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„Integration junger Musliminnen und Muslimen durch Ehrenamt in ...

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Das Projekt wird <strong>durch</strong> den<br />

Europäischen Integrationsfonds<br />

<strong>und</strong> B<strong>und</strong>esm<strong>in</strong>isterium<br />

für Inneres kof<strong>in</strong>anziert.<br />

<strong>„Integration</strong> <strong>junger</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> <strong>Muslimen</strong> <strong>durch</strong><br />

<strong>Ehrenamt</strong> <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>nützigen Organisationen<br />

am Beispiel des Österreichischen Roten Kreuzes“<br />

E<strong>in</strong> Empfehlungsbericht<br />

E<strong>in</strong> Projekt des Österreichischen Roten Kreuzes <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit den Landesverbänden Wien, Niederösterreich <strong>und</strong> Burgenland sowie dem Vere<strong>in</strong> Carima.


IMPRESSUM<br />

Eigentümer, Herausgeber <strong>und</strong> Verleger:<br />

Österreichisches Rotes Kreuz,<br />

1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 32<br />

Autor<strong>in</strong>: Mag a . Anahita Shoaiyan MA<br />

Ersche<strong>in</strong>ungsjahr: Wien, 2010<br />

Satz, Layout <strong>und</strong> Produktion: markushechenberger.net Werbeagentur<br />

Alle Rechte vorbehalten:<br />

E<strong>in</strong> Projekt des Österreichischen Roten Kreuzes <strong>in</strong> Zusammenarbeit<br />

mit den Landesverbänden Wien, Niederösterreich <strong>und</strong> Burgenland sowie dem Vere<strong>in</strong> Carima.<br />

Das Projekt wird <strong>durch</strong> den Europäischen Integrationsfonds<br />

<strong>und</strong> B<strong>und</strong>esm<strong>in</strong>isterium für Inneres kof<strong>in</strong>anziert.


INHALTSVERZEICHNIS<br />

E<strong>in</strong>leitung ............................................................................................................................................ 4<br />

Def<strong>in</strong>ition ............................................................................................................................................ 5<br />

Def<strong>in</strong>ition von freiwilligen Engagements ........................................................................................................... 5<br />

Gesellschaftliche Bedeutung des freiwilligen Engagements ............................................ 7<br />

Wirtschaftlicher Beitrag von Freiwillgenarbeit .............................................................................................. 8<br />

Sozialer Beitrag von Freiwilligem Engagement ............................................................................................. 8<br />

Politischer <strong>und</strong> gesellschaftlicher Beitrag von Freiwilligenarbeit ........................................................... 9<br />

Das Österreichische Rote Kreuz als „Initiator von Freiwilligenarbeit (stärkere)<br />

Beteiligung von marg<strong>in</strong>alisierten Gruppen wie Migranten“ ......................................... 10<br />

Def<strong>in</strong>ition: Migrant/Migrant<strong>in</strong> .................................................................................................................................. 11<br />

Integration ....................................................................................................................................................................... 11<br />

Der Beitrag des freiwilligen Engagements zur Integration ................................................................... 12<br />

Projekt <strong>„Integration</strong> <strong>junger</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> Muslime<br />

<strong>durch</strong> <strong>Ehrenamt</strong> <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>nützigen Organisationen am Beispiel<br />

des Österreichischen Roten Kreuzes“ ..................................................................................... 13<br />

Projektablauf .................................................................................................................................................................. 15<br />

Projektergebnisse <strong>und</strong> Rot-Kreuz-Perzeption vor dem Projektbeg<strong>in</strong>n ............................................. 16<br />

Informationsmangel ................................................................................................................................................... 16<br />

Perzeption der Befragten bezüglich Freiwilligenarbeit ............................................................................ 16<br />

Aufnahme <strong>in</strong> der Organisation ............................................................................................................................ 17<br />

Perzeption der Befragten bezüglich Freiwilligenarbeit<br />

nach ihrer Teilnahme an dem Projekt ............................................................................................................... 17<br />

Beobachtete Unterschiede <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>samkeiten bei der Arbeitsverrichtung ......................... 17<br />

Gewonnenes Wissen <strong>und</strong> dessen Umsetzung ............................................................................................. 17<br />

Zukünftige Zusammenarbeit ................................................................................................................................. 18<br />

Abschließende Bemerkungen <strong>und</strong> Empfehlungen ..................................................................................... 18<br />

Anhang – Interviewtranskripte .............................................................................................. 20<br />

Interview I ....................................................................................................................................................................... 20<br />

Interview II ...................................................................................................................................................................... 22<br />

Interview III ..................................................................................................................................................................... 23<br />

Interview IV ..................................................................................................................................................................... 24<br />

Interview V - Gruppenbefragung ...................................................................................................................... 26<br />

Interview VI .................................................................................................................................................................... 30<br />

Seite 3


Seite 4<br />

Empfehlungsbericht:<br />

<strong>„Integration</strong> <strong>junger</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> <strong>Muslimen</strong> <strong>durch</strong> <strong>Ehrenamt</strong> <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>nützigen Organisationen am Beispiel des Österreichischen Roten Kreuzes“<br />

E<strong>in</strong>leitung<br />

Das Projekt <strong>„Integration</strong> <strong>junger</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> Muslime <strong>durch</strong> <strong>Ehrenamt</strong> <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>nützigen Organisationen<br />

am Beispiel des Österreichischen Roten Kreuzes“ wurde im Jahr 2009 vom Österreichischen<br />

Roten Kreuz (ÖRK) mit dem Ziel <strong>in</strong>itiiert, die Freiwilligenarbeit als e<strong>in</strong>en der relevanten Integrations<strong>in</strong>dikatoren<br />

aktiv zur Förderung von Integration e<strong>in</strong>zusetzen. Dabei wurden 20 junge Muslime <strong>und</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong><br />

zwischen 17 <strong>und</strong> 28, die sich davor zwischen 2 <strong>und</strong> 5 Jahre <strong>in</strong> Österreich aufgehalten hatten<br />

<strong>in</strong> verschiedene Arbeitsfelder des Roten Kreuzes e<strong>in</strong>geführt, um anhand dieser Beispiele erkennen zu<br />

können, ob es <strong>in</strong>nerhalb der <strong>in</strong> Österreich etablierten Freiwilligenstrukturen konkrete H<strong>in</strong>dernisse <strong>und</strong><br />

Hemmschwellen gibt, die Freiwilligenarbeit speziell für junge <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> Muslime erschweren<br />

oder gar verh<strong>in</strong>dern. Dies alles natürlich auch vor dem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> der Erfahrungen der Personal- <strong>und</strong><br />

Freiwilligenmanager des ÖRK <strong>und</strong> angesichts der Tatsache, dass es beim Roten Kreuz – abgesehen von<br />

e<strong>in</strong>igen ehemaligen Zivildienstleistenden - bisher nur sehr wenige muslimische Freiwillige gibt.<br />

E<strong>in</strong> weiteres Ziel des Projektes war neben der aktiven Anregung zu <strong>in</strong>novativen Wegen der Integration,<br />

wie im Speziellen das Anregen zu verstärkter Feiwilligenarbeit für e<strong>in</strong>e wirksamere <strong>und</strong> besser<br />

gestaltbare Integration, auch das Lernen vone<strong>in</strong>ander im Zuge der Projekt<strong>durch</strong>führung.<br />

Laut Volkszählung 2001 bekennen sich 4,2% aller Menschen <strong>in</strong> Österreich zum muslimischen Glauben.<br />

Unter Migranten <strong>und</strong> Migrant<strong>in</strong>nen beträgt dieser Anteil 38%. Unter den B<strong>und</strong>esländern weist Wien<br />

mit 7,8% - nach Vorarlberg mit 8,4% - den zweithöchsten muslimischen Bevölkerungsanteil auf. Hier<br />

ist der Islam bereits klar die zweitstärkste Religionsgeme<strong>in</strong>schaft, jeweils vor den orthodoxen Christen<br />

<strong>und</strong> den Protestanten. Daher ist die Teilhabe <strong>und</strong> die Teilnahme dieser Zielgruppe für die Integration<br />

aber auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt <strong>und</strong> die Aufrecherhaltung der zivilgesellschaftlichen<br />

Werte von enormer Bedeutung.<br />

Die am Projekt beteiligten jungen <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> Muslime wurden vom ÖRK <strong>in</strong> Zusammenarbeit<br />

mit dem Vere<strong>in</strong> „Carima“ ausgewählt <strong>und</strong> leisteten jeweils zwei Tage Freiwilligenarbeit im Generalsekretariat<br />

des Österreichischen Roten Kreuzes sowie <strong>in</strong> den Landesverbänden Wien, Niederösterreich<br />

<strong>und</strong> Burgenland, konkret <strong>in</strong> den Bereichen Rettungs- <strong>und</strong> Krankentransportwesen, Besuchsdienst,<br />

Suchdienst, Medikamentendepot, dem Österreichischen Zentrum für Herkunftsländer<strong>in</strong>formation<br />

(ACCORD) sowie der Abteilung Recht <strong>und</strong> Migration des ÖRK.


Def<strong>in</strong>ition<br />

Def<strong>in</strong>ition<br />

Die <strong>in</strong> dem vorliegenden Empfehlungsbuch verwendeten Begriffe „<strong>Ehrenamt</strong>“ <strong>und</strong> „Freiwilligenarbeit“<br />

beziehen sich auf die Def<strong>in</strong>itionserklärung des „1. Berichtes zum freiwilligen Engagement <strong>in</strong> Österreich“<br />

welcher im Juni 2009 vom B<strong>und</strong>esm<strong>in</strong>isterium für Arbeit, Soziales <strong>und</strong> Konsumentenschutz erstellt <strong>und</strong><br />

herausgegeben wurde. In diesem Dokument wird vom Mangel, der Une<strong>in</strong>heitlichkeit <strong>und</strong> vom Nichtvorhandense<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>es allumfassenden <strong>und</strong> angemessenen repräsentativen Begriffes berichtet, der sowohl<br />

dem Verständnis der oben erwähnten Begriffe auf der Alltagsebene, als auch <strong>in</strong> der wissenschaftlichen<br />

Forschung gerecht wird. Aus diesem Gr<strong>und</strong> hat man sich <strong>in</strong> dem genannten Bericht für den Begriff<br />

„freiwilliges Engagement“ entschieden, welcher sowohl die Bezeichnung solcher Tätigkeit im Alltagsgebrauch<br />

als auch <strong>in</strong> der wissenschaftlichen Forschung umfasst.<br />

Im vorliegenden „Empfehlungsbuch“ wird, angelehnt an den oben erwähnten Bericht, ebenfalls der<br />

Begriff „freiwilliges Engagement“ mit der oben geklärten def<strong>in</strong>itorischen Erklärung verwendet.<br />

Die Bezeichnung „ehrenamtliche“ Tätigkeit stammt aus dem 19. Jahrh<strong>und</strong>ert <strong>und</strong> umfasst e<strong>in</strong>erseits<br />

die Tätigkeit „<strong>in</strong> den adm<strong>in</strong>istrativ politischen Ehrenämtern“, <strong>und</strong> anderseits „<strong>in</strong> der humanitär <strong>und</strong><br />

karitativ christlichen Hilfstätigkeit gegenüber Armen“, wobei die adm<strong>in</strong>istrativen politischen Ehrenämter<br />

ausschließlich von Männern getragen wurden (1. Bericht zum freiwilligen Engagement <strong>in</strong> Österreich<br />

2009). Obwohl die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen, Funktionen, Bereiche <strong>und</strong> Aufgaben des „<strong>Ehrenamt</strong>s“<br />

heute nicht mehr mit der Entstehungsgeschichte übere<strong>in</strong>stimmen, versteht man unter dem Begriff nach<br />

wie vor auch die Ehre, welche e<strong>in</strong>em Bürger mit e<strong>in</strong>er öffentlichen Aufgabe, „e<strong>in</strong>er Staatsaufgabe bzw.<br />

e<strong>in</strong>em Amt“ zugeteilt wurde <strong>und</strong> wird.<br />

Die Bezeichnung „Freiwilligenarbeit“ ist die wörtliche Übersetzung des englischen Ausdrucks „voluntary<br />

work“ oder „volunteer labour“ (1. Bericht zum freiwilligen Engagement <strong>in</strong> Österreich 2009). Ohne den<br />

<strong>durch</strong>aus produktiven Charakter der „Freiwilligenarbeit“ schmälern zu wollen, wird <strong>in</strong> dem vorliegenden<br />

„Empfehlungsbuch“ von dem Begriff „Tätigkeit“ als neutraler Begriff Gebrauch gemacht. Der sprachlich<br />

sehr produktive Charakter der „Arbeit“ wird häufig mit e<strong>in</strong>er Dienstleistung, welche monetär belohnt<br />

wird, assoziiert. Der ebenfalls produktive Charakter der freiwilligen Tätigkeit strebt demgegenüber<br />

primär e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>wohlorientierten <strong>und</strong> mitmenschlich-humanen Nutzen an.<br />

Der Begriff „Engagement“ stammt vom französischen Wort „engager“ ab <strong>und</strong> bedeutet u.a. „sich b<strong>in</strong>den,<br />

sich [leidenschaftlich] auf etwas e<strong>in</strong>lassen, verpflichten“. „Der Begriff betont die <strong>in</strong>terne Motivation sowie<br />

die sich selbst auferlegte Verpflichtung <strong>und</strong> beleuchtet demnach e<strong>in</strong>en anderen Aspekt als der Begriff<br />

der Arbeit“ (1. Bericht zum freiwilligen Engagement <strong>in</strong> Österreich 2009).<br />

Def<strong>in</strong>ition von freiwilligen Engagements<br />

Das freiwillige Engagement wird <strong>in</strong> dem oben erwähnten Bericht als „e<strong>in</strong>e Arbeitsleistung, die freiwillig,<br />

d.h. ohne gesetzliche Verpflichtung geleistet wird, der ke<strong>in</strong> monetärer Gegenfluss gegenübersteht, d.h.<br />

unbezahlt geleistet wird, <strong>und</strong> deren Ergebnis Personen außerhalb des eigenen Haushalts zufließt“,<br />

def<strong>in</strong>iert. Diese Def<strong>in</strong>ition umfasst sowohl formelle als auch <strong>in</strong>formelle freiwillige Tätigkeit. Die formelle<br />

freiwillige Tätigkeit schließt jede freiwillige Tätigkeit <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Organisation e<strong>in</strong>, die <strong>in</strong>formelle<br />

freiwillige Tätigkeit umfasst jene Tätigkeiten, die auf re<strong>in</strong> privater Basis erbracht werden, etwa Nachbarschaftshilfe,<br />

welche direkt zwischen Freiwilligen <strong>und</strong> den Leistungsempfängern <strong>und</strong> Empfänger<strong>in</strong>nen<br />

erbracht wird. Da es <strong>in</strong> dem vorliegenden Empfehlungsbuch hauptsächlich um die freiwillige Tätigkeit<br />

Seite 5


Seite 6<br />

Empfehlungsbericht:<br />

<strong>„Integration</strong> <strong>junger</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> <strong>Muslimen</strong> <strong>durch</strong> <strong>Ehrenamt</strong> <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>nützigen Organisationen am Beispiel des Österreichischen Roten Kreuzes“<br />

<strong>in</strong>nerhalb von Organisationen geht, lehnt sich das Buch an dem folgenden Def<strong>in</strong>itionsentwurf aus dem<br />

oben genannten Bericht an: „Freiwillige Arbeit [...] liegt vor, wenn natürliche Personen Leistungen für<br />

Andere <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em organisatorischen Rahmen […] unentgeltlich […] <strong>und</strong> mit dem Zweck der Förderung<br />

der Allgeme<strong>in</strong>heit […] erbr<strong>in</strong>gen, ohne dass damit e<strong>in</strong>e vertragliche Verpflichtung zur Erbr<strong>in</strong>gung<br />

der Leistungen e<strong>in</strong>gegangen wird <strong>und</strong> ohne dass dies im Rahmen e<strong>in</strong>er Berufsausbildung erfolgt. Als<br />

freiwillige Arbeit gilt auch die Teilnahme an Aus- <strong>und</strong> Fortbildungsmaßnahmen, die für die Organisation<br />

<strong>und</strong> Umsetzung der Tätigkeit erforderlich s<strong>in</strong>d.“<br />

Diese Def<strong>in</strong>ition trennt die Freiwilligenarbeit von bezahlter Arbeit ab. Wenn auch manche Organisationen<br />

e<strong>in</strong>en Kostenersatz für Ausgaben wie z.B. Fahrt- <strong>und</strong> Telefonkosten welche im Rahmen der<br />

freiwilligen Tätigkeit entstanden s<strong>in</strong>d, übernehmen, wird jedoch der geleistete Zeitaufwand von der<br />

