Spurensuche - Bernd Bräuer
Spurensuche - Bernd Bräuer Spurensuche - Bernd Bräuer
Novalis Spurensuche Orte und Städte 2011
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- Seite 4 und 5: Wir sind auf einer Mission Der frü
- Seite 6 und 7: ich habe ihn nie erMüdet gesehn We
- Seite 8 und 9: Ein laut grunzender Eber Ich kenne
- Seite 10 und 11: führnehMe LateinschuLe Jüngst wol
- Seite 12 und 13: sein bLick Warf Mich nieder Vergiss
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- Seite 16 und 17: geburtsstätte des roMantikers Der
- Seite 18 und 19: in eineM geMach des bergschLosses W
- Seite 20 und 21: ich Lebe jetzt WirkLich recht schö
- Seite 22 und 23: für natur, freundschaft und Liebe
- Seite 24 und 25: so koMM ich und hoLe dich ab Friedr
- Seite 26 und 27: Zeittafel 1772 2. Mai: Georg Philip
Novalis<br />
<strong>Spurensuche</strong><br />
Orte und Städte<br />
2011
Die Wartburg in der Frühe<br />
Friedrich von Hardenberg, 1772 in Oberwiederstedt, im Mansfeldischen<br />
geboren und 1801 in Weißenfels gestorben, gilt als der bedeutendste<br />
frühromantische Dichter. Er nennt sich seit 1798 Novalis (der Neuland<br />
Bestellende) – nach seinem mittelalterlichen Familienname de Novali. Zwar<br />
wird der Name Novalis nicht Wenigen heute noch geläufig sein, aber Werk<br />
und Leben des vor allem in Mitteldeutschland tätigen und früh verstorbenen<br />
Dichters kaum. Am ehesten dürften von seinen Schöpfungen das Märchen<br />
von Hyacinth und Rosenblüthe und sein unvollendeter Roman Heinrich von<br />
Ofterdingen, geltend als der romantische Roman schlechthin, bekannt sein<br />
und von einem literarisch interessierten Publikum gelesen werden. Novalis hat<br />
neben einem reichen dichterischen, auch ein umfangreiches philosophischtheoretisches<br />
Werk und naturwissenschaftliche Studien hinterlassen – vieles<br />
davon allerdings als Fragment. Eine gleichermaßen berührende wie lehrreiche<br />
Literatur sind auch seine Tagebücher und Briefe.<br />
Der vorliegende Wandkalender Novalis <strong>Spurensuche</strong> präsentiert 13 farbige Bilder<br />
von Orten und Städten, die mit Leben und Werk des Dichters eng verwoben<br />
sind – vertieft und erweitert durch zusätzliche Fotos, Texte, Lebensdaten und<br />
Gedichte von Novalis auf den Kalender-Rückseiten.<br />
Das Kalender-Titelbild Die Wartburg in der Frühe steht mit Werk und Leben<br />
des Novalis in mannigfacher Beziehung. Da ist zum einen sein schon erwähnter<br />
Roman Heinrich von Ofterdingen. Diese, als Reise dargestellte symbolische<br />
Reifungsgeschichte zum Dichter, nimmt auf der Wartburg (gegründet im<br />
Jahr 1067) beziehungsweise beim Ausschreiten aus den Thoren von Eisenach,<br />
ihren eigentlichen Anfang. Ferner betrachtet Novalis den Ofterdingen nicht<br />
als fiktive, sondern als historische Gestalt. Er sieht in ihm einen bedeutenden<br />
Dichter des Mittelalters – berühmt durch den Sängerkrieg auf der Wartburg,<br />
ein mittelhochdeutscher Gedichtzyklus aus dem 13. Jahrhundert. In diesem<br />
sagenumwobenen Wettstreit stellt der Ofterdingen, neben Wolfram von<br />
Eschenbach und Walther von der Vogelweide, eine bedeutsame Figur dar.<br />
Aber auch sein Leben führt Novalis immer wieder zur Wartburg, in der er<br />
verweilt, sich für ihre Geschichte interessiert und von hoch oben seinen Blick<br />
über das dicht bewaldete Thüringen weit schweifen lässt. Und vielleicht träumt<br />
auch er hier, wie sein Heinrich von Ofterdingen, von einer Welt in vielfältigen<br />
Blautönen und von einer hohen lichtblauen Blume – Symbol der romantischen<br />
Poesie, der Suche und Sehnsucht nach erfüllter Liebe und Glück, nach<br />
Erkenntnis, nach der unendlichen Ferne.<br />
Silhouette der Wartburg Schloss Oberwiederstedt - Geburtsort von Novalis Wohn- und Sterbehaus von Novalis Bildnis – undatiert,<br />
Novalis in Weißenfels von unbekannter Hand<br />
Novalis <strong>Spurensuche</strong> Orte und Städte<br />
Zueignung<br />
Du hast in mir den edeln Trieb erregt<br />
Tief ins Gemüth der weiten Welt zu schauen;<br />
Mit deiner Hand ergriff mich ein Vertrauen,<br />
Das sicher mich durch alle Stürme trägt.<br />
Mit Ahndungen hast du das Kind gepflegt,<br />
Und zogst mit ihm durch fabelhafte Auen;<br />
Hast, als das Urbild zartgesinnter Frauen,<br />
Des Jünglings Herz zum höchsten Schwung bewegt.<br />
Was fesselt mich an irdische Beschwerden?<br />
Ist nicht mein Herz und Leben ewig Dein?<br />
Und schirmt mich Deine Liebe nicht auf Erden?<br />
Ich darf für Dich der edlen Kunst mich weihn;<br />
Denn Du, Geliebte, willst die Muse werden,<br />
Und stiller Schutzgeist meiner Dichtung seyn.<br />
Aus: Heinrich von Ofterdingen<br />
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Schloss Oberwiederstedt – Geburtsort von Novalis<br />
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Wir sind auf einer Mission<br />
Der frühromantische Dichter Friedrich von Hardenberg, der sich mit seiner<br />
ersten Veröffentlichung Blüthenstaub im Jahre 1798 Novalis nennt, wird<br />
am 2. Mai 1772 auf Schloss Oberwiederstedt (Kalenderblatt Januar), einst<br />
eine Klosteranlage, als der älteste Sohn von elf Geschwistern geboren. Sein<br />
Vater, Heinrich Ulrich Erasmus von Hardenberg (1738 bis 1814), Direktor der<br />
kursächsischen Salinen, herrnhuterisch fromm, wird als rüstiger, unermüdet<br />
tätiger Mann, von offenem, starken Charakter (Ludwig Tieck), aber auch als<br />
ein harter, strenger Charakter (Herbert Uerlings) beschrieben, überzeugt von<br />
der Sündhaftigkeit des Menschen und der Notwendigkeit, diese energisch zu<br />
bekämpfen. Gut vorstellbar, wie die Familie unter dieser patriarchalischen<br />
Regierung des Vaters gelitten hat. Glücklicherweise besitzt der Heranwachsende<br />
in seiner Mutter, Auguste Bernhardine von Hardenberg (1749 bis 1818), einen<br />
verständnisvollen, klugen, feingeistigen und zur emotionalen Intimität fähigen<br />
Menschen. Du trugst beynah alles zur Entwicklung meiner Kräfte bey, wird er ihr<br />
im Alter von neunzehn Jahren dankbar schreiben.<br />
Friedrich von Hardenberg wird in eine Zeit des gesellschaftlichen und<br />
geistigen Wandels und Umbruches hineingeboren. Sein Leben und Werk,<br />
seine Freundschaft und Bekanntschaft mit bedeutenden Zeitgenossen, wie<br />
Friedrich Schiller, Johann Gottlieb Fichte, Jean Paul, Ludwig Tieck, Friedrich<br />
und August Wilhelm Schlegel zeugen davon. Wir sind auf einer Mission. Zur<br />
Bildung der Erde sind wir berufen – so bringt es Novalis im Blüthenstaub<br />
