MZ-74-11 – Oktober/November - Mänziger Zytig
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Alle Fotos: Théo Müller<br />
<strong>Oktober</strong>/<strong>November</strong> <strong>11</strong> mänziger zytig Nr. <strong>74</strong> 24 <strong>Oktober</strong>/<strong>November</strong> <strong>11</strong> mänziger zytig Nr. <strong>74</strong> 25<br />
THEMA: BRUNNEN UND WASSERVERSORGUNG<br />
THEMA: BRUNNEN UND WASSERVERSORGUNG<br />
Dorfbrunnen wandeln sich in ihrer Bedeutung<br />
Brunnen sind eine Zierde. Sie verschönern die Städte und Dörfer, bieten Gelegenheit für einen Halt, eine<br />
Erfrischung, einen Schwatz. Daneben sind sie Teil eines Notversorgungssystems, wenn die Wasserversorgung<br />
in die Häuser versagen sollte. Ursprünglich holten hier alle Menschen ihr Wasser.<br />
An der Haldenstrasse: «Ich habe schon allerlei Volk gesehen: Novizinnen, Nonnen,<br />
Seminaristinnen, Gymnasiasten. Habe neuerdings auch Serbokroatisch und Albanisch<br />
gelernt und freue mich auf neue Bekanntschaften mit dem Carmelvolk. Wenn mich<br />
der Abbruchhammer verschont, der hier aufräumen soll ...»<br />
Beim Institut: «Ich erhalte in Kürze einen würdigeren Standort auf dem neuen<br />
Klosterplatz: weniger lärmig, weniger gefährlich. Bestimmt macht man mich dann<br />
ganz schick, und es gibt eine Rieseneinweihung.»<br />
— Tony Mehr —<br />
Zürich gilt mit seinen über 1200 Brunnen als eine der<br />
brunnenreichsten Städte weltweit. 80 davon werden<br />
als sogenannte Notwasserbrunnen aus einem<br />
separaten Quellwassernetz gespeist.<br />
Auch Menzingen kennt das System der Notwasserbrunnen:<br />
sieben Brunnen, alle datierend aus dem<br />
Jahr 1870, erhalten ihr Wasser aus der Grundweid<br />
bei der Schwandegg und bilden einen in sich geschlossenen<br />
Wasserkreis. Sie dienten der Bevölkerung<br />
als Wasserstellen, bevor Wasser in den Häusern<br />
verfügbar wurde. Das liegt noch gar nicht so<br />
weit zurück: bloss drei bis vier Generationen.<br />
Wasser aus dem Sodbrunnen<br />
Auf den Höfen hatten die Bauern gewöhnlich Wasser<br />
aus eigenen Quellen. Das ist heute zum grossen<br />
Teil noch so. Im Dorf war aber die ganze Dorfgemeinschaft<br />
für Wasserbeschaffung und -verbrauch<br />
verantwortlich. Bevor man Wasser über lange Wasserleitungen<br />
herbeischaffen konnte, war man auf<br />
Sodbrunnen angewiesen: Man grub ein Loch in die<br />
INFORMATION<br />
Standorte der sieben Dorfbrunnen<br />
<strong>–</strong> Post<br />
<strong>–</strong> Oberdorfstrasse (hinter dem Haus Schwanen)<br />
<strong>–</strong> Kirchgasse (hinter dem Haus Schwert)<br />
<strong>–</strong> Dorfschulhaus<br />
<strong>–</strong> Neuhaus<br />
<strong>–</strong> Institut<br />
<strong>–</strong> Seminarstrasse<br />
Hinweis: Diese Brunnen werden durch die<br />
Schwandeggquellen gespiesen und durch die<br />
Dorfgenossenschaft (DGM) gewartet.<br />
Weitere Brunnen<br />
<strong>–</strong> Bumbachstrasse, beim Institut<br />
(dort befand sich früher das Waschhaus)<br />