Organisation nicht abgegolten.<br />

Der nächste wesentliche Unterschied zwischen der Freiwilligenarbeit <strong>und</strong> der Erwerbsarbeit ist der<br />

Zeitfaktor. Die freiwillige Tätigkeit erfolgt meist nur für e<strong>in</strong>ige St<strong>und</strong>en pro Woche. Um den Unterschied<br />

zwischen den konsumtiven Freizeitaktivitäten, wie Hobbys, <strong>und</strong> der Freiwilligenarbeit heraus<br />

zu streichen, wird der produktive Charakter der ehrenamtlichen Arbeit, dessen Ergebnis immer auch<br />

anderen Personen zugute kommt, betont. Das heißt, dass bei Freiwilligenarbeit dem sogenannten<br />

„Dritt-Personen-Kriterium“ immer e<strong>in</strong>e besondere Bedeutung zukommt. Dieses Kriterium besagt, „dass<br />

Tätigkeiten dann produktiv s<strong>in</strong>d, wenn die Leistung pr<strong>in</strong>zipiell auch von Dritten gegen Bezahlung<br />

erbracht werden könnte. Konsum, im Gegensatz dazu, zeichnet sich da<strong>durch</strong> aus, dass ke<strong>in</strong>/e andere/r<br />

für den Konsumenten/ die Konsument<strong>in</strong> den Konsum e<strong>in</strong>es bestimmten Gutes übernehmen kann“ (1.<br />

Bericht zum freiwilligen Engagement <strong>in</strong> Österreich 2009).<br />

E<strong>in</strong> weiterer wichtiger Aspekt des freiwilligen Engagements ist die Motivation. In e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>schlägigen<br />

Studie aus dem Jahr 1996 stellte sich heraus, dass mit dem ehrenamtlichen Engagement häufig „e<strong>in</strong><br />

Verhalten verb<strong>und</strong>en ist, das nicht selbstverständlich <strong>und</strong> von vornhere<strong>in</strong> zu erwarten ist, sondern aus<br />

ethisch höherwertigen Gründen erfolgt, wonach das Individuum nicht nur se<strong>in</strong>e eigenen Interessen<br />

verfolgt, sondern auch die Bedürfnisse anderer Personen <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Handeln mit e<strong>in</strong>bezieht“.<br />

18.000<br />

16.000<br />

14.000<br />

12.000<br />

10.000<br />

8.000<br />

6.000<br />

4.000<br />

2.000<br />

0<br />

Anzahl der freiwillige Mitarbeiter (B<strong>und</strong>esländer)<br />

1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008<br />

OÖ<br />

NÖ<br />

STMK<br />

TIROL<br />

SBG<br />

KTN<br />

BGLD<br />

VBG<br />

WIEN


Gesellschaftliche Bedeutung des freiwilligen Engagements<br />

Gesellschaftliche Bedeutung<br />

des freiwilligen Engagements<br />

Die Bedeutung des freiwilligen Engagements spiegelt sich auf verschiedensten gesellschaftlichen Ebenen<br />

wieder. Es trägt zum sozialen, kulturellen, politischen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Zusammenhalt e<strong>in</strong>er Gesellschaft<br />

bei <strong>und</strong> ruft e<strong>in</strong>e wechselseitige Unterstützung von Menschen hervor. Die Freiwilligenarbeit<br />

deckt Leistungen ab, zu deren Deckung die Gesellschaft nicht <strong>in</strong> der Lage wäre bzw. gesamtgesellschaftlich<br />

flächendeckend nicht <strong>in</strong> der Lage wäre. Freiwilligenarbeit lässt sich daher nicht nur <strong>in</strong> ökonomischen<br />

Parametern darstellen, sondern umfasst darüber h<strong>in</strong>aus symbolische Dimensionen wie Ehre,<br />

Status <strong>und</strong> E<strong>in</strong>satzbereitschaft. Freiwilligenarbeit birgt <strong>in</strong> sich e<strong>in</strong> Doppelpotenzial, e<strong>in</strong>erseits <strong>in</strong> dem<br />

E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen des persönlichen Potenzials <strong>in</strong> Form von E<strong>in</strong>satzbereitschaft, anderseits <strong>in</strong> dem was die<br />

Akteure <strong>und</strong> Akteur<strong>in</strong>nen aus ihrer E<strong>in</strong>satzbereitschaft situativ an Erfahrungen <strong>und</strong> damit an zusätzlichem<br />

Potenzial gew<strong>in</strong>nen. Das heißt, dass die Freiwilligenarbeit <strong>in</strong> sich e<strong>in</strong> wechselseitiges Potenzial<br />

trägt, welches der Gesellschaft an Mehrwert zurückgegeben werden kann. Freiwilligenarbeit ist damit<br />

e<strong>in</strong> „wichtiger Teilbereich gesellschaftlicher Wertschöpfung <strong>und</strong> trägt zu soziokultureller Integration<br />

sowie Veränderung von Gesellschaft bei.“ (1. Bericht zum freiwilligen Engagement <strong>in</strong> Österreich 2009).<br />

Mit der Erhaltung bzw. dem weiteren Ausbau der Freiwilligenarbeit s<strong>in</strong>d große Hoffnungen <strong>und</strong> Potenziale<br />

für die gesellschaftliche Entwicklung, sowie für die Förderung der wirtschaftlichen Wertschöpfung,<br />

für die soziale Integration <strong>und</strong> die <strong>in</strong>tergenerationale Solidarität verb<strong>und</strong>en.<br />

Der 1. Bericht zum freiwilligen Engagement <strong>in</strong> Österreich legt den gesellschaftlichen Nutzen von Freiwilligenarbeit<br />

wie folgt aus:<br />

„Wirtschaftlich, als Beitrag zur Wertschöpfung. Denn auch wenn Freiwilligenarbeit nicht direkt monetär<br />

abgegolten wird, werden Dienstleistungen <strong>und</strong> Produkte mit ökonomischem Wert erzeugt.<br />

Politisch, im S<strong>in</strong>ne von Teilnahme an kollektiv b<strong>in</strong>denden Entscheidungen. Viele zivilgesellschaftliche<br />

Organisationen, <strong>in</strong> denen Bürger <strong>und</strong> Bürger<strong>in</strong>nen freiwillig tätig s<strong>in</strong>d, beteiligen sich an politischen<br />

Entscheidungsprozessen <strong>und</strong> tragen somit zu deren demokratischer Qualität <strong>und</strong> Legimitierung bei, sei<br />

es <strong>in</strong> den Bereichen Ökologie, Menschenrechte oder Sozialpolitik.<br />

Sozial: Freiwilligenarbeit unterstützt den Aufbau von sozialem Kapital, die Inklusion <strong>und</strong> Integration<br />

verschiedener sozialer Bevölkerungsgruppen sowie die Geme<strong>in</strong>schaftsbildung. Dabei lehnt sich der<br />

Bericht an die Studie des amerikanischen Soziologen Robert Putnam an, der das Entstehen des “sozialen<br />

Kapitals“ 1 vor allem aus geme<strong>in</strong>sam geteilten Normen <strong>und</strong> vertrauensvollen Beziehungen zwischen<br />

Akteuren <strong>und</strong> Akteur<strong>in</strong>nen sieht.<br />

Instrumentell im S<strong>in</strong>ne der Realisierung von Zielen. Denn <strong>in</strong> jenen gesellschaftlichen Teilsystemen <strong>in</strong><br />

denen Freiwilligenarbeit geleistet wird, sowie Kultur <strong>und</strong> Kunst, Sport <strong>und</strong> Freizeit, Religion <strong>und</strong> Kirchen,<br />

Soziales <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit, trägt sie e<strong>in</strong>en wesentlichen Anteil bei.“<br />

„Sozialkapital“, Ökonomisches<br />

Kapital, <strong>und</strong> Kulturkapital<br />

gehen auf den französischen<br />

Sozialwissenschafter<br />

Pierre Bourdieu zurück, der<br />

das Sozialkapital als die<br />

Gesamtheit der aktuellen<br />

<strong>und</strong> potenziellen Ressourcen<br />

def<strong>in</strong>iert, welche mit dem<br />

Besitz e<strong>in</strong>es dauerhaften<br />

Netzes von mehr oder<br />

m<strong>in</strong>der <strong>in</strong>stitutionalisierten<br />

Beziehungen gegenseitigen<br />

Kennens oder Anerkennens<br />

verb<strong>und</strong>en s<strong>in</strong>d.<br />

Seite 7


Seite 8<br />

Empfehlungsbericht:<br />

<strong>„Integration</strong> <strong>junger</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> <strong>Muslimen</strong> <strong>durch</strong> <strong>Ehrenamt</strong> <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>nützigen Organisationen am Beispiel des Österreichischen Roten Kreuzes“<br />

Wirtschaftlicher Beitrag von Freiwilligenarbeit<br />

Freiwilligenarbeit erfolgt zwar unbezahlt <strong>und</strong> daher hat sie ke<strong>in</strong>en Preis, jedoch aber e<strong>in</strong>en ökonomischen<br />

Wert. Die ökonomische Bedeutung von Freiwilligenarbeit wird vor allem dort wahrgenommen,<br />

wo sie traditionell oder <strong>in</strong>novativ als „Alternative zu staatlichen Leistungssystemen <strong>in</strong> Frage kommt“,<br />

d.h. hauptsächlich im Sozialbereich. Der ökonomische Wert von freiwilligem Engagement wird vor allem<br />

<strong>in</strong> Zeiten knapper Budgets stärker relevant. „Als quantifizierender Zugang können die Arbeitst<strong>und</strong>en<br />

herangezogen werden, aus denen sich Vollzeitäquivalente an Personal berechnen lassen“. Zum<br />

wirtschaftlichen Aspekt kommt noch der soziale <strong>und</strong> partizipatorische Aspekt dieses Engagements <strong>und</strong><br />

weisen ihm e<strong>in</strong>en besonderen Wert zu.<br />

Sozialer Beitrag von Freiwilligem Engagement<br />

Freiwilligenarbeit leistet neben ihrer bedeutenden wirtschaftlichen Funktion auch e<strong>in</strong>en enormen Beitrag<br />

zum gesellschaftlichen Zusammenleben, dem sozialen Zusammenhalt <strong>und</strong> zur allgeme<strong>in</strong>en Solidarität.<br />

Soziale Unterstützung, etwa <strong>in</strong> Form von Hilfe, Rat <strong>und</strong> Zuneigung, eröffnet den Mitmenschen neue<br />

Lebensperspektiven <strong>und</strong> reduziert da<strong>durch</strong> emotionale Belastungen.<br />

In dem Konzept „Sozialkapital“ fasst der bereits erwähnte Soziologe Robert Putnam als die drei<br />

wesentlichen Komponenten <strong>in</strong>terpersonales Vertrauen, Normen gegenseitiger Solidarität <strong>und</strong> Beteiligung<br />

an zivilgesellschaftlichen Netzwerken zusammen (Putnam 1994). „Auf die moderne Gesellschaft<br />

angewandt, entwickelt Putnam aus der historischen Analyse die These, dass die Beteiligung <strong>in</strong> organisierten<br />

sozialen Netzwerken, die Entstehung von Vertrauen erleichtert <strong>und</strong> da<strong>durch</strong> den gesellschaftlichen<br />

Zusammenhalt fördert“. Auf diese Art trägt das „Sozialkapital“ wesentlich zur Wirtschaft bei.<br />

„Da<strong>durch</strong> entsteht jenes unsichtbare Netzwerk aus vertrauensvollen Beziehungen <strong>und</strong> etablierten<br />

sozialen Normen, die etwa Unternehmungsgründungen oder andere riskante wirtschaftliche Entscheidungen<br />

erleichtern <strong>und</strong> wirtschaftlichen Erfolg fördern“ (1. Bericht zum freiwilligen Engagement <strong>in</strong><br />

Österreich 2009). Diese sozialen Normen wirken sich wiederum als e<strong>in</strong>e Art soziale Infrastruktur auf<br />

die Wirtschaft positiv aus.<br />

Freiwilligenarbeit bildet damit „e<strong>in</strong>e starke Basis zur Akkumulierung des Sozialkapitals“. Freiwilligenarbeit<br />

schafft „soziale Netzwerke <strong>und</strong> B<strong>in</strong>dungen, fördert soziale Kompetenzen wie Empathie oder<br />

Toleranz, die Fähigkeit um Hilfe zu bitten <strong>und</strong> Hilfe anzubieten, Konflikte sowie solidarisches Verhalten“<br />

(1. Bericht zum freiwilligen Engagement <strong>in</strong> Österreich 2009). Dabei bleibt die Frage offen, <strong>in</strong>wieweit<br />

über Freiwilligenarbeit benachteiligten <strong>und</strong> marg<strong>in</strong>alisierten Gruppen, wie z.B. Migranten, der Zugang<br />

zu sozialem Kapital möglich wäre.


Gesellschaftliche Bedeutung des freiwilligen Engagements<br />

Politischer <strong>und</strong> gesellschaftlicher Beitrag von Freiwilligenarbeit<br />

Die Teilnahme an gesellschaftlichen Prozessen, die „verstärkte Teilhabe <strong>in</strong>nerhalb der Zivilgesellschaft<br />

sowie Beteiligung an organisierten sozialen Netzwerken können die Integration unterschiedlicher<br />

soziale Gruppen fördern <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en Beitrag zur Stärkung des gesamtgesellschaftlichen Sozialkapitals<br />

leisten. Politische Partizipation, als e<strong>in</strong>e Beteiligungsform, ist e<strong>in</strong> gr<strong>und</strong>legender Pfeiler <strong>in</strong> der Wahrung<br />

<strong>und</strong> Nutzung von Demokratie, <strong>in</strong>dem sich Bürger <strong>und</strong> Bürger<strong>in</strong>nen aktiv mit politischen Themen ause<strong>in</strong>andersetzen<br />

oder diese mitentscheiden. Gr<strong>und</strong>lage für politische Partizipation ist Vertrauen“ (1. Bericht<br />

zum freiwilligen Engagement <strong>in</strong> Österreich 2009). Vertrauen <strong>in</strong> die Mitbürger <strong>und</strong> Mitbürger<strong>in</strong>nen,<br />

<strong>in</strong> die politischen Institutionen <strong>und</strong> <strong>in</strong> die Rechtstaatlichkeit. Die Beziehung zwischen Vertrauen <strong>und</strong><br />

Demokratie ist wechselseitig. E<strong>in</strong>erseits schafft bzw. reproduziert Demokratie Vertrauen, anderseits ist<br />

das Vertrauen die Gr<strong>und</strong>voraussetzung für die Demokratisierung. Demnach ist die soziale Sicherheit,<br />

Vertrauen <strong>in</strong> Mitmenschen <strong>und</strong> das politische System e<strong>in</strong>e wichtige Gr<strong>und</strong>lage zur Förderung e<strong>in</strong>er<br />

aktiven Zivilgesellschaft.<br />

In diesem Kontext spielen die Freiwilligenorganisationen zur Akkumulierung des sozialen Kapitals e<strong>in</strong>e<br />

bedeutende Rolle. Freiwilligenorganisationen können als Initiatoren aus dem Potenzial aller sozialen<br />

Gruppen schöpfen. Durch offene Aufnahme aller sozialen Gruppen, vor allem marg<strong>in</strong>alisierter Gruppen<br />

wie Migranten, leisten Freiwilligenorganisationen wertvolle Dienste als Orte der Begegnung <strong>und</strong> gegenseitigen<br />

Lernens <strong>und</strong> Kennenlernens zur (Re)Produktion von Vertrauen <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander, <strong>in</strong> die Gesamtgesellschaft<br />

<strong>und</strong> damit <strong>in</strong> den Staat als Ganzes.<br />

600<br />

Anzahl der geleisteten St<strong>und</strong>en pro freiwilligen Mitarbeiter<br />

(B<strong>und</strong>esländer)<br />

500<br />

STMK<br />

VBG<br />

400 NÖ<br />

SBG<br />

300<br />

KTN<br />

WIEN<br />

200<br />

TIROL<br />

OÖ<br />

BGLD<br />

100<br />

0<br />

1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008<br />

Seite 9


Vgl. § 2 Abs. 2 Rotkreuzgesetz,<br />

BGBl. I 33/2008:<br />

„Als freiwillige Hilfsgesellschaft<br />

unterstützt<br />

das Österreichische Rote<br />

Kreuz die österreichischen<br />

Behörden im humanitären<br />

Bereich. Die Bed<strong>in</strong>gungen<br />

für diese Unterstützung<br />

<strong>und</strong> die Übertragung<br />

von Aufgaben an das<br />

Österreichische Rote Kreuz,<br />

e<strong>in</strong>schließlich der Regelung<br />

der Kostentragung, werden<br />

<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>barungen zwischen<br />

den zuständigen österreichischen<br />

Behörden <strong>und</strong><br />

dem Österreichischen Roten<br />

Kreuz festgelegt.“<br />

Seite 10<br />

Empfehlungsbericht:<br />

<strong>„Integration</strong> <strong>junger</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> <strong>Muslimen</strong> <strong>durch</strong> <strong>Ehrenamt</strong> <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>nützigen Organisationen am Beispiel des Österreichischen Roten Kreuzes“<br />