auf den Punkt. Seine nicht unglückliche Kindheit verlebt der Dichter in<br />
Oberwiederstedt – bis zur 1785 erfolgten Übersiedlung der Familie nach<br />
Weißenfels (Kalenderblätter November und Dezember). Man muss sich ihn<br />
bis zu seinem neunten Lebensjahr wohl als ein kränkelndes, schwächliches<br />
und stilles Kind vorstellen. Doch nach einer ausgeheilten Ruhr-Erkrankung<br />
im Jahre 1780 scheint der Heranwachsende sich plötzlich physisch und<br />
vor allem psychisch rasch entwickelt zu haben – befördert auch durch die<br />
formende Erziehung seines Onkels auf Schloss Lucklum. Zurückgekehrt nach<br />
Weißenfels, damals eine Kleinstadt von kaum 4 000 Einwohnern, aber nahe<br />
zu den bedeutenden Städten Leipzig, Jena und Weimar, wird dieser Ort sein<br />
Lebensmittelpunkt. In Mitteldeutschland, der großen Kultur-Landschaft, spielt<br />
sein kurzes, schaffensreiches Leben. Darüber hinaus ist er nicht gekommen.<br />
Schloss Oberwiederstedt, bis 1945 im Besitz der von Hardenbergs und<br />
1989 durch Bürgermut vor dem Zerfall bewahrt, beherbergt heute das<br />
Novalis-Museum, eine Forschungsstätte für Frühromantik und den Sitz der<br />
Internationalen Novalis-Gesellschaft.<br />
Eingangstür ins Schloss Novalis-Museum in Oberwiederstedt Schlossturm Schloss Oberwiederstedt - Innenhof<br />
Novalis <strong>Spurensuche</strong> Orte und Städte<br />
Lebensgeheimnis<br />
Alle Menschen seh ich leben<br />
Viele leicht vorüberschweben<br />
Wenig mühsam vorwärtsstreben<br />
Doch nur Einem ists gegeben<br />
Leichtes Streben, schwebend leben.<br />
…<br />
In dem Streit mit Sturm und Wochen<br />
Wird der Weise fortgezogen<br />
Kämpft um niemals aufzuhören<br />
Und so wird die Zeit betrogen<br />
Endlich unters Joch gebogen<br />
Muß des Weisen Macht vermehren.<br />
Ruh ist Göttern nur gegeben<br />
Ihnen ziemt der Überfluß<br />
Doch für uns ist Handeln Leben<br />
Macht zu üben nur Genuß.<br />
2011
Novalis-Büste in Weißenfels<br />
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ich habe ihn nie erMüdet gesehn Wenn alle<br />
Nur wenige Bilder gibt es von Novalis. Eine Silberstiftzeichnung existiert,<br />
die ihn als Knaben zeigt und zwei Schattenrisse des Kindes. Das Bildnis<br />
des erwachsenen Novalis ist nur in einem einzigen Gemälde überliefert,<br />
das sich einst im Familienbesitz befunden hat und heute im Museum von<br />
Oberwiederstedt ausgestellt ist (Kalenderblatt Titel, Rückseite). Es ist unsigniert<br />
und undatiert; es zeigt den Dichter wahrscheinlich im Jünglingsalter, der<br />
seine Reife zum Poeten und philosophischen Denker noch vor sich hat.<br />
Der Schöpfer dieses Gemäldes ist zwar bis heute unbekannt. Nicht wenige<br />
Kunstkenner vermuten aber aus guten Gründen, dass es vom sächsischen<br />
Portrait- und Historienmaler Franz Gareis (1775 bis 1803) geschaffen worden<br />
ist, der, wie Novalis, zum Freundeskreis der Romantiker Ludwig Tieck und<br />
der Brüder August Wilhelm und Friedrich Schlegel gehört hat. Von Friedrich<br />
Schlegel stammt auch die Bitte an Novalis, sich von Franz Gareis bei seinem<br />
Aufenthalt in Dresden malen zu lassen. Von dem Novalis-Gemälde existiert<br />
ein berühmter Stahlstich von Eduard Eichens (1804 bis 1877), den dieser 1845<br />
für eine Novalis-Werkausgabe geschaffen hat. Ein Vergleich beider Kunstwerke<br />
belegt, dass in Eichens-Werk offensichtlich dessen subjektives Novalis-Bild<br />
stark eingeflossen ist und es dadurch vom Original stark abweicht.<br />
Wie dem auch sei, Ludwig Tieck (1773 bis 1853), der Freund, hat den gereiften<br />
Novalis 1815, in seiner Vorrede zur dritten Auflage von Novalis´ Schriften,<br />
sehr plastisch portraitiert: Er war groß, schlank und von edlen Verhältnissen. Er<br />
trug sein lichtbraunes Haar in herabfallenden Locken,…, sein braunes Auge war<br />
hell und glänzend und die Farbe seines Gesichtes, besonders der geistreichen Stirn,<br />
fast durchsichtig. Hand und Fuß war etwas zu groß und ohne feinen Ausdruck.<br />
Seine Miene war stets heiter und wohlwollend… dem geübteren Auge… bot er<br />
die Erscheinung der Schönheit dar… Sein Gespräch war lebhaft und laut, seine<br />
Gebärde großartig, ich habe ihn nie ermüdet gesehn…<br />
Ein besonderes Novalis-Bildnis stellt seine Büste dar, die der berühmte Bildhauer<br />
Fritz Schaper (1841 bis 1919, unter anderem auch Goethe-Denkmal in Berlin)<br />
zum 100. Geburtstag des Dichters 1872 geschaffen hat – orientiert wohl am<br />
Stahlstich von Eichens. Als Grabmahl des Dichters steht sie im Stadtpark von<br />
Weißenfels, dem einstigen Nikolaifriedhof (Kalenderblatt Februar) – unweit<br />
seines Lebenszentrums, wo er am 25. März 1801 - im Beisein seines Freundes<br />
Friedrich Schlegel - sanft verstarb.<br />
Heute befindet sich hier ein kleines, liebevoll gestaltetes Novalis- Museum.<br />
Novalis-Hain in Weißenfels Novalis-Museum in Weißenfels Novalis-Pavillon in Weißenfels Novalis-Büste<br />
Novalis <strong>Spurensuche</strong> Orte und Städte<br />
untreu werden<br />
Wenn alle untreu werden,<br />
So bleib’ ich dir doch treu;<br />
Daß Dankbarkeit auf Erden<br />
Nicht ausgestorben sey.<br />
Für mich umfing dich Leiden<br />
Vergingst für mich in Schmerz;<br />
Drum geb’ ich dir mit Freuden<br />
Auf ewig dieses Herz.<br />
Aus: Geistliche Lieder<br />
2011
Schloss Vorderort – Spuren der Schlösser und Festungsanlage in Mansfeld<br />
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Ein laut grunzender Eber Ich kenne wo<br />
ein festes Schloss<br />
Die Hardenbergs sind ein altes niedersächsisches Adelsgeschlecht, das<br />
Anfang des 12. Jahrhunderts erstmals urkundlich erwähnt wird und<br />
das seit dem Jahre 1219 den Namen von Hardenberg trägt. Bei Nörten,<br />
zirka 10 Kilometer nördlich von Braunschweig gelegen, hat sich der frühere<br />
Stammsitz der Hardenbergs befunden, der heute noch als Burg-Ruine zu<br />
besichtigen ist. Im 17. Jahrhundert teilt sich dieses Adelsgeschlecht in<br />
drei Linien. Georg Anton von Hardenberg, der Urgroßvater von Novalis<br />
(1666 bis 1721), erhält den Freiherrentitel und das Gut Oberwiederstedt<br />
im Mansfeldischen, womit die Geschichte dieser Adelsfamilie in<br />
Mitteldeutschland beginnt. Nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges<br />
(1756 bis 1763) erbt Novalis´ Vater das Oberwiederstedter Anwesen. Unweit<br />
davon liegt der historisch bedeutsame Ort Mansfeld (Kalenderblatt März,<br />