<strong>–</strong> Spillmannbrunnen (bei der ehemaligen ZVB-Station)<br />
Hinweis: Diese beiden Brunnen werden ebenfalls durch<br />
die DGM gereinigt.<br />
<strong>–</strong> Schützenmatt<br />
<strong>–</strong> Eu (beim Feuerwehrdepot)<br />
Hinweis: Diese beiden Brunnen werden durch die DGM<br />
weder betrieben noch gereinigt.<br />
Hofbrunnen Meienberg:<br />
«Ich bin zufrieden: lebe meine<br />
ursprüngliche Bedeutung, spende<br />
mein Nass dem durstigen Vieh.»<br />
Tiefe, bis man auf Wasser stiess, dieses schöpfte man<br />
mit Eimern heraus. Die Schächte, Söde genannt,<br />
wurden oben mit Rundmauern abgeschlossen, ein<br />
Dächlein darüber schützte den Schacht vor Verunreinigung.<br />
1850 zählte man in Menzingen zwölf<br />
Söde.<br />
Am Bumbachweg stand die Waschhütte, wo die<br />
Wäsche gewaschen wurde. Die Dorfschaft war zuständig<br />
für Bau und Wartung der Söde und für den<br />
Betrieb der Waschhütte, z. B. für die Einteilung der<br />
Hausfrauen für ihren Waschtag.<br />
Dorfbrunnen mit Quellwasser<br />
In den vier Jahren 1854, 1859 und 1865 trat die<br />
Typhuskrankeit in Menzingen auf. Grund dafür war<br />
verunreinigtes Wasser. Es stammte aus Söden, deren<br />
Wasser vom Friedhof her kam. Mehrere Interventionen,<br />
unter anderem von zwei Ärzten und vom Sanitätsrat<br />
des Kantons, brachten die Einsicht, dass Quellwasser<br />
erworben und über eine Leitung ins Dorf geführt<br />
werden musste. Druck machte dabei auch das<br />
Polizeidepartement, das zwei Wassersammler für<br />
Brandfälle verlangte.<br />
1868 wurde die Wasserqualität der zu erwerbenden<br />
Quellen in der Grundweid bei der Schwandegg geprüft,<br />
und die Standorte für die Dorfbrunnen wurden festgelegt.<br />
1870, also vor genau 140 Jahren, wurden die<br />
Brunnen gebaut und aufgestellt. Bei den meisten findet<br />
sich diese Jahreszahl auf dem Stein eingezeichnet.<br />
Die Brunnen veränderten das Leben im Dorf merklich.<br />
Alois Staub schreibt in seiner Schrift «100 Jahre Dorfgenossenschaft<br />
Menzingen 1894<strong>–</strong>1994», in der wir die<br />
Informationen für diesen Artikel gefunden haben: «Für<br />
das Dorfleben wurden die Brunnen bald Treffpunkte<br />
der Hausfrauen für einen Schwatz mit den Nachbarinnen<br />
beim Wasserholen, für die Kinder ein köstlicher<br />
Spielplatz, für heimkehrende Bauern mit Fuhrwerken<br />
der Tränkeplatz der Zugtiere (...) Die Dorfbrunnen waren<br />
bald nicht mehr wegzudenken.<br />
Beim Feuerwehrdepot: «Ich weiss nicht, was ich da soll. Das Wasser für meinen Trog wurde<br />
sofort abgestellt: zu gefährlich, kleine Kinder könnten hineinfallen! Ich bin wohl eher ein<br />
Sarg. Mit Totenwächter davor!» (Dieser Brunnen ist nicht Teil des Notwassernetzes.)<br />
An der Kirchgasse/Wiesengasse: «Die hässlichen Autoboxen haben meinen Standort<br />
zum unwirtlichen Hinterhof gemacht. Wenigstens ist da noch der Schatten spendende<br />
Baum, und mein Plätschern erfreut die Menschen, die hier wohnen.»