Das Österreichische Rote Kreuz als „Initiator<br />

von Freiwilligenarbeit <strong>durch</strong> (stärkere)<br />

Beteiligung von marg<strong>in</strong>alisierten Gruppen<br />

wie Migranten“<br />

Freiwilligkeit stellt neben Menschlichkeit, Unparteilichkeit, Neutralität, Unabhängigkeit, E<strong>in</strong>heit <strong>und</strong><br />

Universalität den fünften Gr<strong>und</strong>satz von sieben Gr<strong>und</strong>sätzen des Roten Kreuzes dar. Das Pr<strong>in</strong>zip der<br />

Freiwilligkeit wird vom Roten Kreuz auf drei Ebenen verstanden. Neben der e<strong>in</strong>en Ebene die bereits<br />

auf den vorangegangenen Seiten dargestellt wurde, kommen noch zwei weiteren kognitiven Ebenen<br />

dazu welche sich auf die lokale <strong>und</strong> die <strong>in</strong>ternationale Ebene beziehen. Die Philosophie der Freiwilligkeit<br />

geht auf die Ursprünge des Roten Kreuzes zurück, wobei die 7 Gr<strong>und</strong>sätze des Roten Kreuzes im Jahr<br />

1965 bei der Internationalen Rotkreuz- <strong>und</strong> Rothalbmondgesellschaften <strong>in</strong> Wien offiziell beschlossen<br />

wurden. Alle 7 Gr<strong>und</strong>sätze werden als Instrumente zur Realisierung des ersten Gr<strong>und</strong>satzes, das heißt<br />

zur Umsetzung <strong>und</strong> Verwirklichung des Gr<strong>und</strong>satzes der Menschlichkeit <strong>und</strong> zur bestmöglichen Unterstützung<br />

der Verw<strong>und</strong>barsten, der „most vulnerable“, als eigentlicher Gr<strong>und</strong>wert des Roten Kreuzes,<br />

gesehen.<br />

Das heißt, der Begriff „Freiwilligkeit“ wird <strong>in</strong>nerhalb des Roten Kreuzes auf zwei Ebenen, auf <strong>in</strong>dividueller<br />

<strong>und</strong> auf organisatorischer Ebene verstanden. Auf der <strong>in</strong>dividuellen Ebene wurde der Begriff bereits<br />

ausführlich beleuchtet. Auf der organisatorischen Ebene geht es um die Freiwilligkeit des Roten Kreuzes<br />

als Institution an sich. Die Hilfe erfolgt ausschließlich unter freiwilligen Bed<strong>in</strong>gungen. Das heißt das Rote<br />

Kreuz hilft nicht nach Anordnungen oder Diktat. Sichtbarer Ausdruck der im Völkerrecht begründeten<br />

Sonderstellung des Roten Kreuzes bei bewaffneten Konflikten <strong>und</strong> im humanitären Bereich ist die<br />

Stellung der Nationalen Rotkreuz- <strong>und</strong> Rothalbmondgesellschaften als „auxiliaries to the public authorities“,<br />

also als Unterstützer der staatlichen Behörden im humanitären Bereich. Daher ist das Beibehalten<br />

der „freiwilligen“ Haltung, das heißt aus freiem Willen heraus den Staat unterstützen, e<strong>in</strong>e Voraussetzug<br />

um die dah<strong>in</strong>ter stehende Philosophie der Menschlichkeit aufrechterhalten bzw. verwirklichen zu<br />

können. Um die richtige Dase<strong>in</strong>svorsorge für die Verw<strong>und</strong>barsten zu ermöglichen <strong>und</strong> die vorhandenen<br />

Ressourcen effizient <strong>und</strong> effektiv zu ihrem Vorteil e<strong>in</strong>setzen zu können, müssen die verw<strong>und</strong>barsten<br />

Gruppen <strong>in</strong> der Gesellschaft identifiziert <strong>und</strong> benannt werden. Zu den klassischen Gruppen der <strong>in</strong><br />

unserer Gesellschaft Verw<strong>und</strong>barsten, zählen neben Alten, Kranken, Frauen <strong>und</strong> K<strong>in</strong>dern unter anderen<br />

auch die Migranten, die oft ohne e<strong>in</strong> gesamtgesellschaftliches Netzwerk marg<strong>in</strong>alisiert leben. Das Rote<br />

Kreuz als „Fürsprecher <strong>und</strong> Helfer der Verw<strong>und</strong>barsten“ versucht, für das verstärkte gesellschaftliche<br />

E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>den dieser Gruppe der Migranten im Rahmen se<strong>in</strong>er 7 Gr<strong>und</strong>sätze Lösungsansätzn zu erarbeiten.<br />

Zu unseren Aufgaben als „Fürsprecher der Verw<strong>und</strong>barsten“ gehört unter anderem das Identifizieren<br />

<strong>und</strong> Aufzeigen dieser Gruppen <strong>in</strong>nerhalb der Gesellschaft, um im weiteren diese nicht nur <strong>in</strong> der Gesellschaft<br />

sichtbar zu machen, sondern auch für ihre Probleme dauerhafte <strong>und</strong> nachhaltige Lösungsansätze<br />

auszuarbeiten. Aus dieser Verantwortung heraus wurde im Jahr 2009 vom Österreichischen Roten<br />

Kreuz das Projekt <strong>„Integration</strong> <strong>junger</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> Muslime <strong>durch</strong> <strong>Ehrenamt</strong> <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>nützigen<br />

Organisationen am Beispiel des Österreichischen Roten Kreuzes“ <strong>in</strong>itiiert <strong>und</strong> mit Mitteln des EIF <strong>und</strong><br />

des B<strong>und</strong>esm<strong>in</strong>isteriums für Inneres <strong>durch</strong>geführt.


Das ÖRK als "Initiator von Freiwilligenarbeit (stärkere) Beteiligung von marg<strong>in</strong>alisierten Gruppen<br />

Def<strong>in</strong>ition: Migrant/Migrant<strong>in</strong><br />

In der Folge wird <strong>in</strong> Anlehnung an den 1. Bericht zum freiwilligen Engagement <strong>in</strong> Österreich vom Juni<br />

2009 der Begriff „Migrant/Migrant<strong>in</strong>“ def<strong>in</strong>iert. Der österreichische Soziologe Christoph Re<strong>in</strong>precht<br />

def<strong>in</strong>iert den Begriff „Migrant/Migrant<strong>in</strong>“ <strong>in</strong> dem oben erwähnten Bricht anhand dreier Differenzierungsmerkmale<br />

wie folgt:<br />

1) „Der Ausdruck „Migrant/Migrant<strong>in</strong>“ bezieht sich <strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>er Weise auf die Erfahrung grenzüberschreitender,<br />

<strong>in</strong>ternationaler Wanderung. Obwohl die öffentliche Aufmerksamkeit lange Zeit dem<br />

Aspekt der Arbeitsmigration galt <strong>und</strong> heute auf das Thema Asylmigration fokussiert, bezieht sich<br />

der Begriff „Migrant/Migrant<strong>in</strong>“ auf die Gesamtheit der Bevölkerung, die außerhalb Österreichs<br />

geboren <strong>und</strong> zugewandert ist.<br />

2) Soziale Kategorisierungen verleiten zum Überbewerten von Ähnlichkeiten nach <strong>in</strong>nen <strong>und</strong> von Differenzen<br />

nach außen. Damit, so Re<strong>in</strong>precht, regt der Begriff „Migrant/Migrant<strong>in</strong>“ dazu an, Zugewanderte<br />

als homogene Gruppe <strong>in</strong> Relation zur ebenfalls homogenisierten, nicht zugewanderten<br />

(Mehrheits-) Bevölkerung zu betrachten. Für die Kategorie der Migranten <strong>und</strong> Migrant<strong>in</strong>nen bilden<br />

neben nationaler Herkunft auch ihr kultureller <strong>und</strong> religiöser H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>, Geschlecht <strong>und</strong> Sozialstatus<br />

aber auch der Zeitpunkt, Motiv <strong>und</strong> Kontext der Migration, Aufenthaltsdauer <strong>und</strong> aufenthaltsrechtlicher<br />

Status sowie Grad der strukturellen, sozialen <strong>und</strong> kulturellen Integration wichtige<br />

Differenzierungsmerkmale.<br />

3) „Der Begriff „Migrant/ Migrant<strong>in</strong>“ stellt auf das Merkmal der Wanderung ab, nicht aber auf Staatsbürgerschaftsstatus.<br />

Der Ausdruck „Migrant/Migrant<strong>in</strong>“ umfasst die Gesamtheit der Bevölkerung<br />

mit Migrationserfahrung, unabhängig vom Status der Staatsbürgerschaft“. Dieser Begriff erstreckt<br />

sich <strong>in</strong> der öffentlichen Debatte auch auf die so genannte „zweite Generation“ als Nachkommen von<br />

Migranten <strong>und</strong> Migrant<strong>in</strong>nen, obwohl diese <strong>in</strong> Österreich geboren s<strong>in</strong>d oder sich bereits vor dem<br />

Schulalter <strong>in</strong> Österreich befanden. Da aber dieser Gruppe zum Großteil die Probleme ihrer Elterngeneration,<br />

<strong>in</strong>sbesondere im Bereich der Chancenungleichheit <strong>und</strong> nicht vorhandener gesellschaftlicher<br />

Anerkennung gesellschaftlich vererbt werden, schreibt Re<strong>in</strong>precht dieser Def<strong>in</strong>itionserstreckung auf<br />

die „zweite Generation“ e<strong>in</strong>e gewisse Berechtigung zu. „Auf der anderen Seite kann die zu wenig<br />

h<strong>in</strong>terfragte Verwendung des Begriffs „Migrant/Migrant<strong>in</strong>“ leicht zur dauerhaften Zuschreibung<br />

e<strong>in</strong>es Merkmals auf e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> sich sehr heterogene Bevölkerungsgruppe führen <strong>und</strong> damit zu Stigmatisierungsprozessen<br />

sowie zur Fixierung von „Unzugehörigkeiten“ beitragen“ (Re<strong>in</strong>precht 2009). Die<br />

Stigmatisierung bzw. soziale Exklusion wirkt wiederum auf den Integrationsprozess <strong>und</strong> damit kann<br />

sie das freiwillige Engagement als e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dender sozialer Faktor ausblenden.<br />

Integration<br />

Der Begriff <strong>„Integration</strong>“ lässt <strong>in</strong> sich e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation allgeme<strong>in</strong>er <strong>und</strong> spezifischer Konzepte zu, die<br />

auf verschiedene Zielgruppen ausgerichtet s<strong>in</strong>d, <strong>und</strong> vielfältige Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens<br />

betreffen (Petioky 2007). In den letzten Jahren wurde der Begriff <strong>„Integration</strong>“ sowohl auf<br />

lokaler als auch auf der europäischen Diskursebene „hauptsächlich auf die Lebensbed<strong>in</strong>gungen von<br />

Menschen mit Migrationsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> das Zusammenleben <strong>in</strong> kulturell zunehmend heterogenen<br />

Geme<strong>in</strong>wesen“ bezogen (Petioky 2007). Petioky schreibt weiter, dass die zwei Gr<strong>und</strong>bedeutungen der<br />

Integration, d.h. Aufnahme <strong>und</strong> Zusammenhalt, mite<strong>in</strong>ander verknüpft werden. Dabei erfordert ihre<br />

Umsetzung sowohl den Zugang der Migranten <strong>und</strong> Migrant<strong>in</strong>nen zu den gesellschaftlichen Ressourcen,<br />

Institutionen <strong>und</strong> Positionen, als auch e<strong>in</strong>e Veränderung des Selbstbildes der europäischen <strong>und</strong> öster-<br />

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Empfehlungsbericht:<br />

<strong>„Integration</strong> <strong>junger</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> <strong>Muslimen</strong> <strong>durch</strong> <strong>Ehrenamt</strong> <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>nützigen Organisationen am Beispiel des Österreichischen Roten Kreuzes“<br />

reichischen Gesellschaften als E<strong>in</strong>wanderungskont<strong>in</strong>ent <strong>und</strong> -land.<br />

Integration wird als e<strong>in</strong> wechselseitiger Prozess verstanden. E<strong>in</strong>e gegenseitige Annäherung erfordert<br />

sowohl das Bestreben <strong>und</strong> Zulassen der Mehrheitsgesellschaft zu Teilhabe <strong>und</strong> Teilnahme von Menschen<br />

mit Migrationsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>, als auch die dafür erforderlichen gesellschaftlichen Veränderungen. Der<br />

dritte Jahresbericht über Migration <strong>und</strong> Integration der Europäischen Union (2007) sieht <strong>in</strong> der zivilgesellschaftlichen<br />

Partizipation von Migranten <strong>und</strong> Migrant<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>e Schlüsselstellung. Migranten <strong>und</strong><br />

Migrant<strong>in</strong>nen können mit ihrem sozialen Engagement aktiv zu e<strong>in</strong>em guten <strong>und</strong> funktionierenden<br />

Mite<strong>in</strong>ader <strong>und</strong> damit zum gesellschaftlichen Zusammenhalt zum Wohle aller Beteiligten beitragen.<br />

Der Beitrag des freiwilligen Engagements zur Integration<br />

Die <strong>in</strong>ternationale Literatur nennt neben anderen Indikatoren welche zu e<strong>in</strong>er gelungenen Integration<br />

führen, auch die Freiwilligkeit als solche. Durch Freiwilligenarbeit wird das Individuum <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Netz<br />

aufgenommen, welches ihm Sicherheit verleiht. Durch diese Sicherheit <strong>und</strong> Anerkennung lernt das<br />

Individuum se<strong>in</strong> eigenes Ich <strong>in</strong> Interaktion mit anderen zu erkennen <strong>und</strong> s<strong>in</strong>nvoll e<strong>in</strong>zusetzen. Weiters<br />

lernt es, <strong>in</strong> dieser Umgebung Neues von den anderen anzunehmen <strong>und</strong> sowohl für sich als auch für<br />

se<strong>in</strong>e Umwelt e<strong>in</strong>zusetzen. So können die Migranten <strong>und</strong> Migrant<strong>in</strong>nen als Freiwillige <strong>in</strong> den zivilgesellschaftlichen<br />

Organisationen nicht nur sich <strong>und</strong> ihre Communtiy mit den Gewohnheiten <strong>und</strong> Strukturen<br />

der Mehrheitsgesellschaft bekannt machen, sondern auch mit aktivem E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen des „Selbst“<br />

als Mitglied der Mehrheitsgesellschaft deren Werte kennen lernen <strong>und</strong> zum Aufrechterhalten dieser<br />

beitragen bzw. Neues h<strong>in</strong>zufügen.<br />

<strong>Ehrenamt</strong>lich geleistete Aktivitäten von Migranten <strong>und</strong> Migrant<strong>in</strong>nen geschehen meist <strong>in</strong> <strong>in</strong>formellen<br />

Bereichen <strong>und</strong> im Rahmen der Selbsthilfeorganisationen. Re<strong>in</strong>precht/Gapp berichten <strong>in</strong> ihrer Forschungsstudie<br />

zu Motiven der Freiwilligenarbeit unter Migranten <strong>und</strong> Migrant<strong>in</strong>nen von e<strong>in</strong>em mehrsichtigen<br />

Motivbündel, wobei das Bedürfnis nach sozialer E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>und</strong> gesellschaftlicher Anerkennung<br />

überwiegt. (EU-Projekt Involve, http://www.<strong>in</strong>voleve-europe.eu/reports.html)


Projekt "Integration <strong>junger</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> Muslime <strong>durch</strong> <strong>Ehrenamt</strong> <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>nützigen Organisationen<br />

Projekt <strong>„Integration</strong> <strong>junger</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong><br />

Muslime <strong>durch</strong> <strong>Ehrenamt</strong> <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>nützigen<br />

Organisationen am Beispiel des<br />

Österreichischen Roten Kreuzes“<br />

In Folge der <strong>in</strong>ternationalen politischen Entwicklungen des vergangenen Jahrzehnts wurde die Integration<br />

im weitesten S<strong>in</strong>ne, <strong>in</strong>sbesondere aber die Integration von <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> Muslime im engeren<br />

S<strong>in</strong>ne, als e<strong>in</strong>e der großen Hersauforderungen der mehrheitlich westlichen Gesellschaften thematisiert.<br />

Die Muslimische Bevölkerung wird <strong>in</strong> Österreich als e<strong>in</strong>e große e<strong>in</strong>heitliche kulturelle Gruppe<br />

als Gegensatz zur Mehrheitsgesellschaft vorgestellt, deren Integration im Vergleich zu anderen <strong>in</strong><br />