Rückseite), wo der Reformator Martin Luther (1483 bis 1546) aufwuchs.<br />
Hoch über der Stadt thront die mächtige und malerische Mansfelder<br />
Schlossanlage – einst Sitz der Grafen von Mansfeld (Kalenderblatt<br />
März). Sie besteht aus drei Schlössern im Stile der Frührenaissance, einer<br />
gotischen Schlosskirche und kraftvollen Befestigungsanlagen, die auf<br />
dem Grund einer mittelalterlichen Burganlage aus dem 11. Jahrhundert<br />
stehen. Bereits zu Lebzeiten von Novalis ist diese prachtvolle Schlossanlage<br />
zum größten Teil verfallen – unter anderem bedingt durch den Machtverfall<br />
der Grafen von Mansfeld und durch die Schleifung der Festungsanlagen<br />
von 1674. Zu vermuten ist, dass Novalis diese zu seinen Lebzeiten noch<br />
imposante und romantische Schlossanlage besichtigt und bestaunt hat.<br />
Beispielsweise das Schloss Vorderort, das im Renaissancestil erhalten und<br />
bewohnt war – sein Umbau im Stile der Neo-Gotik ist erst Mitte des 19.<br />
Jahrhunderts erfolgt. Oder den prachtvollen spätgotischen Treppenturm<br />
(Kalenderblatt März, Rückseite), die Spuren der Befestigungsanlagen sowie<br />
die Renaissanceplastiken. Ein Höhepunkt seiner Besichtigung dürfte die<br />
spätgotische Schlosskirche mit ihrem hohen, schlichten Innenraum und<br />
den schmalen Steinemporen gewesen sein. Die Kirche ist Anfang des 15.<br />
Jahrhunderts gebaut und ist das älteste Bauwerk der Schlossanlage. In ihren<br />
prachtvollen spitzbogigen Fenstern ist das Wappen der von Hardenbergs zu<br />
erkennen – auf silbernem Grund der schwarze Eberkopf mit roter Zunge<br />
und den silbernen Waffen. Der Legende nach ist es ein laut grunzender Eber<br />
gewesen, der die Bewohner der Burg Hardenberg bei einem nächtlichen<br />
Überfall geweckt und so letztendlich gerettet haben soll.<br />
Die Mansfelder Schlossanlage beherbergt heute eine christliche<br />
Jugendbildungs- und Begegnungsstätte.<br />
Ich kenne wo ein festes Schloß<br />
Ein stiller König wohnt darinnen,<br />
Mit einem wunderlichen Troß;<br />
Doch steigt er nie auf seine Zinnen.<br />
Verborgen ist sein Lustgemach<br />
Und unsichtbare Wächter lauschen;<br />
Nur wohlbekannte Quellen rauschen<br />
Zu ihm herab vom bunten Dach.<br />
…<br />
Sein Schloß ist alt und wunderbar,<br />
Es sank herab aus tiefen Meeren<br />
Stand fest, und steht noch immerdar,<br />
Die Flucht zum Himmel zu verwehren.<br />
Von innen schlingt ein heimlich Band<br />
Sich um des Reiches Unterthanen,<br />
Und Wolken wehn wie Siegesfahnen<br />
Herunter von der Felsenwand.<br />
Schloss Vorderort – Detail Blick auf den Ort Mansfeld – vom Schloss aus Linden-Allee im Schlossgarten Humboldt-Schlösschen in Hettstedt<br />
von Oberwiederstedt<br />
Novalis <strong>Spurensuche</strong> Orte und Städte<br />
…<br />
Nur Wenige sind schlau und wach,<br />
Und dürsten nicht nach seinen Gaben;<br />
Sie trachten unablässig nach,<br />
Das alte Schloß zu untergraben.<br />
Der Heimlichkeit urmächtgen Bann,<br />
Kann nur die Hand der Einsicht lösen;<br />
Gelingt’s das Innere zu entblößen<br />
So bricht der Tag der Freyheit an.<br />
Aus: Heinrich von Ofterdingen<br />
2011
Andreaskirche, Altes Gymnasium und Agricola-Haus in Eisleben<br />
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führnehMe LateinschuLe Jüngst wolltest du<br />
Novalis gilt in seinen frühen wie reifen Jahren als ein wissbegieriger, fleißiger,<br />
scharfsinniger, rasch auffassender und gelehriger Schüler mit Vorlieben<br />
für Dichten und Fabulieren – belegt durch Zeugnisse unterschiedlicher<br />
Zeitgenossen. Der Heranwachsende erhält die für seinen Stand erforderliche<br />
Bildung und Erziehung vor allem durch Hauslehrer und in der Lateinschule.<br />
So hat der Schiller-Freund Carl Christian Erhard Schmid (1761 bis 1812),<br />
Theologe und Philosoph, der später Vorlesungen über Kant an der Universität<br />
Jena gehalten hat, Novalis unterrichtet und wird dessen väterlicher Freund. Von<br />
Juni bis Oktober 1790 besucht der Achtzehnjährige das bedeutende Luther-<br />
Gymnasium (Führnehme Lateinschule) in Eisleben, dessen Gründung direkt<br />
auf Luther (1483 bis 1546) zurückgeht (Kalenderblatt April und Rückseite),<br />
um sich unmittelbar auf das Studium an der Universität vorzubereiten, das er<br />
Ende Oktober 1790 in Jena als Student der Jurisprudenz beginnt. Friedrich von<br />
Hardenberg hat bekundet, dass er sowohl das Gymnasium als auch die Stadt<br />
Eisleben ungern wieder verlassen hat. Einerseits wegen der geistreichen, vielseitig<br />
gebildeten Menschen, denen er hier begegnet. Dazu gehört sicher Christian<br />
David Jani (1743 bis 1790), Rektor des Gymnasiums seit 1780, Philologe<br />
und Schulreformer. Bedeutsam sind dessen Arbeiten zum römischen Dichter<br />
Horaz, der auch Novalis begeistert hat – eigene Horaz-Übersetzungen belegen<br />
seine Vorliebe für diesen Dichter. Andererseits ist es wohl die Stadt Eisleben<br />
selbst mit ihrer großen und langen Kultur-Geschichte, ihren faszinierenden<br />
Kirchen, den beeindruckenden Bürgerhäusern, dem mittelalterlichen Markt<br />
(Kalenderblatt April, Rückseite). Das von Novalis besuchte Gymnasium<br />
steht unmittelbar neben der St. Andreas-Kirche (Kalenderblatt April), deren<br />
Geschichte im 12. Jahrhundert beginnt und die im 15. Jahrhundert als eine<br />
spätgotische Hallen-Kirche neu gebaut wird. Martin Luther hat hier seine<br />
letzten Predigten gehalten. Sein Sterbehaus steht gegenüber der Andreaskirche<br />
und in Blickweite des Gymnasiums. Novalis wird die Kirche zu Gottesdiensten<br />
besucht und ihre spätgotische Ausstattung bestaunt, vielleicht bewundert<br />
haben – den monumentalen Flügelaltar, die berühmte Lutherkanzel sowie<br />
die Grab-Denkmäler der Mansfelder Grafen. Sicher hat ihn seine Spazierreise<br />
durch Eisleben oft auch zum Haus des Johann Agricola (1492 bis 1566) geführt<br />
(Kalenderblatt April) – Luthers Zeitgenosse und Mitstreiter sowie Begründer<br />
und erster Rektor der Lateinschule St. Andreas in Eisleben im Jahre 1525.<br />
Im historischen Gymnasium (Altes Gymnasium), das Novalis besucht hat,<br />
ist bis 1883 gelehrt und gelernt worden. Heute befindet sich das historische<br />
Stadtarchiv in diesem Anwesen.<br />
Altes Gymnasium in Eisleben – Lernort von Novalis Luthers Sterbehaus Lutherdenkmal auf dem Markt in Eisleben Blick auf Eisleben – Stadt der Kirchen<br />
Novalis <strong>Spurensuche</strong> Orte und Städte<br />
von mir Gedichte<br />
In unserm lieben deutschen Vaterlande<br />
