Stadtteilmagazin für Ost-Karlsruhe Ausgabe 25 · 2, 2010

Stadtteilmagazin für Ost-Karlsruhe Ausgabe 25 · 2, 2010 Stadtteilmagazin für Ost-Karlsruhe Ausgabe 25 · 2, 2010

24.01.2013 Aufrufe

2.10 Wohnpartnerschaften Wohnpartnerschaften – die neue Generation der WG So hatte sich Anna Sprta ihren Lebensabend nicht vorgestellt. Die 86-Jährige wollte alleine in ihrem Haus in Rintheim leben, und sich wie bisher auch um alles selbst kümmern. Doch da hatte sie die Rechnung ohne ihre Tochter Gertrud Haaf gemacht. Diese sah, dass es in der Nähe ihres Elternhauses keine Einkaufsmöglichkeiten mehr gab und sie wünschte sich für ihre Mutter zudem, dass sie mehr Ansprache bekäme. Sie selbst ist berufstätig und kann sich nicht in dem Maße um sie kümmern, wie sie es gerne täte. Also wandte sich Gertrud Haaf an die Paritätischen Sozialdienste. Jetzt ist im Leben von Anna Sprta alles anders als sie es wollte – und viel besser. Als Faustregel gilt: Eine Stunde Hilfe gegen einen Quadratmeter Wohnraum Die 86-Jährige teilt ihr Haus nun mit dem 22-jährigen Seidou Mbomboo Molub. Der Student aus Kamerun hatte in Karlsruhe keinen bezahlbaren Wohnraum gefunden und sich deshalb ebenfalls an die Paritätischen Sozialdienste gewandt. Und wurde, genau wie Gertrud Haaf, fündig. Seit dem Sommersemester 2008 8 gibt es dort nämlich in gemeinsamer Trägerschaft mit dem Studentenwerk Karlsruhe das Projekt der „Wohnpartnerschaften“. Das Prinzip ist ganz einfach: Menschen, die den ihnen zur Verfügung stehenden Wohnraum nicht für sich alleine nutzen können oder wollen, geben ihn an Studierende aus Karlsruhe ab. Als Gegenleistung bekommen sie die zusätzlich anfallenden Nebenkosten erstattet und eine fest vereinbarte Unterstützung beispielsweise im Haushalt, im Garten, beim Einkaufen oder anderen Arbeiten, die sie nicht mehr alleine erledigen können. Als Faustregel gilt: Eine Stunde Hilfe im Monat entspricht einem Quadratmeter Wohnraum, der dem Student zur Verfügung gestellt wird. Aber noch etwas bietet der neue Wohnpartner: Soziale Kontakte, und die sind mit keinem Geld der Welt zu bezahlen. Auch Familien und Alleinerziehende können von dem Projekt profitieren 33 Partnerschaften wurden seit Beginn des Projektes vermittelt, eine Zahl die auf den ersten Blick nicht viel erscheint, doch die Verantwortlichen bei den Paritäti-

schen Sozialdiensten sind zufrieden. „Zum einen sind alle Partnerschaften bislang erfolgreich und ohne große Probleme verlaufen und zum anderen darf man sich das auch nicht so einfach vorstellen. Älteren Menschen fällt es oft schwer jemanden in ihr Haus zu lassen. Sie wollen nichts übers Knie brechen und das ist auch gut so. Denn wer sich dafür entscheidet Wohnraum abzugeben, der sollte auch dabei bleiben“, sagt Projektleiterin Daniela Matthias. Das bedeutet allerdings auch, dass es nach wie vor viele Studenten in Karlsruhe gibt, die gerne bei diesem Projekt mitmachen würden aber nicht können. Und das nicht nur wegen der billigen Wohnmöglichkeit. „Es muss bei den Bewerbern ganz klar der soziale und helfende Aspekt im Vordergrund stehen. Wenn ich beim Vorgespräch merke, dass der Student nur Geld sparen möchte, nehme ich ihn nicht in das Projekt auf. Er muss sich der Verantwortung ganz klar bewusst sein“, so Daniela Matthias. Eine Ablehnung ist aber nur selten der Fall. Tatsächlich gibt es viele junge Menschen, die in der fremden Stadt auf der Suche nach einer Ersatzfamilie sind, die abends nicht in ein verlassenes Zimmer oder in eine einsame Wohnung kommen möchten. Aus diesem Grund, und weil die Verantwortlichen festgestellt haben, dass es auch andere Gruppen gibt, die Unterstützung in ihrem Leben gebrauchen könnten, wurde das Projekt über die Altersgruppe 50+ ausgeweitet. „Wir bieten es auch für Familien und Alleinerziehende an, die beispielsweise Hilfe bei der Kinderbetreuung oder der Hausaufgabenbetreuung brauchen oder aber Menschen mit Behinderung, die in einer integrativen WG leben möchten, wobei hier ganz klar keine Pflege geleistet werden kann“, stellt Daniela Matthias klar. Der Vertrag ist bei nicht ausräumbaren Problemen jederzeit kündbar Um den bestmöglichen Start zu gewährleisten, schaut sich die Projektleiterin nicht nur die Bewerber ganz genau an, sondern auch den zur Verfügung stehenden Wohnraum. Dann trifft sie bei entsprechender Eignung eine Vorauswahl, welche Wohnpartner am besten zu einander passen könnten. Dazu schaut sie sich die beiden Bewerberbogen an, auf denen die potentiellen WG‘ ler ihre Wünsche und Vorstellungen über die zu leistenden Hilfe und Unterstützung eingetragen haben. „Diese Daten, sowie alle anderen persönlichen Angaben werden natürlich nicht weitergegeben“, so Daniela Matthias. Nach dieser Vorauswahl kommt es zum persönlichen Kontakt. Hier entscheiden die beiden Bewerber, ob sie sich ein gemeinsames Miteinander vorstellen können. Wenn ja, unterschreiben sie einen Vertrag, der bei auftretenden Problemen, die eine Mitarbeiterin der Paritätischen Sozialdienste nicht ausräumen kann, sofort gekündigt werden könnte. „Es gibt also keinerlei Risiken. Wir lassen unsere Wohnpartner nicht alleine, sondern fragen regelmäßig nach, wie es läuft. Und wir organisieren regelmäßige Treffen in der Uni, bei denen sie sich mit Gleichgesinnten austauschen können“ und auch Stadträte aller Fraktionen sind immer gern gesehene Gäste, berichtet die Projektleiterin. Wer also in Karlsruhe und Umgebung mehr Wohnraum zur Verfügung hat als er selber nutzt und andererseits Unterstützung im Alltag bräuchte, der kann sich gerne bei Daniela Matthias melden. „Wir freuen uns über jede Anfrage, beziehungsweise über jedes Angebot.“ Weitere Informationen unter: Daniela Matthias Tel.: 07 21 / 912 30 - 34 Fax: 07 21 / 912 30 - 52 E-Mail: wohnen@paritaet-ka.de Sprechzeiten: Dienstag bis Freitag: 13.00 bis 17.00 Uhr und nach Vereinbarung Stichwort Wohnpartnerschaften Wohnpartnerschaften ist ein Selbsthilfeprojekt, das das Studentenwerk Karlsruhe und die Paritätischen Sozialdienste GmbH Karlsruhe zum Sommersemester 2008 in Karlsruhe gestartet haben und das von der Stadt Karlsruhe gefördert wird. Die Mitarbeiter vermitteln Wohnpartnerschaften kostenlos und stellen einen Mustervertrag zur Verfügung. - Sie beraten Studierende, die Wohnraum suchen und sich sozial engagieren wollen, umfassend und persönlich. - Bei einem Hausbesuch beraten sie die Wohnraumanbieter individuell. - Mit Hilfe von Fragebögen erfassen sie die Wünsche und Interessen beider Parteien und schlagen passende Wohnpartner vor. Nach Rücksprache stellen sie den direkten Kontakt her. - Sie informieren über rechtliche Grundlagen und bieten Hilfe bei der Ausgestaltung des Wohnraumüberlassungsvertrags an. - Auf Wunsch stehen sie den Wohnpartnern auch nach der Vermittlung zur Verfügung. Dies gilt auch, wenn sich die Notwendigkeit ergibt, die Wohnpartnerschaft zu lösen. 9