Österreich lebenden Migrantengruppen als schwer gestaltbar verstanden wird. Laut Volkszählung<br />

2001 bekennen sich 4,2% aller Menschen <strong>in</strong> Österreich zum muslimischen Glauben, unter Migranten<br />

<strong>und</strong> Migrant<strong>in</strong>nen beträgt dieser Anteil 38%. Unter den B<strong>und</strong>esländern weist Wien mit 7,8% - nach<br />

Vorarlberg mit 8,4% - den zweithöchsten islamischen Bevölkerungsanteil auf. Hier ist der Islam bereits<br />

klar zweitstärkste Religionsgeme<strong>in</strong>schaft, jeweils vor den orthodoxen Christen <strong>und</strong> den Protestanten.<br />

Besonders jugendliche Migranten <strong>und</strong> Migrant<strong>in</strong>nen sehen sich mit Problemen konfrontiert, deren<br />

Ursachen dar<strong>in</strong> liegen, dass sie unter dem E<strong>in</strong>fluss unterschiedlicher kultureller <strong>und</strong> religiöser Ansprüche,<br />

Erwartungen <strong>und</strong> Vorgaben aufwachsen. Sie s<strong>in</strong>d besonders gefordert, diesen E<strong>in</strong>flüssen gerade <strong>in</strong> der<br />

sensiblen <strong>und</strong> heiklen Phase der Persönlichkeits- <strong>und</strong> Identitätsentwicklung Rechnung zu tragen <strong>und</strong> sich<br />

zu aktiven, konstruktiven <strong>und</strong> gut <strong>in</strong>tegrierten Mitgliedern der österreichischen Gesellschaft zu entwickeln.<br />

Daher war das primäre Ziel des vorliegenden Projekts, Wege zu f<strong>in</strong>den, um sie dabei möglichst<br />

wirkungsvoll zu unterstützen.<br />

Als e<strong>in</strong>er der möglichen Wege der besseren Integration <strong>junger</strong> Migranten <strong>und</strong> Migrant<strong>in</strong>nen muslimischen<br />

Glaubens <strong>in</strong> Österreich diente diesem Projekt zur verstärkten E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung dieser jungen Menschen<br />

<strong>in</strong> die österreichische Gesellschaft das freiwillige Engagement <strong>in</strong> humanitären Organisationen wie dem<br />

Österreichischen Roten Kreuz. Durch die vorübergehende freiwillige Tätigkeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er der zahlreichen<br />

Dienst- bzw. Bezirksstellen oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er anderen E<strong>in</strong>richtung des Österreichischen Roten Kreuzes wurde<br />

sowohl <strong>in</strong>nerhalb als auch außerhalb der jeweiligen Organisation e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tensiver sozialer <strong>und</strong> kultureller<br />

Austausch ermöglicht. Dabei wurden aber auch die ethnic assets der jungen <strong>Muslimen</strong> <strong>und</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong><br />

als Mehrwert <strong>in</strong> die Organisation e<strong>in</strong>gebracht. Da<strong>durch</strong> sollte diese sich immer mehr auf den<br />

Diversitätsgedanken ausrichten <strong>und</strong> zunehmend dem bestehenden kulturell heterogenen Charakter<br />

der Gesellschaft Rechnung tragen. Darüber h<strong>in</strong>aus sollten die <strong>in</strong> Österreich bestehenden zivilgesellschaftlichen<br />

Struktur <strong>durch</strong> e<strong>in</strong>e stärkere Beteiligung bisher nicht oder nur rudimentär repräsentierter<br />

Gruppen verbessert <strong>und</strong> an die geänderten gesellschaftlichen Realitäten angepasst werden, sodass ihr<br />

Funktionieren auch <strong>in</strong> Zukunft gesichert bleibt.<br />

Weiters sollte dieses Projekt vor allem als Pilotprojekt <strong>durch</strong> das stärkere E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>den der jungen Muslime<br />

<strong>und</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong>, deren Potenzial, sowohl für die persönliche Wahrnehmung als auch für die Gesamtgesellschaft,<br />

sichtbar machen, um als Gr<strong>und</strong>lage für e<strong>in</strong>e verstärkte künftige Beschäftigung <strong>junger</strong><br />

Muslime <strong>und</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> zu dienen. Abschließend sollten anhand der auf Gr<strong>und</strong> der Beteiligung der<br />

im Projekt <strong>in</strong>volvierten jungen Muslime <strong>und</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>in</strong> den vielfältigen Leistungsbereichen des<br />

Österreichischen Roten Kreuz, beispielsweise im Ges<strong>und</strong>heitsbereich, mit Schwerpunkten im Bereich<br />

der Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> sozialen Dienste, im Rettungs- <strong>und</strong> Krankentransportwesen, im Katastrophen-<br />

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Empfehlungsbericht:<br />

<strong>„Integration</strong> <strong>junger</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> <strong>Muslimen</strong> <strong>durch</strong> <strong>Ehrenamt</strong> <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>nützigen Organisationen am Beispiel des Österreichischen Roten Kreuzes“<br />

hilfswesen <strong>und</strong> im Blutspendewesen, gesammelten Erkenntnisse relevante Ergebnisse erarbeitet <strong>und</strong><br />

sowohl den Teilorganisationen des Österreichischen Roten Kreuzes als auch den anderen Organisationen<br />

der österreichischen Zivilgesellschaft zur Verfügung gestellt werden. Die Organisationen der<br />

österreichischen Zivilgesellschaft sollen <strong>durch</strong> die <strong>in</strong> diesem Projekt gesammelten Erfahrungen auf<br />

mögliche systemimmanente H<strong>in</strong>dernisse für das freiwillige Engagement <strong>junger</strong> Muslime <strong>und</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong><br />

h<strong>in</strong>gewiesen werden, aber auch auf erkannte Wege, solches Engagement wirksamer als bisher<br />

zu fördern <strong>und</strong> die bestehenden österreichischen Freiwilligenstrukturen besser an die Bedürfnisse neuer<br />

Freiwilligengruppen anzupassen.<br />

Das österreichische Rote Kreuz ist e<strong>in</strong>e der führenden Institutionen im Bereich Freiwilligenarbeit. Se<strong>in</strong>e<br />

Leistungen werden von der österreichischen Bevölkerung <strong>in</strong> ihrer Gesamtheit laufend <strong>in</strong> Anspruch<br />

genommen. Es genießt als über Jahrzehnte h<strong>in</strong>weg bewährte Hilfsorganisation großes Vertrauen <strong>und</strong><br />

hohes Ansehen <strong>in</strong>nerhalb der österreichischen Bevölkerung. Dieses Ansehen <strong>und</strong> Vertrauen wurden <strong>in</strong><br />

dem Projekt bewusst dah<strong>in</strong>gehend e<strong>in</strong>gesetzt, dass die im Projekt <strong>in</strong>volvierten jungen muslimischen<br />

Migranten <strong>und</strong> Migrant<strong>in</strong>nen als Freiwillige von der österreichischen Mehrheitsbevölkerung rascher <strong>und</strong><br />

nachhaltiger als Bestandteil der österreichischen (Zivil)Gesellschaft anerkannt werden. Diese gegenseitige<br />

Anerkennung sollte <strong>in</strong> Folge die im Projekt Involvierten mit e<strong>in</strong>em Bewusstse<strong>in</strong> ausstatten, mit<br />

dem ihre Integration <strong>in</strong> Österreich künftig rascher <strong>und</strong> erfolgreicher gel<strong>in</strong>gt. Bed<strong>in</strong>gt <strong>durch</strong> die Vielfalt<br />

se<strong>in</strong>er Leistungen hat sich das Österreichische Rote Kreuz das Ziel gesetzt, geme<strong>in</strong>sam mit den Angehörigen<br />

der def<strong>in</strong>ierten Zielgruppe e<strong>in</strong>en großflächigen Beitrag zu e<strong>in</strong>em wechselseitig besseren Umgang<br />

der Kulturen mite<strong>in</strong>ander <strong>und</strong> zu e<strong>in</strong>er verbesserten Integration zu gelangen.<br />

Insgesamt sollte dieses Pilotprojekt <strong>durch</strong> se<strong>in</strong>e Ergebnisse freiwilliges Engagement von <strong>Muslimen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>in</strong> Organisationen der Zivilgesellschaft erleichtern, <strong>in</strong>dem die dafür erforderlichen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

geklärt <strong>und</strong> allfällige Problemfelder sowie Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Die<br />

am vorliegenden abgeschlossenen Pilotprojekt beteiligten jungen <strong>Muslimen</strong> <strong>und</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> können<br />

<strong>in</strong> weiterer Folge die Rolle von Multiplikatoren <strong>und</strong> Multiplikator<strong>in</strong>nen übernehmen <strong>und</strong> die von ihnen<br />

gesammelten Erfahrungen <strong>in</strong>nerhalb ihrer jeweiligen Communities verbreiten, woraus sich e<strong>in</strong> weiterer<br />

Anreiz für mehr freiwilliges Engagement von Migranten <strong>und</strong> Migrant<strong>in</strong>nen ergeben kann. Die Teilnehmer<br />

<strong>und</strong> Teilnehmer<strong>in</strong>nen lernten darüber h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>e breite kulturelle Handlungsbasis kennen, die <strong>in</strong>sbesondere<br />

vor dem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> der Alterung der Migrantengeme<strong>in</strong>schaften <strong>in</strong> Österreich <strong>und</strong> den damit<br />

<strong>in</strong> Zusammenhang stehenden Pflege- <strong>und</strong> Betreuungserfordernissen fruchtbr<strong>in</strong>gend e<strong>in</strong>gesetzt werden<br />

kann.<br />

Die Resultate aus diesem Pilotprojekt sollen weiters dazu dienen, beim Österreichischen Roten Kreuz,<br />

aber auch bei anderen Organisationen der Zivilgesellschaft das Bewusstse<strong>in</strong> für die Notwendigkeit <strong>und</strong><br />

die Vorteile e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tensiveren Zusammenarbeit mit jungen muslimischen Erwachsenen zu verstärken<br />

<strong>und</strong> deren <strong>in</strong>terkulturelle Kompetenzen <strong>und</strong> ihre Vermittlerfähigkeiten zum Vorteil der hilfsbedürftigen<br />

Teile der österreichischen Bevölkerung (z.B. alte, kranke oder pflegebedürftige Personen) mit oder<br />

Migrationsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> zu nutzen.


Projekt "Integration <strong>junger</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> Muslime <strong>durch</strong> <strong>Ehrenamt</strong> <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>nützigen Organisationen<br />

0 % 12 %<br />

Projektablauf<br />

Im Jahr 2009 nahmen 20 junge Migranten <strong>und</strong> Migrant<strong>in</strong>nen muslimischen Glaubens (darunter je zehn<br />

Frauen <strong>und</strong> Männer im Alter zwischen 17 <strong>und</strong> 28 Jahren mit e<strong>in</strong>er <strong>durch</strong>schnittlichen Aufenthaltsdauer<br />

<strong>in</strong> Österreich von 2 bis 5 Jahren) am Projekt <strong>„Integration</strong> <strong>junger</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> Muslime <strong>durch</strong><br />

<strong>Ehrenamt</strong> <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>nützigen Organisationen am Beispiel des Österreichischen Roten Kreuzes“ teil.<br />

Die Projektbeteiligten besuchten im Rahmen zweitägiger „Schnuppertage“ diverse Leistungsbereiche des<br />

Österreichischen Roten Kreuzes sowie se<strong>in</strong>er Landesverbände Wien, Niederösterreich <strong>und</strong> Burgenland.<br />

Darunter waren der Rettungs- <strong>und</strong> Krankentransportdienst, das AMBER-MED, der Besuchsdienst<br />

Visitas, das Österreichische Zentrum für Herkunftsländer<strong>in</strong>formation (ACCORD), die Abteilung Recht<br />

<strong>und</strong> Migration des ÖRK, der Suchdienst <strong>und</strong> die Blutspendezentrale für Wien, Niederösterreich <strong>und</strong><br />

Burgenland. Es wurden den Projektbeteiligten von den jeweiligen Bereichsmitarbeitern <strong>und</strong> –mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />

die Aktivitäten <strong>und</strong> der Arbeitsablauf der jeweiligen Abteilung bzw. des jeweiligen Tätigkeitsfeldes<br />

erklärt <strong>und</strong> die Projektbeteiligten wurden vorübergehend <strong>in</strong> die Arbeitspraxis mite<strong>in</strong>bezogen.<br />

Nach Absolvierung ihrer „Schnuppertage“ wurden die Projektbeteiligten bezüglich ihrer Erfahrungen<br />

befragt <strong>und</strong> strukturiert <strong>in</strong>terviewt. Gefragt wurde nach:<br />

• dem vorherrschenden Bild vom Roten Kreuz bei den Projektbeteiligten vor ihrer Aktivität im Rahmen<br />

des Projektes<br />

• Ihrer Perzeption von Freiwilligenarbeit vor dem Projektbeg<strong>in</strong>n<br />

• Der Aufnahme <strong>und</strong> dem Verhalten der Organisations- bzw. Bereichsmitarbeiter – <strong>und</strong> -mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />

gegenüber den Projektbeteiligten<br />

• Ihrer Perzeption von Freiwilligenarbeit nach ihrem Engagement im Rahmen des Projektes<br />

• Eventuell entstandener bzw. entwickelter Tendenz zu Freiwilligenarbeit nach dem Projektbesuch<br />

• Eventuell beobachteter kulturbezogenen Unterschiede <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>samkeiten betreffend Arbeitsvorgänge<br />

z.B. im Ges<strong>und</strong>heitsbereich<br />

• Gewonnenem Wissen <strong>und</strong> dessen Umsetzung <strong>in</strong> Zukunft<br />

• Zukünftiger Zusammenarbeit<br />

Prozentueller Anteil der<br />

Mislime <strong>und</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong><br />

an der Wohnbevölkerung <strong>in</strong><br />

Österreich nach politischen<br />

Bezirken 2001 entnommen<br />

aus: Ornig Nikola, Die<br />

zweite Generation <strong>und</strong><br />

Islam <strong>in</strong> Österreich.<br />

E<strong>in</strong>e Analyse von Chancen<br />

<strong>und</strong> Grenzen des Pluralismus<br />

von Religionen <strong>und</strong><br />

Ethnien, Graz 2006, S. 113.<br />

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Empfehlungsbericht:<br />

<strong>„Integration</strong> <strong>junger</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> <strong>Muslimen</strong> <strong>durch</strong> <strong>Ehrenamt</strong> <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>nützigen Organisationen am Beispiel des Österreichischen Roten Kreuzes“<br />

Projektergebnisse <strong>und</strong> Rot-Kreuz-Perzeption vor dem Projektbeg<strong>in</strong>n<br />

Alle Befragten betrachteten das Rote Kreuz als e<strong>in</strong>e christliche Organisation, bei der ke<strong>in</strong>e Nichtchristen<br />

beschäftigt werden dürfen. Sie kannten das Rote Kreuz vor allem als e<strong>in</strong>e Hilfsorganisation,<br />

die hauptsächlich bei Katastrophenfällen im Ausland Hilfe leistet. Die Befragten wussten nicht, dass das<br />

Rote Kreuz e<strong>in</strong>e neutrale, unparteiische <strong>und</strong> unabhängige Organisation ist, bei der die Zugehörigkeit zu<br />

e<strong>in</strong>er ethnischen, nationalen, religiösen oder sonstigen M<strong>in</strong>derheit ke<strong>in</strong>esfalls als H<strong>in</strong>dernis betrachtet<br />

wird.<br />

Die verschiedenen anderen Leistungsbereiche <strong>und</strong> sozialen Leistungen des Österreichischen Roten<br />

Kreuzes als Nationaler Rotkreuzgesellschaft waren den Beteiligten nicht bekannt.<br />

Die Möglichkeit der Freiwilligenarbeit haben die Befragten erst <strong>durch</strong> das vorliegende Projekt kennen<br />

gelernt. Auch die Vielfalt an Menschen, die beim Roten Kreuz beschäftigt s<strong>in</strong>d, löste bei den Beteiligten<br />

Erstaunen aus.<br />

Informationsmangel<br />

Sowohl die Tätigkeiten der karitativen Organisationen als auch ihr Charakter war für die Befragte fremd.<br />

Die Befragten wussten nicht, dass bei den offiziellen Hilfsorganisationen Freiwilligenarbeit geleistet<br />

werden kann. Sie assoziierten Freiwilligenarbeit mit der Arbeit welche über Zivildienst geleistet wird.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus dachten alle Befragten, dass sie als jene die mit e<strong>in</strong>er befristeten Aufenthaltserlaubnis<br />

sich <strong>in</strong> Österreich aufhalten, solche Leistungen nicht gestattet wäre. Die jungen Frauen die e<strong>in</strong> Kopftuch<br />

trugen glaubten zusätzlich, dass ihr Kopftuch zu Verrichten solchen Leistungen als H<strong>in</strong>dernis wahrgenommen<br />

werden würde.<br />

Perzeption der Befragten bezüglich Freiwilligenarbeit<br />

Bis auf e<strong>in</strong>e Befragte kannten alle Befragte Freiwilligenarbeit nicht aus ihren Heimatländern (Türkei,<br />

Ägypten, Iran). Die karitativen Organisationen <strong>in</strong> ihren jeweiligen Heimatländern wurden von den<br />

Befragten als Organisationen <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Stiftung beschrieben, die meist von den besser situierten<br />

gesellschaftlichen Schichten betrieben würden.<br />

Diese Stiftungen würden nach Aussagen der Befragten meist bestimmte Zielgruppen unterstützen, wie<br />

z.B. alte Menschen oder Waisenk<strong>in</strong>der. Die Befragten waren sich nicht sicher, ob beim Roten Halbmond<br />

ihrer jeweiligen Heimatländer als e<strong>in</strong>er Parallelorganisation zum Roten Kreuz, Freiwillige tätig waren<br />

oder nicht. Sie g<strong>in</strong>gen generell davon aus, dass sowohl beim Roten Halbmond als auch beim Roten<br />

Kreuz nur hauptberufliche Mitarbeiter <strong>und</strong> Mitarbeiter<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Zivildiener tätig wären.<br />

Wie erwähnt wusste nur e<strong>in</strong>e Befragte, die sich bei e<strong>in</strong>er Stiftung <strong>in</strong> ihrem Heimatland als Freiwillige<br />

gemeldet hatte, dass Freiwilligenarbeit auch <strong>in</strong> ihrer Heimat betrieben wird. Allerd<strong>in</strong>gs me<strong>in</strong>te sie, dass<br />

diese Arbeit nur <strong>in</strong> religiös ausgerichteten Organisationen <strong>durch</strong>geführt würde.