Ist nun die Mode einmal so,<br />
Daß jeder Jüngling reimt, bald traurig und bald froh,<br />
Bald schlummert an der Aganippe Rande,<br />
Bald an des Oceanes Strande<br />
Von Wellen eingelullt, auch schrecklich tosend reimt,<br />
Sich in die graue Vorzeit träumt,<br />
Nur raue Bardenlieder singet<br />
Und voll Begeistrung schäumt,<br />
Und bald Cytheren Opfer bringet<br />
Oft einen Faun für einen Amor nimmt<br />
Und seine Leyer nur für trunkne Satyrs stimmt;<br />
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Friedrich Schillers Gartenhaus in Jena<br />
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sein bLick Warf Mich nieder Vergiss mein nicht<br />
Die Universität Jena entwickelt sich in den letzten beiden Jahrzehnten des<br />
18. Jahrhunderts zu einer der bedeutendsten und größten Universitäten<br />
in Mitteldeutschland. Durch Berufung berühmter Gelehrter wird sie in dieser<br />
Zeit zu einem wichtigen geistigen Zentrum in Deutschland. Nicht Wenige<br />
nennen sie eine Gelehrtenrepublik. So ist es nur zu verständlich, dass Friedrich<br />
von Hardenberg sein Studium der Jurisprudenz im Oktober 1790 an dieser<br />
Universität aufnimmt. Beeinflusst ist die Entscheidung für Jena möglicherweise<br />
auch durch die Nähe des idyllisch gelegenen Familiengutes in Schlöben<br />
(Kalenderblätter Mai und November, Rückseiten), das eine große Bibliothek<br />
beherbergt, und durch seinen einstigen Hauslehrer und väterlichen Freund Carl<br />
Christian Erhard Schmid (1761 bis 1812), der bereits seit 1785 Vorlesungen an<br />
der Jenaer Universität hält. Aufgeschlossen für die Philosophie überhaupt wird<br />
Novalis durch Professor Karl Leonhard Reinhold (1757 bis 1823), der seit 1787<br />
in Jena engagiert die Philosophie Immanuel Kants vorträgt. Reinhold ist für<br />
Novalis dabei nicht nur Lehrender, sondern auch Berater für Selbstbildung, für<br />
eine richtige und gute Lebensführung. Empfangen Sie … meinen glühendsten<br />
Dank … für alles was sie mittelbar oder unmittelbar für mich thaten – schreibt<br />
er 1791 einfühlsam an Reinhold. Eine Novalis besonders prägende und tiefe<br />
Bindung entsteht zu Friedrich Schiller (1759 bis 1805), der mit seiner 1789 in<br />
Jena begeistert und stürmisch aufgenommenen Antrittsvorlesung Was heißt und<br />
zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? als Professor für Philosophie<br />
Geschichte lehrt. Novalis hört bei ihm Vorlesungen über die Kreuzzüge und<br />
zur Geschichte der europäischen Staaten. Er bewundert Schiller als Dichter, als<br />
Dramatiker, als Lyriker. Sein Blick warf mich nieder in den Staub und richtete<br />
mich wieder auf. Das vollste … uneingeschränkte Zutraun schenkte ich ihm.<br />
Als Schiller im Januar 1791 lebensgefährlich erkrankt, steht Novalis äußerst<br />
teilnehmend zu Pflege und Nachtwachen bereit. So kommen Schiller und<br />
Novalis sich auf eine besondere Weise menschlich näher – nachlesbar in den<br />
Novalis-Briefen an den verehrten Lehrer und Dichter. Schiller hat während<br />
seiner Jenaer Zeit (1789 bis 1799) in verschiedenen Stadtwohnungen gelebt.<br />
In den Sommermonaten von 1797 bis zu seinem Umzug nach Weimar Ende<br />
1799 wohnt er in seinem zauberhaften kleinen Gartenhaus (Kalenderblatt<br />
Mai) – damals still und ruhig vor den Toren der Stadt gelegen. Novalis, der in<br />
dieser Zeit nicht selten in Jena weilte, hat das Schillersche Gartenhaus gekannt.<br />
Nehmen wir an, dass er auch hier zu Gast gewesen ist.<br />
Schiller-Büste am Eingang Gartenzinne in Schillers Gartenanlage Letzte Spuren des Hardenbergschen Gutes in Schlöben – Blick auf das historische Gröben – zu Schlöben gehörend<br />
zu Schillers Gartenhaus unweit von Jena gelegen<br />
Novalis <strong>Spurensuche</strong> Orte und Städte<br />
Vergiß mein nicht wenn lokre kühle Erde<br />
Dieß Herz einst dekt das zärtlich für dich schlug<br />
Denk das es dort volkomner lieben werde<br />
Als da voll Schwachheit ichs vielleicht voll Fehler trug.<br />
Dann soll mein freier Geist oft segnend dich umschweben<br />
Und deine Geiste Trost und süße Ahndung geben<br />
Denk das ichs sey wenns sanft in deiner Seele spricht;<br />
Vergiß mein nicht! Vergis mein nicht!<br />
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Silhouette von Wittenberg mit Elbe<br />
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30 Juni
ich bin jetzt vieL LebenskLüger Walzer<br />
Novalis studiert nur ein knappes Jahr an der Universität in Jena. In einem<br />
Brief an seinen vertrauten Jenaer Philosophieprofessor Karl Leonard<br />
Reinhold von Anfang Oktober 1791 schreibt er von Thorheiten und Verirrungen,<br />
die ihn in Jena verfolgen. Er nennt sich gar einen pfadlosen Irrling. Sich selbst<br />
ständig beobachtend, gleichsam nach innen schauend, geht der junge Student<br />
nahezu unbarmherzig selbstkritisch mit sich ins Gericht. Er weiß, dass es ihm<br />
trotz bester Vorsätze nicht gelungen ist, eine feste und bestimmte, auf sein<br />
Rechtsstudium und auf die Vorbereitung seines Berufslebens ausgerichtete<br />
Lebensführung zu gestalten. Deshalb verlässt er Jena und geht Ende Oktober<br />
1791 an die Universität in Leipzig, um nach einer gänzlich veränderten<br />
Lebensordnung zu leben. Jurisprudenz, Mathematik und Philosophie will er hier<br />
mit Leib und Seele studieren – mehr Festigkeit, mehr Bestimmtheit, mehr Plan will<br />
er dabei gewinnen. In Leipzig leben zu Novalis Zeiten zirka 30 000 Menschen.<br />
Eine Großstadt, die einem jungen Menschen viel Zerstreuung und Abwechslung<br />
bietet – was auch Goethe mehr als 25 Jahre früher in Leipzig erfahren hat. Die<br />
Leipziger Universität ist mit etwa 650 Studenten zwar kleiner als die in Jena, sie<br />
gilt dafür aber – im Vergleich mit Jena oder Halle – als vornehm, heiter, elegant<br />
und mit Privilegien für adlige Studenten ausgestattet. Mit guten Vorsätzen<br />
ist Novalis nach Leipzig gekommen. Aber auch Leipzig ist für ihn eine Zeit<br />
stärkster innerer Bewegungen und Unruhen, nicht ausreichender Fortschritte<br />
im Studium, eine Zeit der Irrungen und Wirrungen – auch durch eine ernste<br />
Liebschaft, die den lang anhaltenden Zorn seines strengen Vaters hervorruft.<br />
Der eigentliche Gewinn seiner Leipziger Studienzeit ist die Bekanntschaft und<br />
beginnende Freundschaft mit Friedrich Schlegel (1772 bis 1829) – wenige Jahre<br />
später wird dieser neben Novalis einer der führenden Geister der Frühromantik<br />
