Vorträge/ 2.1 Herr Dr. Joachim Ulrich: „Der Verbleib der Schulabgängerinnen und Schulabgänger in qualitativer und quantitativer Hinsicht“ Die verzweifelten und fast schon aggressiven Äußerungen der Jugendlichen, allesamt Lehrstellenbewerber des Jahres 2004, kontrastieren scharf mit dem Titel der Festschrift, und man könnte als (schlechte) Entschuldigung allenfalls noch anführen, dass das Zitat ja nicht aus Deutschland stammt, sondern vom Finnen Jukka Sarjala, der damit die Bildungsphilosophie des PISA-Siegers Finnland umschrieb. Nun sind solche, in dieser Schärfe vorgetragenen Äußerungen von Seiten der Jugendlichen Gott sei Dank (noch) relativ selten zu hören. Dennoch sollten sie als Warnsignal nicht überhört und nicht leichtfertig verdrängt werden. Die Stimmung unter den Jugendlichen ist insgesamt alles andere als von Optimismus geprägt. Die Gefahr ist groß, dass der Anteil junger Menschen in Deutschland, der auf Dauer ohne Berufsabschluss bleibt, wieder steigen wird. Dies gilt nicht nur, aber ganz besonders für Jugendliche mit Migrationshintergrund (vgl. auch Granato/Uhly, 2006). Abschließende Bemerkungen Ausbildung als Investition in die Zukunft Die Partner des Ausbildungspaktes verkündeten in ihrer Pressemitteilung Anfang Oktober 2005: „Leichte Entspannung auf dem Ausbildungsmarkt“. Sie taten dies, obwohl der Bundesagentur für Arbeit im Ende September abgelaufenen Geschäftsjahr 2005 rund 41.200 betriebliche Lehrstellen weniger gemeldet worden waren und auch Industrie, Handel und Handwerk bei ihrer Zwischenzählung der eingetragenen Verträge 26.900 Abschlüsse weniger registriert hatten als noch ein Jahr zuvor. Die „Entspannung“ war somit nur deshalb eingetreten, weil wieder einmal mehr erfolglose Bewerber in berufsvorbereitende Maßnahmen eintraten oder sich ersatzweise eine Arbeit suchten und damit die Zahl der offiziell „noch nicht vermittelten Bewerber“ um rund 3.200 gegenüber dem Vorjahr auf nunmehr 40.900 verringerten. Ob diese Situation für die Jugendlichen „Entspannung“ bedeutete, mochte angesichts der erneut gesunkenen Einmündungsquote in die Berufsausbildung mehr als fraglich gewesen sein. Offenbar ging es eher um die temporäre Atempause einer Erwachsenengeneration, die angesichts der allgemeinen Beschäftigungsmisere, wachsender Schulabgängerzahlen und z. T. unzureichender Ausbildungsreife der Jugendlichen seit einiger Zeit nicht mehr so recht weiß, wie sie alle Jugendlichen in betriebliche Ausbildung bringen soll. Gelegentlich setzt sich, wie Dieter Euler (2005, S. 205) in der oben genannten Festschrift formulierte, die „bedenkliche Tendenz durch, nicht die Probleme der Jugendlichen als Kernthema aufzunehmen, sondern die Jugendlichen selbst als das Problem zu definieren.“ Damit würde aber auch unsere eigene Zukunft zum Problem, denn wir brauchen diese Jugend – spätestens dann, wenn wir alt sind und nicht mehr zu denjenigen zählen, die maßgeblich die Definitionsgewalt über die dann anstehenden Probleme ausüben. Und diese Probleme werden, das lässt sich leider heute schon angesichts der demographischen Verhält- nisse und der drückenden Staatsverschuldung absehen, gewaltig sein. Nur einige Daten dazu: Während heute rund dreieinhalb Millionen Menschen über 80 Jahre in Deutschland leben, sind es 2020 weit mehr als fünf Millionen – mit entsprechend höheren Kosten für Gesundheit und Pflege. Auf 100 Erwerbspersonen zwischen 34 und 49 Jahren entfallen dann nicht mehr, wie heute noch, rund 48 Personen über 70 Jahren, sondern fast 80. Und die Staatsschulden je Person zwischen 20 und 69 Jahren werden nicht mehr, wie noch heute, bei etwa 26.000 bis 27.000 € liegen, sondern – sofern die Verschuldung ungebremst weiter läuft – bei deutlich über 60.000 €. 43
Vorträge/ 2.1 Herr Dr. Joachim Ulrich: „Der Verbleib der Schulabgängerinnen und Schulabgänger in qualitativer und quantitativer Hinsicht“ Es ist völlig offen, wie die jungen Menschen von heute all diese zukünftigen Belastungen tragen können. Es ist aber klar, dass es im ureigensten Interesse der älteren Generation liegen muss, die Jungen in optimaler Weise auszubilden, damit diese später zu einer möglichst großen Wertschöpfung beitragen können. 44