2.10 Wohnpartnerschaften<br />

Wohnpartnerschaften –<br />

die neue Generation der WG<br />

So hatte sich Anna Sprta ihren Lebensabend nicht<br />

vorgestellt. Die 86-Jährige wollte alleine in ihrem Haus<br />

in Rintheim leben, und sich wie bisher auch um alles<br />

selbst kümmern. Doch da hatte sie die Rechnung ohne<br />

ihre Tochter Gertrud Haaf gemacht. Diese sah, dass es<br />

in der Nähe ihres Elternhauses keine Einkaufsmöglichkeiten<br />

mehr gab und sie wünschte sich <strong>für</strong> ihre Mutter<br />

zudem, dass sie mehr Ansprache bekäme. Sie selbst<br />

ist berufstätig und kann sich nicht in dem Maße um sie<br />

kümmern, wie sie es gerne täte. Also wandte sich Gertrud<br />

Haaf an die Paritätischen Sozialdienste. Jetzt ist<br />

im Leben von Anna Sprta alles anders als sie es wollte<br />

– und viel besser.<br />

Als Faustregel gilt: Eine Stunde Hilfe<br />

gegen einen Quadratmeter Wohnraum<br />

Die 86-Jährige teilt ihr Haus nun mit dem 22-jährigen<br />

Seidou Mbomboo Molub. Der Student aus Kamerun<br />

hatte in <strong>Karlsruhe</strong> keinen bezahlbaren Wohnraum<br />

gefunden und sich deshalb ebenfalls an die Paritätischen<br />

Sozialdienste gewandt. Und wurde, genau wie<br />

Gertrud Haaf, fündig. Seit dem Sommersemester 2008<br />

8<br />

gibt es dort nämlich in gemeinsamer Trägerschaft<br />

mit dem Studentenwerk <strong>Karlsruhe</strong> das Projekt der<br />

„Wohnpartnerschaften“. Das Prinzip ist ganz einfach:<br />

Menschen, die den ihnen zur Verfügung stehenden<br />

Wohnraum nicht <strong>für</strong> sich alleine nutzen können oder<br />

wollen, geben ihn an Studierende aus <strong>Karlsruhe</strong> ab.<br />

Als Gegenleistung bekommen sie die zusätzlich anfallenden<br />

Nebenkosten erstattet und eine fest vereinbarte<br />

Unterstützung beispielsweise im Haushalt, im Garten,<br />

beim Einkaufen oder anderen Arbeiten, die sie nicht<br />

mehr alleine erledigen können. Als Faustregel gilt: Eine<br />

Stunde Hilfe im Monat entspricht einem Quadratmeter<br />

Wohnraum, der dem Student zur Verfügung gestellt<br />

wird. Aber noch etwas bietet der neue Wohnpartner:<br />

Soziale Kontakte, und die sind mit keinem Geld der<br />

Welt zu bezahlen.<br />

Auch Familien und Alleinerziehende<br />

können von dem Projekt profitieren<br />

33 Partnerschaften wurden seit Beginn des Projektes<br />

vermittelt, eine Zahl die auf den ersten Blick nicht viel<br />

erscheint, doch die Verantwortlichen bei den Paritäti-

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