sein. Ihre Freundschaft hält bis zum frühen Tod von Novalis.<br />
Im April 1793 wechselt der Studierende erneut mit großen und guten<br />
Absichten die Universität und geht nach Wittenberg (Kalenderblatt Juni)<br />
– einst Festungsstadt an der Elbe mit großer Geschichte, durch Martin<br />
Luther Geburtsort der Reformation. Zu Novalis-Zeiten leben hier zirka<br />
4 500 Menschen. Die Universität, 1502 gegründet, ist nicht groß und ihr<br />
Ruf zu dieser Zeit in Deutschland nicht besonders gut. Kaum mehr als 300<br />
Studenten sind immatrikuliert. Aber Novalis findet gute Lehrer, er studiert<br />
offensichtlich fleißig und seinem Bruder Erasmus schreibt er von seinem<br />
inneren Reifungsprozess: Ich bin jetzt viel gründlicher und lebensklüger. Am 14.<br />
Juni 1794 beendet Friedrich von Hardenberg in Wittenberg erfolgreich seine<br />
Studienjahre mit der Ablegung des juristischen Staatsexamens.<br />
Universitätsportal in Wittenberg Novalis-Gedenktafel – Universität Wittenberg Universität in Wittenberg Schloss-Kirche in Wittenberg<br />
Novalis <strong>Spurensuche</strong> Orte und Städte<br />
Hinunter die Pfade des Lebens gedreht<br />
Pausirt nicht, ich bitt euch so lang es noch geht<br />
Drükt vester die Mädchen ans klopfende Herz<br />
Ihr wißt ja wie flüchtig die Jugend und Scherz.<br />
Laßt fern von uns Zanken und Eifersucht seyn<br />
Und nimmer die Stunden mit Grillen entweihn<br />
Dem Schuzgeist der Liebe nur gläubig vertraut<br />
Es findet noch jeder gewiß eine Braut.<br />
2011
Schacht Alte Elisabeth in Freiberg – heute Museum<br />
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31 Juli
geburtsstätte des roMantikers Der ist der Herr<br />
Friedrich von Hardenberg kehrt im Juni 1794 nach erfolgreichem Abschluss<br />
seines Studiums in Wittenberg ins heimatliche Weißenfels zurück –<br />
getrieben von der Sehnsucht einer beruflichen Anstellung, nach Verantwortung<br />
und Verpflichtung, um endlich auch vom polternden und drohenden Vater<br />
finanziell nicht mehr abhängig zu sein. Er fühlt sich männlich gereift, nicht<br />
mehr schwankend, fest im Entschluss gegen seinen Leichtsinn. An Friedrich<br />
Schlegel schreibt er im August 1794, dass er gelassen den Ruf seines Schicksals<br />
erwartet und dass er vor allem tätig sein will. Und das Schicksal ruft schon bald<br />
kräftig nach ihm – in Tennstedt, in Grüningen und in Gestalt von Sophie von<br />
Kühn, in den Jahren von Ende 1794 bis Mitte 1797 (Kalenderblatt Oktober).<br />
Doch eilen wir dieser Zeit ein wenig voraus. Der fast 24-jährige Novalis wird,<br />
durch ein Ersuchen seines Vaters beim sächsischen Kurfürsten, im Februar 1796<br />
kursächsischer Salinenbeamter. Er nimmt diese Tätigkeit sehr ernst und führt<br />
sie gründlich sowie mit wachsendem Eifer auch erfolgreich aus. Novalis beginnt<br />
sich für den Salzbergbau zu interessieren. Er spürt aber, dass ihm dafür vor allem<br />
naturwissenschaftliche Kenntnisse und eine entsprechende Ausbildung fehlen.<br />
So entschließt er sich im September 1797, an der berühmten Bergakademie<br />
in Freiberg zu studieren. Anfang November erhält er dafür die kurfürstliche<br />
Genehmigung – für Vorlesungen und Befahrung und Besichtigung der Berg- und<br />
Hüttenwerke. Ab 01. Dezember 1797 ist er Student in Freiberg (Kalenderblatt<br />
Juli und Rückseite) – davon wenigstens drei Tage in der Woche praktisches Tun<br />
unter Tage. Die Stadt, deren Geschichte Mitte des 12. Jahrhunderts beginnt<br />
und mit dem Bergbau aufs engste verknüpft ist, zählt zu Novalis Zeiten wohl<br />
über 8 000 Einwohner. Die Bergakademie, 1765 gegründet und damit eine der<br />
ältesten der Welt, ist Ende des 18. Jahrhunderts vor allem durch die Professoren<br />
Wilhelm August Lampadius (1772 bis 1842, Chemie und Hüttenkunde) und<br />
Abraham Gottlob Werner (1749 bis 1817, Mineralogie), bei denen auch Novalis<br />
studiert, wissenschaftlich entscheidend geprägt (Kalenderblatt Juli, Rückseite).<br />
In seinem Roman Heinrich von Ofterdingen hat Novalis später seinem verehrten<br />
Lehrer Werner ein literarisches Denkmal gesetzt. In Freiberg ist er ein gern<br />
gesehener Gast auch im Haus des Berghauptmanns und Geologen Wilhelm<br />
von Charpentier (1738 bis 1805). Novalis verlobt sich mit dessen jüngster<br />
Tochter Julie von Charpentier Ende 1798. Sein Studium an der Bergakademie<br />
beendet er erfolgreich im Mai 1799. Die Freiberger Zeit ist für Novalis aber<br />
auch mit Blick auf seine philosophischen, naturwissenschaftlichen und<br />
dichterischen Arbeiten eine ausgesprochen produktive Zeit – bedeutende Werke<br />
entstehen oder nehmen hier ihren Anfang. Freiberg wird so zur Geburtsstätte<br />
des Romantikers Novalis (Herbert Uerling).<br />
Schloss Freudenstein in Freiberg Abraham-Gottlob-Werner-Denkmal Bergakademie in Freiberg – Hauptgebäude Historische Altväter-Brücke über die Mulde bei Freiberg –<br />
in Freiberg Spuren der Wasserversorgung für den Bergbau<br />
Novalis <strong>Spurensuche</strong> Orte und Städte<br />
der Erde<br />
Der ist der Herr der Erde,<br />
Wer ihre Tiefen mißt,<br />
Und jeglicher Beschwerde<br />
In ihrem Schooß vergißt.<br />
Wer ihrer Felsenglieder<br />
Geheimen Bau versteht,<br />
Und unverdrossen nieder<br />
Zu ihrer Werkstatt geht.<br />
Aus: Heinrich von Ofterdingen<br />
Er ist mit ihr verbündet,<br />
Und inniglich vertraut,<br />
Und wird von ihr entzündet,<br />
Als wär’ sie seine Braut.<br />
Er sieht ihr alle Tage<br />
Mit neuer Liebe zu<br />
Und scheut nicht Fleiß und Plage,<br />
Sie lässt ihm keine Ruh.<br />
2011
Schloss Goseck in Goseck – gelegen zwischen Naumburg und Weißenfels<br />
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in eineM geMach des bergschLosses Wie selig war die Zeit<br />
Ermüdet von tausend Genüssen, die Natur und Kunst mir heute gaben, und<br />
gestimmt zu einer wunderbaren Heiterkeit sitze ich hier in einem hohen,<br />
gewölbten, gothischen Gemach des alten Bergschlosses Gosek (Kalenderblatt<br />
August) – so schreibt Novalis am 5. Oktober 1791 an seinen Lehrer und<br />
Professor Karl Leonhard Reinhold in Jena. Von dort kommend ist er auf<br />
dem Weg nach Weißenfels. Novalis hat soeben der Jenaer Universität aus<br />
mannigfachen Gründen den Rücken gekehrt; er will und wird sein Studium<br />
Ende Oktober 1791 in Leipzig fortsetzen (Kalenderblatt Juni, Rückseite).<br />
Zwar innerlich noch umtönt vom herzlichen Lebewohl der Jenaer Freunde,<br />
ist er bei den Gedanken an seine neuen Lebensaussichten froh gestimmt und<br />