Projekt "Integration <strong>junger</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> Muslime <strong>durch</strong> <strong>Ehrenamt</strong> <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>nützigen Organisationen<br />

Aufnahme <strong>in</strong> der Organisation<br />

Die Befragten waren über die offene <strong>und</strong> kollegiale Begegnung mit den Rotkreuz-Mitarbeitern <strong>und</strong><br />

–Mitarbeiter<strong>in</strong>nen, aber auch von deren Fachwissen angenehm überrascht <strong>und</strong> begeistert zugleich.<br />

Die Befragten betonten dies bei den Interviews mehrmals. Die Anerkennung, welche die Befragten<br />

während ihres freiwilligen Engagements im Rahmen des Projektes erfuhren, bee<strong>in</strong>druckte sie <strong>in</strong><br />

doppelter H<strong>in</strong>sicht, sowohl auf persönlicher Ebene als auch h<strong>in</strong>sichtlich ihrer Gruppenzugehörigkeit als<br />

Migranten bzw. Migrant<strong>in</strong>nen.<br />

Perzeption der Befragten bezüglich Freiwilligenarbeit nach ihrer Teilnahme<br />

an dem Projekt<br />

Alle Befragten waren von der Leistungsbereichsvielfalt <strong>in</strong>nerhalb des Roten Kreuzes begeistert.<br />

Dass <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Organisation so vielen verschiedenen bedürftigen Gruppen <strong>in</strong> der Gesellschaft<br />

mit Freiwilligenarbeit geholfen werden kann, war ihnen nicht bekannt. Viele Befragte wussten nicht,<br />

welche Hilfsmöglichkeiten <strong>in</strong> Österreich für die Versorgung alter Menschen, Kranker, Vermisster <strong>und</strong><br />

dergleichen existieren.<br />

Sie waren auch über die Bereitschaft vieler Menschen, ihre Zeit unentgeltlich im Dienste von Dritten zur<br />

Verfügung zu stellen, bee<strong>in</strong>druckt.<br />

E<strong>in</strong>er der Befragten erzählte beim Interview, dass er se<strong>in</strong>e Mutter <strong>in</strong> der Heimat anrief um ihr von der<br />

freiwilligen Hilfe die er während se<strong>in</strong>er Tätigkeit im Rahmen des Projekts miterlebte zu erzählen. Die<br />

positiven E<strong>in</strong>drücke, die persönliche Anerkennung aber auch die Anerkennung für die vorhandenen<br />

Potenziale mündeten bei meisten Befragten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e breite gr<strong>und</strong>sätzliche Neigung, sich künftig <strong>in</strong><br />

der e<strong>in</strong>en oder anderen Form als Freiwillige zu betätigen. Drei Befragte haben sich bereits bei den<br />

Bereichen, <strong>in</strong> denen sie ihre „Schnuppertage“ geleistet hatten als zukünftige Freiwillige gemeldet. Die<br />

andern arbeiteten an e<strong>in</strong>em Zeitplan, bevor sie sich als Freiwillige melden würden.<br />

Beobachtete Unterschiede <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>samkeiten bei der Arbeitsverrichtung<br />

Alle Befragten waren sich e<strong>in</strong>ig, dass beim Thema „Ges<strong>und</strong>heit“ ke<strong>in</strong>e kulturell bed<strong>in</strong>gten Unterschiede<br />

vorhanden wären. Allerd<strong>in</strong>gs wurde empfohlen, bei der Behandlung, z.B. bei der Blutabnahme, Rettungsdienst<br />

<strong>und</strong> dergleichen Leistungen auf das Vorhandense<strong>in</strong> gleichgeschlechtlicher Betreuer <strong>und</strong> Betreuer<strong>in</strong>nen<br />

zu achten. Weiters wurde empfohlen, bei der Organisation von Blutspendeaktionen möglichst<br />

auf die räumliche Trennung der Abnahmebereiche für <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> zu achten. Denn so wurden sie sich<br />

sicherer fühlen <strong>und</strong> <strong>durch</strong> diese Sicherheit wurde die Bereitschaft zu Blutspenden steigen.<br />

Gewonnenes Wissen <strong>und</strong> dessen Umsetzung<br />

Wie bereits erwähnt, gewannen die Befragten <strong>durch</strong> ihre Teilnahme an dem Projekt e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick nicht<br />

nur <strong>in</strong> die Organisation Rotes Kreuz, sondern auch <strong>in</strong> die vorhandenen Leistungen - vor allem im Bereich<br />

Ges<strong>und</strong>heitsdienste für besonders hilfebedürftige Menschen, aber auch <strong>in</strong> das vielfältige freiwillige<br />

Engagement, welches die Versorgung dieser großen Gruppe bedürftiger Menschen erst ermöglicht.<br />

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Empfehlungsbericht:<br />

<strong>„Integration</strong> <strong>junger</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> <strong>Muslimen</strong> <strong>durch</strong> <strong>Ehrenamt</strong> <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>nützigen Organisationen am Beispiel des Österreichischen Roten Kreuzes“<br />

Die Bereitschaft zur Freiwilligenarbeit hat ihnen e<strong>in</strong>en neuen Blickw<strong>in</strong>kel dargeboten, <strong>durch</strong> den sie<br />

m<strong>in</strong>dest zum Teil die Art <strong>und</strong> Weise kennen lernen konnten, auf die die österreichische Zivilgesellschaft<br />

mit Unterstützung von Bürgern <strong>und</strong> Bürger<strong>in</strong>nen funktioniert. Dieser Blickw<strong>in</strong>kel <strong>und</strong> die Möglichkeit,<br />

„dabei se<strong>in</strong> zu können“, dazu „beitragen zu können“ ist e<strong>in</strong>er der mehreren Mehrwerte, welche die<br />

Projektbeteiligten aus ihrem Erlebten mitnehmen. Diese persönliche Bereicherung werden sie, wie<br />

alle Befragten me<strong>in</strong>ten, <strong>in</strong> ihrer jeweiligen ethnischen Community weitergeben. Das Wissen um ihre<br />

Fähigkeit, „mitgestalten“ zu können, ist e<strong>in</strong>er der wesentlichen Schritte Richtung Integration. Sich als<br />

Teil e<strong>in</strong>es Ganzen zu fühlen <strong>und</strong> dieses Bewusstse<strong>in</strong> umzusetzen kann wie bereits erwähnt, als e<strong>in</strong>er der<br />

Schlüssel<strong>in</strong>dikatoren der Integration aktiv gefördert werden. Die Tätigkeit des freiwilligen Engagements<br />

geschieht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Netz von anderen „Gleichges<strong>in</strong>nten“ die mehr oder m<strong>in</strong>der den gleichen Idealen<br />

folgen. E<strong>in</strong> Netz das jenseits der ethnischen, nationalen <strong>und</strong> religiösen Zugehörigkeit übergreifend<br />

agiert. Genau diese übergreifende Identifikation ermöglicht e<strong>in</strong>e aktive <strong>und</strong> besser gestaltbare Integration.<br />

Zukünftige Zusammenarbeit<br />

Die Neigung <strong>und</strong> die Bereitschaft zu Freiwilligenarbeit waren unter den Befragten nach der Absolvierung<br />

ihrer Schnuppertage sehr hoch. E<strong>in</strong>ige Befragten haben sich bereits bei den Bereichen <strong>in</strong> denen<br />

sie während des Projektes tätig waren als Freiwillige gemeldet. Die Befragten die <strong>in</strong> ihrer ethnischen<br />

Community <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> aktiv waren, haben konkrete Ideen für die zukünftige Zusammenarbeit,<br />

<strong>in</strong>sbesondere im Ges<strong>und</strong>heitsbereich, vorgeschlagen.<br />

Abschließende Bemerkungen <strong>und</strong> Empfehlungen<br />

Mit dem gegenständlichen Pilotprojekt wurde versucht, herauszuf<strong>in</strong>den, auf welche Weise <strong>und</strong> <strong>in</strong><br />

welchen möglichen Arbeitsfeldern Freiwilligkeit als e<strong>in</strong>er der effektiven Integrations<strong>in</strong>dikatoren wirksam<br />

e<strong>in</strong>gesetzt werden kann, um die Integration <strong>junger</strong> Muslime <strong>und</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> zu fördern.<br />

Schon bald musste festgestellt werden, dass die meisten muslimischen Migranten <strong>und</strong> Migrant<strong>in</strong>nen<br />

weder <strong>in</strong>haltlich über Freiwilligenarbeit f<strong>und</strong>iert <strong>in</strong>formiert waren, noch über die Möglichkeit Bescheid<br />

wussten, solche Arbeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er formalisierten Form <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er etablierten Organisation leisten zu<br />

können.<br />

Anderseits hemmte ihre religiöse Zugehörigkeit die Projektbeteiligten, sich je nach der Möglichkeit<br />

solcher Freiwilligenarbeit zu erk<strong>und</strong>igen. Denn bei allen Befragten herrschte die Vorstellung, dass man<br />

als Muslim nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er „christlichen“ Organisation tätig se<strong>in</strong> könne bzw. zu dürfe.<br />

Der stattgef<strong>und</strong>ene Informationsaustausch im Rahmen des gegenständlichen Projektes wirkte <strong>in</strong> vielerlei<br />

H<strong>in</strong>sicht auf das Bewusstse<strong>in</strong> der Projektbeteiligten. Auf der persönlichen Ebene sorgte die fre<strong>und</strong>liche<br />

<strong>und</strong> kollegiale Begrüßung der Rotkreuz-Mitarbeiter <strong>und</strong> Mitarbeiter<strong>in</strong>nen für die Selbstbestätigung <strong>und</strong><br />

führte zu der Erkenntnis: „ich werde akzeptiert“. Diese Akzeptanz wiederum spiegelte sich auf mehreren<br />

Ebenen wider. Erstens <strong>durch</strong> die Akzeptanz als „Person“, zweitens <strong>durch</strong> die Akzeptanz als „Migranten/<br />

Migrant<strong>in</strong>nen“, drittens als „Potenzial“, viertens als „Helfer“, fünftens als „mögliche Kompetenzerweiterung“<br />

<strong>und</strong> <strong>in</strong> deren Folge e<strong>in</strong>e bessere <strong>und</strong> verständnisvollere Integration.


Projekt "Integration <strong>junger</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> Muslime <strong>durch</strong> <strong>Ehrenamt</strong> <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>nützigen Organisationen<br />

Die Bereitschaftsbek<strong>und</strong>ung vieler Projektbeteiligter, nach ihrer Erfahrung im Rahmen dieses Projektes<br />

als „Freiwillige/r“ tätig werden zu wollen kann als Erfolg im S<strong>in</strong>ne des primären Projektsziels aufgefasst<br />

werden, freiwilliges Engagement <strong>junger</strong> Muslime <strong>und</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>in</strong> österreichischen Organisationen<br />

zu fördern.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus kann angesichts der sehr ermutigenden Rückmeldungen sowohl seitens der Migrant<strong>in</strong>nen<br />

<strong>und</strong> Migranten, als auch seitens der „aufnehmenden“ Rotkreuz-Organisationen der Schluss gezogen<br />

werden, dass es ansche<strong>in</strong>end ke<strong>in</strong>e unüberw<strong>in</strong>dlichen Hemmnisse <strong>und</strong> Vorbehalte gegen freiwilliges<br />

Engagement <strong>junger</strong> Muslime <strong>und</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>in</strong> österreichischen Organisationen der Zivilgesellschaft<br />

gibt. Die Ergebnisse des vorliegenden Projektes deuten weit eher <strong>in</strong> die Richtung e<strong>in</strong>es gravierenden<br />

Informationsdefizits <strong>und</strong> e<strong>in</strong>iger religiös bzw. kulturell bed<strong>in</strong>gter Missverständnisse.<br />

Aber auch die konkreten Vorschläge e<strong>in</strong>iger Projektbeteiligter, die e<strong>in</strong>e zukünftige <strong>in</strong>tensivere Zusammenarbeit<br />

zwischen dem Roten Kreuz <strong>und</strong> ihren ethnischen Communities (bestimmte Vere<strong>in</strong>e,<br />

Moscheen) vorschlugen, kann als Erfolg des Projektes, h<strong>in</strong>sichtlich des Themas <strong>„Integration</strong>“ e<strong>in</strong>en gut<br />

<strong>durch</strong>dachten Schritt ausgewählt zu haben, verzeichnet werden.<br />

Um die erzielten positiven Ergebnisses des Projektes <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en lang anhaltenden, nachhaltigen Prozess<br />

e<strong>in</strong>fließen zu lassen, wird empfohlen, aktive <strong>und</strong> <strong>in</strong>tensive Aufklärungsarbeit <strong>in</strong> den verschiedenen<br />

ethnisch <strong>und</strong> religiös orientierten Vere<strong>in</strong>en, Schulen <strong>und</strong> Moscheen zu betreiben <strong>und</strong> die jungen<br />

Menschen immer wieder zu „Schnuppertagen“ <strong>in</strong> etablierte österreichische Vere<strong>in</strong>e <strong>und</strong> Organisationen<br />

e<strong>in</strong>zuladen, damit sie deren Tätigkeiten, aber auch die anderen Freiwilligen aktiv kennen lernen <strong>und</strong> bei<br />

ihrer Tätigkeit beobachten können.<br />

Der Kontakt zu anderen Freiwilligen <strong>und</strong> die Aufnahme <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Netzwerk, das mehrheitlich aus den<br />

Mitgliedern der Mehrheitsgesellschaft besteht, verleiht <strong>in</strong> diesem kle<strong>in</strong>en Netz der Freiwilligen e<strong>in</strong><br />

Zugehörigkeitsgefühl, welches den meisten Migranten <strong>und</strong> Migrant<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> der Gesamtgesellschaft<br />

versagt bleibt. Diese „Anerkennung“ <strong>in</strong> dem kle<strong>in</strong>en Netz von Freiwilligen kann ganz offensichtlich sehr<br />

positiv, motivierend <strong>und</strong> ermutigend auf das Selbstbewusstse<strong>in</strong>, die Selbstsicherheit <strong>und</strong> damit auf<br />

den <strong>in</strong>dividuellen Integrationsprozess der Beteiligten wirken. Diese <strong>in</strong>dividuellen Integrationsprozesse<br />

können wiederum <strong>in</strong> der ethnischen Geme<strong>in</strong>schaften zu e<strong>in</strong>em anderen „Bewusstse<strong>in</strong>“ unter Migranten<br />

<strong>und</strong> Migrant<strong>in</strong>nen beitragen, damit die <strong>in</strong>dividuelle Integration <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e größere Gruppen<strong>in</strong>tegration<br />

übergeht.<br />

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Empfehlungsbericht:<br />

<strong>„Integration</strong> <strong>junger</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> <strong>Muslimen</strong> <strong>durch</strong> <strong>Ehrenamt</strong> <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>nützigen Organisationen am Beispiel des Österreichischen Roten Kreuzes“<br />

