(Carrilho Arquitectos, S.143)<br />
Abbildung 48: Wohnraum (Sicht a)<br />
(Carrilho Arquitectos, S.181)<br />
Abbildung 47: Wohneinheit<br />
(Carrilho Arquitectos, S.181)<br />
Abbildung 49: Wohnraum (Sicht b) Abbildung 50: Schlafzimmer<br />
(Carrilho Arquitectos, S.196) (Carrilho Arquitectos, S.196)
Abbildung 51: Wasserversorgung Abbildung 52: Müllabführ<br />
(Pesquisa) (Pesquisa)<br />
Abbildung 53: Erholungsflächen Abbildung 54: Zufahrtsmöglichkeit<br />
(Pesquisa) (Pesquisa)<br />
Abbildung 55: Telefonanschluss Abbildung 56: Sauberkeit<br />
(Pesquisa) (Pesquisa)<br />
Abbildung 57: Gesundheit<br />
(Pesquisa)<br />
Abbildung 58: Zufriedenheit (Pesquisa)
4. Literaturverzeichnis:<br />
16<br />
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Berg-Schlosser, D. und Kersting, N. (Hrsg.). Armut und Demokratie. Politische<br />
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2. Briesemeister, D./Kohlhepp, G./Mertin, R./Sangmeister, H. & Schra<strong>der</strong>, A.<br />
(Hrsg.) (1994). Brasilien heute. Politik – Wirtschaft – Kultur. Frankfurt/Main<br />
3. Carrilho Arquitectos, M. ( 1 2000). Guarapiranga. Urban and environmental<br />
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4. Denaldi, R. (2003). Políticas de Urbanização de <strong><strong>Favela</strong>s</strong> – evolução e impasses.<br />
Doktorarbeit. São Paulo: Faculdade de Arquitetura e Urbanismo USP.<br />
5. Corrêa, S. (28.07.2002). População de <strong>Favela</strong>dos e “sem-casa” supera a de 15<br />
capitais). In: Folha de São Paulo. Online unter URL:<br />
, 15.12.2005<br />
6. Dielmann, M./Fuchs, M./Fischer, P./Gerber, Dr. W./K<strong>am</strong>merer, Dr.<br />
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J./Theißen, Dr. U. & Wührl, E. (Hrsg.) (2001). Mensch und Raum. Geographie<br />
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7. Happe, B. & Sperberg, J. (2000). Soziale Strukturen und Lebensbedingungen.<br />
In: Berg-Schlosser, D. und Kersting, N. (Hrsg.). Armut und Demokratie.<br />
Politische Partizipation <strong>der</strong> städtischen Armen in Afrika und Latein<strong>am</strong>erika.<br />
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8. Harrison, P. (1980). Die Zukunft <strong>der</strong> Dritten Welt. „The third World<br />
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9. Meyers Lexikonredaktion (Hrsg.) (1999). Meyers Taschen Lexikon in 10<br />
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10. Schmitt, S. (2000). Wohnbedingungen und –politiken. In:<br />
Berg-Schlosser, D. und Kersting, N. (Hrsg.). Armut und Demokratie. Politische<br />
Partizipation <strong>der</strong> städtischen Armen in Afrika und Latein<strong>am</strong>erika.<br />
Frankfurt/Main<br />
11. Prefeitura da Cidade de São Paulo (Hrsg.) (o.J.). Progr<strong>am</strong>a Guarapiranga. Online<br />
unter URL: <br />
(16.11.2005)<br />
12. Progr<strong>am</strong>a Guarapiranga (Hrsg.) (2004). Pesquisa Beneficiários. Áreas<br />
Urbanizadas. São Paulo
17<br />
13. The World Bank Group: Urban Service to the Poor Thematic Group, What is<br />
Urban Upgrading? (© 2001). online unter URL:<br />
, 22.12.2005
5. Erklärung<br />
18<br />
Ich erkläre, dass ich die Facharbeit ohne fremde Hilfe angefertigt habe und nur die im<br />
Literaturverzeichnis angeführten Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.<br />
Ich bin d<strong>am</strong>it einverstanden, dass meine Arbeit <strong>von</strong> an<strong>der</strong>en SchülerInnen eingesehen<br />
wird o<strong>der</strong> im Internet veröffentlicht wird.<br />
Hagen, 18.12.05 Larissa Willeke