heiter, voll Mut, voll Zuversicht, voll Klarheit. Befördert wohl auch durch<br />
diesen prachtvollen milden Herbsttag, der ihn auf dem romantischen Weg<br />
zum Schloss Goseck hin umfängt, zumal der Herbst für ihn überhaupt die<br />
herrlichste Jahreszeit darstellt. Im Spatziergang nach Gosegk hat er diese ihn<br />
umgebende reizvolle Landschaft mit flüchtigem Pinsel beschrieben: Vor mir lag<br />
ein weites Thal mit blauen Gebirgen bekränzt, mit Weiden und andern Buschwerk<br />
hin und wieder durchflochten … unter mir ein Wiesengrund … in dem das<br />
herbstliche Gelb mit sparsamen Grün abwechselten … Auf Schloss Goseck,<br />
zwischen Naumburg und Weißenfels und romantisch auf einer Anhöhe über<br />
der Saale gelegen, verweilt Novalis auf Einladung des Schlossherren Ludwig<br />
Wilhelm von Eckart (Besitzer des Schlosses wahrscheinlich von 1776 bis 1808).<br />
Sicher hat es für Novalis verschiedene Gründe und Antriebe gegeben, diese<br />
Einladung anzunehmen. Da ist das freundschaftliche Gespräch mit L. W. von<br />
Eckart zu nennen, dessen Novalis nach dem Abschied von Jena und vor der<br />
Rückkehr ins väterliche Haus in Weißenfels möglicherweise bedarf. Vielleicht<br />
auch die Stille und Ruhe des Schlosses, die er für sein inneres Sammeln, für das<br />
Ordnen seiner ihn kräftig bewegenden Gedanken und Gefühle braucht und<br />
die er an diesem Abend aufschreibt. Aber es ist noch ein Anderes dahinter: Das<br />
alte, malerisch gelegene und durch eine gleichermaßen lange wie wechselvolle<br />
Geschichte geprägte Anwesen selbst fasziniert den am Mittelalter interessierten<br />
Novalis. Das Schloss ist im 9. Jahrhundert als eine Schutzburg mit romanischer<br />
Kapelle erbaut und ist ab dem Jahr 1003 Sitz der sächsischen Pfalzgrafen<br />
(Saale-Unstrut-Region). Daraus wird ab 1041 eine Benediktinerabtei, die im<br />
Ergebnis der Säkularisierung Mitte des 16. Jahrhunderts zu einem prachtvollen<br />
Renaissanceschloss umgebaut wird – ohne die Spuren der großen Geschichte<br />
auszulöschen. Die bekannten Quellen sagen nichts darüber aus, ob und wie<br />
oft Novalis Schloss Goseck vor oder nach dem 5. Oktober 1791 besucht hat.<br />
Anzunehmen ist beides aus vielen Gründen.<br />
Einst – Burg Goseck Gefunden – musizierende Putte auf Schloss-Kirche Goseck – Portal Schloss-Kirche Goseck – Detail<br />
Schloss Goseck<br />
Novalis <strong>Spurensuche</strong> Orte und Städte<br />
der Knabenspiele<br />
Wie selig war die Zeit der Knabenspiele<br />
Als Kummer noch nicht nächtlich mich umschlang;<br />
Und harmlos ich mit glücklichem Gefühle<br />
Für Gegenwart durch Thal und Wiesen sprang<br />
Und flink und froh ich zum gewählten Ziele<br />
Den Wurfpfeil warf und nach dem Kranze rang<br />
Noch honigsüß sind die Erinnerungen<br />
Und Wunder! daß ich sie noch nie besungen.<br />
2011
Schloss Siebeneichen – im Herbst-Morgendunst<br />
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ich Lebe jetzt WirkLich recht schön<br />
Während seiner Studienzeit in Freiberg (Ende 1797 bis Mai 1799) reist<br />
Novalis per Kutsche oder reitend auf dem Pferd oft in die nahe gelegene<br />
sächsische Residenzstadt Dresden mit ihrer bedeutenden Gemäldegalerie, ihren<br />
imposanten Kirchen und prachtvollen Bauten, um dies alles voll Neugier und voll<br />
Anteilnahme zu besichtigen. Er besucht hier befreundete Familien, in denen er<br />
auf Grund seiner Lebhaftigkeit, seiner vorzüglichen Manieren, seiner Offenheit,<br />
seiner Gelehrsamkeit, seiner feinen Urteile etc. begeistert aufgenommen wird.<br />
Beziehungen pflegt Novalis in dieser Zeit beispielsweise zu Hans Georg von<br />
Carlowitz (1772 bis 1840), den er vom Studium in Leipzig her kennt und der<br />
als Amtshauptmann auf seinem Gut in Oberschöna in der Nähe von Freiberg<br />
lebt. Oft ist der Dichter zu Gast bei seinem Freund Dietrich von Miltitz (1769<br />
bis 1853), Herr auf Schloss Siebeneichen (Kalenderblatt September), das hoch<br />
oben auf einem Bergsporn des südlichen Elbhanges in der Nähe von Meißen<br />
steht, so auch Weihnachten 1797 – direkt von Freiberg kommend. Beider<br />
Lebenswege sind auf besondere Weise verschlungen. Dietrich von Miltitz´ Vater,<br />
der für die Ausbildung des späteren Philosophen Johann Gottlieb Fichte (1762<br />
bis 1841) sorgte, stirbt als sein Sohn kaum fünf Jahre alt ist. Novalis´ Vater,<br />
Erasmus von Hardenberg, wird daraufhin sein Vormund und befördert dessen<br />
Erziehung bei den Herrnhutern. Dietrich Freiherr von Miltitz hat wie Novalis<br />
Jurisprudenz in Leipzig und Wittenberg studiert. Er dient beim sächsischen<br />
Militär, reist durch die Schweiz, Frankreich und England. Seine Heirat mit<br />
einer bürgerlichen Engländerin 1796 verursacht kräftigen gesellschaftlichen<br />
Wirbel. Gemeinsam mit anderen Adligen aus Sachsen versucht er, die sächsische<br />
Ständeverfassung zu reformieren – dabei auch auf die geistige Unterstützung<br />
durch Novalis bauend. Anregende Gespräche bis zur Erschöpfung werden dazu<br />
auch Weihnachten 1797 auf Schloss Siebeneichen geführt worden sein, aber<br />
auch über Literatur, Poesie, Philosophie, Naturwissenschaften und Bergbau.<br />
Novalis schreibt von hier an Friedrich Schlegel: Ich lebe jetzt wirklich recht schön<br />
– heiter – unaufhörlich beschäftigt. Die Freunde sind in diesen Weihnachtstagen<br />
vielleicht zur Elbe nach Meißen hinunter geritten, haben den spätgotischen<br />
Meißner Dom besucht und die Architektur der Albrechtsburg in Augenschein<br />
genommen. Vom Elbufer bei Meißen eröffnet sich ihnen bei klarem Wetter<br />
ein malerischer Blick auf Schloss Siebeneichen (Kalenderblatt September,<br />
Rückseite), das – auf den Grundfesten einer mittelalterlichen Burg stehend<br />
– im 16. Jahrhundert zu einem Schloss im Renaissancestil umgebaut worden<br />
ist; sein barockes Aussehen hat es Mitte des 18. Jahrhunderts erhalten. Heute<br />
beherbergt das Schloss das Fortbildungs- und Tagungszentrum des Sächsischen<br />
Bildungsinstituts.<br />
Schloss Siebeneichen – Detail Schloss Siebeneichen im Herbstdunst – von der Elbe in Meißen aus gesehen Albrechtsburg und Dom – Meißen an der Elbe<br />
Novalis <strong>Spurensuche</strong> Orte und Städte<br />
Distichen 1798<br />
I.<br />
Freunde, der Boden ist arm, wir müßen reichlichen Samen<br />
Ausstreun, daß uns doch nur mäßige Erndten gedeihn.<br />
2.<br />
Welten bauen genügt nicht dem tiefer dringenden Sinne,<br />
Aber ein liebendes Herz sättigt den strebenden Geist.<br />