Anhang – Interviewtranskripte<br />

Interview I<br />

AS: Sie erzählen e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> welcher Abteilung Sie waren, wie lange Sie da waren <strong>und</strong> was Sie<br />

beobachtet haben?<br />

– Ich war bei e<strong>in</strong>er Blutspendenaktion. Ich weiß aber nicht wo die Aktion genau war. Wir haben<br />

vorher mit Frau Zorlu gesprochen, <strong>und</strong> b<strong>in</strong> mit e<strong>in</strong>er Fre<strong>und</strong><strong>in</strong> h<strong>in</strong>gegangen. Dort war auch e<strong>in</strong> türkischer<br />

Arzt, Herr Dr. Taschkeran. Als wir dorth<strong>in</strong> gegangen s<strong>in</strong>d, ist mir aufgefallen, dass das Personal<br />

uns gegenüber sehr nett ist. Und sowieso Frau Zorlu <strong>und</strong> andere haben uns sehr sehr herzlich e<strong>in</strong>geladen.<br />

Ich muss sagen, ich habe dieses Projekt sehr gut <strong>und</strong> sehr nützlich gef<strong>und</strong>en. Die Kommunikation<br />

zwischen <strong>Muslimen</strong> <strong>und</strong> Rotem Kreuz mittels dieses Projektes kann viel weiter entwickelt werden.<br />

Eigentlich b<strong>in</strong> ich seit sechse<strong>in</strong>halb Jahren <strong>in</strong> Wien <strong>und</strong> vorher dachte ich, dass Rotes Kreuz christlich<br />

ist. Aber am Infoabend von diesem Projekt habe ich zum ersten Mal von dem Direktor gehört, dass<br />

Rotes Kreuz ke<strong>in</strong>e Religion hat <strong>und</strong> unabhängig ist <strong>und</strong> die Zusammenarbeit mit den verschiedenen<br />

Ländern. Er hat auch erklärt, dass das Rote Kreuz mit dem Roten Halbmond <strong>und</strong> Rotem Kristall arbeitet.<br />

Es war sehr <strong>in</strong>teressant es zu hören. Und wie ich gesagt habe, an diesem Tag als wir dort waren, ist<br />

mir aufgefallen, dass die Menschen ke<strong>in</strong>e Vorurteile haben. Wir haben uns umgezogen, wir haben<br />

weiße Kleider angezogen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Schwester oder ich weiß nicht wer sie war, hat uns gezeigt, wie die<br />

Aktionen funktionieren. Sie hat uns Blutbanken erklärt. Und was ich gut gef<strong>und</strong>en habe, Fr. Zorlu hat<br />

uns gebeten, wenn wir beten müssen, das gleich sagen können. Das habe ich auch sehr gut gef<strong>und</strong>en.<br />

Die Blutspendenaktion eigentlich fand ich sehr gut. Ich komme aus der Türkei <strong>und</strong> <strong>in</strong> der Türkei gibt es<br />

leider nicht so große Blutspendeaktion. Aber <strong>in</strong> Wien <strong>durch</strong> das Rote Kreuz läuft es sehr gut. Das habe<br />

ich gut beobachtet. Wir haben früher e<strong>in</strong>e Blutspendenaktion mit dem Roten Kreuz veranstaltet. Ich<br />

b<strong>in</strong> Mitglied e<strong>in</strong>es Studentenvere<strong>in</strong>s <strong>und</strong> wir haben im 16. Bezirk geme<strong>in</strong>sam mit dem Roten Kreuz e<strong>in</strong>e<br />

Blutspendeaktion organisiert. Und viele Menschen haben sich dafür <strong>in</strong>teressiert <strong>und</strong> haben freiwillig<br />

gespendet. Und eigentlich, z.B. e<strong>in</strong> Mann den ich dort getroffen habe, hat bis jetzt zum dreißigsten<br />

oder vierzigsten Mal Blut gespendet. Ich habe mich sehr gew<strong>und</strong>ert. In der Türkei gibt es nicht so viele<br />

Menschen die so sehr Blut spenden.<br />

AS: Warum?<br />

– Weil dort e<strong>in</strong>fach dieses Bewusstse<strong>in</strong> nicht da ist <strong>und</strong> die Blutspenden sehr schlecht organisiert ist.<br />

AS: Du hast gesagt, dir hat die Idee von der Kommunikation zwischen dem Roten Kreuz <strong>und</strong> den<br />

<strong>Muslimen</strong> sehr gut gefallen. Warum?<br />

– Weil sie ke<strong>in</strong>e Vorurteile haben. Egal ob da e<strong>in</strong> Muslime oder e<strong>in</strong> Christ kommt, ist es egal. Wichtig<br />

ist der Mensch. Die Menschen s<strong>in</strong>d wichtig. Ich habe es schon gesehen. Z. B. die Schwester, der Arzt,<br />

wenn die Menschen h<strong>in</strong>kommen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>ige Voruntersuchungen stattf<strong>in</strong>den sollen, merkt man, dass es<br />

vollkommen egal ist, wer dieser Mensch ist. Was ich noch sagen wollte, ist, wir, me<strong>in</strong>e Fre<strong>und</strong><strong>in</strong> <strong>und</strong> ich,<br />

hatten e<strong>in</strong>en Wunsch. Wir haben Frau Zorlu gesagt, wir wollen beim Roten Kreuz, beim Besuchdienst<br />

<strong>und</strong> nicht bei der Blutspendeaktion teilnehmen. Frau Zorlu hat uns an den Direktor weitergeleitet<br />

<strong>und</strong> er hat uns e<strong>in</strong>e alte Geschichte erzählt. Er hat uns gesagt, dass e<strong>in</strong>e Kopftuchträger<strong>in</strong> Mal e<strong>in</strong>en<br />

Besuchsdienst gemacht hat <strong>und</strong> die älteren Menschen sofort auf das Kopftuch negativ reagierten.<br />

Eigentlich das habe ich schon verstanden. Wie kann ich es sagen. Ich habe etwas gewollt, aber wegen<br />

me<strong>in</strong>es Kopftuchs oder me<strong>in</strong>er Kleidung es nicht machen können. Es ist nicht angenehm. Soweit ich<br />

mich er<strong>in</strong>nern kann, hat der Direktor beim Infoabend uns gesagt, dass dieses Projekt gegen Vorurteile<br />

ist. Und dann kommt so was. Dort ist e<strong>in</strong> türkischer Mann gekommen um Blut zu spenden. Er musste


Anhang<br />

e<strong>in</strong> Anamneseblatt ausfüllen aber er verstand den Zettel nicht. Ich wollte ihm helfen. Ich habe es für ihn<br />

übersetzt <strong>und</strong> mit ihm geme<strong>in</strong>sam das Blatt ausgefüllt. Aber dann e<strong>in</strong>e Schwester oder e<strong>in</strong>e Zuständige<br />

hat mir gesagt, das darf ich nicht, weil ich ke<strong>in</strong>e beeidete Übersetzer<strong>in</strong> b<strong>in</strong> <strong>und</strong> es kann se<strong>in</strong>, dass ich die<br />

Sachen die im Blatt stehen dem Mann falsch übersetze. Er soll es selber versuchen <strong>und</strong> ausfüllen. Aber<br />

später habe ich mir gedacht, wenn er es nicht versteht, wird es wahrsche<strong>in</strong>lich auch falsch ausfüllen. So<br />

<strong>und</strong> so ist die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit, dass er das Blatt falsch ausfüllt groß.<br />

AS: Du hast vorh<strong>in</strong> gesagt, dass die Zusammenarbeit sich weiterentwickeln kann. In welcher Form?<br />

– Ich weiß es nicht, ob Muslime beim Roten Kreuz arbeiten können.<br />

AS: Es ist egal, ob man Muslim ist oder nicht. Jeder kann beim Roten Kreuz arbeiten.<br />

– Ja. ich habe es verstanden. Wie ich gesagt habe, Blutspenden <strong>in</strong> den Moscheen mit dem Roten<br />

Kreuz kann organisiert werden. Ich gehe am Wochenende <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Moschee <strong>und</strong> dort wird jedes Jahr<br />

e<strong>in</strong> Spendenbazar veranstaltet. Die Frauen die für diesen Bazar zuständig s<strong>in</strong>d, wollen e<strong>in</strong>e Blutspendeaktion<br />

machen <strong>und</strong> da ich Mediz<strong>in</strong>student<strong>in</strong> b<strong>in</strong>, haben sie mich darauf angesprochen. Ich habe mich<br />

auch deswegen mit e<strong>in</strong>er Frau vom Roten Kreuz <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung gesetzt. Aber sie me<strong>in</strong>te für heuer ist es<br />

zu spät. Es ist gut, weil <strong>in</strong> den Moscheen so viele gläubigen Menschen gibt. Und wenn das Rote Kreuz<br />

dort e<strong>in</strong>e Blutspendeaktion veranstalten würde, würde sich gegenüber dem Roten Kreuz e<strong>in</strong> andres<br />

Bewusstse<strong>in</strong> unter den gläubigen <strong>Muslimen</strong> entwickeln. Das kann man machen. Sowieso hilft das Rote<br />

Kreuz jeden Menschen, egal welchen Glauben die Menschen haben.<br />

AS: Das Blut ist im islamischen Kontext unre<strong>in</strong>.<br />

– Ja, zum Beten. Wenn man sich mit dem Blut beschmiert, kann man nicht beten.<br />

AS: Nehmen wir jetzt die BlutspenderInnen die streng gläubig s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> zu e<strong>in</strong>er Blutspendeaktion<br />

kommen. Was glauben Sie wäre da die Hemmschwelle.<br />

– Ja, eigentlich glaube ich, dass das Blut selber nicht unre<strong>in</strong> ist. Aber wenn jemand beten will, darf er<br />

nicht mit Blutbeschmierter oder befleckte Kleider beten. Vielleicht kann man bei Blutspendeaktionen<br />

versuchen ke<strong>in</strong>e Blutflecke an die Kleider zu verursachen. Man kann es versuchen. Aber bei uns gibt es<br />

nicht so strenge Gebetszeiten. So kann man die Gebete nach verrichten. Das ist nicht so streng. Und es<br />

geht ja um Spenden <strong>und</strong> das Spenden ist bei allen Religionen, <strong>in</strong>sbesondere aber im Islam, e<strong>in</strong>e gute<br />

Tat. Für mich selber ist es nicht so schlimm. Und alle anderen <strong>Muslimen</strong> die zum Blutspenden kommen,<br />

kommen freiwillig <strong>und</strong> es ist ihnen bewusst was da eventuell passieren kann.<br />

AS: Sie tragen e<strong>in</strong> Kopftuch. Wie war das Verhalten der Blutspender/<strong>in</strong>nen Ihnen gegenüber?<br />

– Eigentlich wie ich schon gesagt habe, habe ich nicht bemerkt, dass sie Vorurteile haben. Als Mediz<strong>in</strong>er<strong>in</strong><br />

b<strong>in</strong> ich oft <strong>in</strong> Krankhäuser oder auf der Uni oder Strasse <strong>und</strong> es ist eben noch nicht so üblich,<br />

Menschen mit dem Kopftuch zu sehen. E<strong>in</strong>e Mediz<strong>in</strong>er<strong>in</strong> oder e<strong>in</strong>e Lehrer<strong>in</strong> mit dem Kopftuch entspricht<br />

noch nicht das übliche Bild. Deswegen s<strong>in</strong>d die Menschen an uns noch nicht gewohnt. Zum Beispiel im<br />

Krankenhaus sagt die Krankenschwester zu Patienten, dass ich Mediz<strong>in</strong>student<strong>in</strong> b<strong>in</strong> <strong>und</strong> das ist dann<br />

ok. Für die Patienten ist die Situation ganz neu. Für uns auch. In der Türkei oder <strong>in</strong> andren Ländern wenn<br />

e<strong>in</strong>e sich andres als die Mehrheit kleidet, schaut man ihr auch nach. Das ist ke<strong>in</strong> Vorurteil. Das ist nicht<br />

üblich, das ist neu. Sonst ist ke<strong>in</strong>e andere Deutung dabei.<br />

AS: Wie ist wenn das Blut von e<strong>in</strong>em streng gläubigen muslimischen Blutspender von e<strong>in</strong>er Frau<br />

abgenommen wird oder umgekehrt?<br />

– Wenn man es kann, wäre es wichtig, dass bei den muslimischen Frauen e<strong>in</strong>e Frau das Blut abnimmt,<br />

weil sie darauf achten. Es wäre gut, wenn man darauf Rücksicht nimmt. Und wenn man darauf achtet,<br />

trauen sich mehr muslimische Frauen zu Blutspendeaktionen zu gehen.<br />

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Empfehlungsbericht:<br />

<strong>„Integration</strong> <strong>junger</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> <strong>Muslimen</strong> <strong>durch</strong> <strong>Ehrenamt</strong> <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>nützigen Organisationen am Beispiel des Österreichischen Roten Kreuzes“<br />

AS: Die Blutspendeaktionen f<strong>in</strong>den <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Wohnwagen statt <strong>und</strong> <strong>in</strong> diesem Wohnwagen werden<br />

sowohl Männer als auch Frauen das Blut abgenommen. Auch wenn man auf die Geschlechter<br />

achtet, f<strong>in</strong>det die Blutspende für beide Geschlechter gleichzeitig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>und</strong> selbem Raum statt.<br />

Glauben Sie wäre es für die muslimischen Gläubigen e<strong>in</strong> Problem?<br />

– Ja, schon. Als wir von unserem Vere<strong>in</strong> aus e<strong>in</strong>e Blutspendeaktion organisiert haben, s<strong>in</strong>d die Zustän-<br />

digen vom Roten Kreuz mit e<strong>in</strong>er Trennmöglichkeit gekommen. Und so haben wir Männer <strong>und</strong> Frauen<br />

getrennt. Das hat die Atmosphäre angenehmer gemacht. Wenn e<strong>in</strong>e Trennmöglichkeit gibt, wäre es<br />

gut diese auch <strong>durch</strong>zuführen.<br />

AS: Wie lange waren Sie bei der Blutspendeaktion dabei?<br />

– E<strong>in</strong> ganzer Tag. Und möchte noch e<strong>in</strong>en weiteren Tag h<strong>in</strong>gehen. Das wäre wichtig, dass das Rote<br />

Kreuz dazu beiträgt die Hemmung vor dem Kopftuch zu schwächen.<br />

AS: Es dauert aber. Die Patienten s<strong>in</strong>d ältere Menschen <strong>und</strong> es ist nicht leicht für sie e<strong>in</strong> neues Bild<br />

so zu akzeptieren.<br />

– Ich treffe auch im Krankenhaus ältere Patienten <strong>und</strong> am Anfang haben sie auf me<strong>in</strong> Kopftuch sofort<br />

überreagiert. Aber nach dem sie mich kennen gelernt haben, war das Kopftuch ke<strong>in</strong> Problem mehr. Sie<br />

haben mich gefragt, ob ich das Kopftuch zwangsmäßig trage. Sie haben e<strong>in</strong> bestimmtes Bild <strong>in</strong> ihrem<br />

Kopf vom Kopftuch gehabt. Aber wenn sie mit Kopftuchträger<strong>in</strong>nen mehr Kontakt haben, fangen sie es<br />

langsam zu verstehen <strong>und</strong> die Vorurteile verschw<strong>in</strong>den.<br />

Interview II<br />

Die Mitarbeiter waren sehr nett <strong>und</strong> es war für mich e<strong>in</strong>e Chance e<strong>in</strong>e Gesellschaft aus e<strong>in</strong>er neuem<br />

Blickw<strong>in</strong>kel kennen zu lernen. Die Mitarbeiter kannten sich alle natürlich. Es waren Frauen <strong>und</strong> Männer,<br />

die mite<strong>in</strong>ander locker plauderten <strong>und</strong> e<strong>in</strong>ander neckten. Sie haben viel mite<strong>in</strong>ander zum Lachen<br />

gehabt. Soweit ich ihren Dialekt verstand, g<strong>in</strong>gen sie sehr nett mite<strong>in</strong>ander um. Es war für mich e<strong>in</strong><br />

Erlebnis die Gesellschaft (die Österreichische) neu zu entdecken. Es war sehr <strong>in</strong>teressant. Es war e<strong>in</strong>er<br />

dabei der richtig Dialekt gesprochen hat, aber er war so nett. Hat mir gesagt, wenn ich irgendwas<br />

nicht verstehe, soll ich es ihm sagen. Es war so lieb. Ich hab ihm aber gesagt, ich möchte versuchen es<br />

zu verstehen. Ich möchte mir Mühe geben, ich möchte üben um es zu verstehen. Dann haben sie uns<br />

die Arbeit erklärt <strong>und</strong> dann s<strong>in</strong>d wir irgendwo zusammen frühstücken gegangen. Dann hat e<strong>in</strong>e der<br />

Mitarbeiter<strong>in</strong>nen mich über die Station, <strong>in</strong> der wir waren, aufgeklärt. Es war e<strong>in</strong>e sehr menschliche<br />

Atmosphäre. E<strong>in</strong>er hat von se<strong>in</strong>en Töchtern erzählt, der andere von se<strong>in</strong>em Haus. Es war sehr schön,<br />

wie die Mitarbeiter <strong>und</strong> Mitarbeiter<strong>in</strong>nen mit e<strong>in</strong>ander umg<strong>in</strong>gen.<br />

Sie haben sich auch für mich als Person <strong>in</strong>teressiert. Ich hab ihnen von mir erzählt. Was ich <strong>in</strong> Wien<br />

mache. Ich habe ihnen me<strong>in</strong>e Website gegeben, damit sie sich me<strong>in</strong>e Fotos anschauen. Ich habe mich<br />

überhaupt nicht „fremd“ gefühlt. Es war sehr schön, sehr kollegial.