4.<br />
Einem gelang es – er hob den Schleyer der Göttin zu Saïs –<br />
Aber was sah er? Er sah – Wunder des Wunders – Sich Selbst.<br />
2011
Schloss Sophie von Kühn in Grüningen – Lebens- und Sterbeort der Verlobten von Novalis<br />
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für natur, freundschaft und Liebe eMpfängLiches herz<br />
Novalis kehrt nach erfolgreichem Studium der Jurisprudenz in Wittenberg<br />
(Kalenderblatt Juni) im Juni 1794 nach Weißenfels zurück. Er versucht,<br />
durch Vermittlung des preußischen Staatskanzlers und Reformers Karl August<br />
von Hardenberg (1750 bis 1822), eine Anstellung im preußischen Staatsdienst<br />
zu erhalten. Aber die Verhandlungen ziehen sich hin. Deshalb beginnt er Anfang<br />
November 1794 eine praktische Ausbildung zum Verwaltungsfachmann beim<br />
fachlich hochgebildeten und menschlich aufgeschlossenem August Cölestin<br />
Just (1750 bis 1822), Kreisamtmann in Tennstedt und Leiter der obersten<br />
Verwaltungs- und Gerichtsbehörde des kursächsischen Thüringen, die hier<br />
ihren Sitz hat. Novalis zieht in das Haus von Just ein (Kalenderblatt Oktober,<br />
Rückseite), der bald nicht nur sein Mentor, sondern auch sein Freund und<br />
Vertrauter wird. Just wird der erste Novalis-Biograph nach dessem frühen<br />
Tod. In dieser 1805 erstmals veröffentlichten Biographie beschreibt er nicht<br />
nur anschaulich die Lebensstationen und den geistigen Reifungsprozess<br />
des Friedrich von Hardenberg, sondern er zeichnet auch ein lebendiges und<br />
ganzheitliches Bild seiner Persönlichkeit. Novalis hat die mühsame Erlernung<br />
der Details und Kleinigkeiten nicht gescheut, die ein guter Praktiker notwendig<br />
kennen und anwenden muß. Er hat ein für alles Gute und Schöne, besonders<br />
für Natur, Freundschaft und Liebe empfängliches Herz gehabt – im besten<br />
Einklang mit seinem Geist stehend, Kopf und Herz gleichermaßen ausbildend.<br />
Diese kenntnisreiche, aus dem unmittelbaren Erleben Novalis´ schöpfende<br />
Biographie belegt, dass er nicht der wirklichkeitsfremde, todessehnsüchtige<br />
Träumer, der für das praktisch tätige Leben wenig taugende Romantiker<br />
und keine Arbeit zu Ende führende Adlige gewesen ist. Auf einer Dienstreise<br />
begegnet Novalis am 17. November 1794 auf dem Gut des Rittmeisters<br />
Johann Rudolf von Rockenthien (1755 bis 1820) in Grüningen (Kalenderblatt<br />
Oktober) dessen Stieftochter Sophie von Kühn (1782 bis 1797) – eine<br />
gleichermaßen zauberhafte, wie schicksalsschwere Begegnung, die Novalis´<br />
Leben entscheidend prägt. Er neigt sich augenblicklich dem ungewöhnlich<br />
schönen und kindhaft anmutenden Mädchen in Liebe zu. Bereits vier Monate<br />
später verloben sie sich. Wenig weiß man über Sophie von Kühn. Novalis sieht<br />
in ihr die Bestimmung für sein Leben, für die Erfüllung seiner Sehnsucht nach<br />
Brautnacht, Ehe und Nachkommenschaft. Doch Sophie von Kühn erkrankt<br />
schwer und stirbt im März 1797 (Kalenderblatt Oktober, Rückseite). Novalis<br />
hat seine danach ausbrechenden inneren Kämpfe zwischen Nachsterben und<br />
Weiterleben schonungslos in seinem vom 18. April bis 6. Juli 1797 geführtem<br />
Journal aufgezeigt. Sophie von Kühn und das Bild, das von ihr in Novalis<br />
entsteht, durchzieht seine Dichtung, seine poetischen Werke.<br />
Eingang ins Schloss Sophie von Kühn Gedenk-Tafel für Sophie von Kühn – Spuren der Wohn- und Arbeitsstätte des Novalis beim St. Petri Kirche in Grüningen<br />
St. Petri Kirche in Grüningen Kreisamtmann August Cölestin Just in Tennstedt<br />
Novalis <strong>Spurensuche</strong> Orte und Städte<br />
Letzte Liebe<br />
Also noch ein freundlicher Blick am Ende der Wallfahrt<br />
Ehe die Pforte des Hains leise sich hinter mir schließt.<br />
Dankbar nehm’ ich das Zeichen der treuen Begleiterin Liebe<br />
Fröhlichen Muthes an, öffne das Herz ihr mit Lust.<br />
Sie hat mich durch das Leben allein rathgebend geleitet,<br />
Ihr ist das ganze Verdienst, wenn ich dem Guten gefolgt,<br />
Wenn manch’ zärtliches Herz dem Frühgeschiedenen nachweint…<br />
2011
Blick auf Weißenfels – Lebensmittelpunkt von Novalis<br />
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so koMM ich und hoLe dich ab<br />
Friedrich von Hardenberg kommt 1785 als Dreizehnjähriger in das Städtchen<br />
Weißenfels (Kalenderblatt November), das der Lebensmittelpunkt seines<br />
kurzen, aber schaffensreichen Lebens wird. Zu diesem Ort ist er immer<br />
wieder zurückgekehrt – sei es nach seinem Schulbesuch in Eisleben, nach den<br />
Studienaufenthalten in Jena, Leipzig, Wittenberg und Freiberg, nach seiner<br />
praktischen Tätigkeit in Tennstedt, nach seinen Dienst- und Bildungsreisen<br />
durch Mitteldeutschland. Von hier übt er seine Tätigkeit als Salinen-Assessor<br />
aus. In Weißenfels verfasst er seine wichtigsten Werke und empfängt berühmte<br />
Zeitgenossen. Und: Hier stirbt er am 25. März 1801. Auf dem Nikolaifriedhof<br />
der Stadt findet er seine letzte Ruhestätte (Kalenderblatt Februar). Weißenfels,<br />
gegründet Ende des 12. Jahrhunderts und an der Kreuzung zweier großer<br />
Handelsstraßen des Mittelalters gelegen, der Via Regia und der Osterländischen<br />
Salzstraße, ist als Residenzstadt des Fürstentums Sachsen-Weißenfels bis<br />
1746 bedeutsam. Zu Novalis Lebzeiten ist es zwar auf dem Weg zu einem<br />
Provinzstädtchen, doch die barocke Architektur, der gewaltige Marktplatz, die<br />
gotische Stadtkirche und das Barockschloss Neu-Augustusburg (Kalenderblätter<br />
November und Dezember) zeugen von seiner beeindruckenden Geschichte. Bis<br />
Mitte des 18. Jahrhunderts gilt Weißenfels als ein wichtiges kulturelles Zentrum<br />
in Mitteldeutschland. Berühmte Komponisten und Musiker des 17. und 18.<br />
Jahrhunderts wirken an diesem Ort. Beispielsweise Heinrich Schütz (1585 bis<br />
1672), Johann Beer (1655 bis 1700) und Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750).<br />
Novalis´ Wohn- und Haushaltsverhältnisse im elterlichen Anwesen von<br />
Weißenfels sind bescheiden, aber nicht ärmlich. Genügend Raum und Platz<br />
gibt es für ihn, um konzentriert nachzudenken, zu studieren, zu schreiben. Im<br />
lebendigen Austausch steht er mit Vater und Mutter, mit seinen Geschwistern,<br />
mit Menschen des kleinen und überschaubaren Städtchens. Von den Fenstern<br />
des Wohnhauses blickt er direkt auf das einstige Clarissenkloster von 1301<br />
(Kalenderblatt November, Rückseite), zu seiner Zeit das berühmte Gymnasium<br />