Anhang<br />

Interview III<br />

AS: Wie war Ihre Vorstellung vom Roten Kreuz bevor Sie bei diesem Projekt mitgewirkt haben <strong>und</strong><br />

wie ist Ihre Vorstellung vom Roten Kreuz nach dem Projekt?<br />

– Ich hatte ke<strong>in</strong>e Ahnung. Ich b<strong>in</strong> seit vier Jahren hier <strong>und</strong> ich habe nur Blut gespendet. Nur daher<br />

habe ich vom Roten Kreuz gehört. Sonst habe ich nichts mir dem Roten Kreuz zu tun gehabt.<br />

AS: Wie ist Ihre Erfahrung von diesen zwei Tagen? Wie war das Verhalten der Mitarbeiter des<br />

Roten Kreuz Ihnen gegenüber?<br />

– Die Mitarbeiter waren sehr nett. Sie haben mir viel geholfen. Ich hab dort nicht viel machen können,<br />

weil ich wenig Ahnung hatte. Ich habe eher die Büroarbeit unterstützt.<br />

AS: Aber Sie wissen was AmberMed macht?<br />

– Ja, ja natürlich. Sie haben mir vorher alles erklärt, was AmberMed macht <strong>und</strong> sie haben mich<br />

richtig e<strong>in</strong>geschult.<br />

AS: Aber Sie haben gar nicht viel machen können.<br />

– Am ersten Tag war ke<strong>in</strong>e Ord<strong>in</strong>ation. Wir haben e<strong>in</strong>fach die Medikamente sortiert. Am zweiten Tag<br />

haben wir die Ordner e<strong>in</strong>geordnet <strong>und</strong> verschiedene Kle<strong>in</strong>igkeiten gemacht.<br />

AS: Gab es viele Menschen, die auf die Ord<strong>in</strong>ation gewartet haben?<br />

– Ja, schon, viele. Ich weiß nicht, ob es immer so viele Menschen s<strong>in</strong>d, aber an dem Tag waren es sehr<br />

viele. Vielleicht 20 Personen oder so.<br />

AS: Und von welcher Nationalität?<br />

– Die meisten waren Ch<strong>in</strong>esen. Weil an diesem Tag gab es e<strong>in</strong>en ch<strong>in</strong>esischen Dolmetscher.<br />

AS: Können Sie sich vorstellen irgendwann e<strong>in</strong>mal beim Roten Kreuz als Freiwillige zu arbeiten?<br />

– Ja, ich habe auch darüber mit der Mitarbeiter<strong>in</strong>, die mich e<strong>in</strong>geschult hat, geredet. Ich b<strong>in</strong> im<br />

Februar nicht <strong>in</strong> Wien, aber ab März möchte ich ehrenamtlich arbeiten.<br />

AS: Haben Sie diese Art von ehrenamtlicher Arbeit aus Ihrer Heimat gekannt?<br />

– Ich kenne es nicht, weil ich noch zu jung war, als ich me<strong>in</strong>e Heimat verlassen habe.<br />

AS: Wo ist Ihrer Heimat?<br />

– Türkei.<br />

AS: Gibt es <strong>in</strong> Ihrer Heimat solche Organisationen wie das Rote Kreuz, die humanitäre Arbeit<br />

leisten <strong>und</strong> Menschen die sagen, ich möchte <strong>in</strong> der Woche 2/3 St<strong>und</strong>en freiwillig arbeiten?<br />

– Ja, das gibt es zur Unterstützung für alte Menschen, für K<strong>in</strong>der. Aber das ist nicht das Rote Kreuz,<br />

sondern der „Rote Halbmond“.<br />

AS: Ich habe mit anderen Menschen aus der Türkei gesprochen <strong>und</strong> sie haben gesagt, dass es <strong>in</strong><br />

dieser Form, wie das Rote Kreuz, ke<strong>in</strong>e Organisationen <strong>in</strong> der Türkei gibt. Es s<strong>in</strong>d eher wohlha-<br />

bende Leute, die dann e<strong>in</strong>e Stiftung aufmachen <strong>und</strong> dann zusammen etwas arbeiten. Aber so, dass<br />

ganz ‚normale’ Leute, 2 oder 3 St<strong>und</strong>en ihrer Zeit für ehrenamtliche Arbeit anbieten, ist selten.<br />

– Es gibt es schon. Weil ich gerne mit alten Menschen oder mit Waisenk<strong>in</strong>dern arbeite, deswegen<br />

weiß ich auch, dass man e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> der Woche oder so, <strong>in</strong> dieser Art arbeiten kann.<br />

AS: Können Sie mir sagen, was Ihre Motivation war ehrenamtliche Arbeit zu leisten?<br />

– Ach, das weiß ich nicht. Ich will e<strong>in</strong>fach helfen. Wenn ich helfen kann, fühle ich mich besser. Ich fühle,<br />

ja, „Ich kann etwas machen“ im S<strong>in</strong>ne ich kann was zur L<strong>in</strong>derung des Schmerzes leisten.<br />

AS: Ist es für Sie wichtig dass den Menschen, denen Sie helfen, Muslime s<strong>in</strong>d, oder nicht?<br />

– Für mich ist es egal. Menschen s<strong>in</strong>d Menschen.<br />

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Empfehlungsbericht:<br />

<strong>„Integration</strong> <strong>junger</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> <strong>Muslimen</strong> <strong>durch</strong> <strong>Ehrenamt</strong> <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>nützigen Organisationen am Beispiel des Österreichischen Roten Kreuzes“<br />

AS: Ist es für Sie wichtig, ob die Organisation bei der Sie ihre ehrenamtliche Arbeit leisten, e<strong>in</strong>e<br />

muslimische oder nicht muslimische Organisation ist?<br />

– Es ist egal. In e<strong>in</strong>er muslimischen Organisation würde ich gerne arbeiten. Aber hier b<strong>in</strong> ich <strong>in</strong> Öster-<br />

reich <strong>und</strong> es ist e<strong>in</strong>fach so.<br />

AS: Hatten Sie während dieser zwei Tagen beim Roten Kreuz wegen Ihres Kopftuches Probleme<br />

gehabt?<br />

– Ne<strong>in</strong>, das war überhaupt ke<strong>in</strong> Problem.<br />

Interview IV<br />

AS: Wie viele Schnuppertage haben sie absolviert <strong>und</strong> bei welcher Abteilung.<br />

– Ich war zwei Tage bei ACCORD.<br />

AS: War es Ihre Entscheidung <strong>in</strong> dieser Abteilung Ihre Schnuppertage zu verbr<strong>in</strong>gen oder wurde<br />

es Ihnen vorgeschlagen?<br />

– Ja, man hat es mir vorgeschlagen. Me<strong>in</strong> Lehrer <strong>in</strong> der Schule hat es vorgeschlagen. Ich gehe am<br />

Donnerstag zum Praktikum, da habe ich mir gedacht schauen wir mal wie es ist.<br />

AS: Können Sie mir sagen, was Sie an diesen beiden Tagen gesehen haben?<br />

– Ich habe gesehen, wie sie da arbeiten. Wie so was überhaupt gemacht wird.<br />

AS: Was wird dort gemacht?<br />

– So über Asylanten Fragen beantwortet. Von verschiedenen Länder.<br />

AS: Haben Sie auch mitgearbeitet oder nur beobachtet?<br />

– Am ersten Tag wie ich dort war, habe ich beobachtet wie alles gemacht wird. Am zweiten Tag habe<br />

ich e<strong>in</strong>e Frage selbst beantwortet. Es ist wirklich sehr schwer.<br />

AS: Die Frage war sehr schwer?<br />

– Ne<strong>in</strong>, ne<strong>in</strong>. Die Arbeit. Es ist wirklich sehr schwer. Wenn man es überhaupt nicht f<strong>in</strong>det, muss man<br />

es überall suchen. In verschiedenen Webseiten. Das Suchen ist sehr schwer.<br />

AS: Was haben Sie für e<strong>in</strong>e Frage beantwortet?<br />

– Es g<strong>in</strong>g um Religion glaube ich.<br />

AS: Können Sie sich vorstellen als Freiwillige je <strong>in</strong> solchen Abteilungen des Roten Kreuzes zu<br />

arbeiten.<br />

– Eigentlich schon.<br />

AS: Wie war das Verhalten der Mitarbeiter des Roten Kreuzes Ihnen gegenüber?<br />

– Sie waren eigentlich sehr respektvoll. Sehr nett. Sie waren wirklich super.<br />

AS: Me<strong>in</strong>en Sie die Zugehörigkeit zu e<strong>in</strong>er bestimmten Religion wäre wichtig um beim Roten Kreuz<br />

oder <strong>in</strong> solchen Abteilungen des Roten Kreuzes zu arbeiten?<br />

– Na ja, das ist eigentlich wurscht. Weil man nicht zu irgende<strong>in</strong>er Religion gehören muss, damit man<br />

die Fragen die man <strong>in</strong> dieser Abteilung bekommt, beantworten zu können.


Anhang<br />

AS: Was hat Ihnen sehr gut gefallen <strong>und</strong> was hat Ihnen überhaupt nicht gut gefallen?<br />

– Eigentlich hat mir alles super gut gefallen.<br />

AS: Haben Sie Vorschläge?<br />

– Die wissen wie sie ihre Arbeit machen <strong>und</strong> sie machen es wirklich gut.<br />

AS: Beten Sie?<br />

– Ja.<br />

AS: Als Sie bei Ihrem Schnuppertag waren, haben Sie nach der Möglichkeit zu beten gefragt?<br />

– Ich habe nicht gefragt. Aber ich glaube nicht, dass sie was dagegen hätten.<br />

AS: Was haben Sie für e<strong>in</strong> Bild vom Roten Kreuz gehabt bevor Sie bei diesem Projekt teilge-<br />

nommen haben?<br />

– Eigentlich wusste ich gar nicht, dass beim Roten Kreuz solche Abteilungen gibt, wo man Leute hilft<br />

die aus anderen Ländern s<strong>in</strong>d.<br />

AS: Was machen Sie nun mit diesem Wissen?<br />

– Naja, wenn ich welche zum Beispiel kenne die Hilfe brauchen, so Asylanten oder so, könnte ich sie<br />

an das Rote Kreuz weiterleiten. Sie könnten ihnen dort vielleicht weiterhelfen.<br />

AS: Können Sie sich vorstellen irgendwann e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> solchen Bereichen tätig zu werden?<br />

– Ich habe es mir doch überlegt, (lacht) ich habe mir gedacht, es könnte se<strong>in</strong>, dass ich e<strong>in</strong>mal dort<br />

arbeite. Mir hat es sehr gefallen dort.<br />

AS: Was hat Ihnen genau gefallen?<br />

– Wie sie dort arbeiten.<br />

AS: Können Sie das konkretisieren?<br />

– Inhaltlich aber auch die Atmosphäre.<br />

AS: Wie groß war das Team?<br />

– Das Team bestand aus ca. 7 oder 8 Personen.<br />

AS: Waren außer Ihnen noch andere Freiwillige da?<br />

– Ja. Aber sie war nicht mit mir da. Sie war an e<strong>in</strong>em anderen Tag als ich da.<br />

AS: Als sie angefangen haben zu dieser bestimmten Frage zu recherchieren, haben Sie auch<br />

Zusätzliches gelernt?<br />

– Ich habe gelernt wie man bei solchen Themen recherchieren kann. Wie man zu Informationen<br />

kommt, also zu richtiger Information kommen kann. Für mich war alles da gut.<br />

AS: Waren Sie beim „Kick off Abend“ dabei?<br />

– Ne<strong>in</strong>, da war ich nicht. Die Information habe ich später von me<strong>in</strong>em Lehrer bekommen.<br />

AS: Was haben Sie für Ihre Zukunft vor?<br />

– Also, ich habe eigentlich vor die Schule erstmal abzuschließen.<br />

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Empfehlungsbericht:<br />

<strong>„Integration</strong> <strong>junger</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> <strong>Muslimen</strong> <strong>durch</strong> <strong>Ehrenamt</strong> <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>nützigen Organisationen am Beispiel des Österreichischen Roten Kreuzes“<br />

AS: S<strong>in</strong>d Sie <strong>in</strong> der Hauptschule?<br />

– Ne<strong>in</strong>, <strong>in</strong> der Fachschule. Ich b<strong>in</strong> schon im Abschlussjahr <strong>und</strong> habe mir überlegt Polizist zu werden.<br />

Das ist me<strong>in</strong> Traumberuf.<br />

AS: Warum?<br />

– Ich möchte so den Leuten helfen.<br />

AS: Ihr Bild von der Polizei ist „Helfen“.<br />

– Genau.<br />

AS: Welche anderen Abteilungen es noch beim Roten Kreuz gibt, haben Sie auch kennen gelernt?<br />

– Ne<strong>in</strong>, ich habe eigentlich nur den ACCORD kennen gelernt. Sonst ke<strong>in</strong>e.<br />

Interview V – Gruppenbefragung<br />

AS: Erzählen sie mir von Anfang an wie sie auf diese Möglichkeit aufmerksam gemacht worden<br />

s<strong>in</strong>d beim Roten Kreuz als Freiwillige Schnuppertage absolvieren zu können. Warum sie sich<br />

entschieden haben bei diesen Schnuppertagen teilzunehmen.<br />

– E<strong>in</strong> Fre<strong>und</strong> von mir, der Mediz<strong>in</strong> studiert, hat mit erzählt, dass das Rote Kreuz e<strong>in</strong> Programm für<br />

ausländische Studenten hat <strong>und</strong> ich habe mich dafür angemeldet. Ich bekam e<strong>in</strong>en Rückruf vom Roten<br />

Kreuz <strong>und</strong> dann habe ich mit den Schnuppertagen begonnen. Ich hab gedacht, es wäre <strong>in</strong>teressant das<br />

Rote Kreuz oder die andren freiwilligen Mitarbeiter des Roten Kreuzes kennen zu lernen.<br />

AS: Haben Sie andere freiwillige Kollegen kennen lernen können?<br />

– Ne<strong>in</strong>. Das war nicht der Fall.<br />

AS: Können Sie mir sagen, warum es für Sie <strong>in</strong>teressant war das Rote Kreuz näher kennen zu<br />

lernen?<br />

– Wir kennen von unserem Land den „Roten Halbmond“. Das Rote Kreuz hilft dem Menschen, egal<br />

welcher Religion oder Nationalität. Daher war es uns wichtig oder <strong>in</strong>teressant das Rote Kreuz näher<br />

kennen zu lernen.<br />

AS: Was war ihr Bild vom Roten Kreuz bevor sie zum Roten Kreuz gekommen s<strong>in</strong>d?<br />

– Ich hatte ke<strong>in</strong>e schlechte Vorstellung davor, danach hatte ich auch ke<strong>in</strong>e.<br />

– Me<strong>in</strong>e Frau spendet Blut dem Roten Kreuz.<br />

AS: Heißt es sie kennen das Rote Kreuz über Ihre Frau?<br />

– Eigentlich haben wir das Rote Kreuz schon lange gekannt.<br />

AS: Können Sie sich vorstellen als Freiwilliger beim Roten Kreuz zu arbeiten?<br />

– Für mich, kann se<strong>in</strong>.<br />

AS: Warum <strong>und</strong> <strong>in</strong> welcher Abteilung würden Sie lieber arbeiten?<br />

– Das was ich <strong>in</strong> Eisenstadt gemacht habe (Rettungsdienst <strong>und</strong> Krankentransport).