illustre Augusteum, zur gotischen Stadtkirche, über barocke Bürgerhäuser.<br />
Ganz in der Nähe seines Wohnsitzes steht der einstige Gasthof Zum Dreyen<br />
Schwanen, in dem sich Friedrich Schiller, Wilhelm von Humboldt und<br />
Gottfried Friedrich Körner im August 1794 zu vertraulichen Gesprächen<br />
getroffen haben. Novalis wird an diesem Anwesen oft gedankenschwer vorbei<br />
spaziert sein. Freudig und mit Ungeduld hat er aus vielen Gründen seine<br />
Dichter- und Philosophenfreunde in Weißenfels erwartet. Vor allem seinen<br />
Freund und Vertrauten Friedrich Schlegel – wenn ich weiß, daß Du in Leipzig<br />
bist, so komm ich und hole Dich ab.<br />
In Novalis´ Todesstunde ist Friedrich Schlegel bei ihm in Weißenfels.<br />
Einst – Clarissenkloster, gesehen vom Novalis-Museum in Weißenfels Novalis-Hain in Weißenfels Kirche in Schlöben Letzte Ruhestätte der von Hardenbergs – Friedhof in Schlöben<br />
Novalis <strong>Spurensuche</strong> Orte und Städte<br />
Hinüber wall ich<br />
Hinüber wall ich,<br />
Und jede Pein<br />
Wird einst ein Stachel<br />
Der Wollust seyn.<br />
Noch wenig Zeiten,<br />
So bin ich los,<br />
Und liege trunken<br />
Der Lieb’ im Schooß.<br />
Unendliches Leben<br />
Wogt mächtig in mir<br />
Ich schaue von oben<br />
Herunter nach dir.<br />
An jenem Hügel<br />
Verlischt dein Glanz –<br />
Aus: Hymnen an die Nacht<br />
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Schloss Neu-Augustusburg in Weißenfels<br />
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Zeittafel<br />
1772 2. Mai: Georg Philipp Friedrich von Hardenberg in Oberwiederstedt geboren.<br />
Eltern: Heinrich Ulrich Erasmus von Hardenberg (1738-1814) und<br />
Auguste Bernhardine, geb. von Bölzig (1749-1818)<br />
1780 Schwere Ruhrerkrankung<br />
1783 Aufenthalt auf Schloss Lucklum beim Onkel Gottlob Friedrich Wilhelm von<br />
Hardenberg (1728 bis 1800)<br />
1785 Umzug der Familie von Oberwiederstedt nach Weißenfels<br />
1788 Erste Gedichte<br />
1790 Juni-Oktober: Besuch des Luther-Gymnasiums in Eisleben, Studium in Jena<br />
1791 Begegnungen mit Friedrich Schiller,<br />
Besuch auf Schloss Goseck, Spatziergang nach Gosegk, Studium in Leipzig<br />
1792 Erste Begegnung mit Friedrich Schlegel in Leipzig<br />
1793 Studium in Wittenberg<br />
1794 Juristisches Examen in Wittenberg<br />
8. November: Dienstantritt als Aktuarius beim Kreisamt in Tennstedt<br />
17. November: Erste Begegnung mit Sophie von Kühn (1782-1797)<br />
in Grüningen<br />
1795 Verlobung mit Sophie von Kühn<br />
Beginn der Fichte-Studien<br />
1796 Beginn der Tätigkeit bei der Salinendirektion in Weißenfels<br />
Friedrich Schlegels Besuche in Weißenfels<br />
1797 19. März: Tod der Sophie von Kühn<br />
Studium in Freiberg<br />
Weihnachten: auf Schloss Siebeneichen<br />
1798 Beziehungen zu Professor Abraham Gottlob Werner (1749-1817)<br />
Reisen nach Dresden und Siebeneichen von Freiberg aus<br />
Blüthenstaub unter dem Pseudonym Novalis erscheint<br />
Beginn der naturwissenschaftlichen Studien<br />
Verlobung mit Julie von Charpentier (1776-1811)<br />
1799 Rückkehr von Freiberg nach Weißenfels<br />
Entstehung der Geistlichen Lieder, Beginn der Arbeit am<br />
Heinrich von Ofterdingen<br />
1800 Hymnen an die Nacht erscheinen<br />
Schwere Erkrankung<br />
Oktober: Reise nach Siebeneichen, Meißen und Dresden<br />
Dezember: Ernennung zum Amtshauptmann<br />
1801 23. März: Friedrich Schlegel triff in Weißenfels ein<br />
25. März: Novalis stirbt in Weißenfels<br />
Stadtkirche von Weißenfels – Wohn- und Sterbehaus von Novalis Schloss-Portal von Neu-Augustusburg Tauf-Kirche des Novalis´ in<br />
vom Schloßplatz aus gesehen in Weißenfels Oberwiederstedt – einst Klostenkirche<br />
Novalis <strong>Spurensuche</strong> Orte und Städte<br />
Wenn nicht<br />
mehr zahlen …<br />
Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren<br />
Sind Schlüssel aller Kreaturen<br />
Wenn die so singen, oder küssen,<br />
Mehr als die Tiefgelehrten wissen,<br />
Wenn sich die Welt ins freye Leben<br />
Und in die (freye) Welt wird zurück begeben,<br />
Wenn dann sich wieder Licht und Schatten<br />
Zu ächter Klarheit wieder gatten,<br />
Und man in Mährchen und Gedichten<br />
Erkennt die (alten) wahren Weltgeschichten,<br />
Dann fliegt vor Einem geheimen Wort<br />
Das ganze verkehrte Wesen fort.<br />
Aus: Materialien zu Heinrich von Ofterdingen<br />
2011
Andreaskirche, Altes Gymnasium und Agricola-Haus in Eisleben<br />
Schloss Goseck in Goseck – gelegen zwischen Naumburg und Weißenfels<br />
Schloss Neu-Augustusburg in Weißenfels<br />
Novalis<br />
<strong>Spurensuche</strong><br />
Orte und Städte<br />
2011 Schloss<br />
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Oberwiederstedt – Geburtsort von Novalis<br />
Friedrich Schillers Gartenhaus in Jena<br />
Schloss Siebeneichen – im Herbst-Morgendunst<br />
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Silhouette von Wittenberg mit Elbe<br />
Novalis-Büste in Weißenfels<br />
Schloss Sophie von Kühn in Grüningen – Lebens- und Sterbeort der Verlobten von Novalis<br />
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Schloss Vorderort – Spuren der Schlösser und Festungsanlage in Mansfeld<br />
Schacht Alte Elisabeth in Freiberg – heute Museum<br />
Blick auf Weißenfels – Lebensmittelpunkt von Novalis<br />
2011<br />
Literaturverzeichnis: Titelbild: Die Wartburg in der Frühe<br />
Novalis. Briefwechsel mit Friedrich und August Wilhelm, Charlotte und Caroline Schlegel. 1880.<br />
Novalis. Dokumente seines Lebens. Herausgegeben von Hermann Hesse und Karl Isenberg. 1976.<br />
Novalis. Schriften, Herausgegeben von J. Minor , Bände 1 bis 4. 1923.<br />
Novalis. Schriften. Werke, Tagebücher und Briefe Friedrich von Hardenbergs. Herausgegeben von<br />
Hans-Joachim Mähl und Richard Samuel, Bände 1 bis 3. 1999.<br />
Schulz, Gerhard, Novalis. 1993. Tieck, Ludwig, Das Leben des Novalis. 1923.<br />
Uerlings, Herbert, Novalis 1998.<br />
Novalis – <strong>Spurensuche</strong> Orte und Städte<br />
<strong>Bernd</strong> <strong>Bräuer</strong> Verlag, Leipzig<br />
Fotos und Texte: Dr. <strong>Bernd</strong> <strong>Bräuer</strong><br />
Gestaltung: Dr. <strong>Bernd</strong> <strong>Bräuer</strong>, Jörn Schütze<br />
Satz und Layout: Jörn Schütze<br />
Druck: Druckerei Gebrüder Schütze GbR, Wolkenstein<br />
Printed in Germany<br />
ISBN 978-3-9813802-1-7<br />
www.berndbraeuerverlag.de<br />
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