Anhang<br />

AS: Können sie mir e<strong>in</strong> bisschen erzählen den Wert von freiwilliger Arbeit im islamischen Kontext?<br />

– Es natürlich gut den anderen Menschen zu helfen, wie <strong>in</strong> anderen Religionen auch. Das ist aus<br />

religiöser Sicht „sawab“ <strong>und</strong> außerdem man fühlt sich selbst auch gut. Bei „Zikat“ geht es darum den<br />

Menschen zu helfen <strong>und</strong> sich gar nichts zu erwarten. Das heißt, dass ich eigentlich von me<strong>in</strong>er „Zeit“<br />

herschenke. Und „Zikat“ bedeutet hier nicht mit dem „Geld“ Menschen zu unterstützen, sondern me<strong>in</strong>e<br />

„Zeit“ zu <strong>in</strong>vestieren, herschenken.<br />

AS: Können Sie mir sagen, was Sie an Ihrem ersten Schnuppertag im LV- Burgenland gemacht<br />

haben?<br />

– Ich b<strong>in</strong> nur e<strong>in</strong>mal mit der Rettung gefahren. Es g<strong>in</strong>g um e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Mädchen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Fast Food<br />

Restaurant. Sie hatte Bauchprobleme. Wir haben sie <strong>in</strong>s Spital transportiert.<br />

– Aber ganz am Anfang haben die Mitarbeiter uns viel über die Arbeit erklärt. Sie haben uns<br />

viel über die Rettung, die Uniform <strong>und</strong> ihre Funktion erzählt. Die Rot Kreuz Mitarbeiter haben uns<br />

auch gesagt, dass Dienstag <strong>und</strong> Donnerstag die ruhigsten Tage s<strong>in</strong>d. Am meisten Kranke gäbe es an<br />

Freitagen, Samstagen <strong>und</strong> Sonntagen.<br />

– Ich glaube die älteren Patienten gehen unter der Woche selber <strong>in</strong>s Krankenhaus <strong>und</strong> vielleicht am<br />

Wochenende s<strong>in</strong>d die E<strong>in</strong>sätze höher.<br />

– Am zweiten Tag war ich drei, vier St<strong>und</strong>en unterwegs. Ich hatte sehr viele E<strong>in</strong>sätze, aber es waren<br />

Krankentransporte vom Krankenhaus nach Hause <strong>und</strong> von Zuhause <strong>in</strong>s Krankenhaus.<br />

AS: Wie ist es mit der Geschlechtertrennung? Soll es unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>e Frau se<strong>in</strong>, die e<strong>in</strong>e Patient<strong>in</strong><br />

behandelt, die gläubige Muslime ist?<br />

– Ne<strong>in</strong>. Die Ges<strong>und</strong>heit kommt an erster Stelle. Der Arzt rettet die Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> da geht es um<br />

e<strong>in</strong>en Notfall, da ist die Geschlechtertrennung egal.<br />

AS: E<strong>in</strong> Rettungssanitäter ist ke<strong>in</strong> Arzt.<br />

– Egal. Es geht um e<strong>in</strong>en Notfall der die Ges<strong>und</strong>heit bee<strong>in</strong>trächtigt.<br />

AS: Sie me<strong>in</strong>en, wenn es sich um Notfall handelt, fällt die Rücksicht auf Geschlechtertrennung weg?<br />

– Ja. Wenn es ke<strong>in</strong>e Alternative gibt, dann muss man es akzeptieren.<br />

Aufklärungsarbeit <strong>in</strong> den Moscheen, Vere<strong>in</strong>en, mit den K<strong>in</strong>dern spielerisch Lernen, zeichnen…<br />

AS: Als wir das Projekt vorgestellt haben, s<strong>in</strong>d nur sehr wenige Muslime als Freiwillige zu uns<br />

gekommen. Später mit Mühe s<strong>in</strong>d dann viele gekommen. Wenn Sie sagen, dass „Helfen“ im Islam<br />

„sawab“ ist, warum haben sich so wenige als Freiwillige gemeldet?<br />

– vielleicht dachten sie sich, da es e<strong>in</strong> „Kreuz“ ist, dann ist es „haram= unre<strong>in</strong>“.<br />

– Wir wussten nicht, dass wir als ausländische Studenten <strong>in</strong> Österreich als Freiwillige arbeiten können.<br />

Wir wussten von dieser Möglichkeit gar nichts. Wir s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Studentenvere<strong>in</strong> <strong>und</strong> der Vere<strong>in</strong><br />

spendet jedes Jahr Blut beim Roten Kreuz. Das kannten wir, aber mehr nicht.<br />

AS: Aber Blutspenden hat mit freiwilliger Arbeit wenig zu tun. Wie ist die freiwillige Arbeit <strong>in</strong> der<br />

Türkei?<br />

– Es gibt viele „Asgar“ = B<strong>und</strong>eswehr, die diese Arbeiten <strong>in</strong> der Türkei machen<br />

AS: Aber die werden für ihre Arbeit bezahlt, oder?<br />

– Sehr wenig. Es reicht nur für Zigaretten.<br />

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Empfehlungsbericht:<br />

<strong>„Integration</strong> <strong>junger</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> <strong>Muslimen</strong> <strong>durch</strong> <strong>Ehrenamt</strong> <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>nützigen Organisationen am Beispiel des Österreichischen Roten Kreuzes“<br />

AS: Verstehe ich das richtig? In der Türkei ist das Bewusstse<strong>in</strong> über freiwillige Arbeit vollkommen<br />

anders als <strong>in</strong> Österreich?<br />

– In der Türkei gibt es die Vere<strong>in</strong>e. Viele Vere<strong>in</strong>e. „Waghf“ Vere<strong>in</strong>e. Sie unterstützen die Menschen <strong>in</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heitsfragen, oder f<strong>in</strong>anziell, oder für Bildung. ‚Imam’ <strong>und</strong> ‚Zikat’.<br />

AS: Wie funktionieren sie? Woher kommt das Geld?<br />

– Es gibt „waghfen“ aus der Zeit des osmanischen Reiches. Es gibt zum Beispiel e<strong>in</strong> Gebäude, sie<br />

mieten dieses Gebäude <strong>und</strong> bekommen etwas.<br />

AS: Was bekommen sie?<br />

– Geld.<br />

AS: Von wem?<br />

– Von Gebäudemieten.<br />

– Die Grenzen, die die Geme<strong>in</strong>schaften aus e<strong>in</strong>ander halten. Ich will über das Kreuz etwas sagen.<br />

Ich habe dieses <strong>in</strong> Mostar <strong>in</strong> Bosnien gesehen. Da gibt es Christen <strong>und</strong> Muslime. Und da gibt es e<strong>in</strong>e<br />

Brücke. Auf der e<strong>in</strong>en Seite leben Muslime <strong>und</strong> auf der anderen Seite Christen. Es s<strong>in</strong>d die kroatische<br />

Christen. Dort gibt es e<strong>in</strong> sehr großes Kreuz. Und jemand hat mir erklärt, dass dieses Kreuz nur für<br />

psychologische Zwecke da ist: um zu sagen „die Christen s<strong>in</strong>d hier“. Und das Kreuz hat eben e<strong>in</strong>e<br />

Bedeutung. Das ist so, unabhängig von der Tatsache, dass den Menschen, egal woher sie kommen,<br />

geholfen werden soll. Und das hat auf die muslimischen Geme<strong>in</strong>schaften e<strong>in</strong>e andere Wirkung.<br />

AS: Aber wenn Muslime hier herkommen, haben sie von Anfang an gewusst, dass dies e<strong>in</strong> christliches<br />

Land ist. Trotzdem s<strong>in</strong>d sie hierher gekommen <strong>und</strong> leben hier. Warum soll auf e<strong>in</strong>mal das<br />

Kreuz e<strong>in</strong> Problem darstellen, wenn es eigentlich nur um die Menschen gehen soll.<br />

– Das ist schon klar. Aber Geme<strong>in</strong>schaften denken anders.<br />

AS: Und wie können wir es ändern. Egal ob Muslime, Christen, Juden. Wir s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Österreich <strong>und</strong><br />

wir helfen e<strong>in</strong>ander.<br />

– Ja, der Islam sagt das so.<br />

AS: Ja, ich weiß. Aber warum funktioniert das nicht so. Was können wir machen, damit es funktioniert?<br />

– Zum Beispiel die Muslime wollen <strong>in</strong> der Schweiz e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>arett haben <strong>und</strong> die Schweiz sagt ne<strong>in</strong>. Die<br />

Menschen denken e<strong>in</strong>fach so.<br />

AS: Ja, Sie haben vollkommen recht. Aber uns geht es um Österreich. Und das Rote Kreuz ist e<strong>in</strong>e<br />

<strong>in</strong>ternationale Hilfsorganisation <strong>und</strong> das Kreuz hat da ke<strong>in</strong>e religiöse Bedeutung.<br />

– E<strong>in</strong> Beispiel. Als wir zu unseren Schnuppertagen nach Eisenstadt gefahren s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> zurückgekommen<br />

s<strong>in</strong>d, sagte e<strong>in</strong> Fre<strong>und</strong> von mir, als Spaß, „hast du auch mit den Christen gearbeitet“? Es war<br />

zwar Spaß aber trotzdem ist etwas daran.<br />

AS: Wieso denken wir so? Warum können wir nicht denken, es geht um Menschen. Und der Mensch<br />

besteht nicht nur aus Religion.<br />

SCHWEIGEN, dann lachen wir alle mite<strong>in</strong>ander.


Anhang<br />

AS: Also zusammenfassend: sie glauben dass Muslime gr<strong>und</strong>sätzlich schon mithelfen würden, aber<br />

sie haben Vorbehalte, weil das Rote Kreuz e<strong>in</strong> Kreuz als Organisationszeichen hat. Und nicht nur<br />

bei den Christen, sondern überall hat das Kreuz e<strong>in</strong>e religiöse Bedeutung. Und da<strong>durch</strong> dass das<br />

Kreuz e<strong>in</strong>e religiöse Bedeutung hat <strong>und</strong> diese Bedeutung im christlichen Glauben e<strong>in</strong>gebettet ist,<br />

sieht vielleicht der Muslime nicht unbed<strong>in</strong>gt als se<strong>in</strong>e Pflicht <strong>in</strong> so e<strong>in</strong>er Organisation zu arbeiten.<br />

Wenn ich nun <strong>in</strong> Wien e<strong>in</strong>e „Roter Halbmond“ Zweigstelle eröffnen würde, werden dann Muslime<br />

kommen <strong>und</strong> mithelfen?<br />

– Ja. Ich glaub schon. Und ich spreche jetzt für Türken. Die Türken, die <strong>in</strong> Österreich leben, s<strong>in</strong>d<br />

eigentlich nicht gebildete Leute <strong>und</strong> sie denken e<strong>in</strong> bisschen anders. Ich me<strong>in</strong>e, dass ihnen nicht nur<br />

an formaler Bildung fehlt, sondern auch die religiöse Bildung fehlt ihnen. Sie kommen direkt aus ihren<br />

Dörfern hierher. Viele haben Istanbul oder Ankara oder die anderen Großstädte nie gesehen. Daher<br />

denken sie vielleicht e<strong>in</strong> bisschen anders.<br />

– Was glauben Sie, wenn wir <strong>in</strong> Österreich e<strong>in</strong>e „Rote Halbmond“ Organisation aufmachen würden,<br />

würden die Österreicher kommen <strong>und</strong> dort arbeiten wollen? Das glaube ich nicht!<br />

AS: Da haben Sie vielleicht recht. Aber es gibt hier sehr viele muslimische Vere<strong>in</strong>e, von den<br />

Moscheen organisiert <strong>und</strong> so, aber auch dort gibt es nicht viele Freiwillige. Und ich versuche zu<br />

verstehen, warum bei den <strong>Muslimen</strong>, freiwillige Arbeit nicht so verbreitet ist, obwohl es „sawab“<br />

ist. Aber was ist dann „sawab“, bedeutet das nur, den Bedürftigen mit Geld zu unterstützen?<br />

– Schweigen - Denken Sie an die Möglichkeit e<strong>in</strong>en „Roten Halbmond“ hier aufzumachen. Dann<br />

werden viele Muslime kommen.<br />

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Empfehlungsbericht:<br />

<strong>„Integration</strong> <strong>junger</strong> <strong>Muslim<strong>in</strong>nen</strong> <strong>und</strong> <strong>Muslimen</strong> <strong>durch</strong> <strong>Ehrenamt</strong> <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>nützigen Organisationen am Beispiel des Österreichischen Roten Kreuzes“<br />

Interview VI<br />

AS: Können Sie <strong>und</strong> über Ihr Bild vom Roten Kreuz vor Ihrem freiwilligen Engagement erzählen?<br />

– Bevor ich hergekommen b<strong>in</strong>, dachte ich, dass das Rote Kreuz nur armen Menschen hilft, nun weiß ich,<br />

dass das Rote Kreuz vieles macht was es <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Land nicht gab <strong>und</strong> noch nicht gibt. Zum Beispiel<br />

K<strong>in</strong>dern helfen oder den alten Menschen. Ich habe es jetzt bei me<strong>in</strong>en Schnuppertagen gesehen,<br />

dass me<strong>in</strong>e Kollegen den alten Leuten das Essen gebracht haben. So was gibt es <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Heimat<br />

überhaupt nicht. Deswegen hat es mich sehr <strong>in</strong>teressiert.<br />

AS: Wie war das Verhalten von Mitarbeiter <strong>und</strong> Mitarbeiter<strong>in</strong>nen des Roten Kreuz Ihnen gegenüber?<br />

– Das war absolut nett. Das war total nett. Was ich jetzt erzählen kann, kommt dem gar nicht nah,<br />

wie ich es wirklich erlebt habe. Wirklich sie waren absolut nett. Sie haben mir erklärt was <strong>in</strong> dem<br />

Bereich gemacht wird <strong>und</strong> der Tagesablauf ausschaut. Sie haben mir erklärt was ich machen muss <strong>und</strong><br />

alles gut beobachtet.<br />

AS: Haben die Kollegen auf Ihre Sprachkenntnisse Rücksicht genommen?<br />

– Ja, sie haben mir alles langsam erklärt, damit ich alles verstehe. Wir s<strong>in</strong>d zu zwei Patient<strong>in</strong>nen<br />

gefahren um ihnen Essen zu liefern. Die erste Patient<strong>in</strong> war nicht Zuhause <strong>und</strong> wir haben die Nachbarn<br />

gefragt, ob sie was wissen. Dann s<strong>in</strong>d wir zu nächster Patient<strong>in</strong> gefahren. Dann am Nachmittag s<strong>in</strong>d wir<br />

wieder zur ersten Patient<strong>in</strong> gefahren.<br />

AS: Wie war das Verhalten der Patienten Ihnen gegenüber?<br />

– Ich habe mit den Patienten nicht direkt zu tun gehabt. Aber die Kollegen haben mit ihnen Spaß<br />

gemacht <strong>und</strong> waren sehr nett.<br />

AS: Können Sie sich vorstellen beim Roten Kreuz oder bei e<strong>in</strong>er anderen karitativen Organisation<br />

als Freiwillige tätig zu werden?<br />

– Ja, ich habe eher darüber nachgedacht. Wenn ich genug Zeit habe, wenn ich mit der Uni gut<br />

vorankomme, zwei, dreimal im Monat als Freiwillige beim Roten Kreuz zu arbeiten. Ich habe dort Leute<br />

getroffen, die seit vielen Jahren als Freiwillige beim Roten Kreuz arbeiten.<br />

AS: Nach Ihrer Beobachtung bei den Schnuppertagen worauf soll das Rote Kreuz achten, wenn wir<br />

mit e<strong>in</strong>er/e<strong>in</strong>em Patienten/<strong>in</strong> muslimischen Glauben zu tun hätten?<br />

– Ich habe mit diesem Teil wenig zu tun gehabt. Eigentlich besteht das Team aus e<strong>in</strong>em Mann <strong>und</strong><br />

e<strong>in</strong>er Frau, das ist wirklich sehr gut. Weil, wenn e<strong>in</strong>e muslimische Frau als Patient<strong>in</strong> da ist, wird die Frau<br />

aus dem Team zu ihr gehen können <strong>und</strong> alles erledigen. Aber wenn e<strong>in</strong> Mann zu e<strong>in</strong>er muslimischen<br />

Frau geht, glaube ich es würde ihrem muslimischen Mann nicht gefallen.<br />

AS: Bei den <strong>Muslimen</strong> gibt es bestimmte Speisemeidungen. Worauf sollten wir dabei achten? Sie<br />

haben von Essenslieferung gesprochen.<br />

– Ja, das ist sehr wichtig. Aber ich glaube man achtet sowieso darauf. Ich habe mich so gefreut, dass<br />

ich als Freiwilliger beim Roten Kreuz gearbeitet habe. Es war sehr <strong>in</strong>teressant. Ich habe sogar me<strong>in</strong>e<br />

Mutter angerufen <strong>und</strong> ihr davon erzählt. Ich f<strong>in</strong>de es so gut, dass man immer auf Hilfeleistung vorbereitet<br />

ist. Es muss nicht unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>e Katastrophe passieren.

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